Palmsonntag – Jesu Einzug in Jerusalem

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Palmsonntag – Jesu Einzug in Jerusalem
Palmsonntag – Jesu Einzug in Jerusalem
Der Altar ist in der Zeit ungeschmückt, Musikinstrumente dürfen im Gottesdienst nur
sparsam benutzt werden. Es gibt ein Abstinenzgebot bei den Mahlzeiten. Mit
Fastenzeit verbindet man Kargheit und Verzicht. In diese Zeit fällt aber auch der
Palmsonntag, ein Fest, dessen Stimmung nicht in diese Zeit zu passen scheint.
Ich verbrachte die letztjährige Fastenzeit in Jerusalem und nahm so auch am
grossen Palmsonntag-Umzug teil. Ich sage bewusst Umzug, um den Unterschied zu
den Prozessionen, die hierzulande heute üblich sind zu verdeutlichen. Tausende von
Begeisterten Leuten hatten sich auf den Weg gemacht, um auf den Spuren von
Jesus in Jerusalem einzuziehen. Man besammelte sich bei der Kirche Bethphage.
Der Ort liegt im Osten auf dem gegenüberliegenden Hang des Ölbergs, wodurch
keine direkte Sicht auf Jerusalem möglich ist. Gitarren und Trommeln begleiteten die
Gruppen auf ihrem Weg, jede mit ihrem eigenen Gesang. Die Menge durchmischte
sich, überall waren lachende Gesichter zu sehen. Immer wieder ein fröhlicher Zuruf
von Links oder Rechts: HOSIANNA!! Palmwedel wurden mir in die Hand gedrückt
und die Trommelrhythmen verleiteten zum Tanzen. Man freute sich zusammen auf
Jerusalem zulaufen zu können. Auf dem Ölberg kam der Augenblick, wo der Blick auf
die Jerusalemer Altstadt freigegeben wurde. Der Haram al-sharif, der grosse Platz
auf dem zur Zeit Jesus der herodianische Tempel stehen musste blendete gelblich
weiss und die goldene Kuppel des Felsendoms stach in ihrem Glanz hervor. Vor sich
sah man, wie die Spitze des Zuges schon lange das Stadttor erreicht haben musste.
Doch die Stimmung war auf dem Höhepunkt und liess nicht mehr nach, bis sich
innerhalb der Stadtmauern bei St. Anna die Gruppen wieder aufteilten, um sich auf
den Heimweg zu machen. Ich weiss nicht wie weit den Leuten damals bewusst war,
dass man sich fünf Tage später wieder am selben Ort treffen würde, in anderer, einer
sogar entgegengesetzten Stimmung. Dann würden Kreuze mitgetragen. Einen
solchen Stimmungsumschwung hatte ich noch nie erlebt. Es ist wohl unmöglich, die
historische Situation genau zu rekonstruieren, aber ähnlich muss es damals
Menschen ergangen sein, die zusammen mit Jesus nach Jerusalem hineingezogen
waren. Sie hofften, in den nächsten Tagen zusammen mit Jesus das Pessachfest
feiern zu können. Dass mit seinem Auftreten, so was wie eine neue Zeit begann,
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mussten sie erahnt und erlebt haben. Verstehen konnten sie es aber erst eine
Woche später. So zeichnen auch alle Evangelisten den Einzug von Jesus in
Jerusalem. Er steht am Anfang des Wirkens Jesu in Jerusalem, am Anfang der
Woche, die die Entscheidung bringen wird. Auf das kommende wird hingedeutet. Der
Prophet Sacharja hatte Jerusalem prophezeit: Jauchze, Tochter Jerusalem! Siehe,
dein König kommt zu dir. Er ist gerecht und hilft; er ist demütig und reitet auf einem
Esel.“ Markus lässt Jesus auf einem Esel in Jerusalem einziehen. Lukas geht noch
weiter und die Jünger sprechen den Anspruch sogar aus. Sie rufen Jesus als König
zu. Also den Titel, den später Pilatus ans Kreuz schreiben wird. Bei Matthäus kündigt
sich die kommende Auseinandersetzung am deutlichsten an. Als Jesus in Jerusalem
einzieht, bebt die Stadt. Es scheint als ob sie sich erinnern würde. Denn ungefähr
dreissig Jahre zuvor hatten drei Magier in Jerusalem nach einem neugeborenen
König gefragt, was damals schon ganz Jerusalem mitsamt seinem damaligen König
Herodes erbeben liess. Nur wenige Tage nach Jesu Einzug würde die Stadt
nochmals ein Beben erleben. Am Trocknesten, aber klarsten spricht es Johannes
aus. Die Ausrufe der Volksmenge und Jesus Einzug auf einem jungen Esel, dies
hätten sie alles nicht verstanden. Die Bedeutung seines Einzugs sei ihnen aber erst
klar geworden, als er nach dem Kreuzestod auferstand.
Das Osterereignis prägt Markus, Lukas, Matthäus und Johannes so sehr, dass
aufgrund ihrer Beschreibungen des Einzugs Jesu in Jerusalem kaum ein historischer
Ablauf des Ereignisses ermitteln lässt. Im gleichen Masse ist es in Jerusalem die
Osterfreude, die die Umzugsmenge am Palmsonntag in ausgelassener Fröhlichkeit
feiern lässt. Eine Fröhlichkeit, bei der Trauer und Leid nicht ausgeklammert werden
können. Es ist nämlich die Via Dolorosa mit den 14. Stationen des Kreuzwegs, die
von St. Anna zur Grabeskirche führt, wo während der Osternacht das neue Licht
hinausgetragen wird mit der guten Nachricht: „Christos anästi – Christus ist
auferstanden!!!“
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