Beschluss Oberlandesgericht Dresden

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Beschluss Oberlandesgericht Dresden
Oberlandesgericht
Dresden
Aktenzeichen: Verg 0007/11
1/SVK/028-11 Landesdirektion Leipzig
Beschluss
des Vergabesenats
vom 30.09.2011
In der Vergabesache
Antragstellerin und Beschwerdeführerin
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Prozessbevollmächtigte:
gegen
Antragsgegner und Beschwerdegegner
Prozessbevollmächtigte:
wegen Kosten
-
- 2 -
hat der Vergabe senat des Oberlandesgerichts Dresden ohne
mündliche Verhandlung durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Bastius,
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Piel und
Richterin am Oberlandesgericht Riechert
beschlossen:
1.
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird
der Beschluss der 1. vergabekammer des Freistaates
Sachsen bei der Landesdirektion Leipzig vom 30.08.2011
- 1/SVK/028-11 - in Ziffer 4. aufgehoben. Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten für
den Auftraggeber und Antragsgegner wird für nicht notwendig erklärt.
2.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.
3.
Der Gegenstandswert
des Beschwerdeverfahrens
wird auf
191,50 EUR festgesetzt.
G r
Ü
n d e
I .
Der
Antragsgegner hat
mit europaweiter
Bekanntmachung vom
05.02.2011 die Sammlung, den Transport und die Verwertung
von Abfällen ausgeschrieben. Die Antragstellerin hat sich
an den Vergabeverfahren beteiligt. Ihr ist mit Schreiben
vom 09.06.2011 mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei,
einem Konkurrenten den Zuschlag zu erteilen, weil die
Antragstellerin nicht das Angebot mit dem niedrigsten Preis
abgegeben habe. Die Antragstellerin hat mit Anwaltsschreiben
vom 10.06.2011 die beabsichtigte Vergabe für die Lose 1.4
- 3 -
und 2.4 gerügt. Der Rüge ist nicht abgeholfen worden. Die
Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 15.06.2011 einen
Antrag auf Nachprüfung gestellt. Sie hat insbesondere beanstandet, dass der Antragsgegner ein Informationsschreiben
nicht entsprechend
übersandt habe.
den Anforderungen von
Des Weiteren
§
101 a Abs. 1 GWB
hat sie eine fehlerhafte Wer-
tung gerügt und geltend gemacht, dass der Konkurrent rechtswidrige Unterpreisangebote mit Verdrängungsabsicht abgegeben
habe. Der Antragsgegner hat durch seine anwaltlichen Vertreter hierzu Stellung genommen. Die Antragstellerin hat ihren
Nachprüfungsantrag zurückgenommen.
Die 1. Vergabekammer des Freistaates Sachsen hat durch
Beschluss vom 30.08.2011 der Antragstellerin die Kosten
des Verfahrens auferlegt und in Ziffer 4 die Hinzuziehung
eines Verfahrensbevollmächtigten für den Auftraggeber - den
Antragsgegner des vorliegenden Verfahrens - für notwendig
erklärt.
Gegen den am 30.08.2011 zugestellten Beschluss hat die
Antragstellerin mit am 02.09.2011 eingegangenem Schriftsatz
sofortige Beschwerde eingelegt. Sie begehrt die Entscheidung
insoweit aufzuheben, als die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für den Auftraggeber für notwendig erklärt
und sie verpflichtet worden ist, diesem die durch die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten entstandenen Auslagen zu erstatten.
Der Antragsgegner tritt dem entgegen.
11.
Die sofortige
Erfolg.
Beschwerde ist
zulässig und hat in der Sache
1.a) Die
sofortige
Beschwerde
ist
statthaft,
§ 116 Abs. 1 Satz 1 GWB.
Die Kostengrundentscheidung
oder
ein
Teil
derselben
kann
gemäß
-
§
4
-
128 Abs. 1 Satz 2 GWB i.V.m.
§
22 Abs. 1 VwKostG an-
gefochten werden.
Die
sofortige Beschwerde
ist form-
und
fristgerecht
eingelegt worden.
b} Die sofortige Beschwerde ist begründet.
Die
Hinzuziehung
für
den
§
eines
Antragsgegner
Verfahrensbevollmächtigten
war
128 Abs. 4 Satz 4 GWB i.V.m.
nicht
§
notwendig
gemäß
80 Abs. 2 VwVfG.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senates
(vgl.
Beschluss vom 02.02.2004 - WVerg 17/03 -; Beschluss
vom 01.10.2007 - WVerg 8/07; Beschluss vom 06.01.2010
- WVerg 8/03 -; Beschluss vom 22.02.2010 - WVerg 1/10)
ist die Frage, ob die Zuziehung eines Bevollmächtigten
erforderlich war und die hieraus entstandenen Kosten
damit zu den notwendigen Aufwendungen der Vergabestelle
i.S.d.
§
80 Abs. 1 Satz 3 VwVfG gehören, nach dem indi-
viduellen Streitstoff des einzelnen Nachprüfungsverfahrens zu beurteilen.
Erschöpfen sich die darin aufgeworfenen Probleme in der
Auseinandersetzung darüber, ob die Vergabestelle das
von ihr im Rahmen des streitbefangenen vergabeverfahrens ohnehin zu beachtende "materielle" vergaberecht
zutreffend angewandt hat, d. h. im Wesentlichen die Bestimmungen
wird
der Verdingungsordnung eingehalten sind, so
die Beauftragung eines Rechtsanwaltes zur Vertre-
tung des Auftraggebers vor der Vergabekammer regelmäßig
nicht notwendig sein. Denn dann ist - zumindest bei
größeren Auftraggebern, die Vergaben nicht nur in Einzelfällen ausführen - der Kernbereich der Tätigkeit betroffen, deren
Ergebnisse zu rechtfertigen eine Verga-
bestelle grundsätzlich auch ohne anwaltlichen Beistand
in der Lage sein muss.
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Dieser Bereich ist überschritten, wenn wesentliche
Streitpunkte im
Nachprüfungsverfahren sich
gerade
aus dessen "prozessualer" Ausgestaltung ergeben. Das
Gleiche
gilt grundsätzlich,
wenn zum Streitstoff
gemeinschaftsrechtliche Probleme gehören, von denen in
der Regel nicht wird erwartet werden können, dass
Vergabestellen sich mit ihnen ohne anwaltliche Unterstützung abschließend
auseinanderzusetzen vermögen.
Denn in beiden Konstellationen geht es nicht mehr ausschließlich um die Pflicht zur Anwendung der in eigener
verantwortung des Auftraggebers stets zu beachtenden
materiellen Vergaberegeln.
Vorliegend war die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für den Antragsgegner nicht notwendig. Zwar
waren im Nachprüfungsverfahren nicht nur das gewöhnliche Maß nicht übersteigende materielle Fragen, sondern
auch ein verfahrensrechtliches Problem des Vergaberechtes zu behandeln. Dieses war aber nur einfach gelagert
und erschöpfte sich in einer Beanstandung des Informationsschreibens. Eine Reaktion hierauf sollte dem mit
einem Justitiar ausgestatteten Antragsgegner auch ohne
anwaltliche Hilfe möglich gewesen sein.
Das Gebot der Waffengleichheit erfordert die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten nicht. Allein
der
Umstand, dass die Antragstellerin sich eines
anwaltlichen Vertreters bedient, kann die Notwendigkeit
der Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten auf
Auftraggeberseite nicht begründen.
2.
Die Kostenentscheidung
78 GWB.
3.
Die Festsetzung des Gegenstandswertes des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus dem Kosteninteresse der
Antragstellerin. Die Geschäftsgebühr für die Vertretung
im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren vor der
beruht
auf
§§
120 Abs. 2,
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Vergabekammer bemisst sich für einen Rechtsanwalt nach
RVG-VV-Nr. 2301 (vgl. BGH Beschluss vom 23.09.2008
- X ZB 19/07 - zitiert nach Juris). Aus dem Gegenstandswert von 3.650,00 EUR (5 % von 73.000,00 EUR für
die in Rede stehenden Lose 1.4 und 2.4) ergibt sich
eine 0,7 Geschäftsgebühr i.H.v. 171,50 EUR zuzüglich
20,00 EUR Auslagenpauschale, mithin 191,50 EUR.
Bastius
Piel
Riechert