060508 WOMAN

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060508 WOMAN
Interview für WOMAN, 8. Mai 2006
„Bitte keine Klischees“
WOMAN: Nach einem Leben als Ehefrau, Mutter und Hausfrau haben Sie in
einem Alter, in dem berufstätige Frauen in Pension gehen, die zeitintensive
Arbeit einer Präsidentengattin übernommen. Schon an die Umstellung
gewöhnt?
Margit Fischer: Ich habe jetzt einen spannenden „Fulltimejob“ aber ich habe
mich auch früher nicht gelangweilt. Jetzt verbringe ich so viel Zeit mit meinem
Mann wie nie zuvor. Das macht Freude und man lernt viele interessante
Menschen kennen.
WOMAN: Sie treffen bedeutende Persönlichkeiten, dinnieren mit
Staatsoberhäuptern, parlieren mit Entscheidungsträgern. Ist es Ihnen
gelungen, Frau Fischer zu bleiben?
Margit Fischer: Diese Frage müssten Sie Personen stellen, die mich schon
lange kennen. Ich hoffe, dass ich die bin, die ich immer war. Und dass ich
auch in der Wahrnehmung meiner Mitmenschen Frau Fischer oder einfach
„die Margit“ geblieben bin.
WOMAN: Womit haben Sie sich wirklich schwer getan?
Margit Fischer: Es war nicht einfach sich daran zu gewöhnen immer und
überall erkannt zu werden. Aber ich bin sehr berührt von der Freundlichkeit
der Menschen. Ich werde sehr oft angesprochen, ob auf der Straße, in einem
Kaffeehaus, oder in der U-Bahn. Und soviel Zuspruch von den Leuten tut gut.
WOMAN: Was in Ihrem Leben hätten Sie rückblickend lieber anders
gemacht?
Margit Fischer: Ach … (seufzt) das liegt weit zurück, so weit, dass ich nicht
beurteilen kann, ob es anders besser gewesen wäre. Es ist müßig darüber
nachzudenken. Vor allem wenn das über 40 Jahre zurückliegt.
WOMAN: ...eine Andeutung?
Margit Fischer: Früher hat es mich manchmal gekränkt, dass ich nicht gleich
nach der Matura ein Studium begonnen habe.
WOMAN: Gibt’s einen Fehler, wo Sie sagen: den würde ich jetzt nicht mehr
machen?
Margit Fischer: Ich habe aus allen Fehlern, die ich gemacht habe – bewusst
oder unbewusst – gelernt. Und somit haben sie auch ihren Sinn gehabt.
WOMAN: Was müsste getan werden, um der Politverdrossenheit der
Menschen generell und dem Desinteresse der Jugend im Besonderen
entgegen zu wirken?
Margit Fischer: Jede Generation hat ihre eigenen Probleme und Hoffnungen,
die von der Gesellschaft zum Teil erfüllt und nicht erfüllt werden. Ich finde
nicht, dass die Jugend desinteressiert ist. Ich persönlich kenne viele
engagierte junge Leute. Es ist ein Vergnügen, mit ihnen zusammen zu sein.
Außerdem schöpft man doch enorm viel Kraft aus Gesprächen mit jungen
Leuten.
WOMAN: Sie sind ein sehr politischer Mensch, Ihr Mann hört auf Sie, er
bindet Sie in seine Entscheidungen ein. Wären Sie selbst gerne Politikerin?
Margit Fischer: Für mich ist jeder ein Politiker, der sich für die Allgemeinheit
engagiert. Und das habe ich auf meine Weise auch immer gemacht. Man
muss dazu nicht eine bestimmte öffentliche Funktion innehaben.
WOMAN: Auf Ihrem Schreibtisch landen stapelweise Briefe, in denen Sie
gebeten werden, die Schirmherrschaft zu übernehmen. Nach welchen
Kriterien wählen Sie die Projekte aus, die Sie unterstützen?
Margit Fischer: Einen eigenen Kriterienkatalog gibt’s dafür nicht. Allgemein
kann man sagen, dass die Projekte österreichweit laufen sollten und eine
gewisse Breitenwirkung haben. Und natürlich unterstütze ich vor allem jene,
mit denen ich mich identifizieren kann, und die für mich Sinn machen.
WOMAN: Derzeit gibt es wieder einmal hitzige Debatten aufgrund der
sinkenden Geburtenraten. Mütter und Nichtmütter werden gegeneinander
ausgespielt. Was muss geschehen, damit Frauen wieder mehr Kinder
bekommen?
Margit Fischer: Wir müssen ganz intensiv daran arbeiten, eine
kinderfreundliche Gesellschaft zu schaffen, dass Kinder in der Gesellschaft
wieder eine wichtige Rolle spielen, und nicht als Belastung angesehen
werden (müssen). Ich wünsche mir, dass jedes Kind, das zur Welt kommt, ein
Wunschkind ist.
WOMAN: Empfinden Sie unsere Gesellschaft denn als kinderfeindlich?
Margit Fischer: In mancherlei Hinsicht ja. Kinder sollten auf alle Fälle den
Raum erhalten, der ihnen zusteht. Kinder haben andere Bedürfnisse und
Wünsche als Erwachsene. Und soweit wie möglich sollten ihnen diese auch
erfüllt werden.
WOMAN: War es vor dreißig Jahren einfacher Kinder zu haben?
Margit Fischer: Nein, das glaube ich nicht. Als ich meine Kinder bekommen
habe, hat das Umdenken gerade begonnen. Es gab schon damals die
Diskussion über arbeitende und nicht arbeitende Mütter. Viele meiner
Schulkolleginnen sind zurück in den Beruf gegangen. Und manche, die es
nicht getan haben, bereuen ihre Entscheidung. Vor allem jene, deren Ehen
gescheitert sind, und die nun unter finanziellen Problemen zu leiden haben.
WOMAN: Sie sind bei den Kindern geblieben. Hadern Sie damit?
Margit Fischer: Nein, mein Leben war auch damals sehr erfüllt. Mein Mann
hat mich in seine Arbeit immer eingebunden. So konnte ich sowohl Mutter als
auch politisch mit meinem Mann aktiv sein.
WOMAN: Was brauchen Mütter?
Margit Fischer: Die Wahlfreiheit. Jede Mutter sollte die Möglichkeit haben zu
entscheiden, ob sie daheimbleiben oder berufstätig sein möchte.
WOMAN: Justizministerin Karin Gastinger und die grüne Vizechefin Eva
Glawischnig erwarten ein Baby. Glauben Sie, dass es Mütter in der Politik
schwerer haben?
Margit Fischer: Nicht schwerer, als eine Frau, die in einer vergleichbaren
Position in einem wirtschaftlichen Unternehmen arbeitet.
WOMAN: Starre Rollenbilder machen sowohl Frauen als auch Männern zu
schaffen. Gibt es dafür eine Lösung?
Margit Fischer: Ich bin eine Anhängerin des differenzierten Betrachtens und
halte nichts von Klischees. Es gibt Väter, die genauso viel Verantwortung
übernehmen wie die Mütter und andere, die das nicht tun.
WOMAN: Solange Männer im Durchschnitt um ein Drittel mehr verdienen,
wird die Entscheidung oft auch aus finanziellen Gründen getroffen …
Margit Fischer: … auch in diesem Punkt ist die Gesellschaft gefordert. Es
kann nicht sein, dass gleiche Arbeit unterschiedlich entlohnt wird. Aber
abseits dessen ist es für viele wohl auch bequem sich ihren Part im Leben
auszusuchen und dem anderen den Rest zu überzulassen. Ich nehme jedoch
nicht an, dass Partnerschaften in denen Entscheidungen auf diese Art
getroffen werden, ein Leben lang halten.
WOMAN: Welche Frauenanliegen sind für Sie die dringlichsten?
Margit Fischer: Gleichberechtigung und Fairness. Frauen sollten ohne
Nachteile Kinder bekommen und ihren Beruf ausüben können. Die
Vereinbarkeit ist sicher nicht immer einfach. Aber Arbeit ist nun einmal eine
Lebensgrundlage und stärkt auch den Selbstwert. Nur wer ein in sich
ruhender Mensch ist, kann seine Kinder gut erziehen. Das gilt natürlich
sowohl für Mütter, als auch für Väter
WOMAN: Theoretisch können Frauen alles erreichen. Wenn es nicht die
gläserne Decke gäbe …
Margit Fischer: Wir sind hinten nach, das stimmt. Anders als in vielen
Ländern, die schon wesentlich früher begonnen haben qualifizierte und der
Arbeitssituation angepasste Kinderbetreuung zur Verfügung zu stellen. In den
nordischen Ländern werden karenzierte Väter weder belächelt, noch beruflich
benachteiligt.
WOMAN: Wie viel Solidarität braucht eine Gesellschaft?
Margit Fischer: Ein sehr hohes Maß. Wir brauchen in unserer heutigen Welt
ein gesellschaftliches Auffangnetz. Im engeren und im weiteren Sinn.
Solidarität fängt in der Familie an und zieht sich durch alle Lebensbereiche.
WOMAN: Wofür lohnt es sich zu kämpfen?
Margit Fischer: Für mehr Gleichheit, für soziale Gerechtigkeit und für einen
gesicherten Lebensabend.
WOMAN: Was kann der Einzelne tun, um die Welt zu verbessern?
Margit Fischer: Niemals aufhören, sich zu engagieren.
WOMAN: Ihre persönliche Bilanz nach zwei Jahren?
Margit Fischer: Schon der Wahlkampf war eine interessante Zeit, die ich
nicht missen möchte. Ich habe die Solidarität der Menschen gespürt und den
Zusammenhalt. In den zwei Jahren seit dem Amtsantritt meines Mannes hat
sich das noch vertieft. Dieser Lebensabschnitt ist eine wirkliche Bereicherung
für mich.

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