30 Jahre Praxis der AGB-Verbandsklage

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30 Jahre Praxis der AGB-Verbandsklage
30 Jahre Praxis der AGB-Verbandsklage
Gutachten im Auftrag des
Verbraucherzentrale Bundesverbandes
Juni 2008
Erstellt von Dr. jur. Friedrich Bultmann
Rechtsanwalt in Berlin
Kontakt:
Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv)
Markgrafenstraße 66, 10969 Berlin
Fachbereich Finanzdienstleistungen / Kollektiver Rechtsschutz
[email protected]
Übersicht
I. Zusammenfassung des Gutachtens
II. Gliederung
III. Langfassung
IV. Anhang mit den Gesetzestexten
11 Seiten
4 Seiten
123 Seiten
11 Seiten
1. Kapitel: Die Entstehung des AGB-Gesetzes
I. Die Ausgangslage
II. Reformbestrebungen und Gesetzgebungsverfahren
III. Novellierungen des AGB-Gesetzes
IV. Zusammenfassung des 1. Kapitels
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2. Kapitel : Die Entwicklung des Vertragsrechts durch Verbandsklageverfahren
I. Einleitung: Untersuchungsgegenstand und Methode
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II. Neuwagen- und Gebrauchtwagenhandel
1. Rechtsprechung zu Klauseln in Gebrauchtwagenverträgen
a) Gewährleistungsausschlussklauseln
b) Lieferfristklauseln
c) Klauseln mit Bezug auf Inzahlungnahme
d) Vollmachtsbegrenzung und Nebenabreden
e) Anzahlungsklauseln
2. Neuwagenverkaufsbedingungen
a) Preisanpassungsklauseln
b) Gewährleistungsklauseln
c) Verzugsschaden / Zinsen
d) Schriftformklauseln
e) Lieferfristklauseln
f) Haftungsbegrenzung
3. Auswertung und Zusammenfassung
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III. AGB des Möbelhandels
1. Lieferfristen / Lieferverzug
2. Annahmeverzug des Käufers
3. Leistungsänderungsvorbehalte
4. Wertminderungs- und Gebrauchsüberlassungspauschale
5. Bestätigung zu Maßangaben
6. Rücktrittsvorbehalt des Verkäufers
7. Gewährleistungsregelung
8. Auswertung und Zusammenfassung
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II
IV. A) AGB der Pauschalreiseverträge
1. Zahlungsklauseln
a) Anzahlungsklauseln
b) Vorkasseklauseln
c) Stornopauschalen
2. Preisänderungsklauseln
3. Leistungsänderungsklauseln
4. Haftungsbegrenzungsklauseln
a) Haftungsbegrenzung auf den dreifachen Reisepreis
b) Haftungsausschluss für Einzelleistungen
c) Pass-, Visa- und Zollbestimmungen
5. Gewährleistungsklauseln
a) Mängelanzeigeklauseln
b) Mitwirkungsklauseln
6. Rücktrittsrecht des Reiseveranstalters
7. Auswertung und Zusammenfassung
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IV. B) Beförderungsbedingungen der Fluggesellschaften
1. Haftungsbegrenzung
2. Leistungsänderung
3. Preisänderungsklauseln
4. Leistungseinschränkung
5. Auswertung und Zusammenfassung
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V. Allgemeine Geschäftsbedingungen der Versicherungen
1. Laufzeitklauseln
2. Wissenschaftlichkeitsklausel
3. Prämienanpassungsklausel
4. Leistungsausschluss / Vorerkrankungen
a) Restschuldversicherung
b) Kreditlebensversicherung
c) Reisekrankenversicherung
5. Untersuchungspflicht im Krankenversicherungsvertrag
6. Ausschlussfristen in der Unfallversicherung
7. Bedingungsanpassungsklauseln
8. Schweigepflichtentbindungserklärung
9. Bezugsrecht in der Lebensversicherung
10. Auslandsreisekrankenversicherung
11. Kündigung im Schadensfall
12. Auswertung und Zusammenfassung
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VI. Banken AGB
1. Verrechnungsklauseln
2. Schufa-Klausel
3. Vorfälligkeit bei Zahlungsverzug
4. Stundungsklausel
5. Darlehensablösungsklausel
6. Bürgenklausel
7. Trennungsklausel bei Einwendungsdurchgriff
8. Lohnabtretungsklausel
9. Bevollmächtigungsklausel
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III
10. Wertstellung im Überweisungsverkehr
11. Tilgungsverrechnungsklausel
12. Entgeltklauseln
a) Mahnkosten
b) Entgelt für die Bareinzahlung und Barauszahlung
c) Gebühr für Ersatzsparbuch
d) Kontopfändungsgebühr
e) Bearbeitung von Freistellungsaufträgen
f) Lastschriftrückgabe/ Nichtausführung eines Auftrages
g) Gebühr für Löschungsbewilligung
13. Auswertung und Zusammenfassung
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VII. AGB der neuen Medien
1. AGB der Mobilfunkverträge/ Internettelefonie
a) Leistungsänderungsklausel/ Preisänderung
b) Haftungsklausel
c) Vertragsweitergabeklausel
d) Bankauskunftsklausel
e) Lastschrifteinziehungsermächtigung
f) Deaktivierungsgebühr
g) Verfall des Guthabens
h) Anschlusssperre / Zahlungsverzug
i) Onlinerechnung
2. AGB der Online-Dienste
a) Leistungsänderung
b) Nutzungsbeschränkungen
c) Bedingungsänderung
d) Haftungsregelungen
e) Datenschutz und Urheberrecht
3. Auswertung und Zusammenfassung
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VIII. AGB der Altenheim- und Pflegeheimverträge
1. Selbstbestimmungsrecht des Heimbewohners
2. Erstattung des Pflegegeldes bei Abwesenheit
3. Entgelttransparenz
4. Preisänderungsklausel
5. Haftungsbeschränkung
6. Kündigungsklausel
7. Auswertung und Zusammenfassung
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IX. Von der Rechtsprechung zur Rechtssetzung
1. Verbandsklageverfahren, Schuldrechtsreform und Gewährleistung
2. AGB-Verbandsklage und Pauschalreiserichtlinie
3. Verbandsklageverfahren und VVG-Reform
4. Verbandsklageverfahren und Heimgesetz
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X. Vertragsergänzung nach Unwirksamkeit einer Klausel
1. Geltungserhaltende Reduktion und teilbare Klauselgestaltungen
2. Ergänzende Vertragsauslegung
XI. Zusammenfassung des 2. Kapitels
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103
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IV
3.Kapitel: Von der AGB-Verbandsklage zum Unterlassungsklagegesetz
I. Novellierungen des Verfahrensrechts
II. Klagebefugnis
III. Abmahnung/ Wegfall der Wiederholungsgefahr/ Vertragsstrafe
IV. Einstweilige Verfügung
V. Zusammenfassung des 3. Kapitels
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108
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4. Kapitel: Ausblick und Perspektiven
1. AGB der Energieversorger Elektrizität, Gas, Wasser
2. AGB im Gesundheitsbereich
3. AGB für Finanzdienstleistungen
4. AGB der Bauverträge
5. Defizite der Verbandsklage
6. Zusammenfassung des 4. Kapitels
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Kurzfassung des Gutachtens im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbandes
30 Jahre Praxis der AGB- Verbandsklage
erstellt von Dr. jur. Friedrich Bultmann
Rechtsanwalt in Berlin
Juni 2008
Es gilt heute als weitgehend anerkannt, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen im
Wirtschaftsleben unverzichtbar sind. Sie dienen der Rationalisierung von Vertragsabschlüssen
und schaffen gleichbleibende, verlässliche Vertragsstandards, die auch im Interesse der
Verbraucher sind. Dass damit eine Benachteiligung der Vertragspartner des Verwenders
verbunden ist, ist nicht zwangsläufige Folge. Ausschlaggebend ist vielmehr der Inhalt. Mit
dem AGB-Gesetz wird eine Kontrolle auf gesetzlicher Grundlage geschaffen. Die
Entscheidung für eine Inhaltskontrolle mit Verbotskatalogen und einer Generalklausel
erweist sich bis heute als problemadäquate Lösung, die bisher keiner Novellierung bedufte.
Das gilt auch für die begleitenden Vorschriften zur Einbeziehung und Auslegung von
Allgemeinen Geschäftsbedingungen und zum Vorrang der Individualabrede.
Die Novellen des AGB-Rechts gehen vor allem auf den Einfluss des Gemeinschaftsrechts
zurück, haben aber den Kern der Inhaltkontrolle zu keiner Zeit berührt. Im Gegenteil: Zwar
wurden AGB-Probleme von Anfang an als Verbraucherschutzprobleme erkannt. Es hat aber
nicht an Versuchen gefehlt, dem AGB-Gesetz den Charakter eines Verbraucherschutzgesetzes
abzusprechen und darin nur die Normierung eines allgemeinen Vertragsrechtsproblems zu
sehen. Dieser Tendenz wirkt die Richtlinie 93/13/EG entgegen, die ausdrücklich die Lösung
der Vertragsprobleme im Zusammenhang mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen als
Verbraucherproblem behandelt. Die Ergänzungen des AGB-Gesetzes durch den § 24a AGBG
ist dafür Beleg. In die gleiche Richtung geht auch die Umsetzung der Richtlinie 98/27/EG
zum
kollektiven
Rechtsschutz
bei
Verstößen
gegen
verbraucherschützende
Rechtsvorschriften.
Die Entscheidung für ein geeignetes Kontrollverfahren erwies sich schon in der
Entstehungsgeschichte des AGB-Gesetzes als schwierig. Die vorgeschlagenen Modelle
begegneten durchweg erheblichen Bedenken. Für die Aufstellung von Muster-AGB fehlten
angeblich geeignete Akteure auf der Verbraucherseite. Muster-AGB sollen die Innovationen
erschweren. Das Behördenmodell galt als ineffizient, weil die bereits vorhandenen Kontrollen
durch Behörden die Verbreitung unangemessener Vertragsklauseln nicht verhindert hatten.
Das schließlich Gesetz gewordene Verbandsklageverfahren ist gemeinsamer Nenner der
politischen Akteure, fand aber auch die Zustimmung der Verbraucherseite und der Wirtschaft,
nicht zuletzt auf Grund der Erfahrungen mit der Verbandsklage im Gesetz gegen unlauteren
Wettbewerb. Deren angeblich missbräuchliche Ausnutzung durch sogenannte
Gebührenvereine sollte mit den erhöhten Anforderungen an die Klagebefugnis im AGBGesetz begegnet werden. Bis heute ist aber die Kritik an der verfahrensrechtlichen
Ausgestaltung des Verbandsklageverfahrens nicht verstummt. 1
Insgesamt ist festzuhalten, dass das AGB- Gesetz in seiner Grundstruktur eine gelungene
Problemlösung ist, die im Verfahren noch zu verbessern ist. Dazu einige Beispiele aus der
Rechtsprechung.
1
Micklitz, MüKo UKlaG v. § 1 Rnr. 25 ff. ; Verf. Verklagen oder verhandeln, 1995, 158, 201
2
1) Eines der ersten Verfahren, das bis zum BGH geführt wurde, war für die Verbraucherseite
ein Fehlschlag. Der BGH hat in diesem Verfahren den völligen Gewährleistungsausschluss im
Gebrauchtwagenhandel erneut für zulässig erklärt und damit seine Rechtsprechung aus der
Zeit vor Inkrafttreten des AGB-Gesetzes bestätigt. Der Gewährleistungsausschluss sollte als
Ausdruck wirtschaftlicher Vernunft verstanden werden. Begründet wird dies vor allem damit,
dass der Käufer eines Gebrauchtwagens ausreichend Möglichkeiten hat, sich gegenüber dem
Verkäufer auf vielfältige Weise vor einer Übervorteilung zu schützen, indem er den Wagen
Probe fährt, um eine Diagnose auf eigene Kosten bittet und darauf achtet, dass ihm wichtig
erscheinende Angaben des Verkäufers zum Zustand des Fahrzeuges in den schriftlichen
Vertrag aufgenommen werden. Der BGH legt seiner Entscheidung damit ein
Verbraucherleitbild zugrunde, das über den mündigen Verbraucher hinausgeht. Auf die
Vertragsgestaltung kann der Käufer eines Gebrauchtwagens bei einem Händler nur dann
Einfluss nehmen, wenn er rechtskundig ist und verhandlungssicher auftreten kann.
Mit der Schuldrechtsreform von 2002 ist das Problem dadurch entschärf worden, dass im
Verbrauchsgüterkauf lediglich eine Verkürzung der Verjährungsfrist für den
Gewährleistungsanspruch bei gebrauchten Waren auf ein Jahr zulässig ist.
Durchgehend unzulässig sind Klauseln zur Inzahlungnahme eines Gebrauchtwagens. Hierfür
gilt die Grundaussage des BGH, wonach der Preis des in Zahlung gegebenen Fahrzeuges
individuell ausgehandelt und nachträglich nicht verändert werden dürfe. Damit sichert er den
in Zahlung gebenden Gebrauchtwagenkäufer vor Inanspruchnahme aus §§ 364, 365 BGB.
Im Neuwagenhandel stehen Regelungsbereiche im Preisänderungsrecht, Liefervereinbarungen
und Gewährleistungsrechte im Vordergrund. Preisänderungsvorbehalte und Lieferfristen
waren entsprechend der damaligen Marktsituation mit sehr langen Lieferfristen für bestimmte
Automarken für Kfz- Händler von zentraler Bedeutung: Mit Preisänderungsvorbehalten
sollten gestiegene Kosten zwischen Vertragsabschluss und Auslieferung aufgefangen werden.
Lieferfristklauseln sollten die Möglichkeit zur Vertragsauflösung durch den Käufer
einschränken. Für beide Bereiche hat der BGH enge Grenzen gesetzt. Bei Lieferfristen bis zu
vier Monaten werden Preiserhöhungen gleich aus welchem Rechtsgrund ausgeschlossen. Für
Verträge mit längeren Lieferfristen sind Preiserhöhungen im Grundsatz zulässig, aber nur
aufgrund gestiegener Kosten, die in der Klausel anzugeben sind und unter Einräumung eines
Rücktrittsrechts des Vertragspartners. Diese Grundsätze hat der BGH in der Folgezeit auf
Preisänderungsklauseln in nahezu allen Bereichen übernommen. Soweit kommt den
Entscheidungen zum Kfz-Handel die Funktion von Grundsatzentscheidungen zu.
2) Zentrale Bereiche in den Geschäftsbedingungen der Möbelkaufverträge betreffen
Nachfristen bei Lieferverzug, Rechtsfolgen einer Nichtabnahme durch den Käufer und
Gewährleistungseinschränkungen.
Das Verbot unangemessen langer Nachfristen wird von der Rechtsprechung für den
Möbelhandel dahin konkretisiert, dass Nachfristen von mehr als 4 Wochen in jedem Fall
unangemessen sind. Bei Nichtabnahme der Möbel durch den Käufer werden
Abstandszahlungen geregelt, die nach Auffassung des BGH mit 25 % des Kaufpreises
angemessen sind. Dagegen haben die Vereinbarung von Lagergeld, Haftungsfreizeichnungen
bei Annahmeverzug durch den Käufer und pauschalierte Wertminderungssätze in der
Rechtsprechung keinen Bestand. Erfolglos bleiben dagegen die Versuche der
Verbraucherseite,
Gewährleistungseinschränkungen durch Klauseln in denen auf
„handelsübliche Abweichungen“ oder „handelsübliche Qualität“ verwiesen wird, zu
3
verhindern. Die Entscheidung des BGH von 1987 2 , mit der diese Klauseln gebilligt werden,
haben bis heute Bestand. Einschränkungen gelten lediglich für unrichtige Maßangaben.
3) Verbandsklageverfahren zu AGB in Reiseverträgen sind erfolgreich, wenn es um die
Konkretisierung strittiger Rechtsfragen geht, vor allem zum gesetzlichen Haftungs- und
Gewährleistungsrecht gemäß §§ 651 h, 651 c BGB. Daraus ist die Tendenz der
Rechtsprechung abzulesen, den Leistungsanspruch des Reisenden auf die vertraglich
vereinbarte Reise vor nachträglichen Einschränkungen und Verschlechterungen zu schützen.
Dem gleichen Ziel entspricht die Rechtsprechung mit der Untersagung von
Rücktrittsmöglichkeiten des Reiseveranstalters. Dagegen gelingt die Konkretisierung weder
in Bezug auf Preisänderungen noch in Bezug auf Leistungsänderungen.
Preisänderungsklauseln haben in den neueren Entscheidungen ein Ausmaß an Differenzierung
angenommen, das mit der gebotenen Klarheit und Eindeutigkeit nicht in Einklang zu bringen
ist. Welcher Reisende soll aus diesen Klauseln entnehmen können, ob eine ihm abverlangte
Preisänderung zulässig ist? Die Rechtsprechung hilft mit Urteilen, in denen diese Klauseln für
unwirksam erklärt werden, nicht wirklich weiter.
Das gleiche gilt für Leistungsänderungen. Aus den Ergebnissen der Verbandsklageverfahren
ist nicht zu erkennen, unter welchen Voraussetzungen, Leistungsänderungen für den
Reisenden zumutbar und damit zulässig sein sollen.
Preisklauseln werden zwar für unzulässig erklärt, scheitern in Verbandsklageverfahren aber,
wenn es um konkrete Zahlen geht. In der Vorkassenetscheidung von 1987 ist der BGH der
Argumentation der Verbraucherseite nicht gefolgt, wonach der Reisende einen Teil des
Reisepreises bis zum Abschluss der Reise zurückbehalten können sollte. Stornopauschalen
werden eher aus formalen Gründen für unzulässig erklärt, nicht wegen der absoluten Höhe der
Prozentsätze. Klauseln, die eine Anzahlung in Höhe von bis zu 20 % des Reisepreises
verlangen, sind nach neuester Rechtsprechung nicht zu beanstanden.
Eine Reihe von Problemen des Reisevertragsrechts, die Gegenstand von
Verbandsklageverfahren waren, sind durch Umsetzung der Reiserichtlinie 3 behoben worden.
Die Behandlung des Vorkasseproblems im Verbandsklageverfahren hat zwar in der
Entscheidung des BGH vom 12.03.1987 ein vorläufiges Ergebnis erreicht, konnte aber das
Zentralproblem der Insolvenzabsicherung nicht befriedigend lösen. Weder die Zahlung einer
Anzahlung von 10 % des Reisepreises und die Restzahlung kurz vor Reiseantritt, noch die
Aushändigung qualifizierter Reiseunterlagen mit einem Leistungsanspruch gegen die
Leistungsträger schützt Verbraucher davor, dass Reiseveranstalter nach Zahlung des
Restreisepreises vor Reiseantritt insolvent werden und die Reise damit ausfällt.
Die ausführliche Diskussion in der rechtwissenschaftlichen Literatur hat Eingang gefunden in
die EU-Reiserichtlinie 4 vom 13.06.1990. Gemäß Artikel 7 der Richtlinie hat der Veranstalter
nachzuweisen, dass im Falle der Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses die Erstattung
gezahlter Beträge und die Rückreise des Verbrauchers sichergestellt sind. Vergleichbare
Insolvenzausfallsicherungen gab es zuvor schon in zahlreichen anderen europäischen
Ländern. Nur in Deutschland hat der BGH sich darauf beschränkt, strenge Voraussetzungen
an die Zulässigkeit der Vorauskasse zu formulieren, die das Kernproblem aber nicht lösen.
2
BGH v. 12 03.1987- VII ZR 37/86 NJW 1987, 1886
Richtlinie 90/314/EWG v. 13.06.1990 in ABl. EG Nr. L 158, S. 59
4
EG-Richtlinie 90314 EWG vom 13.06.1990 ABl. EG-Nr. L 158 , S. 59 ff
3
4
Der deutsche Gesetzgeber hat mit Gesetz vom 24.06.1994 5 den § 651 k BGB neu eingefügt
und die Reiseveranstalter verpflichtet, sicherzustellen, dass dem Reisenden der gezahlte
Reisepreis sowie Reiseleistungen
infolge Zahlungsunfähigkeit oder Eröffnung des
Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Reiseveranstalters, erstattet werden, sowie
Aufwendungen, die dem Reisenden für die Rückreise entstehen.
Die Absicherung kann durch Abschluss einer Versicherung oder über ein Kreditinstitut
erfolgen.
Zwei weitere Regelungsbereiche des Pauschalreiserechts sind nach Verbandsklageverfahren
in Gesetzesregelungen über den Weg der Richtlinie übernommen worden.
Gemäß § 651 a Abs. 3 BGB kann der Reisepreis nur erhöht werden, wenn dies mit genauen
Angaben zur Berechnung des neuen Preises im Vertrag vorgesehen ist und die Erhöhung auf
gesetzlich definierten Kostensteigerungen beruht. Diese Kostenfaktoren sind:
•
•
•
Erhöhung der Beförderungskosten
Abgaben wie Hafen – oder Flughafengebühren
Änderungen der Wechselkurse.
Ab dem 20. Tag vor dem vereinbarten Abreisetermin kann eine Preiserhöhung, gleich aus
welchem Rechtsgrund, nicht mehr verlangt werden.
Diese Regelung entspricht der Argumentation der Verbraucherverbände
Verbandsklageverfahren und den Urteilsgründen der Gerichte evident.
in
den
Die gesetzliche Regelung des Leistungsänderungsrechts in § 651 a Abs. 4 BGB entspricht
ebenfalls der Argumentation der Verbraucherverbände in Verbandsklageverfahren. Das
Gesetz berücksichtigt, dass der Reisende nicht nur das Recht erhält, bei Preis- oder
Leistungsänderungen vom Vertrag zurückzutreten (womit ihm in der Hauptreisezeit nicht
geholfen ist), sondern, dass der Reiseveranstalter verpflichtet ist, dem Reisenden
Alternativreisen anzubieten. Der Reisende hat das Recht die Teilnahme an einer mindest
gleichwertigen anderen Reise zu verlangen.
4) Die AGB der Fluggesellschaften sind geprägt von ihrem Bezug zu internationalen
Rechtsregeln und dem Bedürfnis der Fluggesellschaften nach Preisflexibilität. Wegen der sich
ausbreitenden Angebote sogenannter Billigflieger kommt in den AGB der Fluggesellschaften
den Klauseln zur Preisänderung ein besonderer Stellenwert zu. Trotz der
grenzüberschreitenden
und
damit
internationalrechtlichen
Anknüpfung
der
Flugbeförderungsverträge ist das Bestreben der Rechtsprechung erkennbar, das nationale
AGB-Recht zur Anwendung zu bringen, wie zuletzt in der Entscheidung des Kammergerichts
in dem Verfahren des VZBV gegen Air Baltic. Ob angesichts der fortschreitenden EURechtsvereinheitlichung der vom BGH in Sachen Lufthansa im Jahre 1993 betonte Vorrang
des nationalen Rechts heute noch gilt, ist fraglich6 . Die Frage der Rechtswahl und der
Anwendung des AGB-Rechts berührt aber keinen Kernbereich der Inhaltskontrolle, soweit es
um die Verträge mit Anbietern aus anderen Staaten der EU geht, die vergleichbaren
5
BGBl I S. 1322
EU Fluggastrechte VO trägt zu einer weitergehenden Vereinheitlichung verbraucherschützender
Standards bei.(Fundst.)
6
5
Rechtsstandards unterliegen. Die Entscheidung des Kammergerichts hätte deswegen auch auf
der Grundlage baltischen AGB-Rechts zum selben Ergebnis geführt.
Nicht unproblematisch ist das Bemühen in AGB mit internationalem Bezug vollständige
Aufzählung aller in Betracht kommenden Tatbestände des jeweiligen Regelungsbereichs, wie
es insbesondere für das angloamerikanische Recht typisch ist. Gerade umfangreiche und
detaillierte AGB-Regelungen sind dem Risiko ausgesetzt wegen einzelner
Tatbestandsmerkmale die Verbotstatbestände des AGB-Rechts zu erfüllen.
5) Im Versicherungsbereich ist festzustellen, dass zentrale Bereiche des Vertragsrechts zu
Vertragslaufzeit und Kündigung, Prämien- und Bedingungsänderung sowie zur
Leistungseinschränkung in Verbandsklageverfahren einer gerichtlichen Klärung zugeführt
wurden.
Uneinheitlich sind die Ergebnisse der Rechtsprechung zu Klauseln, die entweder einen
Risikoausschluss oder eine Modifizierung der Leistung enthalten. Während die
Wissenschaftlichkeitsklausel keinen Bestand hat, entscheiden die Oberlandesgerichte zu
Vorerkrankungsklauseln unterschiedlich. Eine höchstrichterliche Rechtsprechung steht hierzu
soweit ersichtlich bisher aus.
Grundpfeiler des Versicherungsvertragsrechts werden in Verbandsklageverfahren vom BGH
nicht in Frage gestellt, dazu gehören die Fristenregelung der Unfallversicherung und die
Inhaberklausel der Lebensversicherung. Unergiebig ist die Rechtsprechung, wenn zu
zentralen Fragen des Versicherungsvertragsrechts die Revision nicht erreicht wird. Hier wirkt
sich der dreigliedrige Instanzenweg für Verbandsklageverfahren negativ auf die schnelle und
effiziente Klärung strittiger Fragen aus.
Auffällig ist, dass jeweils in zeitlichen Zusammenhang mit Verbandsklageverfahren mit
Gesetzesänderungen auf einige dieser Klageverfahren reagiert wurde. Die Laufzeitänderung
in § 8 VVG wurde mehrfach geändert. Für Verträge, die bis zum 01.01.1991 geschlossen
wurden, enthielt das Gesetz keine Bestimmung über eine zulässige Höchstlaufzeit. Dies war
Grundlage der Verbandsklageverfahren. Für Verträge, die nach dem 01.01.1991 geschlossen
wurden, regelte das in § 8 Abs. 3
VVG novellierte Gesetz 7 erstmals eine
Laufzeitbeschränkung. Danach konnte ein Versicherungsverhältnis, das für eine Dauer von
mehr als drei Jahren eingegangen wurde, zum Ende des dritten Jahres oder jedes darauf
folgenden Jahres mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden. Dies galt allerdings
dann nicht, wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer schriftlich vor Abschluss des
Vertrages auch Verträge für die Dauer von einem Jahr, drei, fünf und zehn Jahren angeboten
hatte und dabei auf Verträge mit einer Dauer von 5 und mehr Jahren einen Prämiennachlass
gewährte, dessen Vomhundertsatz mindestens der Dauer der Laufzeit entsprach.
Nachdem der BGH Versicherungsverträge mit einer Laufzeit von fünf Jahren für mit dem
AGB-Gesetz für vereinbar erklärt hatte, erfolgte eine erneute Novellierung von § 8 Abs. 3
VVG mit Gesetz vom 21.07.1994. 8 Danach galt für Verträge, die nach dem 24.06.1994
geschlossen wurden, die Fassung von § 8 Abs. 3 VVG bis zur VVG– Reform 2008. Danach
kann ein Versicherungsverhältnis, das für die Dauer von mehr als fünf Jahren eingegangen
worden ist, zum Ende des fünften und jedes darauf folgenden Jahres mit einer Frist von drei
Monaten gekündigt werden. Dies gilt nicht für Lebens- und Krankenversicherungsverträge.
7
8
Gesetz vom 17.12.1990 BGBl I S. 2864
BGBl. I S. 1630
6
Die Kündigungsmöglichkeit des Versicherungsnehmers aufgrund einer Prämienerhöhung
wurde erstmals mit Gesetz vom 17.12.1990 9 in § 31 VVG eingeführt. Zugleich wurde das
Kündigungsrecht an die Bedingung geknüpft, dass das Entgelt pro Jahr nicht mehr als um 5 %
des zuletzt gezahlten Beitrages oder um mehr als 25 % des Erstbetrages steigt. Mit einer
erneuten Änderung von 1994 10 entfielen die Voraussetzungen für das Kündigungsrecht,
soweit sie an bestimmte Prozentsätze geknüpft sind.
6) Die Ergebnisse der Rechtsprechung zu Banken AGB zeigen, dass Entgelte im weitesten
Sinne zu den zentralen Problemen gehören. Entgelte i. d. S. sind nicht nur Gebühren, sondern
auch Zinsberechnungsklauseln. Probleme bereitet in Verbandsklageverfahren, das für jede
einzelne Entgeltart die Anwendbarkeit der Inhaltskontrolle erneut überprüft werden muss. Die
Begründungen des BGH lassen allerdings folgende grundsätzliche Leitlinien erkennen:
Der Begriff der Preisklauseln wird sehr eng gefasst, so dass nahezu alle Gebührentatbestände
einer Inhaltskontrolle unterzogen werden. Wesentlicher Anknüpfungspunkt ist, ob die Bank
tatsächlich eine eigene Leistung erbringt. Dabei verwendet der BGH rechtsdogmatisch
unterschiedliche Begründungen. Entgeltklauseln, die als wirksam angesehen werden, sind
entweder angemessen, weil sie keine Benachteiligung des Kunden i. S. v. § 307 Abs. 2 BGB
enthalten (Stundungsklausel) oder weil sie als echter Preis für eine Bankleistung gemäß § 307
Abs. 3 BGB nicht der Inhaltskontrolle unterliegen (Gebühr für Ersatzsparbuch). Soweit der
BGH die Klauseln einer Inhaltskontrolle unterzieht und mit Einschränkungen für wirksam
erklärt, handelt es sich um Preisklauseln, die gleichwohl einer Angemessenheitskontrolle
unterzogen werden. So hat der BGH die Postenpreise im Preisverzeichnis als
Kontoführungsgebühren gewertet, aber mit der Wirksamkeitsbedingung verknüpft, dass für
Ein- und Auszahlungen auf das eigene Girokonto unmittelbar im Preisverzeichnis 5
Freiposten vorzusehen sind. Die mit der Tilgungsverrechnung verbundene Zinsberechnung
nach dem Stand des Kapitals am Ende des Vorjahres wird einerseits als berechtigte Zins- und
Preisgestaltung bewertet. Wirksam ist sie aber nur, wenn dieser nicht offen ausgewiesene
Preis für den Bankkunden hinreichend deutlich erkennbar ist, konkret durch Verknüpfung
der Verrechnungsklausel mit der Ratenzahlungsvereinbarung. Gerade diese Bewertung dürfte
im Hinblick auf die inzwischen gestiegenen Anforderungen an die Transparenz einer AGBKlausel kaum haltbar sein. Der Satz des BGH: „Preise für Bankleistungen sind offen
auszuweisen“, kann hier als Grundsatz gelten 11 .
Dieser Grundsatz führt aber nicht dazu, dass Preise jeder Art allein deshalb zulässig sind, weil
sie offen ausgewiesen werden. Einschränkungen macht der BGH insoweit, als es sich um
Entgelte handelt für eine Leistung, die entweder als Eigenleistung der Bank oder als Erfüllung
vertraglicher oder gesetzlicher Verpflichtungen anzusehen ist. Zu den Eigenleistungen gehört
die Pflicht der Bank, vor Ausführung einer Überweisung oder Einlösung einer Lastschrift,
entsprechende Kontodeckung zu prüfen. Zu den (entgeltfreien) Vertragsleistungen gehört die
Entgegennahme und Auszahlung von Bargeld auf das eigene Girokonto (Verwahrungsvertrag,
bzw. Darlehenstilgung) und die Erteilung einer Löschungsbewilligung
zu einem
Hypothekendarlehen. Erfreulicherweise erteilte der BGH dem Versuch eine Absage, die
missbilligten Entgelte durch interne Anweisungen und entsprechende Handhabung in der
Vertragspraxis wieder einzuführen. Die entgeltfreie Erfüllung allgemeiner gesetzlicher
Verpflichtungen liegt nach Ansicht des BGH in der Bearbeitung von Freistellungsaufträgen
9
BGBl I S. 2864
Gesetz vom 21.07.1994,BGBl I , S. 1630
11
vgl. Nobbe WM 2008, 185 ff
10
7
und Kontopfändungen. Ausgehend von diesen Leitlinien ist die Wirksamkeit von
Entgeltklauseln in den Preisverzeichnissen der Banken und Sparkassen auf der Grundlage der
Inhaltskontrolle zu beurteilen.
7) Vertragstypisch für die Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Mobilfunk- und
Internettelefonverträgen sind Leistungsänderungen, Preisänderungen, Klauseln zur
Anschlusssperre und Klauseln zum Lastschrifteinziehungsverfahren. Soweit die Klauseln eine
Übermaßregelung enthalten, werden sie von der Rechtsprechung durchgehend für unwirksam
erklärt. Das gilt insbesondere für Bedingungen, die vermutlich auf eine Übersetzung von
Vertragsbedingungen aus einem anderen Rechtsbereich ohne Anpassung an das Deutsche
AGB-Recht zurückgehen.
Leistungseinschränkungen sind grundsätzlich nicht wirksam, wenn sie als Grund der
Änderung technische Gegebenheiten nennen. Zur Wirksamkeit einer Klausel bedarf der
Begriff der technischen Gegebenheiten weiterer Konkretisierung.
Klauseln, wonach ein Guthaben auf einer Telefonkarte nach Ablauf einer bestimmten Frist
verfällt, sind nur wirksam, wenn die Frist für den Verfall nicht kürzer ist als die gesetzliche
Verjährungsfrist.
Die Sperre eines Telefonanschlusses kann nicht wegen eines geringfügigen
Zahlungsrückstandes verfügt werden. Es sollte ergänzt werden, dass eine Sperre auch dann
nicht in Betracht kommt, wenn der Teilbetrag aus einer Rechnung strittig ist. Sinn und Zweck
der Anschlusssperre ist der Schutz des Anbieters vor Verlusten aufgrund einer nachhaltigen
Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungsunwilligkeit seines Vertragspartners. Dieser Schutz kann
nicht bereits dann einsetzen, wenn geringfügige Rechnungsbeträge rückständig sind (so die
Ergebnisse der Verbandsklageverfahren). Der Schutz ist aber auch dann nicht angemessen,
wenn der Kunde begründete Einwendungen gegen einzelne Rechnungsposten erhebt.
Die Lastschrifteinziehungsermächtigung ist zwar kein Zahlungsverfahren, das auf
Mobilfunkverträge beschränkt ist. Es zeichnet sich aber ab, dass je nach Art und Höhe der
Geldschuld (geringe Beträge zu festen Terminen, hohe oder wechselnde Beträge zu
unterschiedlichen Terminen) die Verpflichtung zur Erteilung einer wirksamen
Einziehungsermächtigung an unterschiedliche Bedingungen geknüpft wird. Für
Mobilfunkverträge gibt der BGH für die Wirksamkeit einer Klausel eine Karenzzeit von
mindestens 5 Tagen zwischen Rechnungszugang und Abbuchungszeitpunkt vor. Diese
Voraussetzungen dürften für andere Lastschrifteinziehungsermächtigungen ebenfalls gelten.
8)
Die
Bedingungen
der
Online-Dienste-Anbieter
enthalten
unzulässige
Leistungseinschränkungen und Leistungsänderungen. Sie sind gekennzeichnet von dem
Bestreben der Anbieter, ein höchstmöglichstes Maß an Leistungs-, Bedingungs- und
Preisflexibilität zu erreichen. Zugleich ist die Nutzung von Downloads mit einer
Verfügungsbeschränkung
zu
lasten
des
Verbrauchers
verbunden,
die
als
Leistungseinschränkung nur unter engen Voraussetzungen wirksam sein kann. Die
Ergebnisse aus dem Abmahnverfahren des VZBV bieten Gelegenheit zu einer grundlegenden
Klärung der damit verbundenen Rechtsfragen. Diese betreffen zunehmend urheber- und
datenschutzrechtliche Fragen.
8
9) Die Ergebnisse der Verbandsklageverfahren zu den Bedingungen der Alten – und
Pflegeheimverträge zeigen, dass in diesem Bereich vertragsrechtliche Regelungen durch
öffentlichrechtliche Regelungen, insbesondere des Sozialrechts überlagert werden.
Symptomatisch hierfür ist die Entscheidung des BGH vom 03.02.2005 zur
Entgelttransparenz. Es fällt außerdem auf, dass die vertragsrechtlichen Inhalte der
Heimverträge durch das Heimgesetz weiteren Gestaltungsmöglichkeiten enge Grenzen setzen.
Die AGB-rechtliche Kontrolle bleibt letztlich auf die Einhaltung der Bestimmungen des
Heimgesetzes begrenzt.
Ob Verbraucherrechte in diesem Bereich noch gewahrt werden können, wenn die
Leistungsträger der Pflegeversicherung den Inhalt der Heimverträge wesentlich bestimmen,
ist zumindest fraglich. Da der Heimbewohner auch bei Inanspruchnahme der Leistung aus der
Pflegeversicherung einen nicht unerheblichen Teil der Kosten selbst zu tragen hat und die
Interessen der Heimbewohner nicht vollständig deckungsgleich sind mit den Interessen der
Pflegeversicherung, muss befürchtet werden, dass eine sich fortsetzende Tendenz der
Rechtsprechung, wie sie in dieser Untersuchung festgestellt wurde, zu einer weiteren
Verkürzung der Rechte des Heimbewohners führt, die auch mit Mitteln der Inhaltskontrolle
über entsprechende Vertragsgestaltungen kaum zu verhindern sind.
Die Entscheidung des BGH vom 03.02.2005 12 wonach in den AGB der Heimverträge nicht
die Verpflichtung besteht, die Entgelte für Unterkunft und Verpflegung getrennt anzugeben,
soweit die Entgelte aufgrund von Vereinbarungen mit der Pflegeversicherung zu tragen sind,
hat inzwischen zu einer gesetzgeberischen Reaktion geführt. Mit dem
Pflegeweiterentwicklungsgesetz vom 14.03.2008 hat der Gesetzgeber die Gelegenheit
genutzt, in § 87 S. 1 SGB IX die Wörter „für Unterkunft und Verpflegung“ durch die Wörter
„für die Unterkunft und für die Verpflegung jeweils getrennt“ zu ersetzen. Damit haben die
Partner der Pflegesatzvereinbarungen künftig die von den Pflegebedürftigen zu zahlenden
Entgelte für die Unterkunft und für die Verpflegung jeweils gesondert auszuhandeln und zu
vereinbaren. Die Regelung soll zur Harmonisierung mit den heimrechtlichen Vorschriften
beitragen. In § 5 Abs. 3 S. 3 HeimG ist die Aufgliederung der Leistungsbestandteile ebenfalls
vorgesehen, worauf sich der VZBV zur Begründung der Unwirksamkeit entsprechender
Klauseln berufen hatte.
Mit der Neufassung der Regelungen zur Pflegeversicherung und der damit verbundenen
Harmonisierung der Bestimmungen über die Angabe von Pflegeentgelten sind die Bedenken
des BGH gegen die Unwirksamkeit von Klauseln, die eine einheitliche Angabe des Entgeltes
für Unterkunft und Verpflegung vorsehen, entfallen. Im Ergebnis ist damit dem Anliegen des
VZBV Rechnung getragen. Mit der Gesetzesänderung zu § 87 S. 1 SGB IX sind Klauseln in
Altenheimverträgen, die das Entgelt für Unterkunft und für Verpflegung nicht getrennt
angeben, künftig unwirksam.
Das Anliegen der Verbraucherverbände, Klauseln die Wirksamkeit zu versagen, die bei
Abwesenheit des Bewohners bis zu drei Tagen keine Kostenerstattung vorsehen, konnte sich
nicht durchsetzen. Die Erwägungen des BGH in seiner Entscheidung vom 27.10.2005 13 sind
in das Pflegeweiterentwicklungsgesetz vom 14.03.2008 übernommen worden. Dort ist in §
87 a) Abs. 1 SGB IX ausdrücklich bestimmt, dass in den Rahmenverträgen gemäß § 75 nur
für Abwesenheitszeiträume ab drei Tagen Abschläge von 25 von 100 der Pflegevergütung der
Entgelte für Unterkunft und Verpflegung vorzunehmen sind. Damit bleibt es bei der in der
12
13
BGH v. 03.02.2005 – III ZR 411/04 (Fundst)
BGH vom 27.10.2005 – III ZR 59/05 in NJW 2005, 3632
9
Rechtsprechung des BGH bereits zugrunde gelegten Beurteilung, wonach eine Abwesenheit
von bis zu drei Tagen keinerlei Erstattungspflicht auslöst, selbst dann nicht, wenn der
Bewohner öfter nur kurzzeitig den Heimaufenthalt unterbricht.
10) Insgesamt zeigen die Ergebnisse der Rechtsprechung, dass es in Verbandesklageverfahren
durchgehend gelungen ist, strittige Rechtsprobleme einer höchstrichterlichen Klärung
zuzuführen. Dabei werden AGB-Klauseln inzwischen überwiegend anhand der
Generalklausel (früher § 9 AGBG, jetzt § 307 BGB) beurteilt. Maßstab für die Beurteilung ist
die Rechtslage nach Vertragsrecht, die auch gelten würde, wenn keine Allgemeinen
Geschäftsbedingungen verwendet werden. Damit ist ein wichtiges Ziel des AGB-Gesetzes
erreicht, die Rückführung des Vertragsinhalts auf die gesetzlichen Bestimmungen.
11) Dieser Befund gilt mit zwei Ausnahmen: Klauseln, die Preisnebenabreden enthalten oder
den Leistungsinhalt modifizieren und für die insoweit keine gesetzlichen Regelungen als
Maßstab zur Verfügung stehen, werden einer Billigkeitskontrolle unterzogen, die im Kern auf
den Gesichtspunkt von Treu und Glauben zurückgeht. Beispiele hierfür sind die Preisklauseln
im
Bankenbereich
und
Leistungsklauseln
im
Versicherungsbereich
(Wissenschaftlichkeitsklausel)
und
im
Bereich
der
Pauschalreisen
(Leistungsänderungsklausel).
Grenzen erreicht die Kontrollkompetenz in AGB-Verbandsklageverfahren, wenn es um
konkrete Zahlen geht. Nur ausnahmsweise gelingt die Prüfung einer Schadenspauschale
wegen der konkret genannten Höhe der Pauschale (Mahngebühr im Bankenbereich). In den
meisten Verfahren werden derartige Klauseln nicht wegen der Höhe der konkret geregelten
Pauschale beanstandet, sondern wegen nicht gesetzeskonformer Formalien (Stornopauschalen
im Reisebereich, Abnahmeverzugspauschalen im Möbelhandel). Im Übrigen werden
Zahlungsklauseln mit konkreten Euro- bzw. DM-Beträgen mit der Begründung für
unwirksam erklärt, der Verwender habe darauf dem Grunde nach keinen Anspruch
(Bearbeitung von Freistellungsaufträgen, Gebühr für Löschungsbewilligungen im
Bankenbereich, Gebühr für Pfändungsbearbeitung).
12) Der relativ früh entwickelte Grundsatz der unangemessenen Benachteiligung gemäß § 9
AGBG wegen Intransparenz hat im Laufe der Zeit an Bedeutung ständig zugenommen. Im
Bankenbereich sind unter Anwendung dieses Grundsatzes eine Reihe von Klauseln für
unwirksam erklärt worden (Wertstellung, Tilgungsverrechnung). Unter diesem Gesichtspunkt
werden auch Klauseln über Leistungsänderungen, Bedingungsanpassungen und
Urheberrechts- bzw. Datenschutzregelungen in den AGB der neuen Medien beanstandet.
13) Soweit die Rechtsprechung auf der Grundlage der Generalklausel branchenübergreifende
Standards geschaffen hat (Preisänderungen in Dauerschuldverhältnissen und Verträgen mit
Lieferfristen über vier Monate), wäre zu überlegen, diese Standards in Klauselverbote mit
oder ohne Wertungsmöglichkeiten in die §§ 308 oder 309 BGB zu übernehmen. Damit könnte
erreicht werden, dass die Verbindlichkeit dieser Standards gesetzlich festgelegt wird und die
Rechtssicherheit für AGB-Verwender erhöht wird. Mit dieser Transformation kann zugleich
verhindert werden, dass die Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit im Laufe der Zeit leer
laufen, weil deren Vorgaben weitgehend beachtet werden. Es ist aus der Studie zu erkennen,
10
dass in der Anfangsphase der Klageverfahren Klauseln häufiger wegen Verstoßes gegen §§
10 oder 11 AGBG untersagt wurden, als in den zeitlich späteren Verfahren.
14) Zu den Ergebnissen der Verbandsklageverfahren gehört die Beobachtung, dass mehrfach
die gesetzlichen Grundlagen nach dem Ergebnis von Verbandsklageverfahren gestaltet
werden. Beispiele hierfür sind die Laufzeitklauseln im Versicherungsbereich und die
Vorkasseklauseln im Pauschalreisebereich. Die generelle Ablehnung der geltungserhaltenden
Reduktion hat sich weitgehend durchgesetzt, wird aber durch die von der Rechtsprechung,
insbesondere durch die des Bundesgerichtshof, praktizierte Beurteilung zur Teilbarkeit von
Klauseln teilweise wieder zurückgenommen. Für die Praxis der Verbandsklage ist dies
solange ohne Auswirkung, wie den Entscheidungen die Reichweite einer Klauseuntersagung,
eines Klauselteils oder eines Teilinhalts zu entnehmen sind. Dies führt gegebenenfalls zu
einer gewissen Unkalkulierbarkeit des Prozesskostenrisikos, wenn wegen eines zu
weitgehenden Klageantrags in Bezug auf den Klauseltext eine Teilabweisung erfolgt.
15) Wichtige Vertragsbereiche bedürfen aufgrund der Deregulierung und der Privatisierung
weiterhin und verstärkt einer Kontrolltätigkeit in Bezug auf die in Verbraucherverträgen
zugrunde gelegten Geschäftsbedingungen. Zu den deregulierten Märkten gehören die
Energieversorger und die neuen Medien, insbesondere auch im grenzüberschreitenden
Angebot von Dienstleistungen z. B. im Internet.
Eine besondere Aufmerksamkeit
verdienen die Vertragsklauseln im Bereich der
Finanzdienstleistungen vor allem wegen der Novelle des Versicherungsvertragsgesetzes und
der vielfältigen Gesetzesänderungen zum Kapitalanlagerecht.
Wegen der hohen finanziellen Risiken
und der bekanntermaßen besonderen
Konfliktanfälligkeit sind Maßnahmen erforderlich, gegebenenfalls auch durch
Verbandsklageverfahren, um in Bauverträgen und Verträgen über den Verkauf von
Fertighäusern die berechtigten Belange von Verbrauchern als Bauherren oder Käufer in
AGB-Klauseln zu sichern.
16) Mit den Novellierungen der verfahrensrechtlichen Bestimmungen des AGB-Gesetzes und
mit der Schaffung des UKlaG sind inzwischen eine Reihe von ursprünglich vorhandenen
Defiziten des Kontrollverfahrens behoben worden. Dies betrifft die gesetzliche Regelung der
Abmahnung und damit der Unterlassungserklärung als Voraussetzung für den Wegfall der
Wiederholungsgefahr. Dazu gehört auch die Vereinfachung der Einleitung von einstweiligen
Verfügungsverfahren und die Begrenzung des Prozesskostenrisikos durch die Einführung der
Streitwertbegünstigung in § 5 UKlaG.
17) Zu den Defiziten gehört der Wegfall des Informationssystems gemäß § 20 AGBG ohne
angemessenen Ersatz und die begrenzte Breitenwirkung selbst höchstrichterlicher
Entscheidungen. Nachteilig ist auch, dass ein Verfahren zur Folgenbeseitigung und damit
zum Ausgleich von Ansprüchen der durch unwirksame AGB-Klauseln benachteiligten
Verbraucher bisher nicht geschaffen wurde. Zwar ist die ursprünglich in § 21 AGBG
geregelte Drittwirkung auch in § 11 UKlaG übernommen worden. Eine Ausweitung dieser
Drittwirkung etwa dahin, dass sich auch Vertragspartner anderer als des verurteilten
Verwenders auf die gerichtlich festgestellte Unwirksamkeit einer Klausel berufen können
11
oder gar dahin, dass der verurteilte Verwender verpflichtet wird, seine Vertragspartner so zu
stellen, als wäre die unwirksame Klausel nicht Vertragsbestandteil geworden, wurde nicht
eingeführt. Die Wirksamkeit von Verbandsklageverfahren könnte durch weitere Änderungen
erhöht werden. Zu überlegen sind eine Verkürzung des Instanzenzuges, die Aufstellung von
Muster AGB mit Leitbildfunktion und eine größere Verbindlichkeit von höchstrichterlichen
Entscheidungen.
18) Ob und inwieweit die Vorschriften über die Zuständigkeit deutscher Verbraucherverbände
zur Einleitung von Unterlassungsverfahren bei grenzüberschreitender Verwendung von
Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausreichend sind, bleibt abzuwarten. Mit der Einführung
von § 4a UKlaG durch das Gesetz zur Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze bei
innergemeinschaftlichen Verstößen 14 hat der Gesetzgeber auf der Grundlage der Verordnung
2006/2004 EG einen ersten Schritt in diese Richtung getan. Die Notwendigkeit die
Kontrollkompetenz der klagebefugten Verbände, insbesondere der Verbraucherverbände in
diese Richtung zu erweitern, ist bereits abzulesen an den Verfahren zu den Bedingungen der
Fluggesellschaften und der Anbieter von Internetdienstleistungen. Sie wird in Zukunft noch
verstärkte Bedeutung erlangen.
19) Besondere Schwierigkeiten bereitet die Folgenbeseitigung unwirksamer Klauseln.
Anschauliche Beispiele hierfür liefern Preisnebenabreden und Klausen zu
Rückkaufwertberechnungen im Versicherungsbereich. Sie sind Anschauungsmaterial für die
vielfältigen Probleme, die bei Rückforderung rechtsgrundlos gezahlter Beiträge auf der
Grundlage unwirksamer Klauseln durch Verbraucher entstehen. Hiergegen bietet sich an, die
Sammel- oder Einziehungsklage gemäß Art. 1 § 3 Nr.8 Rechtsberatungsgesetz (a. F.)
ausdrücklich auf derartige Ansprüche auszudehnen. Allerdings müsste das Verfahren noch in
mancher Hinsicht vereinfacht werden.
Als Ergebnis bleibt festzustellen, dass die Kontrollfunktion der Verbraucherverbände im
AGB-Bereich, durch wenige, aber nachhaltige gesetzgeberische Maßnahmen, um ein
Vielfaches effizienter ausgestaltet werden könnte. Letztendlich wäre dann mit geringfügig
höherem finanziellem Aufwand die Bereinigung des Rechtsverkehrs von Allgemeinen
Geschäftsbedingung zu steigern.
14
BGBl. I, S. 3367
Vorwort
Diese Studie zur Praxis der AGB-Verbandsklage wurde im Auftrag des Verbraucherzentrale
Bundesverbandes erstellt. Der VZBV ist hervorgegangen aus der Verschmelzung der
Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AgV), der Stiftung Verbraucherinstitut (VI)
und des Verbraucherschutzvereins (VSV). Als Nachfolgeorganisation des VSV nimmt der
VZBV seit Ende 2000 das AGB-Klagerecht zusammen mit den Verbraucherzentralen der
Bundesländer war.
Ziel der Untersuchung ist eine Bestandsaufnahme zu Ergebnissen der Rechtsprechung in
Verbandsklageverfahren zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen wichtiger Vertragsbereiche.
Vorangestellt ist die historische Entwicklung zur Entstehung des AGB-Gesetzes. Die Studie
dient zugleich der Dokumentation der Verbandsklagetätigkeit und der Entwicklung des
Verfahrensrechts. Sie soll Grundlage sein für rechtspolitische Überlegungen zum weiteren
Ausbau des kollektiven Rechtsschutzes im Interesse der Verbraucher.
Soweit in dem Gutachten Vorschriften des AGB-Gesetzes angegeben werden, ist zu beachten,
dass durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts seit 01.01.2002 das AGB-Gesetz
aufgehoben wurde. Die materiellrechtlichen Vorschriften sind als §§ 305 bis 310 im
Wesentlichen in das BGB übernommen worden. Die verfahrensrechtlichen Bestimmungen
des AGB-Gesetzes wurden Teil des neu geschaffenen Unterlassungsklagengesetzes (UklaG).
Dem Gutachten ist als Anhang eine Synopse der Vorschriften des AGB-Gesetzes und des
BGB bzw. des UklaG beigefügt. Die Vorschriften sind im Text mit der Bezeichnung benannt,
die auch in den Urteilen verwendet werden.
1. Kapitel: Die Entstehung des AGB-Gesetzes
I. Die Ausgangslage
Die Entwicklung Allgemeiner Geschäftsbedingungen fällt zusammen mit den Veränderungen
der Produktions- und Absatzbedingungen im ausgehenden 19. Jahrhundert. Die technische
und wirtschaftliche Expansion setzt an die Stelle individueller Austauschverhältnisse das
Phänomen des massenhaften Absatzes von Waren und Dienstleistungen. Ihren Anfang hatten
Allgemeine Geschäftsbedingungen in den Verträgen der Versicherungswirtschaft, die für eine
Vielzahl von Leistungsbeziehungen gleichbleibende Konditionen zugrunde legen mussten.
Es folgten AGB der Verkehrsunternehmen und seit 1880 der Banken. Bereits zu Anfang des
20 Jahrhunderts hatte sich die AGB-Verwendung auch auf Produktions- und Handelsbetriebe,
sowie Dienstleistungsunternehmen ausgedehnt. Damit wurden AGB auf allen Absatzstufen
nicht nur gegenüber dem Endverbraucher zum vertraglichen Normalzustand.
Dass Allgemeine Geschäftsbedingungen notwendig sind, war zu keiner Zeit ernsthaft in
Frage gestellt. Als sogenanntes selbst geschaffenes Recht der Wirtschaft, erfüllen sie
vielfältige Funktionen. Dienstleistungen etwa der Banken und Versicherungen sind aufgrund
ihres unkörperlichen Leistungsgegenstandes ohne Beschreibung der Leistung in Textform
gar nicht möglich. Aufgrund der Massenhaftigkeit von Vertragsabschlüssen mit
standardisierten Leistungen, sowohl für Produkte wie für Dienstleistungen, sind Allgemeine
Geschäftsbedingungen für eine rationelle Vertragsabwicklung unersetzlich. Für viele
Vertragsbereiche genügt es nicht, die Standards des kodifizierten Vertragsrechts zugrunde zu
2
legen. 1 Dies liegt zum einen daran, dass das Vertragsrecht nach wie vor für einige
Vertragstypen keine Rechtsnormen bereithält (z. B. Leasing, Factoring, Fitness-Verträge) und
zum anderen daran, dass zahlreiche Vertragsbereiche einer Konkretisierung bedürfen (Preisund Leistungsänderung, Haftung, Schadens- und Aufwendungsersatz). Hierfür sind
vertragliche Regelungen erforderlich. Das auf individuelle Austauschverhältnisse
zugeschnittene Sozialmodell des BGB erfordert eine Übereinkunft der Vertragspartner, die
aus Rationalisierungsgründen bei Massenverträgen nicht möglich ist. Damit schwindet
zugleich der Einfluss des AGB- unterworfenen Vertragspartners, Einfluss zu nehmen auf die
Vertragskonditionen. Häufig bleibt nur die Wahl, entweder einen Vertrag zu den Konditionen
des Anbieters zu akzeptieren oder einen anderen Anbieter zu suchen.
Mit der Rationalisierungsfunktion Allgemeiner Geschäftsbedingungen entwickelte sich
zugleich das Bedürfnis der Anbieter, insbesondere in Vertragsabschlüssen mit Verbrauchern,
die Konsequenzen gesetzlicher Regelungen, die als unangenehm empfunden wurden,
vornehmlich im Haftungs- und Gewährleistungsbereich, zu ihren Gunsten abzuändern. Die
rechtlichen Implikationen einer derartigen einseitigen Risikoverlagerung gerieten alsbald in
das Blickfeld der rechtswissenschaftlichen Auseinandersetzung. Die erste, durchaus als Bahn
brechend zu bezeichnende Publikation hierzu stammt von Ludwig Raiser aus dem Jahre
1935. 2
Auch die Rechtsprechung hatte sich mit dem Problem der Auswirkungen von Allgemeinen
Geschäftsbedingungen in Vertragsverhältnissen zu befassen. Zwei Fragen standen dabei im
Vordergrund: Wenn es eine besondere rechtliche Beurteilung für Allgemeine
Geschäftsbedingungen geben soll, was ist unter Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu
verstehen? Und wie soll eine besondere rechtliche Behandlung aussehen? Ziel dieser
Bemühungen war es, durch einen angemessenen Interessenausgleich die Folgen der
einseitigen Risikoverlagerung abzumildern und dadurch ein höheres Maß an
Vertragsgerechtigkeit zu schaffen.
Das Reichsgericht beschränkte sich zunächst auf die restriktive Auslegung von
Vertragsklauseln, die mit immer gleichem Inhalt verwendet wurden. Dabei spielte es noch
eine Rolle, dass diese Vertragsklauseln in gedruckter Form in sogenannten Formularverträgen
verwendet wurden.
Der BGH ging sodann erstmals in einer Entscheidung aus dem Jahre 1956 3 zur offenen
Inhaltskontrolle, gestützt auf § 242 BGB (Treu und Glauben) über. Der Unterschied zur
lediglich restriktiven Auslegung ist evident. Die Grenze der Zulässigkeit einer AGB-Klausel,
einer Regelung in Form von AGB, ist nicht mit ihrem Wortlaut erreicht, sondern durch den
Inhalt bestimmt. Damit war zwar ein wesentlicher Schritt getan, um einer unangemessenen
Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders begegnen zu können. Dennoch hatte
diese Rechtsprechung eine Reihe von Schwächen. Die größte Schwäche bestand darin, dass
die Urteile Einzelfall bezogen und in ihrer Wirkung auf das jeweils konkrete
Vertragsverhältnis beschränkt waren. Andere Abnehmer desselben Anbieters kamen nicht in
den Genuss einer Entscheidung, mit der eine AGB-Klausel für unwirksam erklärt wurde.
Wegen der Einzelfallbezogenheit war die Wirksamkeit von AGB-Klauseln kaum
vorhersehbar, d. h. es wurden Verträge mit Klauseln geschlossen, deren Bestand für alle
Beteiligten unsicher war. Auf der Grundlage der Generalklausel des § 242 BGB und den
1
A.A. anscheinend Hensen in Festschrift für Peter Ulmer, S. 1135, 1143, für Kfz-Kaufverträge.
Raiser, Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1935.
3
BGHZ 22,90,97 ff.
2
2
3
Regeln zur ergänzenden Auslegung von Verträgen und Willenserklärungen (§§ 133, 157
BGB) ist die Bandbreite möglicher Beurteilungen immens.
Im Zuge der in den westlichen Industrieländern sich entwickelnden Sensibilisierung für
Verbraucherbelange und Verbraucherschutz, die einen ersten Höhepunkt in den 60er Jahren
des letzten Jahrhunderts erreichte, geriet auch die Frage nach grundlegenden Mitteln zur
Herstellung von Vertragsgerechtigkeit in Vertragsbeziehungen, die von Allgemeinen
Geschäftsbedingungen geprägt sind, verstärkt in den Focus der rechtswissenschaftlichen
Diskussion. 4
Der 50. Deutsche Juristentag im September 1974 in Hamburg befasste sich in der
zivilrechtlichen Abteilung mit der Frage „Welche gesetzgeberischen Maßnahmen empfehlen
sich zum Schutz des Endverbrauchers gegenüber Allgemeinen Geschäftsbedingungen und
Formularverträgen“. Das Gutachten hierzu erstattete Prof. Dr. Hein Kötz und Referate hierzu
hielt u. a. Prof. Dr. Peter Ulmer. Die Notwendigkeit, ein AGB-Gesetz zu schaffen, wurde mit
großer Mehrheit (328 Ja-Stimmen gegen 17 Nein- Stimmen und 27 Enthaltungen) bejaht.
Mehrheitlich beschlossen wurde auch, dass die Vertragsgestaltungsfreiheit nicht durch die
Verwendung unangemessener AGB missbraucht werden darf, dass die Regelung in ihrem
persönlichen Anwendungsbereich unbeschränkt auszugestalten ist mit sachlich gebotenen
Regelungen zum Schutz der Endverbraucher und dass für die Inhaltskontrolle neben einer
Generalklausel Kataloge unzulässiger Klauseln aufzustellen seien. 5
II. Reformbestrebungen und Gesetzgebungsverfahren
Zu Beginn der 70er Jahre erreichte die rechtswissenschaftliche Diskussion über die
Zulässigkeit und Grenzen der Vertragsgestaltung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen
auch Regierung und Parteien. Den Anfang machte der Bericht der Bundesregierung zur
Verbraucherpolitik vom 18.10.1971. Darin wurde die Notwendigkeit eines wirksamen
Schutzes der Verbraucher vor unangemessenen Vertragsbedingungen festgestellt und hierzu
eine amtliche Untersuchung angekündigt. 6 In seiner Stellungnahme vom 9. Februar 1972
drängte der Bundesrat die Bundesregierung geradezu, Lösungen für das
Verbraucherschutzproblem gegenüber Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu entwickeln.
Nachhaltige Wirkung hatte der 3. rechtspolitische Kongress der SPD vom Mai 1972 7 . Die
CDU/CSU begann in ihrem Arbeitskreis Christlich Demokratischer Juristen mit Arbeiten an
einem eigenen Gesetzentwurf. 8
Das Bundesjustizministerium berief im Jahre 1972 eine Arbeitsgruppe ein aus Vertretern der
Rechtswissenschaft, der Wirtschaft und der Verbraucherschaft sowie des Justiz- und
Wirtschaftsressorts des Bundes und der Länder, mit der Aufgabe, Wege und Lösungen zu
erarbeiten für eine Verbesserung des Schutzes der Verbraucher vor unangemessenen und
missbräuchlichen AGB 9 . Die Arbeitsgruppe legte nach intensiven Beratungen im März 1974
4
Hensen, Festschrift für Helmut Heinrichs, 1998, S. 335, 336, berichtet über 146 wissenschaftliche
Veröffentlichungen zu allgemeinen und speziellen AGB-Problemen von 1962 – 1972.
5
Sitzungsbericht des 50. DJT, S. H 231 f.
6
BT Drucksache VI/ 2724, S. 8.
7
Duden, Ramm u. a., Gerechtigkeit in der Industriegesellschaft, 1972.
8
vgl. Erster Teilbericht der Arbeitsgruppe AGB beim Bundesminister der Justiz, S. 18 f; zur Entstehung des
AGB-Gesetzes insgesamt (sehr lesenswert) Hensen in Festschrift für Helmut Heinrichs, 1998, S. 335, ff
9
Die Mitglieder der Arbeitsgruppe: Ministerialdirigent Dr. Max Dietlein (BMJ), Ministerialrat Burghard
Klingsporn(BMJ), Ministerialrat Dr. Gerhard Rambow (BMWi), Richter am BGH Dr. Hans-Joachim
Hiddemann ( VIII. Zivilsenat), Prof. Dr. Thilo Ramm ,( Uni Gießen), Prof. Dr. Manfred Rehbinder (Uni
Bielefeld), Prof. Dr. Peter Schlosser (Uni Augsburg) , Ministerialrat Dr. Walter Löwe, (Bayer.
3
4
einen ersten Teilbericht mit Vorschlägen zu materiellrechtlichen Regelungen eines Gesetzes
zum Schutz der Verbraucher vor AGB vor 10 . Die Vorschläge der Arbeitsgruppe sind im
Wesentlichen unverändert übernommen worden in dem ersten Referentenentwurf des BMJ 11 .
Aus den Anhörungen und Stellungnahmen von mehr als 150 Verbänden der Wirtschaft und
der Verbraucher entstand Anfang 1975 ein zweiter Referentenentwurf, der nach einer Reihe
weiterer Änderungen als Regierungsentwurf beschlossen und dem Bundesrat zur
Stellungnahme zugeleitet wurde. Da dieser Regierungsentwurf zunächst nur den
materiellrechtlichen
Teil
eines
Gesetzes
zur
Regelung
der
Allgemeinen
Geschäftsbedingungen enthielt, von Anfang an aber Konsens in der rechtswissenschaftlichen
und politischen Diskussion bestand, dass es nicht genügt, materiellrechtliche Regelungen zu
schaffen, sondern ein Verfahren zum Vollzug des AGB-Rechts notwendig sei, griff der
Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 11. Juli 1975 12 diesen Stand der Diskussion auf und
sprach sich für eine Einbeziehung des Verfahrensrechts in das AGB-Gesetz aus. Nahezu
zeitgleich mit dem ersten Referentenentwurf legte der Bundesarbeitskreis christlich
demokratischer Juristen den Entwurf eines Gesetzes über die Regelung Allgemeiner
Geschäftsbedingungen vor 13 , der im Wesentlichen Regelungen enthielt, die auch im
Teilbericht I der Arbeitsgruppe vorgeschlagen wurden. Im Unterschied hierzu wurde im
Entwurf der CDU-Juristen der Anwendungsbereich des Gesetzes auch auf Kaufleute
ausgedehnt und enthielt bereits eine Verfahrensregelung in Form einer Verbandsklage. Dieser
Entwurf wurde unverändert von der CDU/CSU Fraktion Ende Januar 1975 als „Entwurf
eines Gesetzes über Allgemeine Geschäftsbedingungen“ in den Bundestag eingebracht. 14 Im
März 1975 legte die Arbeitsgruppe beim BMJ in einem zweiten Teilbericht in 43 Thesen ein
Verfahrensmodell zur Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen vor. 15 Das Modell
bestand im Wesentlichen aus der Einrichtung einer zentralen Verbraucherschutzbehörde,
einer nachträglichen gerichtlichen Kontrolle von AGB sowie einem Verfahren zur
Aufstellung von Muster- AGB. Ende Mai 1975 brachte die Bundesregierung ihren Entwurf
eines Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ein, bereits
mit einer Stellungnahme des Bundesrats zur Einbeziehung eines Kontrollverfahrens und einer
Gegenäußerung der Bundesregierung, die das Verfahrensrecht
einem gesonderten
Gesetzentwurf vorbehalten möchte. In den Stellungnahmen zum verfahrensrechtlichen Teil
der AGB-Kontrolle zeichnete sich bereits zu dieser Zeit die Einführung einer Verbandsklage
nach dem Modell des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb ab.
Der Rechtsausschuss befasste sich mit den Entwürfen der CDU/CSU Fraktion und dem
Regierungsentwurf in vier Sitzungen im Mai/ Juni 1976 und stellte am 21. Juni 1976 den
Antrag an den Bundestag, seinen Gesetzesentwurf anzunehmen. 16 Dieser Entwurf entsprach
im Wesentlichen dem später verabschiedeten Gesetz. Es fehlte die in § 13 Abs. 4 AGBG
geregelte Verjährung und die erstinstanzliche Zuständigkeit für Kontrollklagen war noch den
Oberlandesgerichten zugewiesen.
Justizministerium), Ministerialrat Dr. Herbert Zimmermann (Justizministerium NRW), Vizepräsident des OLG
Horst Dieter Hensen (Hamburg), Ministerialrat Günter Zander (hess. Wirtschaftsministerium), Ministerialrat
Heinz Büntig (BaWü Wirtschaftsministerium), Ministerialrat Dr. Ulrich Eicheler (Rheinlandpfälz.
Wirtschaftsministerium), Justiziarin Dr. Gabriele Erkelenz (Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände),
Rechtsanwalt Werner Junge (Stellvertretender Hauptgeschäftsführer des DIHT), Sekretär der Arbeitsgruppe:
Regierungsdirektor Eberhard Rebmann (BMJ), zitiert nach Hensen a.a.O S. 336.
10
Erster Teilbericht der Arbeitsgruppe AGB, März 1974.
11
Abgedruckt in DB 1974,BR –Drucksache 360/75 vom 30.05.1975.
12
BT Drucksache VII / 3919, S. 47 ff.
13
BB 1974, Beilage 9.
14
BT Drucksache VII / 3200 vom 31.01.1975.
15
Vorschläge zur Verbesserung des Schutzes der Verbraucher gegenüber Allgemeinen Geschäftsbedingungen –
Zweiter Teilbericht der Arbeitsgruppe beim Bundesminister der Justiz, März 1975.
16
BT Drucksache VII / 5421 vom 21.06.1976 und BT Drucksache VII / 5422 vom 23.06.1976.
4
5
Am 24. Juni 1976 verabschiedete der Bundestag das AGB-Gesetz einstimmig. Es sollte am 1.
April 1977 in Kraft treten. Der Bundesrat meldete allerdings Änderungswünsche an und rief
den Vermittlungsausschuss an. Die Bedenken des Bundesrates richteten sich gegen die
Rechtskrafterstreckung des § 21 AGBG und die erstinstanzliche Zuständigkeit der
Oberlandesgerichte. Der Vermittlungsausschuss schlug vor, die erstinstanzliche Zuständigkeit
für Kontrollklagen den Landgerichten zuzuweisen und die Rechtskraftwirkung des § 21
AGBG beizubehalten. In dieser Fassung wird das AGB-Gesetz in der letzten Sitzung des
siebenten Bundestages am 10.11.1976 verabschiedet. Der Bundesrat stimmte am 12.11.1976
zu. Das Gesetz trat wie vorgesehen am 1. April 1977 in Kraft.
III. Novellierungen des AGB-Gesetzes
Seit seinem Inkrafttreten ist das AGB-Gesetz in einigen Punkten geändert worden:
Mit der AGB- Novelle von 1996 hat der Gesetzgeber die Vorgaben der EG-Richtlinie über
missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen 17 umgesetzt, die am 25.07.1996 mehr als
eineinhalb Jahre nach der in der Richtlinie vorgegebenen Umsetzungsfrist in Kraft trat.
Modifiziert wurde in § 12 AGBG der internationale Anwendungsbereich des Gesetzes. Neu
aufgenommen wurde § 24 a AGBG eine Regelung betreffend Verbraucherverträge, weil die
EG-Richtlinie für Verbraucherverträge gesteigerte Schutzstandards verlangte. Diese
Schutzstandards bezogen sich vor allem auf die Qualifizierung von Vertragsklauseln als AGB
und auf die Berücksichtigung, den Vertragsabschluss begleitender Umstände bei der
Beurteilung einer unangemessenen Benachteiligung nach § 9 AGBG. Im Übrigen hatte der
deutsche Gesetzgeber den Vorteil, dass die EG-Richtlinie in ihrer Grundkonzeption dem
deutschen AGB-Gesetz folgte, insbesondere hinsichtlich der Vorgaben zur Einbeziehung,
Auslegung und Inhaltskontrolle von AGB.
•
Das Begleitgesetz zum Telekommunikationsgesetz vom 17.12.1997 18 regelt die
Nichtanwendung des § 2 AGBG auf die Einbeziehung amtlich veröffentlichter AGB
in Verträgen über Telekommunikations- oder Postdienstleistungen in § 23 Abs. 2 Nr.
1 a) und b) AGB-Gesetz.
•
Mit dem Handelsrechtsreformgesetz von 22.06.1998 19 wird der persönliche
Anwendungsbereich in § 24 AGBG bezüglich der Vorschriften der §§ 2, 10 und 11
und Artikel 29 a EGBGB über Kaufleute hinaus generell für „Unternehmer“
eingeschränkt, mit der Folge, dass nunmehr auch die genannten Bestimmungen nicht
für AGB gelten, die gegenüber einem Gewerbetreibenden und/ oder Freiberufler
verwendet werden.
•
Das Überweisungsgesetz vom 21.07.1999 20 erweitert die in § 27 AGBG geregelte
Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen auf Allgemeine Bedingungen zur
Entsorgung von Abwasser und führt in § 29 AGBG eine Schlichtungsstelle auch für
Streitigkeiten zwischen Kreditinstituten und ihren Kunden aus der Anwendung der §§
675 a – 676 g BGB ein.
17
Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen von 05.04.1993, ABl EG Nr. L
95 vom 21.04.1993, S. 29 ff , abgedruckt bei Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht 10. Aufl., S. 17 ff.
18
BGBl I . 3108.
19
BGBl. I 1474.
20
BGBl I 1642.
5
6
•
Das Gesetz über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie
zur Umstellung von Vorschriften auf EURO vom 27.06.2000 21 erweitert den
Anwendungsbereich der Verbandsklage aus § 13 AGBG gemäß § 22 AGBG auf
Zuwiderhandlungen gegen dort genannte Verbraucherschutzgesetze (§ 22 Abs. 2
AGBG). Zugleich wird die Klagebefugnis in § 22 Abs. 3 und § 22 a AGBG neu
geregelt und auf sogenannte qualifizierte Einrichtungen, sowie Verbände zur
Förderung gewerblicher Interessen modifiziert. Für Verbraucherverbände, wie die
Verbraucherzentralen und den VSV, war dies mit der Notwendigkeit verbunden, sich
als sogenannte qualifizierte Einrichtung in die beim Bundesverwaltungsamt geführte
Liste eintragen zu lassen. Diese Novellierung diente der Umsetzung der EG-Richtlinie
98/ 27 / EG über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucher in das deutsche
Recht (vgl. die Änderungen § 13 Abs. 2 und § 22 Abs. 3 AGBG).
Weitere Änderungen bereits vor der AGB-Novelle von 1996 betrafen die §§ 10 Nr. 8, 11 Nr.
1, 23 Abs. 2 Nr. 1a, 16 Nr. 1 und 22 AGBG.
Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts 22 wurden die materiellrechtlichen
Vorschriften des AGB-Gesetzes nahezu unverändert als §§ 305 – 310 in das BGB
übernommen. Weggefallen sind die Bestimmungen in §§ 11 Nr. 8b und 9 AGBG, weil hierfür
aufgrund des veränderten Leistungsstörungsrechts im allgemeinen Schuldrecht des BGB kein
Regelungsbedarf mehr bestand. Als Sonderbestimmung für zugesicherte Eigenschaften ist
auch § 11 Nr. 11 AGBG nicht in die AGB-rechtlichen Bestimmungen des BGB übernommen
worden. Ein gleichartiger Regelungsgegenstand findet sich jetzt in § 444 BGB. Mit der
Einordnung der materiellrechtlichen Bestimmungen des AGB-Gesetzes in das BGB soll der
Tatsache Rechnung getragen werden, dass das AGB-Recht ein wesentlicher Teil des
Zivilrechts ist. Für die verfahrensrechtlichen Vorschriften der AGB-Verbandsklage (§§ 13 –
22 a AGBG) wurde das Unterlassungsklagengesetz neu geschaffen.
IV. Zusammenfassung
Es gilt heute als weitgehend anerkannt, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen im
Wirtschaftsleben unverzichtbar sind. Sie dienen vor allen Dingen der Rationalisierung von
Vertragsabschlüssen und schaffen damit gleichbleibende, verlässliche Vertragsstandards, die
letztlich auch im Interesse der Verbraucher sind. Dass damit eine Benachteiligung der
Vertragspartner des Verwenders
verbunden ist, ist nicht zwangsläufige Folge der
Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Ausschlaggebend hierfür ist vielmehr
deren Inhalt, der mit dem AGB-Gesetz einer Kontrolle auf gesetzlicher Grundlage unterzogen
wird. Die Entscheidung zur abgestuften Inhaltskontrolle mit und ohne Wertungsmöglichkeit
und einer Generalklausel als Auffangtatbestand erweist sich bis heute als ausgesprochen
problemadäquate Lösung, die bisher keiner Novellierung bedurfte. Das gilt auch für die
begleitenden Vorschriften zur Einbeziehung und Auslegung von Allgemeinen
Geschäftsbedingungen und zum Vorrang der Individualabrede. Dies ist als Ergebnis eines
gelungenen Zusammenwirkens von Rechtswissenschaft und politischen Entscheidungsträgern
festzuhalten. Die Novellen des AGB- Rechts gehen vor allem auf den Einfluss des
Gemeinschaftsrechts zurück, haben aber den Kern der Inhaltskontrolle zu keiner Zeit berührt.
Im Gegenteil: Auch wenn Probleme im Zusammenhang mit Allgemeinen
Geschäftsbedingungen von Anfang an in erster Linie als Verbraucherschutzprobleme erkannt
wurden, hat es doch nicht an Versuchen gefehlt, dem AGB-Gesetz den Charakter eines
21
22
BGBl. I 897.
Bekanntmachung vom 02.01.2002, BGBl. I, S. 42 berichtigt S. 2909 und BGBl. I 2003, S. 738.
6
7
Verbraucherschutzgesetzes abzusprechen und darin nur die Normierung eines allgemeinen
Vertragsrechtsproblems zu sehen. Dieser Tendenz wirkt die Richtlinie 93/13/EG entgegen,
die ausdrücklich die Lösung der Vertragsprobleme im Zusammenhang mit Allgemeinen
Geschäftsbedingungen als Verbraucherproblem behandelt. Die Ergänzungen des AGBGesetzes durch den § 24a AGBG ist dafür Beleg. Die gleiche Wirkung ist auch aus der
Novellierung des AGB-Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 98/27/EG zum kollektiven
Rechtsschutz bei Verstößen gegen verbraucherschützende Rechtsvorschriften abzulesen.
Die Suche nach einem geeigneten Kontrollinstrument erwies sich schon in der
Entstehungsgeschichte des AGB-Gesetzes als schwierig. Die dazu vorgeschlagenen Modelle
begegneten durchweg erheblichen Bedenken. Für die Aufstellung von Muster-AGB fehlten
angeblich geeignete Akteure auf der Verbraucherseite und außerdem sollen Muster-AGB
Innovationen erschweren. Das Behördenmodell galt schon deshalb als ineffizient, weil die
bereits vorhandenen Kontrollen durch Behörden die Verbreitung unangemessener
Vertragsklauseln nicht verhindert hatten. Das schließlich Gesetz gewordene
Verbandsklageverfahren kann als gemeinsamer Nenner der politischen Akteure bezeichnet
werden, fand aber auch die Zustimmung der Verbraucherseite und der Wirtschaft, nicht
zuletzt auf Grund der Erfahrungen mit der Verbandsklage im Gesetz gegen unlauteren
Wettbewerb. Deren angeblich missbräuchliche Ausnutzung durch sogenannte
Gebührenvereine sollte mit den erhöhten Anforderungen an die Klagebefugnis im AGBGesetz begegnet werden. Bis heute ist aber die Kritik an der verfahrensrechtlichen
Ausgestaltung des Verbandsklageverfahrens nicht verstummt. 23
Insgesamt ist festzuhalten, dass das AGB- Gesetz in seiner Grundstruktur als Vorbild einer
gelungenen Problemlösung bezeichnet werden kann. Ob dennoch inzwischen
Novellierungsbedarf besteht, bedarf der weiteren Untersuchung.
2. Kapitel: Die Entwicklung des Vertragsrechts durch Verbandsklageverfahren
I. Einleitung: Untersuchungsgegenstand und Methode
Die Entwicklung des Vertragsrechts, soweit es durch AGB gestaltet wird, ist aus den
Ergebnissen
der Verbandsklageverfahren der Verbraucherverbände abzulesen. In
Wissenschaft und Literatur besteht darüber Einigkeit, dass Verbraucherverbände die meisten
Verbandsklageverfahren im AGB-Recht durchgeführt haben. Hensen 24 hat erst kürzlich
festgestellt, dass von 138 Verfahren vor dem BGH 120 Verfahren auf Klagen der
Verbraucherverbände zurückgehen. Dieser zahlenmäßige Befund ist nicht nur auf die
Verfahren vor dem BGH, sondern auf Verbandsklageverfahren insgesamt zu beziehen. Die
Verbraucherzentralen, der Verbraucherschutzverein und der VZBV 25 führen zwar keine
kongruente Statistik über den gesamten Zeitraum seit 1977. Insoweit lassen sich nur
Anhaltspunkte aus den Angaben in den Jahresberichten des VSV, des VZBV und den für
diese Studie eingeholten Auskünften der Verbraucherzentralen, sowie aus der Statistik von
Micklitz im Münchener Kommentar entnehmen. Danach hat der VSV in den zwanzig Jahren
von 1980 bis 2000 insgesamt 4366 Abmahnverfahren und 1061 Klageverfahren eingeleitet.26
Für den Zeitraum 2001 bis 2006 werden von den Verbraucherzentralen und dem VZBV nach
23
Micklitz, MüKo UKlaG v. § 1 Rn 25 ff. ; Verf. Verklagen oder verhandeln, 1995, 158, 201.
Festschrift für Peter Ulmer, S. 1135, 1136.
25
Durch Verschmelzung ist der VSV im Jahre 2000 in den VZBV übergegangen.
26
Jahresberichte des VSV 1980 bis 2000 – Statistikanhang.
24
7
8
einer (wohl nicht vollständigen) Statistik 1.866 Abmahnverfahren und 451 Klageverfahren
berichtet. 27
Das Zahlenmaterial rechtfertigt aber die These, dass die Verfahren der Verbraucherverbände
wesentlich zur Entwicklung der Rechtsprechung im AGB-Recht beigetragen haben. Die
Ergebnisse dieser Rechtsprechung werden nachfolgend exemplarisch dargestellt und
ausgewertet.
In Anbetracht der Fülle des Materials sind Beschränkungen erforderlich. Ausgewertet werden
Urteile der Oberlandesgerichte und des BGHs, sowie einzelne erstinstanzliche Urteile der
Landgerichte, soweit deren Streitgegenstand einerseits vertragstypische Klauseln betrifft, die
andererseits nicht durch oberlandesgerichtliche oder höchstrichterliche Rechtsprechung
behandelt werden.
Der Untersuchung wird die These zugrunde gelegt, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen
grundsätzlich branchenspezifisch entwickelt werden. Sie sind Ausdruck von
branchenspezifischen Belangen im Vertragsrecht. Dabei haben sie zwei Funktionen: Regeln
des dispositiven Rechts sollen zugunsten des Verwenders aus Gründen der Rationalisierung
und der Risikobegrenzung abgeändert werden. Beispiele hierfür sind Haftungsbegrenzungen
und Schadenspauschalen. Soweit das dispositive Recht keine Regelung enthält, werden diese
Lücken durch entsprechende Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen geschlossen.
Beispiele hierfür sind Preisnebenabreden und Laufzeitklauseln.
Da Allgemeine Geschäftsbedingungen branchenspezifisch entwickelt werden, werden sie
auch branchenspezifisch untersucht. Aus der Vielzahl infrage kommender Bereiche sind
folgende sieben Branchen ausgewählt worden, die für Verbraucher aus unterschiedlichen
Gründen von besonderer Bedeutung sind:
• Kraftfahrzeugkaufverträge – Neu- und Gebrauchtwagenhandel
• Möbelkauf
• Pauschalreisen- und Beförderungsverträge der Fluggesellschaften
• Versicherungsverträge
• Bankverträge
• Verträge zur Nutzung der neuen Medien (Internet , Mobiltelefon)
• Alten- und Pflegeheimverträge
Die Bedeutung dieser Branchen für Verbraucher besteht vor allem darin, dass es sich um
hochwertige Konsumgeschäfte (Reisen, Auto, Möbel) handelt, die über die Deckung des
täglichen Lebensbedarfs hinausgehen und / oder um Bereiche, in denen Gestaltungen in
Allgemeinen Geschäftsbedingungen den eigentlichen Leistungsinhalt beschreiben und
begrenzen (Bankleistungen, Versicherungsleistungen).
Ausgehend von einer Zielsetzung des AGB-Gesetzes, für Verbraucher benachteiligende
Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu eliminieren, werden die Ergebnisse der
Rechtsprechung zu typischen Klauseln jeder Branche dargestellt. Die Typik ist entweder auf
den Regelungsgegenstand oder auf die Häufigkeit des Vorkommens der Klauseln bezogen.
27
entnommen der Statistik von Micklitz, MüKo UKlaG vor § 1 Rn 33. Erfasst sind Zahlen des VZBV und der
Verbraucherzentralen Baden-Württemberg, Brandenburg, Berlin, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen,
Sachsen. Die VZ Hamburg ist nicht aufgeführt und hat auf Nachfrage für diesen Zeitraum 441 Abmahnungen
mitgeteilt.
8
9
II. KFZ Neuwagen- und Gebrauchtwagenhandel
Im Kraftfahrzeughandel sind Regelungen in Kaufverträgen über Neufahrzeuge und der
Verkauf von Gebrauchtwagen unterschiedlich gestaltet. Der wesentliche Unterschied besteht
in der Bewertung von Mängelgewährleistungsrechten. Daneben sind für den Neuwagenhandel
Klauseln über Lieferfristen und Lieferverzug von Bedeutung, die für den
Gebrauchtwagenhandel eine eher untergeordnete Rolle spielen, weil die Fahrzeuge dort
meistens sofort verfügbar sind.
Grundsätzlich unterliegen beide Handelsbereiche den gleichen vertragsrechtlichen
Vorschriften. In Bezug auf die Möglichkeit der Kfz-Händler, die Mängelgewährleistung zu
beschränken, bestehen jedoch auch nach der Schuldrechtsreform von 2002 Unterschiede:
Nach der bis zur Schuldrechtsreform geltenden Rechtslage waren die Vorschriften des
Gewährleistungsrechts der §§ 459 ff BGB a. F. dispositiv, mit der Folge, dass die
Gewährleistung für Gebrauchtwagen regelmäßig vollständig ausgeschlossen wurde. Mit dem
AGB-Gesetz wurde zwar durch § 11 Nr. 10 AGBG die Möglichkeit des
Gewährleistungsausschlusses begrenzt, soweit es um Vertragsregelungen in Form von AGB
geht. Diese Begrenzung bezog sich aber nur auf die Gewährleistung für neu hergestellte
Sachen. Während damit auf den Neuwagenkauf mit § 11 Nr. 10 AGBG eine detaillierte
Regelung anzuwenden war, blieb es im Gebrauchtwagenhandel den Gerichten überlassen,
Mängelgewährleistungsausschlüsse an der Generalklausel des § 9 Abs. 1 AGBG a. F. zu
messen.
Zahlenmäßig war der Kfz-Handel in der Abmahn- und Klagepraxis des VSV von eher
untergeordneter Bedeutung. Zwischen 1980 und 2000 wurden 98 Abmahnungen verschickt
und 24 Klageverfahren 28 eingeleitet. Der Grund hierfür dürfte in der nahezu branchenweiten
Verbreitung der Konditionenempfehlung der Dachverbände der Automobilbranche zu finden
sein. Der zahlenmäßige Schwerpunkt der Abmahnungen lag im Jahre 1983 (10
Abmahnungen).
1. Rechtsprechung zu Klauseln in Gebrauchtwagenverträgen
a) Gewährleistungsausschlussklauseln
aa) Vollständiger Gewährleistungsausschluss
In der Zeit vor dem AGB-Gesetz hatte der BGH den Ausschluss jeder
Sachmängelgewährleistung beim Kauf gebrauchter Kfz für angemessen gehalten und als
Gebot der wirtschaftlichen Vernunft bezeichnet. 29 Der Verbraucherschutzverein hat mit
Inkrafttreten des AGB-Gesetzes begründete Zweifel an der Zulässigkeit des vollständigen
Gewährleistungsausschlusses für Gebrauchtwaren und somit auch für gebrauchte Kfz
erhoben. In einem Verfahren gegen die Firma Michael Schuricke GmbH wurde die Frage
geprüft, ob der vollständige Gewährleistungsausschluss im Gebrauchtwagenhandel mit § 9
AGB-Gesetz vereinbar ist. Die Zweifel an der Zulässigkeit werden insbesondere damit
begründet, dass auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten Fehlerbegriffs für
Gebrauchtwaren wegen des Ausschlusses von Verschleißmängeln jedenfalls die
Gewährleistung für Mängel, die sich auf die Fahrtüchtigkeit und die Verkehrssicherheit des
Gebrauchtwagens auswirken, nicht ausgeschlossen werden kann. Nach Auffassung des
28
29
Jahresberichte des VSV 1980 bis 2000.
BGH NJW 1970, 29.
9
10
Verbraucherschutzvereins ist die Fahrtüchtigkeit ein wesentliches Element für einen
Gebrauchtwagen im Unterschied zu einem Bastlerfahrzeug und die Verkehrssicherheit gehört
zu den gesetzlich geforderten Anforderungen an einen PKW.
Der BGH ist dem jedoch nicht gefolgt. 30 Gegenstand des Verfahrens war die Klausel bzw. der
Klauselbestandteil:
Text:
Gekauft wie besichtigt, unter Ausschluss jeder Gewährleistung.
Der BGH verwies auf seine langjährige Rechtsprechung seit 1958 31 und begründete die
erneute Ablehnung der Unwirksamkeit eines vollständigen Gewährleistungsausschlusses
damit, dass der Gebrauchtwagenhändler nur dann eine Gewährleistungspflicht zu übernehmen
hätte, wenn ihn zugleich eine allgemeine Untersuchungspflicht auferlegt würde. Mit einer
allgemeinen Untersuchungspflicht würde man aber die Anforderungen an einen
Gebrauchtwagenhändler, insbesondere wenn er über keine eigene Werkstatt verfügt,
überspannen. Besteht keine allgemeine Untersuchungspflicht, so kann von einem
Gebrauchtwagenhändler auch nicht verlangt werden, dass er ungefragt jeweils darauf
hinweist, er habe den zum Verkauf angebotenen Wagen nicht untersucht und überprüft. Die
Untersuchungspflicht kann auch nach Inkrafttreten des AGB-Gesetzes einem
Gebrauchtwagenhändler nicht hinsichtlich der Verkehrssicherheit und Fahrtüchtigkeit des
Gebrauchtwagens im Zeitpunkt des Gefahrüberganges auferlegt werden. Eine mit dem Gebot
der Rechtssicherheit zu vereinbarende Abgrenzung zwischen besonderen und allgemeinen
Mängeln lässt sich nicht treffen.
Der Käufer eines Gebrauchtwagens werde durch den Gewährleistungsausschluss auch nicht
rechtlos gestellt. Er könne das Fahrzeug Probe fahren, sich bestimmte Eigenschaften
vertraglich zusichern lassen und sei im Übrigen geschützt durch Ersatzansprüche bei
arglistigem Verschweigen eines Mangels, die auch durch einen Haftungsausschluss nicht
unwirksam würden. Die Entscheidung beruht auf einer Abwägung der Rechte und Pflichten
von Gebrauchtwagenhändler und Käufer beim Kauf eines gekauften Kraftfahrzeuges. Soweit
und solange der Gebrauchtwagenhändler einen Gegenstand verkauft, dessen genaue
Beschaffenheit ihm unbekannt ist, und solange und soweit er nicht verpflichtet wird, die
Beschaffenheit des Gegenstandes Gebrauchtwagen im Einzelnen zu überprüfen, solange kann
ihm eine Gewährleistungspflicht für Mängel nicht auferlegt werden. Aber auch mit einer
Mängelgewährleistung wäre dem Käufer nicht wirklich geholfen. Er müsste nicht nur
nachweisen, dass der an seinem Fahrzeug
auftretende Defekt im Zeitpunkt des
Gefahrenüberganges vorhanden war, was bei einem Gebrauchtwagen naturgemäß schwierig
ist, sondern darüber hinaus die Frage nach der Abgrenzung zwischen einem der Sache
innewohnenden Verschleißschaden eines Gebrauchtwagens und einem Mangel im
Rechtssinne vornehmen. Mit der Begründung , dies sei im Einzelfall nicht wirklich zu leisten,
behält der BGH auch in Ansehung der Inhaltskontrolle des AGB-Gesetzes seine bisherige
Linie bei, wonach es Sache des Käufers ist, sich durch geeignete rechtswirksame Maßnahmen
vor einer Übervorteilung durch den Gebrauchtwagenhändler zu schützen.
30
BGH, Urteil v. 11.06.1979, VIII ZR 224/78, NJW 1979, 1886 dagegen Löwe BB 1979, 1063 und 1318; wohl
auch Staudinger/Schlosser AGBG § 9 Rn: 13 (12. Aufl. 1978).
31
Urteil vom 11.02.1958, VIII ZR 85/57 in BB 1958, 283.
10
11
bb) Teilausschluss der Gewährleistung
Die Klausel
Text:
Für Unfallfreiheit und Kilometerstand wird nicht garantiert.
verstößt gegen § 11 Nr. 11) AGBG a. F. Danach ist eine Bestimmung in AGB unwirksam,
durch die bei einem Kauf-, Werk- oder Werklieferungsvertrag Schadensersatzansprüche
gegen den Verwender nach den §§ 463, 480 Abs. 2, 635 BGB wegen Fehlens zugesicherter
Eigenschaften ausgeschlossen oder eingeschränkt werden. Der § 11 Nr. 11 AGBG ist in das
BGB nicht übernommen worden aufgrund der Änderungen zum kaufrechtlichen
Gewährleistungsrecht.
b) Lieferfristklauseln
Text:
Der Verkäufer hat ein kostenloses Rücktrittsrecht, wenn er nachweist, dass die
Nichteinhaltung des Liefertermins auf erhebliche Betriebsstörungen zurückzuführen ist.
Der Verkäufer hat ein kostenloses Rücktrittsrecht, wenn er nachweist, dass die
Nichteinhaltung des Liefertermins auf erhebliche Betriebsstörungen oder höhere Gewalt
zurückzuführen ist.
Die Klauseln sind unwirksam, weil für den Fall des Leistungsverzuges oder der vom
Verwender zu vertretenden Unmöglichkeit das Recht des Käufers, Schadensersatz zu
verlangen, ausgeschlossen oder eingeschränkt wird (§ 11 Nr.8 AGBG). Schadensersatz ist
indirekt ausgeschlossen, weil dem Verkäufer ein Rücktrittsrecht eingeräumt wird, auch für
den Fall, dass er den Rücktrittsgrund zu vertreten hat. Betriebsstörungen sind im Unterschied
zu höherer Gewalt nicht grundsätzlich unverschuldet.32 Die Klauseln enthalten darüber hinaus
einen Verstoß gegen § 10 Nr. 3 AGBG, weil sich der Verwender ein sachlich nicht
gerechtfertigtes Rücktrittsrecht vorbehält. Betriebsstörungen liegen in seiner
Verantwortung. 33
c) Klauseln mit Bezug auf eine Inzahlungnahme:
Text:
Sofern bei dieser Überprüfung derartige Mängel festgestellt werden, mindert sich der
Inzahlungnahmepreis um die zur Behebung dieser Mängel erforderlichen Betrages.
Sollte das Fahrzeug kein technisches Gutachten haben, ist der Verkäufer angewiesen, für die
DM 650,00 ein Gutachten für mich einzuholen. Aufwendungen, die diesen Betrag
überschreiten, werden mit Selbstkosten bzw. Rechnungspreis verrechnet.
In diesen Klauseln sieht das Landgericht Berlin 34 eine unangemessene Benachteiligung des
Gebrauchtwagenkäufers. Es werden Vertragsregeln vereinbart, die kein Äquivalent im
dispositiven Recht haben. Die Klauseln sind unangemessen, weil der im Vertragsrecht
32
LG Berlin 26 O 194/89 vom 08.12.1989 (nicht veröffentlicht), Urteil LG Berlin vom 12.06.1991, 26 O 101/ 91
(nicht veröffentlicht).
33
LG Berlin vom 12.06.1991, 26 O 101/91 (nicht veröffentlicht).
34
LG Berlin v. 12.06.1991, 26 O 101/91 (nicht veröffentlicht).
11
12
gebotene und vom AGB-Gesetz gewollte Interessenausgleich verletzt wird 35 . Die Klausel
über die Minderung des Inzahlungnahmepreises bei Feststellung von Mängeln enthält eine
nachteilige Regelung, weil für einen gebrauchten PKW typischerweise unter
Berücksichtigung seines technischen Zustandes der Preis ausgehandelt wird. Durch die
Klausel soll der Verwender die Möglichkeit haben, diesen Preis nachträglich herabzusetzen.
Die formularmäßige Auftragserweiterung für die Einholung eines technischen Gutachtens ist
nach Ansicht des Landgerichts Berlin ebenfalls eine Verletzung vertragsrechtlicher
Ausgewogenheit und deshalb gemäß § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam.
d) Vollmachtsbegrenzung und Nebenabreden
Text:
Die Verkaufsangestellten des Verkäufers sind nur bei schriftlicher Ermächtigung zur
Annahme von Zahlungen berechtigt.
Nebenabreden, nachträgliche Änderungen dieses Auftrages und etwaige Zusicherungen
bedürfen zu ihrer Gültigkeit der schriftlichen Bestätigung des Verkäufers.
Die Klausel, wonach Verkaufsangestellte nur bei schriftlicher Ermächtigung zur Annahme
von Zahlungen befugt sind, enthält eine Beschränkung der Vertretungsmacht entgegen der
durch das Auftreten von Handlungsbevollmächtigten gemäß §§ 56,54 HGB entstehenden
Anscheins– und Duldungsvollmacht 36 . Das Risiko fehlender Vertragserfüllung durch
Zahlungen an nicht geldempfangsberechtigte Verkaufsbevollmächtigte des Verwenders
benachteiligt den Käufer unangemessen.
e) Anzahlungsklausel
Text:
Der Käufer verpflichtet sich, eine Anzahlung von 50 % des Kaufpreises zu zahlen.
Die Anzahlungsklausel in Höhe von 50 % kann ihrem Wortlaut nach so verstanden werden,
dass bereits vor Bearbeitung des Angebots auf Abschluss des Vertrages eine Anzahlung fällig
wird. Vor Vertragsabschluss kann in dessen eine Anzahlung nach allgemeinen
vertragsrechtlichen Grundsätzen nicht verlangt werden 37 .
2. Neuwagenverkaufsbedingungen
Gegenstand von Gerichtsverfahren mit einem Bezug zu Neuwagenverkaufsbedingungen
waren die Konditionenempfehlungen des VDA (Verband der Automobilindustrie), VdIK
(Verband der Importeure von Kraftfahrzeugen) und ZdK (Zentralverband des
Kraftfahrzeughandwerks). Während zwei Verfahren direkt gegen den VdA bzw. VdIK als
Empfehler geführt wurden, betrafen zwei weitere Verfahren jeweils Autohäuser als
Verwender.
Die relativ geringe Anzahl der Verfahren ist mit dem hohen Umsetzungsgrad der von den
Verbänden empfohlenen Verkaufsbedingungen zu erklären, die nahezu brancheneinheitlich
verwendet werden. Dies ist zurückzuführen auf das Vertragshändlersystem in der
Kraftfahrzeugbranche.
35
LG Berlin a.a.O.
LG Berlin a.a.O.
37
LG Berlin a.a.O.
36
12
13
Die überwiegende Anzahl der eingeklagten Klauseln wurde wegen eines Verstoßes gegen § 9
AGBG beanstandet. Daraus ist zu erkennen, dass die Verbandsjuristen die Klauselverbote der
§§ 10 und 11 AGBG sorgfältig berücksichtigt haben. Die strittigen Regelungen betreffen die
Vertragsbereiche, die im dispositiven Vertragsrecht nicht geregelt sind. Dies gilt u. a. für
Preisanpassungsklauseln. Der BGH hat mit Urteil vom 23.04.1980 38 eine
Preisanpassungsklausel bei Mehrwertsteuererhöhungen für unwirksam erklärt. Im Jahre 1981
hat sich der BGH erneut mit den Neuwagenverkaufsbedingungen befasst. In seiner
Entscheidung vom 07.10.1981 39 werden insgesamt vier Klauseln aus der Empfehlung des
Zentralverbandes des ZdK, VdA und VdIK überprüft. Der VSV hatte dieses Verfahren aus
Kostengründen nicht gegen die Empfehler direkt, sondern gegen einen Verwender geführt.
Von den fünf eingeklagten Klauseln hält der BGH nur die Preisänderungsklausel und die
Nachbesserungsklausel für unwirksam.
a) Preisanpassungsklauseln
Der BGH hat mit Urteil vom 23.04.1980 40 eine Preisanpassungsklausel mit folgendem
Wortlaut für unwirksam erklärt:
Text:
Der Preis des Kaufgegenstandes versteht sich ohne Skonto und sonstige Nachlässe zuzüglich
Umsatzsteuer. Preisänderungen sind nur zulässig, wenn zwischen Vertragsabschluss und
vereinbarten Liefertermin mehr als vier Monate liegen, dann gilt der am Tag der Lieferung
gültige Preis des Verkäufers. Bei Lieferungen innerhalb von vier Monaten gilt in jedem Fall
der am Tag des Vertragsabschlusses gültige Preis. Änderungen im Umsatzsteuersatz
berechtigen beide Parteien zu entsprechenden Preisanpassungen.
Der BGH sieht – wie bereits die Vorinstanzen – in der Möglichkeit, den Preis wegen einer
Umsatzsteuererhöhung auch innerhalb einer vereinbarten Lieferfrist von vier Monaten
anzuheben, einen Verstoß gegen § 11 Nr. 1 AGBG. Zur Begründung verweist der BGH auf
die Entstehungsgeschichte des § 11 Nr. 1 AGBG, der auf die Regelung in § 1 Abs. 5 Satz 1
Preisangabenverordnung zurückgeht, wonach für Angebot und Werbung ein
Preisänderungsvorbehalt nur insoweit zulässig ist, als die Lieferfrist mehr als vier Monate
beträgt. Bei kürzeren Fristen sind dagegen nach der PreisangabenVO die endgültigen Preise
einschließlich Umsatzsteuer vom Verkäufer anzugeben. In dieser Regelung wird nicht nach
den Gründen für eine Preiserhöhung differenziert. Deshalb ist § 11 Nr. 1 AGBG auch auf
Preiserhöhungen anzuwenden, die auf die Einführung oder Anhebung von Steuern, Zöllen
und steigenden Abgaben zurückzuführen sind. Dies folge aus der rechtssystematischen
Ausgestaltung der Vorschrift, in der zwei Ausnahmen vom Verbot kurzfristiger
Preiserhöhungen geregelt sind, nämlich für Dauerschuldverhältnisse und für bestimmte in §
99 Abs. 1 und Abs. 2 GWB aufgeführte Beförderungsentgelte. Ausnahmen für Steuern, Zölle
und andere öffentliche Abgaben sind dagegen nicht vorgesehen.
38
BGH, Urteil v. 23.4.1980, VIII ZR 80/79, NJW 1980, 2133.
BGH, Urteil v. 7.10.1981, VIII ZR 229/80, NJW 1982, 331 .
40
BGH, Urteil v. 23.4.1980, VIII ZR 80/79, NJW 1980, 2133.
39
13
14
In seiner Entscheidung vom 07.10.1981 41 behandelt der BGH die folgende Klausel:
Text:
Preisänderungen sind nur zulässig, wenn zwischen Vertragsabschluss und vereinbarten
Liefertermin mehr als vier Monate liegen. Dann gilt der am Tag der Lieferung gültige Preis
des Verkäufers.
Dieses Urteil enthält die zweite höchstrichterliche Entscheidung zur Frage der Wirksamkeit
eines Preisänderungsvorbehaltes außerhalb des Verbotstatbestandes von § 11 Nr. 1 AGBG.
Der VSV hatte Preisänderungsklauseln einer systematischen gerichtlichen Überprüfung
zugeführt, da für Verbraucher besondere Belastungen entstehen, wenn der vertraglich
vereinbarte Preis erhöht wird.
Der BGH stellt zunächst fest, dass Preisänderungsvorbehalte bei einer vereinbarten Lieferfrist
von mehr als vier Monaten hinsichtlich ihrer Wirksamkeit nach § 9 AGBG zu beurteilen sind.
Aus dem Verbot in § 11 Nr. 1 AGBG folge nicht, dass derartige Preisklauseln grundsätzlich
zulässig seien. Es geht um die Frage, ob die hier verwendete Preisänderungsklausel unter
Abwägung der beiderseitigen schutzwürdigen Interessen beim Neuwagenkauf den Käufer
gegenüber dem Verkäufer unangemessen benachteiligt. Es folgt dann auf mehr als sechs
Seiten der Urteilsgründe eine ausführliche Interessenabwägung, die wie folgt
zusammengefasst werden kann. Neuwagenverkäufer haben wegen langer Lieferfristen
grundsätzlich mit steigenden Materialkosten und Löhnen zu rechnen und deshalb ein
berechtigtes Interesse daran, diese Mehrkosten auf den Endverbraucher nachträglich abwälzen
zu können.
•
•
•
•
•
Eine vorsorgliche Einbeziehung in die Preiskalkulation würde sich durchgehend zum
Nachteil der Käufer auswirken.
Der Käufer der sich auf lange Lieferfristen einlässt, muss deshalb auch mit einer
Veränderung des Preises rechnen.
Für den Käufer sei aber eine Preisänderung und damit ein entsprechender Vorbehalt
dann nicht mehr hinnehmbar, wenn dem Verkäufer ermöglicht werde, über die
Abwälzung der Kostensteigerung hinaus den vereinbarten Kaufpreis ohne jede
Begrenzung einseitig anzuheben.
Die Schwierigkeit, preisändernde Faktoren in einer Klausel entsprechend anzugeben,
rechtfertigt nicht eine so weit gehende Fassung des Preisänderungsrechts.
Als Ausgleich besteht die Möglichkeit, den Käufer das Recht einzuräumen, sich vom
Vertrag zu lösen, wenn die Preiserhöhung einen bestimmten Prozentsatz des
Kaufpreises übersteigt.
Das Urteil des BGH übernimmt wesentliche Teile aus der Argumentation des
Verbraucherschutzvereins. Auch berechtigte Interessen des Verwenders bei langen
Lieferzeiten, zwischenzeitlich eintretende Kostensteigerungen im Preis berücksichtigen zu
können, rechtfertigen nicht, eine einseitige Befugnis zur Preisanhebung, ohne Ausgleich.
Dabei sind kumulativ zwei Faktoren als Ausgleich erforderlich: Es muss gewährleistet sein,
dass Preisänderungen nicht allein deshalb vorgenommen werden, weil der Verwender eine
für ihn günstige Marktlage ausnutzen will, etwa durch eine gestiegene Nachfrage. Deshalb ist
erforderlich, dass tatsächliche Kostensteigerungen die Grundlage einer Preiserhöhung sind
und entsprechende Kostensteigerungen auch nachweisbar sind. Zum anderen ist die
Möglichkeit der Preisanhebung dadurch zu begrenzen, dass dem Käufer ein Rücktrittsrecht
41
BGH, Urteil v. 7.10.1981, VIII ZR 229/80, NJW 1982, 331.
14
15
eingeräumt wird. Dann steht der Verwender vor dem Risiko, entweder auf die Preiserhöhung
zumindest teilweise zu verzichten oder den Vertrag insgesamt zu verlieren.
Mit einer ähnlichen Argumentation hatte der Verbraucherschutzverein bereits zuvor die
Preisänderungsvorbehalte in Dauerschuldverhältnissen erfolgreich einer Überprüfung durch
den BGH vorgelegt. 42
b) Gewährleistungsklauseln
Ebenfalls in der Entscheidung vom 7.10.1981wird die Klausel für unwirksam erklärt, wonach
bei Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit weiterer Nachbesserungsversuche der Käufer
anstelle der Nachbesserung, Wandelung oder Minderung verlangen kann (Verstoß gegen § 11
Nr. 10b ABGB)
Text:
Wenn der Fehler nicht beseitigt werden kann oder für den Käufer weitere
Nachbesserungsversuche unzumutbar sind, kann der Käufer anstelle der Nachbesserung
Wandlung oder Minderung verlangen.
Damit wird eine formale Anpassung an den Gesetzeswortlaut erreicht. Der gemäß § 11 Nr.
10b AGBG erforderliche Vorbehalt bei Fehlschlag oder Unzumutbarkeit der Nachbesserung,
Rückgängigmachung des Vertrages oder Herabsetzung des Kaufpreises verlangen zu können,
soll in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht in die juristische Begrifflichkeit „Wandlung
oder Minderung“ verkürzt werden. Darin liegt keine materiellrechtliche Veränderung der
Käuferrechte, wohl aber eine Verbesserung der Transparenz. Der Verbraucher als juristischer
Laie kann mit den Begriffen „Wandlung und Minderung“ meist weniger verbinden als mit der
Beschreibung „Rückgängigmachung des Vertrages oder Herabsetzung des Kaufpreises.“
Vier Klauseln des BGH-Urteils
Gewährleistungsregeln.
vom
27.9.2000 43
(VSV
./.
VdA)
betreffen
Text:
(Der Verkäufer leistet Gewähr für die Fehlerfreiheit während eines Jahres seit Auslieferung
des Kaufgegenstandes.) Maßstab für die Fehlerfreiheit ist der Stand der Technik für
vergleichbare Fahrzeuge des Typs des Kaufgegenstandes bei Auslieferung.
Es liegt eine unangemessene Kundenbenachteiligung vor, wenn sich die Fehlerfreiheit nach
dem Stand der Technik für vergleichbare Fahrzeuge richtet, obwohl sich der Kläger gerade im
Einzelfall gerade wegen einer besonderen Werbung für ein bestimmtes Fahrzeug zum Kauf
entschlossen habe und sich deshalb die Fehlerfreiheit nach dem in der Werbung
versprochenen Standard beurteilen lassen muss. Die Klausel weicht auch bei
kundenfeindlichster Auslegung von der sich aus § 243 Abs. 1 BGB a. F. ergebenden
Bestimmung ab, wonach bei Kauf einer Gattung vorbehaltlich einer abweichenden
Vereinbarung mittlerer Art und Güte zu entsprechen hat.
Text:
Der Käufer hat Fehler unverzüglich nach deren Feststellung bei dem in Anspruch
genommenen Betrieb entweder schriftlich anzuzeigen oder von ihm aufnehmen zu lassen.
42
43
BGH, Urteil v. 11. 6. 1980, VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518.
BGH, Urteil v. 27.9.2000, VIII ZR 155/99, NJW 2001, 292.
15
16
Die Klausel, wonach der Käufer einen Fehler unverzüglich schriftlich anzuzeigen oder
aufzunehmen lassen hat, verstößt gegen § 11 Nr. 10e AGBG, weil sie eine Ausschlussfrist
enthält, die weder eine Unterscheidung zwischen offenen und verborgenen Mängeln
vornimmt, noch der auch bei offenen Mängeln gebotenen Prüfungs- und Überlegungsfrist
von mindestens einer Woche Rechnung trägt.
Text:
Schlägt unter Beachtung der vorstehenden Ziffer 2) die geltend gemachte Nachbesserung
fehl…..kann der Verkäufer vom Vertrag…….Wandelung ….oder Minderung …verlangen.
Die Klausel verstößt gegen § 11 Nr. 10 e) AGBG und ist wegen der Ausschlussgrunde bei
nicht form- und fristgerechter Mängelanzeige unwirksam. Die in Bezug genommene
Regelung der Ziff. 2 a) enthält die Verpflichtung den Fehler unverzüglich schriftlich
anzuzeigen.
Text:
(Für innerhalb der Gewährleistungsfrist geltend gemachte, aber nicht bis zu deren Ablauf
beseitigte Fehler wird bis zur Beseitigung des Fehlers Gewähr geleistet; solange ist die
Verjährungsfrist für diesen Fehler gehemmt.) In den Fällen des Satzes 2 endet die
Verjährungsfrist jedoch drei Monate nach Erklärung des in Anspruch genommenen Betriebes,
der Fehler sei beseitigt oder es liege kein Fehler vor.“
Die Verjährungsfrist aus einem Kaufvertrag über neu hergestellte Kraftfahrzeuge kann aus
vielfältigen Gründen erheblich hinausgeschoben werden, u. a. dadurch, dass der Verkäufer
eine Verpflichtung zur Nachbesserung oder Ersatzlieferung anerkennt oder sich bei Prüfung
des Vorhandenseins eines Mangels und seiner Beseitigung unterzieht. Dies kann auch
mehrmals nacheinander geschehen. Dieser Verlängerung der gesetzlichen Verjährungsfrist
trägt die angegriffene Klausel bei kundenfeindlichster Auslegung nicht Rechnung. Einmal
soll die Verjährungsfrist nach der Klausel spätestens drei Monate nach Abgabe der Erklärung
über die Fehlerbeseitigung oder Fehlerfreiheit enden, und zwar ohne Einschränkungen.
Dementsprechend hat es der in Anspruch genommene Betrieb in der Hand, ein absolutes
Ende der Verjährungsfrist herbeizuführen. Die darin liegende Nichtberücksichtigung
gesetzlicher Hemmungs- und Unterbrechungstatbestände stellt eine unzulässige Verkürzung
der Verjährungsfrist im Sinne von § 11 Nr. 11f AGBG dar.
Text:
Für die bei der Nachbesserung eingebauten Teile wird bis zum Ablauf der Gewährleistung
des Kaufgegenstandes Gewähr aufgrund des Kaufvertrages geleistet.
Die Klausel verstößt nicht gegen § 11 Nr. 10f AGBG. Die im Wege der Nachbesserung
eingebauten Ersatzteile lösen keine eigene neue Gewährleistungsfrist – wie etwa im Rahmen
eines Reparaturvertrages – aus. Durch den Einbau werden die Ersatzteile eines vom Käufer
erworbenen Kraftfahrzeuges als Sachgesamtheit angesehen und unterliegen damit der für das
Kraftfahrzeug bestimmten Gewährleistung einschließlich der dafür geltenden
Gewährleistungsfristen. 44
44
A.A. LG Zweibrücken VuR 1997, 281, 284; Wolf/Lindacher § 10 Nr. 11 Rn. 5; Reinking/Eggers Rn 552.
16
17
Text:
Weist der angebotene Kaufgegenstand erhebliche Mängel auf, die nach Rüge während der
Frist nach Ziffer 1 nicht innerhalb von 8 Tagen vollständig beseitigt werden, kann der Käufer
die Abnahme ablehnen.
Die Klausel benachteiligt den Kunden bereits deshalb nach § 9 AGBG unangemessen, weil
der verwendete Begriff des erheblichen Mangels von dem gesetzlichen Begriff des
Sachmangels im Sinne von § 459 BGB zum Nachteil des Käufers abweicht. Sachmangel im
Sinne der §§ 459 ff BGB sind Fehler, die zur Aufhebung oder Minderung des Wertes oder der
Gebrauchstauglichkeit der Kaufsache führen und auch das Fehlen einer zugesicherten
Eigenschaft i. S. des § 459 Abs. 2 BGB. Das Vorliegen eines Sachmangels hängt
grundsätzlich davon ab, ob die Minderung von Wert- oder Gebrauchstauglichkeit im Sinne
von § 459 Abs. 1 Satz 1 BGB erheblich ist. Für das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft
kommt es darauf aber nicht an, vor allem nicht darauf, ob es sich um eine wesentliche oder
unwesentliche Eigenschaft handelt, die für den Wert- oder die Gebrauchstauglichkeit
erheblich ist.
Das Hessische Oberlandesgericht Zweibrücken hat in seiner Entscheidung vom 10.10.1979
(3 U 5/97) diese Klausel noch als wirksam erachtet, weil sie nicht eine Beweislaständerung
im Sinne von § 11 Nr. 15 AGBG enthält und auch die Frist von 8 Tagen zur
Mängelbeseitigung keine unangemessene Benachteiligung des Käufers darstellt. Die Frage,
die der BGH seiner Entscheidung zugrunde legt, ob die Klausel wegen der Beschränkung auf
erhebliche Mängel eine Einschränkung des Gewährleistungsrechts enthält, ist in der
Entscheidung des OLG Zweibrücken nicht behandelt.
c) Verzugsschaden/ Zinsen
Die Verzugszinsklausel verstößt nicht gegen § 11 Nr. 5 AGB-Gesetz, wonach ein
Verzugsschaden, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen pauschaliert, unzulässig ist, wenn er
den üblichen Schaden übersteigt oder dem Verbraucher die Möglichkeit genommen wird, den
Nachweis zu erbringen, dass ein geringerer oder gar kein Schaden entstanden ist 45 .
Text:
Verzugszinsen werden mit zwei Prozent p. a. über dem Diskontsatz der Deutschen
Bundesbank jeweils zuzüglich Umsatzsteuer berechnet. Sie sind höher oder niedriger
anzusetzen, wenn der Verkäufer eine Belastung mit einem höheren Zinssatz oder der Käufer
eine geringere Belastung nachweist.
Ein Verzugsschaden von 2 % über dem Bundesbankdiskontsatz ist nach Ansicht des BGHs
ein Schaden, der dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entspricht, weil Kraftfahrzeughändler in
aller Regel mit Bankkrediten arbeiten. Der Vorbehalt des Nachweises eines geringeren
Schadens ist in der Klausel ausdrücklich berücksichtigt. Die Klausel ist daher zulässig.
d) Schriftformklausel
Text:
Liefertermine oder Lieferfristen, die verbindlich oder unverbindlich vereinbart werden
können, sind schriftlich anzugeben.
45
BGH, Urteil v. 7.10.1981 a.a.O.
17
18
Die Schriftformklausel für Liefertermine ist wirksam und verstößt nicht gegen § 10 Nr. 1
AGB-Gesetz. Ob und inwieweit Individualabreden zu berücksichtigen sind, richtet sich nach
§ 4 AGB-Gesetz 46 (Vorrang der Individualabrede). Eine generelle Unwirksamkeit in Form
einer unangemessenen Benachteiligung ist in einer Schriftformklausel nicht grundsätzlich zu
sehen. Vielmehr kommt es auf die Ausgestaltung der Klausel im konkreten Fall an. Die hier
streitgegenständliche Klausel befindet sich auf der Vorderseite des Bestellformulars unter der
Unterschrift des Bestellers im Zusammenhang mit den Feldern, in denen angekreuzt wird, ob
die Frist unverbindlich oder verbindlich sein soll. Bei dieser Vertragsgestaltung ist der
Rechtsklarheit und Beweisbarkeit für individuell vereinbarte Lieferzeiten hinreichend genüge
getan.
Text:
Sämtliche Vereinbarungen sind schriftlich niederzulegen. Dies gilt auch für Nebenabreden
und Zusicherungen sowie für nachträgliche Vertragsänderungen.
In einer Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2000 47 wird diese Klausel wegen Verstoßes
gegen § 9 Abs. 1 AGBG für unwirksam erklärt. Danach kann der Eindruck erweckt werden,
das Formerfordernis sei eine zwingende Voraussetzung, um eine rechtswirksame
Vereinbarung herbeizuführen. Die Unangemessenheit der Klausel entfällt nicht dadurch, dass
die Einhaltung der Schriftform den berechtigten Interessen beider Parteien dient, indem sie
für Rechtssicherheit sorgt.
e) Lieferfristklauseln
Die Lieferverzugsklausel, wonach eine Nachfrist von sechs Wochen einzuräumen ist, bevor
der Käufer den Verkäufer in Verzug setzen kann, hält der BGH im Jahr 1981 für wirksam 48 .
Text:
Der Käufer kann sechs Wochen nach Überschreitung eines unverbindlichen Liefertermins
oder einer unverbindlichen Lieferzeit den Verkäufer schriftlich auffordern, binnen
angemessener Frist zu liefern. Mit dieser Mahnung kommt der Verkäufer in Verzug.
Ein Verstoß gegen § 10 Nr. 1 AGBG wegen nicht hinreichend bestimmter oder zu langer
Lieferfristvereinbarung liegt nicht vor. Bei der Prüfung der Frage, ob diese Nachfrist
unangemessen lang ist, sind die Besonderheiten des Kraftfahrzeughandels zu berücksichtigen.
Der Händler bestellt den gewünschten Wagen bei dem Hersteller unter Angabe der
besonderen Ausstattungswünsche des Käufers. Es entspricht dem Interesse des Käufers, dass
das Kraftfahrzeug von vornherein in der gewünschten Ausstattung hergestellt wird.
Angesichts des breit gefächerten Angebotes verschiedenartigster Ausstattungen ist es
unvermeidlich, dass je nach Liefermöglichkeiten der Zulieferanten des Herstellers
Verzögerungen in der Fertigstellung des Kraftfahrzeuges eintreten. Das nimmt der Käufer,
wenn er sich mit einer unverbindlichen Lieferfrist einverstanden erklärt, hin. Eine Frist von
sechs Wochen, die dem Verkäufer nach Ablauf der Lieferfrist zur Erbringung seiner Leistung
noch verbleibt, ohne in Verzug geraten , erscheint dem Senat bei den Besonderheiten des
Kraftfahrzeughandels nicht unangemessen lang.
In einer weiteren Entscheidung zu Kraftfahrzeughandelsverträgen vom 27. September 2000
modifiziert und differenziert der 8. Zivilsenat diese Rechtsprechung teilweise.
46
Jetzt § 305 b BGB.
BGH, Urteil v. 27.9.2000, VIII ZR 155/99, NJW 2001, 212 (57 Seiten).
48
BGH, Urteil v. 7.10.1981 a.a.O.
47
18
19
Text:
Der Käufer kann sechs Wochen nach Überschreitung eines unverbindlichen Liefertermins
oder einer unverbindlichen Lieferfrist den Verkäufer schriftlich auffordern, binnen
angemessener Frist zu Liefern, mit dem Hinweis, dass er die Abnahme des Kaufgegenstandes
nach Ablauf der First ablehne. Mit Zugang der Aufforderung kommt der Verkäufer in Verzug.
Der BGH 49 sieht darin einen Verstoß gegen § 9 AGBG, weil für den Eintritt des Verzugs eine
Ablehnungsandrohung in der Fristsetzung nicht erforderlich ist. Nur für die Geltendmachung
sogenannter Sekundärrechte bei Lieferverzug wie Rücktritt oder Schadensersatz wegen
Nichterfüllung ist eine Ablehnungsandrohung als gesetzlicher Regelfall vorgesehen.
f) Haftungsbegrenzung
Die Haftungsbegrenzung wegen Unmöglichkeit der Vertragserfüllung erklärt der BGH 50 für
unwirksam.
Text:
Wird dem Verkäufer, während er im Verzug ist, Lieferung durch Zufall unmöglich, so haftet
er gleichwohl nach Maßgabe der Absätze 1 und 2, es sei denn, dass der Schaden auch bei
rechtzeitiger Lieferung eingetreten sein würde.
Die Klausel ist unwirksam gemäß § 9 AGBG, weil die hier in Bezug genommene
Haftungsregelung gemäß Abs. 1 und 2 einen Ersatzanspruch in Höhe von 10 % des
Kaufpreises vorsieht. Die Klausel enthält insoweit eine Freizeichnung für über die
Höchstgrenze von 10 % des Kaufpreises hinausgehende Verzögerungsschäden. Selbst die
Grenze von 10 % des Kaufpreises ist unangemessen, weil zu den Verzögerungsschäden auch
Kosten für die Inanspruchnahme eines Mietwagens gehören können, die bei einer
Verzögerung von einem Monat bereits höher sind als 10 % des durchschnittlichen
Neuwagenpreises. Die Inanspruchnahme eines Mietwagens für einen Monat ist aber nahe
liegend, wenn der Käufer wegen des Lieferverzugs vom Vertrag zurücktritt und wiederum
einen Neuwagen mit entsprechend langer Lieferfrist bestellt.
In seiner Entscheidung vom 27.09.2000 51
Haftungsbegrenzungsklauseln behandelt
hat
der
BGH
zwei
weitere
Text:
Bei leichter Fahrlässigkeit haftet er beschränkt. Die Haftung besteht nur, soweit der Schaden
Leistungen von Versicherungen übersteigt und Drittschaden nicht im Rahmen des Gesetzes
über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter ersetzt wird. Die Haftung beschränkt
sich dabei der Höhe nach auf die jeweiligen Mindestversicherungssummen nach dem Gesetz
über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter.
Nicht ersetzt werden jedoch Wertminderung des Kaufgegenstandes, entgangene Nutzung,
insbesondere Mietwagenkosten, entgangener Gewinn, Abschleppkosten, Wageninhalt sowie
Ladung.
49
a.a.O. FN 21.
BGH, Urteil v. 27.9.2000, VIII ZR 155/99, NJW 2001, 292.
51
BGH, Urteil v. 27.9.2000, VIII ZR 155/99, NJW 2001, 292.
50
19
20
Die Haftungsbeschränkung ist als Verstoß gegen § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG unwirksam, weil
dabei nicht zwischen Hauptpflichten und untergeordneten Pflichten unterschieden wird und
somit auch Kardinalpflichten des Verwenders erfasst werden. Fraglich ist schließlich auch, ob
der Ausschluss der Haftung, soweit der Schaden Leistungen von Versicherungen übersteigt,
auch für solche Versicherungsleistungen gilt, die dem Ersatzpflichtigen regelmäßig zugute
kommen, nach den Grundsätzen über den Vorteilsausgleich. Unklar ist auch, in welchem
Umfang der Kunde Versicherungsleistungen im Zusammenhang mit dem Schadensereignis
einfordern muss, bevor er den Verwender in Anspruch nehmen kann.
Der Ausschluss der Schäden für Wertminderung, entgangene Nutzung, Wageninhalt und
Ladung trifft darüber hinaus typischerweise solche Schäden, die Folge von schuldhafter
Verletzung vertragswesentlicher Pflichten des Verkäufers sind und daher zu den
kaufrechtlichen Kardinalpflichten gehören. Dafür kann der Verkäufer seine Haftung nicht
formularmäßig ausschließen oder begrenzen. 52
3. Auswertung und Zusammenfassung
Der BGH hat einen völligen Gewährleistungsausschluss im Gebrauchtwagenhandel
grundsätzlich akzeptiert und damit seine Rechtsprechung aus der Zeit vor Inkrafttreten des
AGB-Gesetzes auch für die Zeit nach Einführung der Generalklausel in § 9 AGBG
beibehalten. Dieser Gewährleistungsausschluss sollte als Ausdruck wirtschaftlicher Vernunft
verstanden werden. Begründet wird dies vor allem damit, dass der Käufer eines
Gebrauchtwagens ausreichend Möglichkeiten hat, sich gegenüber dem Verkäufer auf
vielfältige Weise vor einer Übervorteilung zu schützen, indem er den Wagen Probe fährt, um
eine Diagnose auf eigene Kosten bittet und darauf achtet, dass ihm wichtig erscheinende
Angaben des Verkäufers zum Zustand des Fahrzeuges in den schriftlichen Vertrag
aufgenommen werden. Der BGH legt seiner Entscheidung ein Verbraucherleitbild zugrunde,
das über den mündigen Verbraucher hinausgeht. Einfluss auf die Vertragsgestaltung zur
Sicherung seiner Rechte bei Mangelhaftigkeit des Gebrauchtwagens hat ein Verbraucher
nur, wenn er in diesen Rechtsbereichen kundig ist und verhandlungssicher auftreten kann.
Nach der Schuldrechtsreform von 2002 ist das Gewährleistungsrecht in Bezug auf
Verbraucherverträge nur noch insoweit eingeschränkt dispositiv, als gemäß § 475 Abs. 1
BGB i. V. m. § 437 BGB das Gewährleistungsrecht des Verbrauchers weder für Neuwagen,
noch für den Kauf von Gebrauchtwagen ausgeschlossen werden kann. Zulässig ist lediglich
eine Verkürzung der Verjährungsfrist für den Gewährleistungsanspruch beim
Gebrauchtwagenkauf gemäß § 475 Abs. 2 i. V. m. § 438 BGB auf mindestens ein Jahr.
Wenn damit vielleicht das erste Verbandsklageverfahren zum Bereich des
Kraftfahrzeughandels für den VSV ein Fehlschlag war 53 , so ist doch nicht zu übersehen, dass
dieser Fehlschlag nicht folgenlos geblieben ist.
Durchgehend unzulässig sind Klauseln zur Inzahlungnahme eines Gebrauchtwagens. Hierfür
gilt die Grundaussage des BGH, wonach der Preis des in Zahlung gegebenen Fahrzeuges
individuell ausgehandelt und nachträglich nicht verändert werden dürfe. Damit sichert er den
in Zahlung gebenden Gebrauchtwagenkäufer vor Inanspruchnahme aus §§ 364, 365 BGB.
Im Neuwagenhandel stehen Regelungsbereiche im Preisänderungsrecht, Liefervereinbarungen
und Gewährleistungsrechte im Vordergrund. Preisänderungsvorbehalte und Lieferfristen
52
BGH, Urteil v. 29.10.1975, VIII ZR 103 / 74 = NJW 1976, 234, 235; BGH, Urteil v. 20.11.1996, VIII ZR
184/95, NJW 1997, 727; Reinking Eggert, Rn 875; Wolf/ Horn/ Lindacher § 9 Rn 14.
53
Hensen a.a.O, (FN 1), S. 1142.
20
21
waren entsprechend der damaligen Marktsituation mit sehr langen Lieferfristen für bestimmte
Automarken für Kfz- Händler von zentraler Bedeutung: Mit Preisänderungsvorbehalten
sollten gestiegene Kosten zwischen Vertragsabschluss und Auslieferung aufgefangen werden.
Lieferfristklauseln sollten die Möglichkeit zur Vertragsauflösung durch den Käufer
einschränken. Für beide Bereiche hat der BGH enge Grenzen gesetzt. Bei Lieferfristen bis zu
vier Monaten werden Preiserhöhungen gleich aus welchem Rechtsgrund ausgeschlossen. Für
Verträge mit längeren Lieferfristen sind Preiserhöhungen im Grundsatz zulässig, aber nur
aufgrund gestiegener Kosten, die in der Klausel anzugeben sind und unter Einräumung eines
Rücktrittsrechts des Vertragspartners. Diese Grundsätze hat der BGH in der Folgezeit auf
Preisänderungsklauseln in nahezu allen Bereichen übernommen. Soweit kommt den
Entscheidungen zum Kfz-Handel die Funktion einer Grundsatzentscheidung zu.
Die Gewährleistungsklauseln enthalten den Versuch, die gesetzlichen Rechte des Kfz-Käufers
punktuell zu beschränken. Durch Bezugnahme auf den „Stand der Technik“ , die Regelung
von Formalien (schriftlich anzuzeigen) und Modifikationen der damals sechsmonatigen
Verjährungsfrist. Zwar haben gesetzliche Gewährleistungsrechte des Käufers im
Neuwagenhandel wegen der meist weit darüber hinaus gehenden Herstellergarantie eine eher
untergeordnete Bedeutung. Sie setzen allerdings die Mindeststandards, die auch in den
Garantiebedingungen nicht unterschritten werden können. Derartigen Versuchen erteilte der
BGH mit den zwei grundlegenden Entscheidungen aus dem Jahre 1981 und erneut im Jahre
2000 eine Absage.
III. Allgemeine Geschäftsbedingungen des Möbelhandels
Bereits kurz nach Inkrafttreten des AGB-Gesetzes haben die Verbraucherverbände damit
begonnen, die Vertragsklauseln in den Kaufverträgen über neue Möbel zu überprüfen. Gründe
hierfür sind, dass Möbel zu den höherwertigen Konsumgütern gehören und damit die AGB,
insbesondere zu Lieferfristen, Leistungsänderungen und Gewährleistung, für Verbraucher von
besonderer Bedeutung sind. Außerdem wurde sehr bald festgestellt, dass die
Möbelkaufverträge häufig eine Vielzahl bedenklicher Klauseln enthielten.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 26. Mai 1983 54 enthält 22
Klauseln. Im Urteil des OLG Celle vom 17.7.1985 55 werden 36 Klauseln behandelt. Von vier
bis zum BGH betriebenen Verfahren betreffen eines fünf Klauseln 56 und ein weiteres 7
Klauseln 57 , zwei weitere je eine Klausel 58 .In den 14 OLG-Verfahren dieser Untersuchung
sind in neun Verfahren weniger als fünf Klauseln streitig, in zwei Verfahren bis zu zehn
Klauseln und in zwei weiteren mehr als 20 Klauseln.
In der Statistik zur Anzahl der Abmahnungen und Klageverfahren nimmt die Möbelbranche
von den in dieser Studie untersuchten Branchen aber eher einen Mittelplatz ein. Zwischen
1980 und 2000 hat der VSV 321 Abmahnungen an Möbelhändler verschickt und davon in 59
Fällen die Gerichte angerufen 59 . Der zahlenmäßige Schwerpunkt liegt im Jahre 1983 (32
Abmahnungen). Weder die Anzahl der Abmahnungen noch der Klageverfahren enthält eine
Aussage zur Anzahl der unwirksamen Klauseln. Immerhin ist festzustellen, dass die Gerichte
54
6 U 109/82 ZIP 1983, 1213.
3 U 157/84.
56
BGH, Urteil v. 15.2.1995, VIII ZR 93/94, NJW 1995, 1488.
57
BGH, Urteil v. 31.10.1984, VIII ZR 226/83, NJW 1985, 320.
58
BGH, Urteil v. 1.3. 1982, VIII ZR 63/81, NJW 1982, 1388; BGH, Urteil v. 26.5.1986, VIII ZR 229/85.
59
Jahresberichte des VSV 1980 bis 2000.
55
21
22
eine Vielzahl von Klauselgestaltungen für unwirksam erklärt haben. Ein Beispiel hierfür ist
die Entscheidung des OLG Frankfurt 60 in Sachen VSV gegen Möbel Franz: Von 21 Klauseln
werden 20 für unwirksam erklärt. Vor dem BGH hat die Beklagte mit ihrer Revision zu fünf
Klauseln Erfolg, für weitere drei Klauseln schränkt der BGH den Unterlassungstenor ein.
Im Möbelhandel besteht offenbar vor allem ein Bedürfnis zur Regelung der Bereiche
• Lieferfrist / Lieferverzug ,
• Schadensersatz/ Gewährleistung,
• Wertminderung und Rückgabe gekaufter Gegenstände
Die Entwicklung der Rechtsprechung in diesen drei Bereichen ist uneinheitlich verlaufen und
letztlich erst durch obergerichtliche und höchstrichterliche Entscheidung abschließend geklärt
worden.
1. Lieferfristen / Lieferverzug
Text:
Sollte die Verkäuferin diesen Termin gleichwohl um mehr als 14 Tage überschreiten, so ist
der Käufer berechtigt, eine Nachfrist von einem Monat zu setzen und nach fruchtlosem Ablauf
vom Vertrag zurückzutreten.
Wegen dieser Klausel hatte die Beklagte zunächst gegen das Urteil des Landgerichts Berlin 61
Berufung eingelegt. Das Landgericht hatte die Klausel als Verstoß gegen § 10 Nr. 2 AGBG
wegen einer unangemessen langen Nachfrist untersagt. In der mündlichen Verhandlung vor
dem Kammergericht wurde die Berufung zurückgenommen.
Text:
Die Verkäuferin ist bemüht, zum vereinbarten Abnahmetermin zu leisten.
Das Kammergericht 62 sieht darin keinen Verstoß gegen § 10 Nr. 1 AGBG, weil die Klausel
lediglich eine Absichtserklärung der Beklagten darstelle. Der Senat vermag nicht zu erkennen,
welchen Sinn eine derartige Erklärung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen habe.
Text:
Nach Ablauf der vereinbarten Lieferfrist ist der Käufer berechtigt uns schriftlich eine
vierwöchige Nachfrist - beginnend vom Tag der schriftlichen Inverzugsetzung durch den
Käufer – zur Lieferung zu setzen und bei Nichteinhaltung dieser Frist vom Vertrag
zurückzutreten.
Die Klausel verstößt gegen § 10 Nr. 2 AGBG, da die Nachfrist von einem Monat zu lang
ist. 63
Text:
Gerät die Verkäuferin in Lieferverzug, ist dieser schriftlich unter Ankündigung der
Geltendmachung dem Käufer für den Fall des Fristablaufs zustehenden Rechte, eine Nachfrist
von mindestens 6 Wochen zu setzen.
60
OLG Frankfurt/M. v. 26.5.1983 – 6 U 109/82 ZIP 1983, 1213.
LG Berlin 26 o 374/78 v. 14.12.1978.
62
KG v. 11.3.1981- 23 U 5052/80.
63
KG v.4.7. 1979 – 23 U 624 / 79.
61
22
23
Die Nachfrist ist unangemessen lang. Die Klausel verstößt gegen § 10 Nr. 2 AGBG. 64
Text:
Bei Lieferschwierigkeiten soll die Verkäuferin den Liefertermin vereinbarungsgemäß bis
längstens drei Wochen überschreiten dürfen, bevor der Käufer die Verkäuferin in Verzug setzt
und eine ausreichende Nachfrist unter Ablehnungsandrohung vornimmt.
Diese Klausel verstößt nicht gegen § 10 Nr. 1 AGBG, da sich darin die Beklagte keine
unangemessen lange Frist zur Erbringung ihrer Leistung vorbehält.65 Die Besonderheiten des
Möbelhandels rechtfertigen eine Nachleistungsfrist von drei Wochen. Ein Verstoß gegen § 10
Nr. 2 AGBG liegt nicht vor, da sich die Beklagte nicht eine „Nachfrist“ von unangemessener
Länge vorbehält. Im Hinblick auf die Nachleistungsfrist kann die Nachfrist entsprechend kurz
sein.
Text:
Bei Lieferschwierigkeiten aller Art verlängert sich die Lieferfrist bis zu sechzig Tagen.“
Die Klausel erfüllt den Tatbestand des § 10 Nr. 1 AGBG, weil sich der Verwender eine
unangemessen lange Nachfrist vorbehält 66 .
Text:
Kommt die Firma von Berg mit Lieferung der Ware in Verzug, so ist der Käufer berechtigt,
eine Nachfrist von vier Wochen zu setzen.
Die Klausel ist wegen Verstoßes gegen § 10 Nr. 2 AGBG unwirksam. Die Nachfrist ist
unangemessen lang 67
2. Annahmeverzug des Käufers
Für Möbelkaufverträge typisch sind Klauseln mit Regelungen zu Ersatzansprüchen des
Verkäufers bei Nichtabnahme der gekauften Möbel.
Text:
Die Lagerung der gekauften Möbel wird nach Ablauf des vereinbarten Liefertermins auf
Gefahr des Käufers einen Monat lang kostenlos übernommen.
Die Klausel ist unzulässig und verstößt gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG i. V. m. § 324 BGB a.
F. 68 Nach der gesetzlichen Regelung trägt bei Annahmeverzug der Käufer das Risiko, dass
die Gegenstände ohne Verschulden beschädigt werden. Der Käufer hat also auch dann den
Kaufpreis zu zahlen, wenn die Gegenstände beschädigt oder gar nicht geliefert werden
können, allerdings nur, wenn den Verkäufer nicht ein Verschulden an der Beschädigung bzw.
am Untergang der Sache trifft. Bei fahrlässiger oder vorsätzlicher Beschädigung der
Kaufsache ist der Käufer von seiner Zahlungsverpflichtung selbst dann frei, wenn er sich in
Annahmeverzug befunden hat. Die Klausel macht nicht hinreichend deutlich, dass sie nur die
Fälle des unverschuldeten Unterganges der Kaufsache betrifft.
64
OLG Celle vom 17.7.1985 – 3 U 157/84.
OLG Bamberg v.25.5.1983- 3 U 269/82.
66
OLG Hamm vom 04.03.1983 – 20 U 358/ 82.
67
OLG Zweibrücken vom 02.07.1990 – 4 U 22/90.
68
BGH, Urteil v. 31.10.2984, VII ZR 226/83, NJW 1985, 326.
65
23
24
Text:
Die Abnahme der gekauften Ware durch den Käufer muss spätestens einen Monat nach dem
vereinbarten Liefertermin erfolgen. Danach können vom Verkäufer monatlich 2 % des
Kaufpreises als Lagergeld verlangt werden.
Die Klausel verstößt gegen § 11 Nr. 5 a AGBG. 69 Pauschalierte Schadensersatzansprüche
sind in AGB nur zulässig, wenn sich die Pauschale am branchentypischen Durchschnitt
orientiert. Die vorgesehene Pauschale ist abhängig vom Kaufpreis, der mit etwaigen
Lagerkosten nichts zu tun hat. Die Entscheidung enthält eine nicht unumstrittene
Rechtsansicht. Das OLG Celle 70 hat eine einprozentige Lagerkostenpauschale für üblich und
deshalb für zulässig erklärt.
Text:
Bei Annahmeverzug des Käufers ist die Verkäuferin nach einer angemessenen
Nachfristsetzung verbunden mit einer Ablehnungsandrohung berechtigt, Schadensersatz in
Höhe von 25% der Kaufpreissumme des Bestellscheins zu verlangen.
Die Klausel verstößt nicht gegen § 9 Abs. 1 AGBG und auch nicht gegen § 11 Nr. 5b AGBG
und ist zulässig. 71 Sie bezieht sich erkennbar nur auf den Fall, dass der Kunde mit der
Abnahme der Möbelgegenstände in Verzug gerät und der Gesamtkaufpreis deshalb nicht
bezahlt wird. Hervorzuheben ist, dass bei Anwendung der vorstehenden Klausel jeweils 25 %
des noch ausstehenden Kaufpreises verlangt werden. Im Übrigen hat sich im Möbelhandel als
Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Vertrages eine Pauschale von 25 % des Kaufpreises
als üblich herausgebildet. Der BGH 72 hält diese Pauschale für angemessen. Darüber hinaus
gehende Pauschalen dürften gegen § 11 Nr. 5a AGBG verstoßen.
Text:
Nimmt der Käufer die Ware nicht ab, ist die Firma bei Vorliegen der Verzugsvoraussetzungen
berechtigt, Schadensersatz wegen Nichterfüllung in Höhe von 20 % des Verkaufspreises zu
verlangen. Die Geltendmachung eines nachweislich höheren Schadens bleibt vorbehalten.
Die Klausel ist zwar nicht wegen der Höhe der geregelten Pauschale von 20 % des
Verkaufspreises unwirksam, wohl aber wegen Verstoßes gegen § 11 Nr. 4 AGBG 73 . Danach
darf der Verwender in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht von der gesetzlichen
Obliegenheit freigestellt werden, den anderen Vertragsteil zu mahnen oder ihm eine Nachfrist
zu setzen. Die hier geregelte Schadenspauschalierung bezieht sich auf Fälle des
Abnahmeverzuges und stellt den Verwender von der gesetzlichen Obliegenheit einer
Nachfristsetzung frei.
3. Leistungsänderungsvorbehalte
Zu den strittigen Klauseln des Möbelhandels gehören solche, die dem Verkäufer das Recht
einräumen, Abweichungen der gelieferten Ware von der vertraglich vorgesehenen
Ausstattung noch als vertragsgemäße Leistung zu bezeichnen. Typisch hierfür ist folgende
Klausel:
69
LG Karlsruhe Bunte AGBG E Bd. I § 11 Nr. 30.
Bunte AGBG E Bd. IV § 9 Nr. 133.
71
BGH NJW 1985, 320, 326.
72
BGH NJW 1985, 320.
73
BGH NJW 1985, 320.
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24
25
Text:
Abweichungen in Struktur und Farbe gegenüber dem Ausstellungsstück bleiben vorbehalten,
soweit diese in der Natur der verwendeten Materialien liegen (Massivhölzer, Furniere,
Natursteinplatten, Leder, textile Produkte) und handelsüblich sind.
Der BGH 74 hält diese Klausel für zulässig, weil sie gegenüber einem unzulässigen Vorbehalt
in dreifacher Hinsicht Einschränkungen enthält, nämlich durch die Art der Abweichung
(Struktur und Farbe), ihre Ursache (materialbedingte Abweichungen) und das Ausmaß
(handelsüblich). Damit sei gewährleistet, dass nur solche Abweichungen vorgenommen
werden können, die für den Kunden zumutbar sind. Die völlige Übereinstimmung von Muster
und gelieferter Ware ist oftmals nicht möglich, sodass der Kunde ohnehin nach Treu und
Glauben geringe Änderungen hinnehmen muss. In der Klausel wird eine Risikoverlagerung
vorgenommen. Der Käufer muss einerseits nachweisen und beurteilen, ob die Abweichung
einer gelieferten Ware von einem Ausstellungsstück den mit der Klausel geregelten
Bedingungen entspricht und insoweit als Vertragserfüllung hinzunehmen ist. Er muss
außerdem bei besonderem Interesse an einer vollständigen Übereinstimmung zwischen
Ausstellungsstück und Vertragsgegenstand eine entsprechende ausdrückliche Vereinbarung
im Vertrag festhalten. Ob diese Risikoverlagerung unter dem Gesichtspunkt des
Verbraucherschutzes noch als angemessene Interessenabwägung zu bewerten ist, bedürfte
näherer Untersuchung. 75
4. Wertminderungs- und Gebrauchsüberlassungspauschale
Branchentypisch und nahezu in allen Möbelkaufverträgen enthalten ist folgende Klausel:
Text
Für die Vergütung von Gebrauchsüberlassung sollen die von der Industrie- und
Handelskammer festgesetzten Wertsätze gelten, und zwar bei Rückgabe von
•
Polsterwaren
35 %
45 %
60 %
70 %
80 %
90 %
innerhalb des 1. Halbjahres
innerhalb des 2. Halbjahres
innerhalb des 3. Halbjahres
innerhalb des 4. Halbjahres
innerhalb des 3. Jahres
innerhalb des 4. Jahres.
•
Bei sonstigen Möbeln und Zimmern
25%
35%
45 %
55 %
60 %
70 %
innerhalb des 1. Halbjahres
innerhalb des 2. Halbjahres
innerhalb des 3. Halbjahres
innerhalb des 4. Halbjahres
innerhalb des 3. Jahres
innerhalb des 4. Jahres.
Diese Klausel enthält eine unzulässige Pauschale für die Gebrauchsüberlassung und ist als
Verstoß gegen § 11 Nr. 5a AGBG unwirksam. Die als Vorlage genutzten Pauschalsätze der
Industrie- und Handelskammer Berlin sind als Ausgleich für die Gebrauchsüberlassung und
eine inzwischen eingetretene Wertminderung entwickelt worden. Mit der Klausel wird allein
74
75
BGH v. 11.03.1987- VIII ZR 203/86, NJW 1987, 1886.
BGH NJW 1987, 1886.
25
26
der Ausgleich einer Vergütung für die Gebrauchsüberlassung mit den gleichen Prozentsätzen
versehen. 76 Die Rechtsprechung geht teilweise darüber hinaus und hält diese Pauschalsätze
auch dann für unangemessen, wenn sie als Vergütung für Gebrauchsüberlassung und
Wertminderung vorgesehen werden. 77
Text:
Bei Rückgabe von Teppichen, Matratzen, Gardinen und Bettwäsche wird der Verkehrswert,
höchstens 10 % vergütet, da diese nur bedingt zu gebrauchen sind.
Die Regelung ist nach Ansicht des BGH nicht zu beanstanden, wenn die Klauselbestandteile
„Teppiche“ und „höchstens 10%“ entfallen78 . Die Beklagte hatte ihre Revision mit dieser
Maßgabe beschränkt und das Berufungsurteil wegen dieser Klauselbestandteile nicht
angegriffen. Der BGH sieht in der Klausel eine Abweichung von § 2 Abs. 1 S. 2 AbzG (in
der damaligen Fassung) auch ohne die in der Revision entfallenen Klauselteile und untersagt
die Verwendung nur für Verträge, die dem Abzahlungsgesetz unterliegen. Bei
Barzahlungsgeschäften, für die das AbzG nicht gilt, ist eine Regelung des Inhalts, dass der
Käufer im Falle des Rücktritts den Kaufpreis nur in Höhe des Verkehrswerts der Sache
zurückerhält, nicht zu beanstanden. Enthält die Klausel keine Beschränkung auf einen
bestimmten Prozentsatz des Verkehrswerts, entfallen auch Bedenken wegen einer fehlenden
Differenzierung nach der Art der Kaufgegenstände. In dieser Entscheidung nimmt der BGH
sodann Stellung zur Frage der geltungserhaltenden Reduktion, die nicht vorliege, weil es nicht
um die Aufrechterhaltung der Klausel gehe, sondern um das vollständige und ersatzlose
Entfallen einzelner Klauselbestandteile79
5. Bestätigung zu Maßangaben
In einer Entscheidung vom 26.5.1986 erklärt der BGH 80 eine Klausel für unwirksam, die im
Möbelhandel erhebliche Auswirkungen für die Rechte des Käufers hat. Im Kern geht es um
die Verantwortung für aufgenommene Maßangaben in einer Skizze zur Montage gekaufter
Möbel:
Text:
Mit der unten stehenden Unterschrift bestätigt der Kunde die Richtigkeit der Skizze sowie
alle Maßangaben, der Verkäufer, dass die Maßangaben am Montageort nachgemessen und
für richtig befunden wurden.
Die Klausel ist als Beweislast ändernde Tatsachenbestätigung gemäß § 11 Nr. 15 b) AGBG
unwirksam. Von der Richtigkeit der Maßangaben hängt die Vertragsmäßigkeit der Lieferung
entscheidend ab. Gegenstand der Verträge sind nicht nur die bestellten Möbelstücke, sondern
auch, dass diese in ihren Maßen mit den räumlichen Gegebenheiten übereinstimmen. Ist dies
nicht der Fall, weil die Maße der Räume oder der Möbel falsch in die Skizze eingetragen
wurden, so ist die Lieferung nicht vertragsgemäß. Verweigert der Kunde die Abnahme, so
müsste ohne Klausel der Verwender die Richtigkeit der Skizze und der Maße beweisen. Mit
der Klausel verschafft er sich ein Beweismittel bis der Kunde die Unrichtigkeit bewiesen hat.
76
BGH vom 31.10.1984 -VIII ZR 226/83, NJW 1985, 326.
OLG Celle vom 03.06.1980, 17 U 37 / 79.
78
BGH, Urteil v. 31.10.1984, VIII ZR 226/83, NJW 1985, 320.
79
unter Verweis auf Urteil v. 7.6.1982 –VIII ZR 139/81 WM 1982,869 und v. 19.9.1983- VIII ZR 84/82 WM
1983, 1153; BGHZ 84, 109, 114 ff.
80
BGH, Urteil v. 26.5.1986, VIII ZR 229/85, IBRRS 59053.
77
26
27
6. Rücktrittvorbehalt des Verkäufers
Zu den Klauseln mit einem Rücktrittsvorbehalt des Verkäufers entscheidet der BGH 81 unter
Differenzierung der Rücktrittsgründe.
Text:
Der Verkäufer kann in schriftlicher Erklärung vom Vertrag zurücktreten , wenn der Käufer
unrichtige oder unvollständige Angaben über seine Person, oder die seine Kreditwürdigkeit
bedingenden Tatsachen gemacht hat.
Die Klausel enthält einen Verstoß gegen § 10 Nr. 3 AGBG (Rücktritt ohne sachlichen Grund)
soweit dem Verkäufer ein Rücktrittsrecht ohne Einschränkungen für den Fall zugestanden
wird, dass der Käufer unrichtige Angaben über seine Person gemacht hat. Kein Verstoß gegen
§ 10 Nr. 3 AGB bei unrichtigen Angaben, die die Kreditwürdigkeit bedingen, wenn es um
Abzahlungsgeschäfte geht. Mit diesem eingeschränkten Verbotstenor wird die Klausel für
unwirksam erklärt.
7. Gewährleistungsregelungen
Text:
Der Käufer kann an die bestellten Waren qualitativ Ansprüche nur in einer Höhe stellen, wie
sie billiger Weise oder handelsüblich bei Waren in der Preislage bestellten, gestellt werden
können.
Die Klausel verstößt nicht gegen § 9 AGBG i. V. m. §§ 243, 459 a. F. BGB. 82 Die
Vorinstanz 83 hatte die Klausel untersagt. Der BGH sieht in der Klausel nicht nur eine
Regelung der Warenbeschaffenheit in Relation zum Preis, sondern auch nach den Maßstäben
der Billigkeit und der Handelsüblichkeit. Diese Maßstäbe haben sich an den gesetzlichen
Wertungen der §§ 243 Abs. 1, 459 BGB a. F. auszurichten. Der Billigkeit ebenso wie der
Handelsüblichkeit entspreche es, bei Sonderangeboten oder Räumungskäufen die berechtigten
Qualitätsansprüche des Kunden nicht nur an einem günstigen Preis auszurichten,
insbesondere, wenn trotz des günstigen Preises die gute Qualität in der Werbung
herausgestellt wird. Der Kunde wird unter Verweis auf die Werbung seine Rechte geltend
machen, wenn die Ware diesen Angaben nicht genügt.
Vermerk: Die Entscheidung greift der Schuldrechtsreform zum Fehlerbegriff voraus unter
Einbeziehung der Werbeaussagen, liegt aber quer zur damaligen Rechtslage, wonach
Werbung keine Zusicherung darstellt.
8. Auswertung und Zusammenfassung
Zentrale Bereiche in den Geschäftsbedingungen der Möbelkaufverträge betreffen Nachfristen
bei Lieferverzug, Rechtsfolgen einer Nichtabnahme durch den Käufer und
Gewährleistungseinschränkungen.
Das in § 10 Nr. 2 AGBG geregelte Verbot unangemessen langer Nachfristen wird von der
Rechtsprechung für den Möbelhandel dahin konkretisiert, dass Nachfristen von mehr als 4
Wochen in jedem Fall unangemessen sind. Dem entspricht, dass auch die anstelle einer
81
BGH, Urteil v. 31.10.1984, VIII ZR 226/83, NJW 1985, 320.
BGH, Urteil v. 31.10.10984, VIII ZR 226/83. NJW 1985, 320.
83
OLG Frankfurt v. 26.5.1983, ZIP 1983, 1213.
82
27
28
Nachfrist geregelte Nachlieferungsfrist bei Überschreiten eines unverbindlichen Liefertermins
mit drei Wochen noch als angemessen angesehen wird. Diese Regelung ist angelehnt an eine
vergleichbare Regelung im Kfz-Neuwagenhandel.
Bei Nichtabnahme der Möbel durch den Käufer werden vor allem Abstandszahlungen
geregelt, die nach Auffassung des BGH mit 25 % des Kaufpreises angemessen sind. Dagegen
haben die Vereinbarung von Lagergeld, Haftungsfreizeichnungen bei Annahmeverzug durch
den Käufer und pauschalierte Wertminderungssätze in der Rechtsprechung keinen Bestand.
Erfolglos bleiben die Versuche, Gewährleistungseinschränkungen durch Klauseln in denen
auf „handelsübliche Abweichungen“ oder „handelsübliche Qualität“ verwiesen wird, zu
verhindern. Diese in der Entscheidung des BGH von 1987 84 erstmals höchstrichterlich
gebilligten Klauseln sind auch in der Literatur auf Kritik gestoßen85 , haben aber bis heute
Bestand. Einschränkungen gelten lediglich für unrichtige Maßangaben.
IV. A. Allgemeine Geschäftsbedingungen der Pauschalreiseverträge
Frühzeitig nach Inkrafttreten des AGB-Gesetzes haben die Verbraucherverbände einen
Schwerpunkt ihrer Abmahn- und Klagetätigkeit in der Prüfung der Geschäftsbedingungen für
Pauschalreiseverträge gesehen. In der Zeit von November 1979 bis Dezember 1991 hat der
Verbraucherschutzverein 188 Abmahnverfahren 86 durchgeführt. Anlass für einen
Schwerpunkt im Bereich der Pauschalreiseverträge, war das Inkrafttreten des Gesetzes über
den Reisevertrag am 01.10.1979 87 . Unklarheiten und Unsicherheiten bei der Anwendung und
Auslegung des damals neuen Reisevertragsrechts sollten einer gerichtlichen Klärung
zugeführt werden. Hinzukommt, dass die Reise als unkörperliche Leistung erst nach ihrer
Durchführung auf Vertragsgemäßheit und Mangelfreiheit überprüft werden kann. Der
Verbraucher hat aber den Reisepreis vor Beginn der Reise vollständig auszugleichen.
Reiseveranstalter sind versucht, sich durch umfangreiche Regelungen in ihren Allgemeinen
Geschäftsbedingungen vor den Unwägbarkeiten der Reise und damit ihrer Vertragserfüllung
zu schützen. Dabei bleiben die Interessen der Reisekunden teilweise unberücksichtigt. Auch
dies war ein Anlass für die Verbraucherverbände, eine gezielte Überprüfung der Reise-AGB
durchzuführen.
Vor diesem Hintergrund begann der VSV am 28.11.1979 eine planmäßige Überprüfung der
Reise-AGB. Die Planmäßigkeit ist daran abzulesen, dass vier marktstarke
Reiseunternehmen 88 abgemahnt und zum Teil verklagt wurden. Bis 1991 wurden bereits 45
Gerichtsverfahren eingeleitet. Insgesamt weisen die Jahresberichte des VSV von 1980 bis
2000 eine Anzahl von 418 Abmahnungen und 62 Klageverfahren aus. Der zahlenmäßige
Schwerpunkt der Abmahnungen liegt in den Jahren 1987 (52 Abmahnung.) und 1988 (63
Abmahnung.). Das Verfahren, das mit Abstand die größte Aufmerksamkeit in der
Öffentlichkeit und in der Fachöffentlichkeit gefunden hat, betrifft die Reisebedingungen in
der Konditionenempfehlung des Deutschen Reisebüroverbandes 89 .
84
BGH NJW 1987, 1886.
Hensen in Ulmer/Brander/Hensen AGBG , 7. Aufl., Anhang §§ 9 – 11, Rn 442.
86
Tätigkeitsberichte des VSV 1979 bis 1991 und Verfasser in Verklagen oder Verhandeln? S. 80.
87
Gesetz v. 04.05.1979 BGBl I S. 509.
88
TUI, NUR Tjaerborg,Allkauf, IST; vgl. Heller/Tonner, Reiserecht in Europa S. 13.
89
BGH, Urteil v. 12.03.1978, VII ZR 37/86, NJW 1987, 1931.
85
28
29
Der Auswertung der Untersuchung liegen die folgenden fünf Regelungsbereiche in
Allgemeinen Reisebedingungen zugrunde.
•
•
•
•
•
•
Zahlungsklauseln
Preisänderungsklauseln
Leistungsänderungsklauseln
Haftungsklauseln
Gewährleistungsklauseln
Rücktrittsrecht des Reiseveranstalters.
1. Zahlungsklauseln:
Zu den Zahlungsklauseln gehören die Verpflichtung des Reisenden, bei Buchung oder kurz
danach eine Anzahlung zu leisten, den gesamten rechtlichen Reisepreis vor Reiseantritt zu
zahlen und für den Fall des Rücktritts vor Reiseantritt eine Stornopauschale zu zahlen.
a) Anzahlungsklauseln
Text:
Mit Erhalt der schriftlichen Reisebestätigung und Aushändigung des Sicherungsscheins
werden 20 % des Reisepreises als Anzahlung fällig. Bei Ferienwohnungen beträgt die
Anzahlung 20 % des Reisepreises je Wohneinheit.
Bis zur Neufassung des § 651 k BGB galt in der Rechtsprechung der Grundsatz, dass
entsprechend der damals geltenden Gesetzeslage der Reiseveranstalter nur berechtigt ist, eine
verhältnismäßig geringe Anzahlung zu vereinbaren 90 . Die Höhe dieser Anzahlung durfte 10
% des Reisepreises nicht übersteigen. 91 Für die Fälligkeit einer erheblich über 10 % des
Reisepreises liegenden Anzahlung sei die Beschaffung und Aushändigung von Papieren zur
Gewährleistung unmittelbarer Ansprüche gegen Leistungsträger Voraussetzung 92 . Die vom
BGH geforderten Sicherheiten für den Reisenden wurden durch Novellierung des § 651 k
Abs. 4 BGB geschaffen 93 . Danach darf der Reiseveranstalter Vorauszahlungen auf den
Reisepreis verlangen, wenn er dem Reisenden einen Sicherungsschein aushändigt
Anzahlungen von 20 % des Reisepreises werden inzwischen von der Rechtsprechung als
zulässig angesehen. 94 Die Klausel verstößt nicht gegen die Inhaltskontrolle der §§ 307 ff
BGB, insbesondere nicht gegen § 309 Nr. 2a) BGB. Danach ist eine Bestimmung in
Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, durch die das Leistungsverweigerungsrecht,
das dem Vertragspartner des Verwenders nach § 320 BGB zusteht, ausgeschlossen oder
eingeschränkt wird. Diese Vorschrift setzt nach ihrem Wortlaut voraus, dass überhaupt ein
Leistungsverweigerungsrecht des Kunden besteht. Ein solches besteht indessen nicht, wenn
der Kunde wie hier zur Vorleistung verpflichtet ist. In derartigen Fällen ist die eng
auszulegende AGBG-Regel nicht anwendbar, weil es sich um ein Klauselverbot ohne
Wertungsmöglichkeit handelt. 95
90
BGH, Urteil v. 12.03.1987, VII ZR 37/86, NJW 1987, 1931.
BGH, Urteil v. 09.07.1992, VII ZR 6/92, NJW 1992, 3158.
92
BGH, Urteil v. 09.07.1992, VII ZR 6/92, NJW 1992, 3158.
93
Novelle § 651 Abs. 4 BGB.
94
OLG Köln vom 11.04.2005- 16 U 12/05 NJW-RR 2007, 144.
95
Unter Bezug auf BGH NJW 1987, 1931 § 11 Nr. 2 a AGBG.
91
29
30
Die Klausel hält auch einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB stand. Sie weicht nicht von
wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab. Nach Abwägung der
beiderseitigen Interessen ist nicht zu beanstanden, dass der Reisende verpflichtet ist, bei
Übersendung der Reiseunterlagen eine Anzahlung in Höhe von 20 % zu leisten. Dies
benachteiligt ihn nicht unangemessen. 96 Zwar weicht die Klausel mit der Verpflichtung des
Reisenden zur Zahlung einer Anzahlung auf den Reisepreis vor Reisebeginn von der
gesetzlichen Regelung an sich ab. Die Besonderheiten des Reisevertrages rechtfertigen nach
allgemeiner Ansicht jedoch das grundsätzliche Verlangen des Reiseveranstalters an einer
angemessenen Vorauszahlung. 97 Die grundsätzliche Zulässigkeit eines Anzahlungsverlangens
nach Übersendung des Sicherungsscheins kann deshalb nicht mehr in Abrede gestellt werden.
Dieses Erfordernis erfüllt die Klausel. Bei der Prüfung der Frage, in welcher Höhe der
Reiseveranstalter nach Übersendung des Sicherungsscheins eine Vorauszahlung verlangen
kann, sind die Interessen der Vertragsparteien gegeneinander abzuwägen. Die
Interessenabwägung führt nach Auffassung des Senats zu einem Anspruch des
Reiseveranstalters nach einer Anzahlung von 20 % des Reisepreises bei der Übersendung des
Sicherungsscheins.
b) Vorkasseklausel
Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 12. März 1987 98 folgende Klausel für unwirksam
erklärt:
Text:
Weitere Zahlungen werden zu den vereinbarten Terminen, die Restzahlungen spätestens bei
Aushändigung oder Zugang der Reiseunterlagen fällig.“
Der 7. Senat des BGH setzt sich in dieser Entscheidung ausführlich mit den Argumenten der
Verbraucherverbände und des Deutschen Reisebüroverbandes jeweils zur Unzulässigkeit
bzw. zur Zulässigkeit der Klausel auseinander. Die Argumente der Verbraucherseite bestehen
in den erheblichen Nachteilen für Reisekunden aus der Vorleistung des Reisepreises. Sie
verlieren das Druckmittel des § 320 BGB für Beanstandungen während der Reise und für die
Durchsetzung von Gewährleistungsansprüchen ohne Prozess nach der Reise. Sie übernehmen
bei uneingeschränkter Vorauszahlung des Reisespreises das volle Vergütungsrisiko ohne
Rücksicht darauf, ob der Reiseveranstalter zum vereinbarten Reisetermin auch fähig und
bereit ist, seine Reiseleistung zu erbringen.
Demgegenüber halten die Reiseveranstalter die Regelung für zulässig. Der Gesetzgeber habe
in den neu geschaffenen Vorschriften der §§ 651a – k BGB das Leitbild des Reisevertrages
gegeben und dabei die eben bekannte Üblichkeit der Vorauszahlung gebilligt. Anderenfalls
hätte er eine entsprechende gesetzliche Regelung geschaffen. Die Vorauszahlung sei
angelehnt an die in Beförderungsmitteln – wie Straßenbahn, Bus oder Eisenbahn - übliche
Vorauszahlung des Beförderungsentgeltes. Es sei für die Abwicklung von Reiseverträgen als
Massenverträge nicht möglich, nach durchgeführter Reise ohne unvertretbaren Aufwand,
Zahlungsansprüche durchzusetzen.
96
Unter Hinweis auf die Literatur Staudinger /Eckert BGB 2003, § 651 a Rn 128; Ulrich Reiserecht, 4. Auflage
2002 Rn 143 – 145 und 467; derselbe NJW 1994, 2449; Jauernig/ Teichmann BGB , 11. Auflage § 651 a Rn
13 (Stornokosten).
97
Palandt/Sprau BGB 64. Auflage § 651 k Rn 7; BGH NJW 1987, 1931 und BGH NJW 1992, 3158, 3168.
98
BGH, Urteil v. 12.3.1987, VII ZR 37/86, NJW 1987, 1931.
30
31
Der BGH hält den Hinweis auf die Vorschriften zum Pauschalreisevertrag im BGB für nicht
einschlägig. Das Schweigen des Gesetzgebers bedeute keine Billigung. Auch der Hinweis auf
die Üblichkeit der Vorleistung bei Beförderungsverträgen sei nicht zutreffend, da diese
Beförderungsverträge üblicherweise anonym geschlossen werden, während Reiseverträge mit
genauer Identifizierung des Reisenden mit Namen und Anschrift geschlossen werden. Nicht
zu übersehen sei allerdings das Risiko für Reiseveranstalter, nach durchgeführter Reise nur
mit erheblichem Aufwand den Reisepreis eintreiben zu können. Demgegenüber seien die
Nachteile aus der Vorleistung für den Reisekunden gravierend, letztlich so gravierend, dass
eine Vorauszahlung nur zulässig ist, wenn sie mit entsprechenden Sicherheiten verbunden
werde. Sicherheiten könne nur der Gesetzgeber einführen. Bis dahin sei den Interessen des
Reisenden dadurch Rechnung zu tragen, dass sie nur eine verhältnismäßig geringe Anzahlung
leisten und die Restzahlung des Reisepreises erst sehr kurz vor Antritt der Reise und damit
keineswegs wie in der Klausel geregelt, bereits mit Aushändigung der Reisepapiere. Nur auf
diese Weise werde sichergestellt, dass der Reisende nicht nach Zahlung des Reisepreises mit
einem völligen Ausfall der Reiseleistung rechnen müsse. Mit der streitgegenständlichen
Klausel ist diesem berechtigten Interesse des Reisekunden nicht hinreichend Rechnung
getragen. Die langjährige Üblichkeit der Klausel steht der Feststellung ihrer
Unangemessenheit nicht entgegen. Sie ist gemäß § 9 AGBG unwirksam.
c) Stornopauschalen
Stornopauschalen wurden in mehreren Verfahren von dem VSV und den
Verbraucherzentralen beanstandet, sowohl wegen der Höhe der Pauschalen, als auch wegen
des fehlenden Vorbehalts, einen abweichenden Schaden nachweisen zu können gemäß § 11
Nr. 5b AGBG. Im Verfahren des VSV ./. NUR 99 wird folgende Klausel für unzulässig erklärt:
Text:
Die pauschalierten Rücktrittsgebühren betragen je angemeldeten Teilnehmer bis 30 Tage vor
Reisebeginn 4 %.
Ab 29. – 22. Tag vor Reisebeginn 8 %.
Ab 21.- 15. Tag vor Reisebeginn25 %.
Ab 14. – 7. Tag vor Reisebeginn 40 %.
Ab 6. Tag vor Reise beginn 50 % des Reisepreises.
Diese Klausel hält das OLG Frankfurt/M. für unwirksam gemäß § 11 Nr. 5 b) AGBG, weil
nach dem Wortlaut der Reisende nicht erkennen kann, dass er den Gegenbeweis eines
geringeren Schadens führen kann. Die ebenfalls vom VSV beanstandete Höhe der Pauschalen
wird nicht als Unwirksamkeitsgrund herangezogen. 100
2. Preisänderungsklauseln
Der VZBV hat in mehreren Verfahren Preisänderungsklauseln großer Reiseveranstalter
gerichtlich überprüfen lassen.
Text:
Der Veranstalter behält sich vor, die ausgeschriebenen und mit der Buchung bestätigten
Preise im Fall der Erhöhung der Beförderungskosten oder der Abgaben für bestimmte
Leistungen wie Hafen- oder Flughafengebühren in dem Umfang zu ändern, wie sich deren
99
OLG Frankfurt vom 10.12.1981 - 6 U 26/81 WRP 1982, 275.
LG München vom 22.09.1981 – 7 O 7694/81 OLG Frankfurt NJW 1982, 2198; LG Berlin vom 15.06.1993 –
26 O 596/86.
100
31
32
Erhöhung pro Person bzw. pro Sitzplatz auf den Reisepreis auswirkt, sofern zwischen
Zugang der Reisebestätigung beim Kunden und dem vereinbarten Reisetermin mehr als vier
Monate liegen.
Im Falle der nachträglichen Änderung des Reisepreises oder einer nachträglichen Änderung
einer wesentlichen Reiseleistung hat der Veranstalter den Reisenden unverzüglich, spätestens
jedoch 21 Tage vor Reiseantritt davon in Kenntnis zu setzen. Preiserhöhungen nach diesem
Zeitpunkt sind nicht zulässig. Bei Preiserhöhungen um mehr als 5 % oder im Falle einer
erheblichen Änderung einer wesentlichen Reiseleistung ist der Reisende berechtigt, ohne
Gebühren vom Reisevertrag zurückzutreten oder die Teilnahme an einer mindestens
gleichwertigen anderen Reise zu verlangen, wenn der Veranstalter in der Lage ist, eine solche
Reise ohne Mehrpreis für den Reisenden aus seinem Angebot anzubieten.
Der Reisende hat diese Rechte unverzüglich nach der Erklärung des Veranstalters über die
Preiserhöhung bzw. Änderung der Reiseleistungen diesem gegenüber geltend zu machen.
Das OLG Celle 101 hält die Klausel wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB für
unwirksam. Die Klausel stehe nicht im Einklang mit § 651 a Abs. 4 S. 1 BGB. Auf die Frage,
ob die Klausel noch aufgrund anderer Gesichtspunkte unwirksam sei, käme es nicht an. In §
651 a Abs. 4 S. 1 BGB sei die Erlaubnis des Reiseveranstalters enthalten, unter bestimmten
Bedingungen den Reisepreis in geschlossenen Verträgen zu verändern. Die
Änderungsmöglichkeit sei an enge Vorgaben geknüpft, wozu gehöre, dass die
Reisepreisänderung nur erfolgen darf, wenn dies mit genauen Angaben zur Berechnung des
neuen Preises im Vertrag vorgesehen ist und damit einer Erhöhung der Beförderungskosten
Rechnung getragen wird. Den gesetzlichen Vorgaben genügt die verwendete Klausel nicht,
weil sie keine Angaben zur Berechnung des neuen Preises enthält. Die Klausel verweist nur
darauf, dass beispielsweise die Beförderungskosten in dem Umfang geändert werden können,
wie sich die Erhöhung pro Person oder pro Sitzplatz auf den Reisepreis auswirkt. Damit
könne der Reisende aber nicht feststellen oder errechnen, ob der neue Preis richtig bestimmt
ist. Ein derartiges Nachvollziehen der Ermittlung des neuen Preises soll mit den
Anforderungen aus § 651 a Abs. 4 S. 1 BGB gerade ermöglich werden. 102
In einer Entscheidung vom 19.11.2002 hat der BGH 103 folgende Preisänderungsklausel für
unwirksam erklärt.
Text:
…….. behält sich vor, die ausgeschriebenen und mit der Buchung bestätigten Preise im Falle
der Erhöhung der Beförderungskosten oder der Abgaben für bestimmte Leistungen, wie
Hafen- oder Flughafengebühren oder einer Änderung der für die betreffenden Reisen
geltenden Wechselkurse in dem Umfang zu ändern, wie sich deren Erhöhung pro Person bzw.
pro Sitzplatz auf den Reisepreis auswirkt, sofern zwischen Vertragsabschluss und dem
vereinbarten Reisetermin mehr als vier Monate liegen.
Im Fall einer nachträglichen Änderung des Reisepreises oder einer Änderung einer
wesentlichen Reiseleistung setzt ……..
den Reisenden unverzüglich, im Falle der
Preiserhöhung spätestens 21 Tage vor Reiseantritt davon in Kenntnis. Preiserhöhungen nach
diesem Zeitpunkt sind nicht zulässig.
101
102
103
OLG Celle v. 24.10.2002 – 11 U 331 / 01 LSK 2003, 020791.
OLG Celle a.a.O.
BGH, Urteil v. 09. 11.2002, NJW 2003, 507.
32
33
Bei Preiserhöhungen um mehr als 5 % oder im Fall einer erheblichen Änderung einer
wesentlichen Reiseleistung ist der Reisende berechtigt, ohne Gebühren vom Reisevertrag
zurückzutreten oder die Teilnahme an einer mindestens gleichwertigen Reise zu verlangen,
wenn ………. in der Lage ist, eine solche Reise ohne Mehrpreis für den Reisenden aus seinem
Angebot anzubieten. Der Reisende hat diese Rechte unverzüglich nach der Erklärung von
………. über die Preiserhöhung bzw. Änderung der Reiseleistung dieser gegenüber geltend
zu machen.“
Das Landgericht hatte in erster Instanz die Klage des VZBV noch abgewiesen. Das
Berufungsgericht hat die beanstandete Klausel untersagt 104 . Der BGH hat die dagegen
eingelegte Revision der Beklagten als unbegründet zurückgewiesen. Aus § 651 a Abs. 4 S. 3
BGB (n. F.) kann nicht geschlossen werden, dass die getroffene Regelung einer
Inhaltskontrolle nicht unterliegt. Die gesetzliche Regelung eröffne einen Regelungs- und
Gestaltungsspielraum, der von der Beklagten mit der umstrittenen Klausel genutzt werde. Die
Klausel enthalte eine Preisanpassung zur Ergänzung des dispositiven Rechts und weiche von
dem Grundsatz der bindenden, vertraglichen Preisvereinbarung ab. Eine diesen Rahmen
ausfüllende Klausel unterliege der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG (§ 307 Abs. 1 BGB). Die
Klausel sei unwirksam, weil sie keine hinreichend genauen Angaben zur Berechnung des
Preises enthalten. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 651 a Abs. 3 S. 1 BGB a. F. müssten
Angaben zur Berechnung des neuen Preises bereits in der Preisanpassungsklausel und mithin
vorab abstrakt formuliert sein. Dem werde die angegriffene Klausel nicht gerecht. Die Klausel
verstoße insgesamt gegen das sich aus § 9 AGBG ergebende und durch § 651 a Abs. 3 S. 1
BGB a. F. (Abs. 4 S. 1 BGB n. F.) und benachteilige deshalb die Kunden. Es entspreche dem
Grundsatz, dass es für die Wirksamkeit einer Preiserhöhungsklausel entscheidend darauf
ankommt, dass der Vertragspartner des Verwenders den Umfang der auf ihn zu kommenden
Preissteigerungen bei Vertragsschluss aus der Formulierung der Klausel erkennen und die
Berechtigung einer von dem Verwender vorgenommenen Erhöhung an der
Ermächtigungsklausel selbst entnehmen kann 105 .
Dem Transparenzgebot für Preiserhöhungsklauseln des nationalen Rechts entspricht Artikel 4
Abs. 4 der Richtlinie für Pauschalreisen, der durch § 651 a BGB übernommen wurde.
Danach ist dem Reiseveranstalter zwar die Möglichkeit eingeräumt, Preisänderungen
vorzunehmen, die Möglichkeit aber unter Bedingungen gestellt, die aus Artikel 4 Abs. 4 der
Richtlinie zu entnehmen sind. Die Klausel genüge schon deshalb nicht dem
Transparenzgebot, weil sie mit der Formulierung, die Beklagte behalte sich eine Erhöhung der
ausgeschriebenen und mit der Buchung bestätigten Preise vor, nicht nur Preiserhöhungen
wegen nach Vertragsschluss gestiegener Kosten ermöglicht, sondern möglicherweise auch
wegen solcher Kosten, deren Anstieg bei Vertragsschluss schon bekannt war. Dies schließt
die Erlaubnis ein, Preiserhöhungen auch dann zu verlangen, wenn die mit der Klausel
erfassten Kostensteigerungen nach Drucklegung der Prospekte aber bereits vor Vertragschluss
eingetreten sind. Bei kundenfeindlichster Auslegung ist die angegriffene Klausel auch wegen
Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam.
3. Leistungsänderungsklauseln
Mit Leistungsänderungsklauseln sollen vom Vertragsinhalt abweichende Leistungen als
Erfüllung ermöglicht werden. Für den Reisenden besteht das Risiko darin, dass er gezwungen
wird, eine Reise als Erfüllung zu akzeptieren, die mit seiner vertraglichen Vorstellung von der
104
105
RR-A 2002, 32.
so schon BGH, Urteil v. 26.05.1986, VIII ZR 218 / 85, NJW 1986, 3134.
33
34
Reise nicht mehr übereinstimmt. In Reiseverträgen betreffen Leistungsänderungsklauseln vor
allem zwei Bereiche:
Zum einen wird bestimmt, dass Einzelleistungen
vom
Reiseveranstalter nach Vertragsschluss geändert werden können, soweit dadurch der
„Gesamtzuschnitt“ der Reise nicht verändert wird; zum anderen sollen Reiseveranstalter
berechtigt sein, nicht nur einzelne Teile der Leistung zu verändern, sondern insgesamt der
Reise einen anderen Gesamtzuschnitt zu geben. Auf der Grundlage von § 10 Nr. 4 AGBG 106
versuchten die Verbraucherverbände die Grenzen der Zulässigkeit von unvermeidbaren
Leistungsänderungen nicht durch generalklauselartige Formulieren dem Einzelkonflikt zu
überlassen, sondern einen Standard für den Rahmen zulässiger Änderungen durch
Verbandsklagen zu entwickeln. Die Rechtsprechung folgt im Wesentlichen den in den
Klageverfahren geforderten hohen Anforderungen an die Zulässigkeit von
Leistungsänderungsvorbehalten.
Text:
Treten sonstige Leistungsänderungen oder Abweichungen, die den Gesamtzuschnitt der
gebuchten Reise erheblich verändern auf, so ist der Reiseveranstalter verpflichtet, den
Reisenden von diesen Änderungen unverzüglich, soweit und sobald dies möglich ist, zu
unterrichten. Der Kunde ist dann berechtigt, vor Antritt der Reise innerhalb einer
angemessenen Frist nach Kenntnisnahme ohne Bezahlung eines Entgeltes vom Reisevertrag
zurückzutreten, es sei denn, dass die Durchführung der Reise in veränderter Form für ihn
zumutbar ist.
Die Klausel enthält keine Konkretisierung der Kriterien für eine Änderung der Reiseleistung.
Sie ist unzulässig, weil damit eine Änderung des Gesamtzuschnitts der Reise zugunsten des
Reiseveranstalters vorgesehen ist. Die Unzulässigkeit wird nicht dadurch beseitigt, dass dem
Vertragspartner ein Rücktrittsrecht eingeräumt wird. 107
Text:
Änderungen und Abweichungen einzelner Reiseleistungen von dem vereinbarten Inhalt des
Reisevertrages, die nach Vertragsabschluss notwendig werden und die vom Reiseveranstalter
nicht wider Treu und Glauben herbeigeführt wurden, sind nur gestattet, soweit die
Änderungen oder Abweichungen nicht erheblich sind und den Gesamtzustand der gebuchten
Reise nicht beeinträchtigen.
Das OLG Stuttgart 108 verwirft diese Klausel als Verstoß gegen § 10 Nr. 4 AGBG. Das
Prinzip der Klarheit, Durchschaubarkeit und Überprüfbarkeit einer Leistungsänderung werde
verletzt, weil der Kunde wegen des nebulösen Begriffs „Gesamtzuschnitt“ nicht erkennen
könne, welche Änderungen oder Abweichungen als erheblich angesehen werden.
Das
LG
Frankfurt 109
formuliert
als
Anforderung
an
einen
zulässigen
Leistungsänderungsvorbehalt, dass bereits die Klauseln erkennen lassen müsse, unter welchen
Voraussetzungen und in welchem Umfang die Änderung vorgenommen werden kann.
Außerdem sind die Gesichtspunkte anzugeben, die für die Beurteilung der Zumutbarkeit der
Änderung für den Reisenden gelten sollen.
106
jetzt § 308 Nr. 4 BGB.
LG München vom 22.09.1981- 7 0 7694/81; LG Berlin v. 15.6.1983.
108
OLG Stuttgart v 22.12.1989 2 U 140 / 89.
109
LG Frankfurt/M. v. 21.03.1989, 2 / 13 O 536/ 88.
107
34
35
In keinem der ausgewerteten Verfahren wird von den Gerichten die Frage beantwortet,
welche konkret in einer Klausel anzugebenden Änderungen, in welchem konkreten Ausmaß
als Erfüllung der Vertragspflicht des Reiseveranstalters zu akzeptieren sind.
Generalklauselartige Formulierungen werden zwar weitgehend verworfen, offen bleibt aber,
welche konkret zu nennenden Änderungen zulässig sind.
Die EG-Reiserichtlinie 110 regelt in Artikel 4 Abs. 5 vor allem die Rechtsfolgen solcher
Änderungen, „ zu denen der Veranstalter vor der Reise gezwungen“ ist, ohne jedoch Kriterien
für deren Zulässigkeit zu nennen. Der Tendenz nach entspricht das den Ergebnissen der
Rechtsprechung, wonach nur Änderungen zulässig sind, die aufgrund fehlender Disponibilität
für den Veranstalter unausweichlich sind, womit nicht ein quasi vertragliches
Gestaltungsrecht eröffnet wird. Unbeantwortet bleibt dennoch die Frage inwieweit der
Reisende eine geänderte Leistung als Vertragserfüllung akzeptieren muss.
4. Haftungsbegrenzungsklauseln
Vertragstypisch für Pauschalreiseverträge sind Haftungsbegrenzungsklauseln, die vor allem
für drei Bereiche die Haftung des Reiseveranstalters einschränken oder ausschließen:
•
•
•
Die grundsätzliche Haftungseinschränkung auf den dreifachen Reisepreis in § 651 h
BGB,
ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für Auskünfte zu Pass-, Zoll- und
Devisenfragen,
der Ausschluss der Haftung für sogenannte Fremdleistungen.
Die Verbandsklageverfahren des Verbraucherschutzvereins und der Verbraucherzentralen in
diesem Bereich hatten vor allem zum Ziel, strittige Fragen zur Auslegung des § 651 h BGB
zu klären und generell die Grenzen zulässiger Haftungsbeschränkungen in der Pauschalreise
auszuloten.
a) Haftungsbegrenzung auf den dreifachen Reisepreis gemäß § 651 h BGB
Bis zur Entscheidung des BGH vom 12.03.1987 111 war strittig, ob die Haftungsbegrenzung
aus § 651 h BGB a. F. nur für Ansprüche des Reisenden gemäß § 651 f BGB gilt oder
generell auch andere vertragliche Schadensersatzansprüche und solche aus unerlaubter
Handlung auf den dreifachen Reisepreis begrenzt werden können. 112 Die Klausel lautet:
Text:
Die Haftung des Reiseveranstalters ist auf den dreifachen Reisepreis beschränkt, soweit ein
Schaden des Reisenden weder vorsätzlich noch grob fahrlässig herbeigeführt wird oder
soweit der Reiseveranstalter für einen dem Reisenden entstehenden Schaden allein wegen
eines Verschuldens eines Leistungsträgers verantwortlich ist.
Der BGH folgt in seiner Entscheidung vom 12.03.1987 der überwiegend vertretenen Ansicht
und lässt in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Haftungsbeschränkung zugunsten des
Reiseveranstalters für alle vertraglichen Haftungsansprüche des Reisenden zu, soweit der
Schaden leicht fahrlässig verursacht worden ist. Die Beschränkung betrifft nicht nur
110
Abl. EG Nr. L 158 vom 23.06.1990 in EuZW 1990, 413.
BGH, Urteil v. 12.03.1987, VIII ZR 203/86, NJW 1987, 1931.
112
Zum Streitstand Löwe/ MüKo, 1. Auflage, § 651 h BGB Rn 4; Derleder AK BGB, § 651 h Rn 2; Grunewald
NJW 1918, 1924; Tonner, Reiserecht § 651 h Rn 2 u. 3.
111
35
36
Haftungsansprüche aus § 651 f BGB a. F.. Ausgenommen werden lediglich deliktische
Ansprüche. Für deliktische Ansprüche kann der Reiseveranstalter seine Einstandspflicht nicht
begrenzen, weil - so der BGH - hierfür eine ausdrückliche Regelung im Gesetz hätte
getroffen werden müssen.
Die in der Entscheidung des BGH für die Haftungsbegrenzungen auf den dreifachen
Reisepreis festgestellte Beschränkung auf vertragliche – nicht deliktische
Schadensersatzansprüche hat der Gesetzgeber mit der Umsetzung der Richtlinie 90314 EWG
vom 13. Juni 1990 für Pauschalreisen 113 nunmehr teilweise übernommen. Danach gilt die
Haftungsbegrenzung nur für Schäden, „ die nicht Körperschäden sind“.
Offen war auch die Streitfrage zur Auslegung von § 651 h Abs. 2 BGB a. F., wonach sich der
Reiseveranstalter gegenüber dem Reisenden auf gesetzliche Vorschriften berufen kann, die
für eine von einem Leistungsträger zu erbringende Reiseleistung gelten und nach denen ein
Anspruch auf Schadensersatz nur unter bestimmten Voraussetzungen oder Einschränkungen
geltend gemacht werden kann. Der Wortlaut der Norm erfasste bisher nur
Haftungsbeschränkungen, nicht jedoch Haftungsausschlüsse. 114 Die Klausel lautet:
Text:
Ein Anspruch auf Schadensersatz gegen uns ist ausgeschlossen oder beschränkt, soweit
aufgrund gesetzlicher Vorschriften, die auf die von einem Leistungsträger zu erbringenden
Leistungen anzuwenden sind, deren Haftung ebenfalls ausgeschlossen oder beschränkt ist.
Der BGH 115 folgt der insoweit herrschenden Meinung und erklärt einen völligen
Haftungsausschluss für unwirksam. Der Gesetzgeber hat durch das zweite
Seerechtsänderungsgesetz im Jahre 1986 dann jedoch klargestellt, dass § 651 h Abs. 2 BGB
auch für gesetzliche Haftungsausschlüsse der Leistungsträger gilt und damit die Norm dem
Athener Übereinkommen und der Begründung im Reisevertragsgesetz angepasst. 116 Die
Haftungsbeschränkung gemäß § 651 h Abs. 2 BGB gilt aber grundsätzlich nicht, wenn der
Reiseveranstalter aus eigenem Verschulden einen Schaden zu vertreten hat, also etwa aus
Auswahl- oder Organisationsverschulden. 117
b) Haftungsausschluss für Einzelleistungen
Die lange Zeit ungeklärte Frage, ob folgende Klausel unwirksam ist:
Text:
Wir haften nicht für Leistungsstörungen im Bereich von Fremdleistungen, die lediglich
vermittelt werden und in der Reiseausschreibung ausdrücklich als solche gekennzeichnet
werden,
wurde durch Entscheidung des BGHs vom 30. September 2003 118 abschließend geklärt. Die
Klausel verstößt gegen das Transparenzgebot und benachteiligt die Kunden der
Reiseveranstalter unangemessen (§ 9 AGBG a. F., § 307 Abs. 1 BGB n. F.). Die Klausel
113
Abl. EG Nr. L 158, S. 59.
H. M. Bartel, Reisevertragsgesetz Rn : 142; Löwe, Reiserecht, S. 141; Wolf u. a. § 9 Rn 94; Ulmer u . a.
AGBG Anhang § § 9 – 11 , Rn 595 (5.Aufl.).
115
BGH, Urteil v. 14.04.1982, VII ZR 199/82, KG in NJW 1983, 1612.
116
Vgl. Tonner, Europäisches Reiserecht, S. 276, Fußnote 334.
117
Staudinger/Eckert § 651 h BGB Rn 36; Jauernig/Teichmann § 651 h BGB Rn 2 ; Palandt/ Sprau § 651 h
BGB Rnr: 5.
118
BGH, Urteil v. 30.9.1990, X ZR 244/89.
114
36
37
erfasst Leistungsstörungen im Bereich von Fremdleistungen, die vom Verwender lediglich
vermittelt werden. Fremdleistungen werden aber als solche nicht konkret in der Klausel
angegeben, sondern alle Leistungen erfasst, die lediglich vermittelt werden und in der
Reisebeschreibung als vermittelte gekennzeichnet sind. Durch Bezugnahme auf die
Reiseausschreibung kann die Klausel nicht allein nach ihrem Wortlaut ausgelegt werden.
Vielmehr ist zur Feststellung der Reichweite der Klausel auf Angaben im Katalog der
Beklagten zurückzugreifen. Damit erlaubt die Klausel eine Auslegung dahin, dass von ihr alle
- nach dem Kataloginhalt- als Fremdleistung zu betrachtende Leistungen und damit
insbesondere auch die als Linienflüge im Rahmen von Pauschalreisen zu erbringende
Beförderungsleistung, erfasst werden. Damit können von der Klausel Fälle erfasst werden, in
denen die fragliche Leistung einerseits zur Gesamtheit der Pauschalreiseleistung gehört,
andererseits als „Fremdleistung“ bezeichnet ist. Mit diesem Inhalt genügt die Klausel nicht
den Anforderungen des Transparenzgebotes. Sie ist als unangemessene Benachteiligung
unwirksam, weil sie dem Verwender die Möglichkeit eröffnet, die Haftung für die Erbringung
der Beförderungsleistung auch dann auszuschließen, wenn nicht nur einzelne Flugtickets für
Reisen vermittelt werden, sondern wenn Linienflüge Bestandteil einer Flugpauschalreise sind,
weil dann die Beförderungsleistung zwar einerseits „Fremdleistung“ ist, aber gleichwohl zum
Leistungsumfang der Pauschalreise gehört.
c) Pass-, Visa- und Zollbestimmungen
Zu den Haftungsbegrenzungen in Pauschalreiseverträgen gehört auch typischerweise eine
Regelung zur Information des Reisenden durch den Reiseveranstalter über wesentliche
Einreisebestimmungen für das Ziel. Die Klausel lautet:
Text:
Der Reiseveranstalter informiert über wesentliche Pass-, Visa-, Devisen- und
Gesundheitsvorschriften für Deutsche Staatsbürger. Für die Einhaltung dieser Bestimmung
ist der Reisende selbst verantwortlich.
Diese Klauseln werden von der Rechtsprechung durchgehend für unwirksam erklärt. 119 Als
wesentliche Begründung wird darauf abgestellt, dass die Klausel zu einer unangemessenen
Benachteiligung des Reiseteilnehmers für den Fall führt, dass der Reiseveranstalter seine
Informationspflichten nicht oder nicht im erforderlichen Umfang nachkommt oder gar den
Reiseteilnehmer falsch informiert. In der Klausel fehlt eine Differenzierung danach, ob die
unzureichende Information leicht oder grob fahrlässig verursacht wird. Darüber hinaus ist es
zwar grundsätzlich Sache des Reisenden, Einreise- und Verhaltensbestimmungen in fremden
Staaten einzuhalten. Zu den Hauptpflichten eines Reiseveranstalters gehöre aber, den
Reisenden darüber zu informieren. Von dieser Verpflichtung und deren korrekter Erfüllung
kann der Reiseveranstalter sich nicht wirksam frei zeichnen. Die Konditionenempfehlung des
DRV vom 24.01.1986 enthält in Nr. 14 eine entsprechend differenzierte Regelung.
5. Gewährleistungsklauseln
Im Zusammenhang mit Gewährleistungsklauseln waren vor allem zwei Regelungen in
Pauschalreisebedingungen lange Zeit strittig:
• ob die Nichtanzeige eines Mangels unmittelbar beim Reiseveranstalter zum Verlust zu
Gewährleistungsansprüchen führt und
119
LG München VuR 1989, 137; KG v. 03.02.2982 - 23 U 3535/81; BGH, Urteil v. 17.01.1985, BB 1985, 616.
37
38
•
ob der Reisende bei der Beseitigung
Schadensminderungspflicht mitzuwirken hat.
von
Mängeln
im
Rahmen
einer
a) Mängelanzeigeklauseln
Das Reisevertragsrecht schließt in § 650 d Abs. 2 BGB ein Minderungsrecht des Reisenden
aus, wenn er die Mängelanzeige schuldhaft unterlässt. Die Konkretisierung des Verschuldens
wurde in Reisevertragsbedingungen wie folgt geregelt:
Texte:
Unterbleibt die unverzügliche Anzeige des Mangels, entstehen dem Reisegast keine
Gewährleistungsansprüche.
Kann der Reiseleiter die Leistungsstörung nicht beheben, so müssen Beanstandungen
unverzüglich sowohl den Leistungsträgern als auch dem Reiseveranstalter mitgeteilt werden.
Der BGH hat in einer Entscheidung von 1989 120 folgende Mängelanzeigeklausel insgesamt
für unwirksam erklärt:
Text:
Adressat der Anzeige bzw. des Abhilfeverlangens ist die örtliche Reiseleitung des
Veranstalters. Die Sprechzeiten der Reiseleitung sind dem in Hotel angebrachten Aushang zu
entnehmen. Sofern die Reiseleitung so nicht erreichbar ist, ist der Reisende verpflichtet, sich
an die Kontaktadresse des Reiseveranstalters im jeweiligen Zielgebiet zu wenden. Die
Kontaktadresse ist dem Hotel angebrachten Aushang zu entnehmen. Sofern auch unter der
Kontaktadresse niemand erreicht werden kann, ist der Reisende verpflichtet, die Zentrale des
Reiseveranstalters in N… zu informieren.
Die Klausel benachteiligt den Reisekunden entgegen den Geboten von Treu- und Glauben
unangemessen, weil die Rechtslage zur Mängelanzeige unzutreffend dargestellt wird und auf
diese Weise dem Verwender der Versuch ermöglicht ist, begründete Ansprüche unter Hinweis
auf die Klausel abzuwehren. Es kann offen bleiben, ob der Reiseveranstalter verpflichtet ist,
eine örtliche Reiseleitung einzurichten. Dies kann nach Art und Zielort und Umfang der
jeweiligen Reise unterschiedlich sein. Unterhält der Verwender eine örtliche Reiseleitung,
dann gehört es zu seinen Organisationspflichten, dafür zu sorgen, dass die Reiseleitung immer
dann dem Reisenden zur Verfügung steht, wenn sie zur Abhilfe eines Reisemangels gebraucht
wird. Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen könnte der Reisende im Rahmen von
Treu- und Glauben verpflichtet sein, sich an die Zentrale der Beklagten in Deutschland zu
wenden. Regelmäßig wird sich der Reisende mit dem Versuch begnügen dürfen, seine
Beschwerden bei der örtlichen Reiseleitung oder der angegebenen Kontaktadresse
anzubringen ohne dass ihm, wenn ihm das nicht gelingt, Nachteile entstehen.
b) Mitwirkungsklausel
Unwirksam in allgemeinen Reisebedingungen ist folgende Mitwirkungsklausel:
Text:
120
BGH, Urteil v. 15.6. 1989, VII ZR 205/88, NJW-RR 1989, 1454.
38
39
Bei eventuell auftretenden Leistungsstörungen sind Sie verpflichtet alles Ihnen Zumutbare zu
tun, um zu einer Behebung der Störung beizutragen und einen eventuell entstehenden
Schaden so gering wie möglich zu halten. 121
Die Regelungen zum Reisevertrag im BGB sehen eine Mitwirkung bei der Mängelbeseitigung
nicht vor. Die Reiseveranstalter berufen sich zur Begründung der Mitwirkungspflicht auf die
Schadensminderungspflicht aus § 254 BGB, die auch bei Ansprüchen aus
Mängelgewährleistung Anwendung findet. 122 Die Rechtsprechung hält in allgemeinen
Reisebedingungen eine Mitwirkungspflicht des Reisenden in der hier geregelten Form
grundsätzlich für nicht wirksam. 123 Die Klausel gebe nicht die allgemein bestehende
Schadensminderungspflicht aus § 254 BGB wieder. Vielmehr wird neben der Abhilfe- und
Leistungspflicht des Reiseveranstalters eine gleichwertige Mitwirkungspflicht des Reisenden
gestellt. Diese Gleichförmigkeit geht über die Pflicht zur Schadensminderung erheblich
hinaus. Die Klausel verstößt gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG i. V. m. § 651 c Abs. 3 BGB.
6. Rücktrittsrecht des Reiseveranstalters
Die Einräumung von Rücktrittsrechten des Reiseveranstalters bei Leistungshindernissen dient
der Vermeidung von Haftungs- und Gewährleistungsansprüchen des Reisenden. Eine
ausdrückliche Kündigungsmöglichkeit ist für den Reiseveranstalter aber nur in § 651 j Abs. 1
BGB vorgesehen. Darüber hinaus gehende Rücktrittsklauseln nennen als
Rücktrittsvoraussetzung die Nichterreichung einer Mindestteilnehmerzahl oder das Auftreten
ungewöhnlicher Umstände, wie höherer Gewalt, Streik u. ä..
Die Rechtsprechung hält Rücktrittsklauseln wegen Nichterreichung
einer
Mindestteilnehmerzahl für unzulässig, wenn nicht die Mindestteilnehmerzahl in der
Reiseausschreibung genannt ist. Es handelt sich um ein sachlich nicht begründetes
Rücktrittsrecht i. S. v. § 10 Nr. 3 AGBG. 124
In der EG-Reiserichtlinie wird eine nicht ausreichende Teilnehmerzahl als Rücktrittsgrund
ausdrücklich anerkannt (Art. 3 Abs. 3 lit. g und Anhang lit. d) unter der Bedingung, dass
sowohl im Katalog als auch im Vertrag auf die Mindestteilnehmerzahl hingewiesen und eine
Frist für die späteste Aufhebung des Reisevertrages vor Reisebeginn angegeben wird.
Höhere Gewaltklauseln regeln einen Kündigungs- bzw. Rücktrittsrecht des Reiseveranstalters,
das zum Teil nicht auf Fälle eigentlicher höherer Gewalt beschränkt wird, sondern allgemein
gelten soll, bei Erschwernissen für die Durchführung der Reise infolge bei Vertragsabschluss
nicht absehbarer außergewöhnlicher Umstände, wobei Krieg, Streik u. ä. als Beispiele
genannt werden.
Text:
Der Reiseveranstalter kann vor Beginn von dem Reisevertrag zurückzutreten, wenn die
Durchführung der Reise durch außergewöhnliche Umstände, die bei Vertragsschluss nicht
vorhergesehen werden konnten, erschwert, gefährdet oder beeinträchtigt wird (Streik von
Fluggesellschaften, Krieg
oder Leistungsträgern, Epidemien, innere Unruhen,
Naturkatastrophen, Zerstörung von Unterkünften).
121
OLG Celle vom 29.04.1999- 11 U 270/98 LSK 1999, 430308.
BGH NJW 1984 1677.
123
OLG Frankfurt vom 15.05.1986 – 6 U 45 / 85 LSK 1986, 460075.
124
Kammergericht vom 03.02.1982, 23 U 3535/81; LG München vom 14.07.1981 – 7 O 7015/81; LG Berlin
vom 15.06.1983, 26 O 596 / 82 LSK 1984, 080055.
122
39
40
Die Rechtsprechung 125 sieht darin einen Verstoß gegen § 10 Nr. 3 AGBG. Gemäß § 651 j
BGB müssen die Erschwerungen der Reise erheblich sein, während die Klausel alle
außergewöhnlichen Umstände für einen Rücktritt als ausreichend rechtfertigt. Streiks und
andere Umstände, die in die Einflusssphäre des Reiseveranstalters fallen, können nicht als
höhere Gewalt qualifiziert werden. Die das Rücktrittsrecht des Reiseveranstalters
rechtfertigenden „außergewöhnliche Umstände“ sind nicht gleichzusetzen mit den
Voraussetzungen des § 651 j BGB. Als Ergebnis der Kontrollverfahren sind diese Klauseln
reduziert worden in ihrer Reichweite auf Fälle höherer Gewalt im eigentlichen Sinne. Die
Vereinbarung von Mindestteilnehmerzahlen ist in die Reiseausschreibung verlagert worden
und wird in den Verträgen häufig inzwischen als auflösende Bedingung vereinbart.
7. Auswertung und Zusammenfassung
Verbandsklageverfahren zu den AGB der Reiseverträge sind durchgehend erfolgreich, wenn
es um die Konkretisierung strittiger Rechtsfragen geht. Dies betrifft vor allen Dingen das
Haftungs- und Gewährleistungsrecht gemäß §§ 651 h, 651 c BGB. Daraus ist die Tendenz der
Rechtsprechung abzulesen, den Leistungsanspruch des Reisenden auf die vertraglich
vereinbarte Reise vor nachträglichen Einschränkungen und Verschlechterungen zu schützen.
Dem gleichen Ziel entspricht die Rechtsprechung mit der Untersagung von
Rücktrittsmöglichkeiten des Reiseveranstalters. Dagegen gelingt die Konkretisierung weder
in Bezug auf Preisänderungen noch in Bezug auf Leistungsänderungen.
Preisänderungsklauseln haben in den neueren Entscheidungen ein Ausmaß an Differenzierung
angenommen, das mit der gebotenen Klarheit und Eindeutigkeit nicht in Einklang zu bringen
ist. Welcher Reisende soll aus diesen Klauseln entnehmen können, ob eine ihm abverlangte
Preisänderung zulässig ist. Die Rechtsprechung hilft mit Urteilen, in denen diese Klausel für
unwirksam erklärt werden, nicht wirklich weiter.
Das gleiche gilt für Leistungsänderungen. Aus den Ergebnissen der Verbandsklageverfahren
ist nicht zu erkennen, unter welchen Voraussetzungen, Leistungsänderungen für den
Reisenden zumutbar und damit Kraft einseitiger Erklärung des Reiseveranstalters zulässig
sein sollen.
Preisklauseln werden zwar für unzulässig erklärt, scheitern in Verbandsklageverfahren aber
immer dann, wenn es um konkrete Zahlen geht. In der Vorkassenentscheidung hat der BGH
ein Zurückbehaltungsrecht des Reisenden wegen eines Teiles des Reisepreises bis zum
Abschluss der Reise nicht zur Wirksamkeitsvoraussetzung für die Vorauskasse erklärt.
Stornopauschalen werden aus eher formalen Gründen für unzulässig erklärt, nicht wegen der
absoluten Höhe der Prozentsätze. Anzahlungsklauseln sind jetzt jedenfalls bis zu einer Höhe
von 20 % des Reisepreises nicht zu beanstanden.
Auffällig ist, dass eine Reihe von Problemen des Reisevertragsrechts, die Gegenstand von
Verbandsklageverfahren waren, durch den Gesetzgeber nachgebessert wurde, insbesondere
im Zusammenhang mit der Umsetzung der Reiserichtlinie 126 (Vorkasse, Preiserhöhung,
Leistungsänderung).
125
126
LG München vom 22.09.1981 – 7 O 7694/81; LG Frankfurt vom 11.03.1981 – 2 / 6 O 601 / 80.
Richtlinie 90/314/EWG v. 13.06.1990 in ABl. EG Nr. L 158, S. 59.
40
41
IV. B. Beförderungsbedingungen der Fluggesellschaften
Die Beförderungsbedingungen der Deutschen Lufthansa waren Gegenstand
Verbandsklageverfahrens, das mit Urteil des BGH vom 20. Januar 1983 endete. 127
eines
In neuerer Zeit hat der VZBV u. a. einzelne Bestimmungen der Beförderungsbedingungen
von British Airways, Air Baltic und German Wings geprüft und einer gerichtlichen Klärung
zugeführt.
Nachfolgend werden die Grundsatzentscheidung des BGHs vom 20.01.1983 in Sachen
Lufthansa sowie die inzwischen vorliegenden Entscheidungen British Airways und Air Baltic
Corporation dargestellt.
Während es in dem Verfahren gegen die Lufthansa vorrangig um Haftungsbegrenzung und
Leistungsänderung in den AGB geht, sind die neueren Verfahren geprägt von Preisklauseln,
insbesondere im internationalen Flugverkehr. Zu den grundlegenden Fragen bei der AGBrechtlichen Beurteilung von Klauseln in Beförderungsbedingungen der Fluggesellschaften
gehört das Verhältnis der Rechtsgrundlagen in den internationalen Abkommen wie dem
Warschauer Abkommen, dem Abkommen von Montreal, den Beförderungsbedingungen der
IATA und dem nationalen Vertragsrecht. Zu diesen Fragen hat der BGH in seiner
Entscheidung vom 20.01.1983 grundlegend festgestellt, dass die Beförderungsbedingungen
nicht der Inhaltskontrolle durch das AGB-Gesetz entzogen seien, auch nicht gemäß § 23 Abs.
2 Nr. 1 – 3 AGBG weil eine entsprechende Anwendung der Ausnahmevorschriften (für
staatlich genehmigte Beförderungsbedingungen) nicht möglich sei. Die Bedingungen
stimmten zwar – von redaktionellen Änderungen abgesehen – mit der IATA-Empfehlung
(seinerzeit vom 01.04.1971) wörtlich überein. Diese Bedingungen sind aber keine
Rechtsnormen. Als Zusammenschluss von Luftverkehrsunternehmen ist die IATA kein
Völkerrechtssubjekt, sondern ein internationaler, nicht staatlicher Verband. Selbst wenn die
Bedingungen der IATA in anderen Staaten, deren Luftverkehrsgesellschaften Mitglieder der
IATA sind, unverändert gelten, besteht kein Anlass, sie als „internationale AGB“ von einer
Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz auszunehmen. Der mit dem AGB-Gesetz bezweckte
Schutz des Verbrauchers gebiete es, auch solche Klauseln einer gerichtlichen Kontrolle zu
unterwerfen, die inhaltsgleich als Allgemeine Geschäftsbedingungen in anderen Ländern
gelten. Das inländische Interesse an einem wirksamen und unbeschränkten Verbraucherschutz
geht dem Streben nach internationaler Rechtseinheitlichkeit vor.
Auch die Bezugnahme der Beförderungsbedingungen zum Warschauer Abkommen (z. B.
hinsichtlich der Haftungsregelungen) ändert nichts an ihrem Rechtscharakter als AGB. Sie
sind der Inhaltskontrolle auch nicht deshalb entzogen, weil sie durch Verfügung des
Bundesministers für Verkehr genehmigt werden.
Die streitgegenständlichen Klauseln sind unwirksam.
Leistungsänderungen und Haftungsfreizeichnungen.
127
Es
handelt
sich
um
BGH, Urteil v. 20.01.1983, VII ZR 105/81, NJW 1983, 1322.
41
42
1. Haftungsbegrenzung
Text:
Die im Flugschein, Flugplan oder anderenorts angegebenen Verkehrszeiten werden jedoch
nicht garantiert und sind nicht Bestandteil des Beförderungsvertrages. Der Luftfrachtführer
übernimmt keine Verantwortung für das Erreichen von Anschlüssen.
Text:
Bei Hotelbestellungen oder anderen Abmachungen über Unterkunft und Verpflegung der
Fluggäste oder über Ausflüge am Boden oder ähnliche Veranstaltungen , ob auf Kosten des
Luftfrachtführers oder nicht, handelt der Luftfrachtführer nur als Agent des Fluggastes; er
haftet nicht für Verluste, Schäden oder Aufwendungen jeglicher Art, die dem Fluggast durch
die Inanspruchnahme der Unterkunft oder die Inanspruchnahme der entsprechenden
Veranstaltung oder in Verbindung damit entstehen oder die dadurch entstehen, dass andere
Personen, Gesellschafter oder Agenturen ihm die Inanspruchnahme verweigern.
Text:
Bei der Beförderung von Personen sowie von aufgegebenem Gepäck ist der Luftfrachtführer
zum Schadensersatz nur dann verpflichtet, wenn ihm nachweislich Fahrlässigkeit zur Last
fällt.
Text:
Die Haftung des Luftfrachtführers gegenüber einem Fluggast für Tod, Körperverletzung oder
Gesundheitsbeschädigung ist auf den Betrag von 250.000 Goldfranken oder deren Gegenwert
(ca. 20.000 US-Dollar) beschränkt; ist in dem anwendbaren Recht eine andere
Haftungsbeschränkung vorgesehen, so findet jene Anwendung.
Diese Haftungsbeschränkungen stehen mit den Normen des AGB-Gesetzes nicht im
Einklang.
Auch wenn die Fluggesellschaft aufgrund der Besonderheiten des Luftverkehrs keine
Garantie für das Einhalten der Flugzeiten übernehmen kann, ist es gleichwohl nicht zulässig,
jede Haftung für Verspätungsschäden auszuschließen. Der Fluggast bucht gerade deshalb
einen im Flugplan aufgeführten Flug, um nach der vorgesehenen Ankunftszeit einen Termin
wahrzunehmen oder einen bestimmten Anschluss zu erreichen. Es gehört deshalb zum Inhalt
der geschuldeten Leistungspflicht, die Flugzeiten einzuhalten. Die Klausel verstößt gegen §
11 Nr. 8b AGBG, weil mit ihr auch der Anspruch auf einen Verzögerungsschaden
ausgeschlossen ist.
Der Haftungsausschluss für vermittelte Leistungen verstößt gegen § 11 Nr. 7 AGBG, weil
auch grobfahrlässiges und vorsätzliches Verschulden von Erfüllungsgehilfen erfasst ist.
Die Regelung zur Begrenzung des Anspruchs auf Schadensersatz bei Nachweis von
Fahrlässigkeit durch den Fluggast verstößt gegen § 11 Nr. 15a AGBG. Dem Fluggast wird
42
43
eine Beweislast für Umstände auferlegt, die im Verantwortungsbereich der Fluggesellschaft
liegen.
Die Haftungsbegrenzung auf 250.000 Goldfranken ist unwirksam als Verstoß gegen § 11 Nr.
7 AGB-Gesetz, weil sie grob fahrlässig und vorsätzlich verursachte Schäden nicht ausnimmt.
2. Leistungsänderung
Text:
Flugpläne unterliegen Änderungen ohne Vorankündigung. Der Luftfrachtführer kann, wenn
die Umstände es erfordern, im Flugschein oder Flugplan genannte Zwischenlandepunkte
ändern oder auslassen und kann ohne Vorankündigung andere Flugfrachtführer mit der
Beförderung betrauen oder anderes Fluggerät einsetzen.
Text:
Wenn es die Umstände erfordern, kann der Luftfrachtführer ohne Ankündigung einen Flug
absagen, beenden, umleiten, verschieben oder verspäten; in allen diesen Fällen wird der
Luftfrachtführer nach pflichtgemäßem Ermessen, unter Berücksichtigung der Interessen des
Fluggastes ihn entweder anderweitig befördern, umleiten oder eine Erstattung durchführen.
Eine weitergehende Haftung ist ausgeschlossen.
Die Klauseln enthalten Leistungsänderungsvorbehalte unter Verstoß gegen § 10 Nr. 4 AGBG.
Bei Linienflügen sind unangekündigte Änderungen von Zwischenlandepunkten und die
Verwendung eines anderen Flugzeugtyps erhebliche Leistungsabweichungen, die für
Fluggäste auch unter Berücksichtigung der Interessen der Fluggesellschaft nicht ohne
Weiteres zumutbar sind.
Mit dem Vorbehalt, ohne Ankündigung einen Flug absagen oder ändern zu können, wenn die
Umstände es erfordern, behält sich die Fluggesellschaft ein Leistungsänderungsrecht entgegen
§ 10 Nr. 4 AGBG und einen Rücktrittsvorbehalt gemäß § 10 Nr. 3 AGBG vor. Sachliche
Gründe für Änderung und/ oder Rücktritt sind in der Klausel nicht angegeben. Aus der
Formulierung „wenn die Umstände es erfordern“ ist nicht zu erkennen, aus welchem Grund
ein Flug geändert oder abgesagt werden soll. Die entscheidende Frage, ob die Änderung für
den Fluggast zumutbar ist, kann mit dem Wortlaut der Klausel nicht beantwortet werden.
3. Preisänderungsklausel
In einem Verfahren des VZBV gegen Air Baltic, eine Fluggesellschaft mit Sitz in Lettland,
geht es um die Frage, ob folgende Preisänderungsklausel nach den Regeln des Deutschen
AGB-Rechts zu beurteilen ist.
Text:
Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass Steuern und Gebühren, die noch nicht
berechnet wurden, bezahlt werden müssen.
Das Landgericht Berlin128 hatte die Klage abgewiesen, weil der Kläger nicht ausreichend
nachgewiesen habe, dass die Beklagte diese Geschäftsbedingungen im Inland verwendet
habe. Die Klausel befindet sich in Beförderungsbedingungen der Fluggesellschaft, die im
128
LG Berlin v. 07.03.2007 - 26 O 323/06.
43
44
Internet aufgerufen werden können. Auf der Grundlage dieser Bedingungen ist die Buchung
von Flügen im Internet möglich. Nach Ansicht des Landgerichts ist aber mit der bloßen
Möglichkeit, die Internetadresse der Beklagten in Berlin aufrufen zu können, das Stadium
einer Vertragsanbahnung noch nicht erreicht und damit liegt noch kein Verwenden der
Klausel im Sinne von § 6 Abs. 1 Ziffer 1 UKlaG vor.
Dieser Ansicht ist das Kammergericht 129 nicht gefolgt. Das anwendbare Recht bestimmt sich
vorliegend nach Art. 27 - 30 EGBGB, dem Vertragsstatut. Dieses verweist auf deutsches
Recht. Das Deliktstatut des Art. 40 EGBG ist nicht einschlägig. Gemäß Art. 31 Abs. 1 EGBG
gehört zum Vertragsstatut die Einbeziehung von AGB und ihre Wirksamkeit nach der
Inhaltskontrolle. Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unterliegt der Vertrag dem Recht des
Staates, mit dem er die engsten Verbindungen aufweist. Die widerlegliche Vermutung des
Art. 28 Abs. 2 EGBGB, wonach grundsätzlich das Recht der gewerblichen
Hauptniederlassung des Luftfrachtführers maßgeblich ist, gilt hier nicht, weil das
Vertragsverhältnis durch den Transport charakterisiert wird. Charakteristische Leistung ist die
von der Beklagten zu erbringende Beförderung. Die hier streitgegenständlichen
Luftbeförderungsverträge weisen aufgrund der Gesamtumstände eine enge Verbindung mit
Deutschland auf, gemäß Art. 28 Abs. 5 EGBGB:
•
•
•
•
Die Vertragsabwicklung erfolgt überwiegend in Deutschland,
die Toplevel Domain de richtet sich an in Deutschland lebende Kunden,
für die Kunden ist der Bestimmungsort ein in Deutschland liegender Flughafen,
der von der AGB-Kontrolle bezweckte Schutz der Verbraucher vor benachteiligenden
Klauseln gebietet die Anwendung der Inhaltskontrolle .
Hinzu kommt, dass die reale Leistungserbringung nicht nur in Lettland, sondern ebenso in
Deutschland erfolgt, da die im Internet angebotenen Flüge von deutschen Flughäfen abgehen,
bzw. dort ankommen. Nach dem anwendbaren deutschen Recht verstößt die Klausel gegen §
309 Nr. 1 BGB, weil sich die Beklagte das Recht vorbehält, nachträglich zum vereinbarten
Ticketpreis eine zusätzliche Zahlung für Steuern und Gebühren zu verlangen.
4. Leistungseinschränkung
Zu den aktuellen Problemen des AGB-Rechts von Luftbeförderungsverträgen gehört die
Frage des sogenannten Cross Ticketing. In den Bedingungen von British Airways ist dazu
folgende Regelung enthalten:
Text:
Wenn Sie nicht alle Flight-Coupons in der im Flugschein angegebenen Reihenfolge nutzen,
wird der Flugschein von uns nicht eingelöst und verliert seine Gültigkeit.
Mit dieser Regelung will die Fluggesellschaft verhindern, dass ihre Tarifstruktur unterlaufen
wird. Sie bietet für Touristen Hin- und Rückflüge an, mit einer Mindestaufenthaltszeit , die
preisgünstiger sind als Beförderungen, bei denen der Rückflug sofort angetreten werden kann.
Die Klausel soll verhindern, dass ein Kunde den teuren Tarif umgeht, in dem er zwei
preisgünstige Flugscheine mit Mindestaufenthalt günstig erwirbt und aus jedem Flugschein
ein Segment abfliegt.
129
KG v. 17.12.2007 – 23 U 65/07.
44
45
Das Landgericht Frankfurt am Main hat diese Klausel für unwirksam erklärt, denn sie
widerspricht den Grundsätzen des gesetzlichen Vertragsrechts. Es gibt keine gesetzliche
Regelung wonach ein durch Teilleistung erfüllbarer Anspruch insgesamt verfällt, wenn er nur
teilweise in Anspruch genommen wird. Eine Bestimmung ist sogar unwirksam, durch die dem
Verwender für den Fall der Nichtabnahme der Leistung, die Zahlung einer Vertragstrafe
versprochen wird (§ 309 Nr. 6 BGB). Die Verfallklausel weicht zum Nachteil der
Verbraucher von wesentlichen Grundgedanken des Vertragsrechts ab. „Niemand wird
bezweifeln, dass es unangemessen wäre, wenn ein Gastwirt einem Gast, der ein Menü bestellt
hat, den Hauptgang verweigert, oder nur gegen einen Aufpreis servieren will, weil er seine
Suppe nicht aufgegessen hat.“ (wörtliches Zitat) 130 .
5. Auswertung und Zusammenfassung
Die AGB der Fluggesellschaften sind geprägt von ihrem Bezug zu internationalen
Rechtsregeln und dem Bedürfnis der Fluggesellschaften nach Preisflexibilität. Aufgrund der
sich ausbreitenden Angebote, sogenannter Billigflieger kommt in den AGB der
Fluggesellschaften den Klauseln zur Preisänderung ein besonderer Stellenwert zu. Trotz der
grenzüberschreitenden und der damit internationalrechtlichen Anknüpfung der
Flugbeförderungsverträge ist das Bestreben der Rechtsprechung erkennbar, das nationale
AGB-Recht zur Anwendung zu bringen, wie zuletzt in der Entscheidung des Kammergerichts
in Sachen Air Baltic. Ob angesichts der fortschreitenden EU-Rechtsvereinheitlichung der in
der Entscheidung des BGH in Sachen Lufthansa im Jahre 1993 betonte Vorrang des
nationalen Rechts heute noch gilt, ist aber fraglich131 . Die Frage der Rechtswahl und der
Anwendung des AGB-Rechts berührt aber keinen Kernbereich der Inhaltskontrolle, soweit es
um die Verträge mit Anbietern aus anderen Staaten der EU geht, die nach der EU-AGBRichtlinie vergleichbaren Rechtsstandards unterliegen. Die Entscheidung des Kammergerichts
hätte deswegen auch auf der Grundlage baltischen AGB-Rechts zum selben Ergebnis geführt.
Nicht unproblematisch ist, dass aus den Formulierungen der Lufthansa-Bedingungen bereits
zu entnehmende Bemühen nach vollständiger Benennung aller in Betracht kommenden
Tatbestände des jeweiligen Regelungsbereichs, wie es insbesondere für das
angloamerikanische Recht typisch ist. Gerade umfangreiche und detaillierte AGBRegelungen sind dem Risiko ausgesetzt wegen einzelner Tatbestandsmerkmale die
Verbotstatbestände des AGB-Rechts zu erfüllen. Neuestes Beispiel hierfür sind die
Preisänderungsklauseln der Pauschalreiseveranstalter, die in ihrer Komplexität den
Haftungsregeln der Lufthansa ähnlich sind.
V. Allgemeine Geschäftsbedingungen der Versicherungen
Die Vertragsbedingungen der Versicherungsgesellschaften sind erst spät in den Focus der
Verbraucherverbände gelangt. Der Jahresbericht des Verbraucherschutzvereins weist erstmals
für 1986 drei Abmahnungen in der Statistik auf, über die aber nicht weiter berichtet wird. Die
Gründe dafür sind nicht ohne Weiteres auszumachen. Ein Grund dürfte sein, dass die
Verbraucherverbände erst nach Wegfall der aufsichtsbehördlichen Genehmigung für AVB ab
dem 29.07.1994 132 Veranlassung gesehen
haben, sich den freigegebenen
130
LG Frankfurt/Main vom 14.12.2007 – 2 – 2 O 243/07 (nicht rechtskräftig).
EU Fluggastrechte VO trägt zu einer weitergehenden Vereinheitlichung verbraucherschützender
Standards bei.
132
Artikel 1 des dritten Gesetzes zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der
Europäischen Gemeinschaften BGBl . 19 94 I, 1630.
131
45
46
Versicherungsbedingungen mit größerer Aufmerksamkeit zuzuwenden. Damit wird aber
zugleich deutlich, dass die gerichtliche Inhaltskontrolle, die auch für behördlich genehmigte
AGB zugelassen ist, jedenfalls nicht von Anfang an höchste Priorität gehabt hat. Das AGBGesetz hat in § 23 Abs. 3 für Versicherungsbedingungen nur eine Vereinfachung der
Einbeziehung vorgesehen, damit jedoch zugleich zum Ausdruck gebracht, dass die
Vorschriften der Inhaltskontrolle ausnahmslos anzuwenden sind.
Ein weiterer Grund könnte darin zu sehen sein, dass allgemeine Versicherungsbedingungen
im Verbandsklageverfahren einer eingeschränkten Inhaltskontrolle unterliegen.
Beschreibungen des abgesicherten Risikos und primäre Leistungsausschlüsse können nach
derzeitiger Rechtslage nicht im Wege des kollektiven Verbraucherschutzes überprüft werden.
Daraus ist abzuleiten, dass die Entwicklung der Versicherungsbedingungen nur zum Teil
durch Verbandsklageverfahren geprägt ist. In weiten Bereichen sind Individualstreitigkeiten
für die Entwicklung maßgeblich.
Ab dem Jahr 1989 bis zum Jahre 2000 werden durch den Verbraucherschutzverein zahlreiche
Klauseln in den unterschiedlichen Bereichen der Versicherungsbranche einer gerichtlichen
Überprüfung zugeführt. Die zahlenmäßige Entwicklung der Abmahnungen und
Klageverfahren in diesem Zeitraum ist aus der nachfolgenden Statistik zu entnehmen:
1986
1987
1988
1989
1990
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
03 Abmahnungen
01 Abmahnungen
05 Abmahnungen
10 Abmahnungen
01 Abmahnungen
62 Abmahnungen
23 Abmahnungen
11 Abmahnungen
10 Abmahnungen
09 Abmahnungen
10 Abmahnungen
13 Abmahnungen
40 Abmahnungen
15 Abmahnungen
01 Abmahnungen
00 Klageverfahren
00 Klageverfahren
00Klageverfahren
09 Klageverfahren
01 Klageverfahren
15 Klageverfahren
13 Klageverfahren
18 Klageverfahren
06 Klageverfahren
03 Klageverfahren
01 Klageverfahren
07 Klageverfahren
08 Klageverfahren
07 Klageverfahren
01 Klageverfahren
Aus den Verfahren des Verbraucherschutzvereins zu den Versicherungsbedingungen sind die
Laufzeitklauseln hervorzuheben. Der Verbraucherschutzverein hat im Jahre 1988
systematisch mit der Überprüfung von Laufzeitklauseln begonnen und dabei festgestellt, dass
ein Großteil der Haftpflicht-, Unfall- und Sachversicherungsverträge mit einer Laufzeit von
10 Jahren ohne Kündigungsmöglichkeit abgeschlossen wurden 133 . Mit jeweils
unterschiedlichen Gestaltungen in den Antragsformularen wird grundsätzlich eine zehnjährige
Bindung des Verbrauchers an den jeweiligen Versicherungsvertrag festgelegt. Auch wenn
dies bei Kranken- und Lebensversicherungsverträgen noch als sachgerecht und angemessen
angesehen werden kann, so ist es im Bereich der Sachversicherungen die wesentliche
Ursache für geringe Preisdifferenzierung und verhindert den Marktzutritt neuer Unternehmen.
Dieser in dem Hauptgutachten der Monopolkommission für die damalige EU-Kommission
ermittelte Befund, ist für die Verbraucherverbände Anlass für die Einleitung von
Überprüfungsverfahren.
133
Heidemann, VuR 1997, 181 (182).
46
47
Neben Laufzeitklauseln geht es in den Klageverfahren zu Versicherungs- AGB um verdeckte
Obliegenheiten, die Wissenschaftlichkeitsklausel in der privaten Krankenversicherung, um
Leistungsausschlussklauseln in Kreditlebensversicherungen, die Inhaberklausel in
Lebensversicherungsverträgen, um Bedingungsanpassungsklauseln und um die
Leistungsbeschränkungen in Krankenversicherungsverträgen.
1. Laufzeitklauseln
Vor dem Hintergrund der in dem EG-Richtlinienentwurf zur Koordinierung der Rechts- und
Vermittlungsvorschriften über Versicherungsverträge in Artikel 10 enthaltenen Regelung,
wonach Versicherungsverträge grundsätzlich für eine Dauer von drei Jahren abgeschlossen
werden können und zum Ende des dritten oder jedes darauf folgenden Jahres kündbar sein
sollen, begann der Verbraucherschutzverein im Jahre 1988 mit der systematischen
Überprüfung von Laufzeitklauseln in Versicherungsverträgen. Abgemahnt wurde der im
Antragsformular von zwei Unfallversicherungen enthaltene
Text:
Dauer der Versicherung: 10 Jahre.
Die Klausel wurde als unangemessene Benachteiligung gemäß § 9 Abs. 1 AGBG
beanstandet, da gemäß § 23 Abs. 6 AGBG die Laufzeitvorschrift für Dauerschuldverhältnisse
in § 11 Nr. 12 a AGBG nicht anwendbar ist. Die seinerzeit einschlägige Vorschrift des § 8
Abs. 2 VVG regelt nur Kündigungsfristen von nicht weniger als einem und nicht mehr als
drei Monaten, jedoch ohne Bestimmung der Vertragslaufzeit. Vorgesehen ist lediglich, dass
die Parteien bei Versicherungsverträgen, die auf unbestimmte Zeit abgeschlossen werden, im
gegenseitigen Einverständnis bis zur Dauer von zwei Jahren auf das Kündigungsrecht
verzichten können. Ein ausdrückliches Verbot länger laufender Verträge enthält das VVG
nicht. Ebenso wenig ist in der damals geltenden Fassung eine ausdrückliche Regelung des
Kündigungsrechts des Versicherungsnehmers für den Fall länger laufender Verträge
vorgesehen. Gleichwohl hält der VSV die Regelung des § 8 Abs. 2 VVG mit der Möglichkeit
des Verzichts auf das Kündigungsrechts für die Dauer von nur zwei Jahren für eine Leitlinie
des Gesetzgebers, die zum Ausgleich beiderseitiger Interessen einen darüber hinaus gehenden
Kündigungsausschluss nicht vorsieht. Das Argument der Versicherer, mit länger laufenden
Verträgen seien regelmäßig günstigere Prämien verbunden, wurde durch eine Untersuchung
der Stiftung Warentest aus dem Jahre 1987 widerlegt. Danach hatten gerade die abgemahnten
Versicherer mit 10-Jahres-Verträgen höhere Jahresprämien erhoben, als andere Versicherer
mit gleichen Leistungen 134 .
Das Landgericht Düsseldorf hat in einer ersten Entscheidung vom 05.07.1989 135 die
Laufzeitklausel für unwirksam erklärt. Zeitgleich mit dem Urteil legte der Gesetzgeber einen
Entwurf zur Änderung des Gesetzes über die Aufsicht des Versicherungswesens vor, der in
Artikel 2 eine Änderung des § 8 VVG enthält.
Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung in der Fassung vom 03.08.1989 136 sieht ein
Kündigungsrecht für den Ablauf des dritten und jeden darauf folgenden Jahres unter
Einhaltung einer Kündigungsfrist von 10 Monaten vor, es sei denn, dass Versicherer dem
134
Stiftung Warentest, Untersuchung von 1987.
LG Düsseldorf v. 5.7.1989 – 12 O 83/89 NJW-RR 1989, 1300.
136
BT-Drucksache.
135
47
48
Versicherungsnehmer bei Abschluss des Vertrages ein Wahlrecht von einem, zwei oder drei
Jahren mit gestaffelter Prämie einräumen.
Auch das Landgericht München I hält die Laufzeitklauseln mit Urteil vom 23.11.1989 137 für
unwirksam. Beide Urteile werden zunächst nicht rechtskräftig. Allerdings nehmen Die Erste
Allgemeine die Berufung zum OLG München und die ARAG Versicherung die gegen das
Urteil des OLG Düsseldorf 138 eingelegte Revision zurück.
Auf die in der nachfolgenden Zeit einsetzende Welle von Vertragskündigungen durch
Versicherungsnehmer unter Hinweis auf die rechtskräftige Entscheidung des
Oberlandesgerichts Düsseldorf, reagieren die Versicherungsunternehmen jedoch durchgehend
ablehnend. Zur Begründung weisen sie daraufhin, dass das Urteil des Oberlandesgerichts
Düsseldorf ausschließlich die Prozessparteien binde, dass die Frage einer Zulässigkeit einer
zehnjährigen Bindung höchstrichterlich noch nicht geklärt sei, dass die Entscheidung des
OLG Düsseldorf zu einem Unfallversicherungsvertrag ergangen sei und daher auf andere
Versicherungssparten wie Hausrat- oder Haftpflichtversicherungen nicht übertragbar wäre
und unter Hinweis auf die unterschiedliche formularmäßige Gestaltung in dem jeweiligen
Antragsformular, zum Teil durch Ankreuzen der Laufzeit, zum Teil durch Eintragen
handschriftlich des Beginns und des Endes der Versicherungslaufzeit.
Der Verbraucherschutzverein hat daraufhin in Zusammenarbeit mit den Verbraucherzentralen
sämtliche namhaften Versicherungsunternehmen abgemahnt. Dies belegt die Statistik für
1991 mit 62 Abmahnungen und 15 anschließenden Klageverfahren. Soweit die Laufzeit
ausschließlich handschriftlich eingetragen wurde, hat der VSV durch eidesstattliche
Versicherung des Versicherungsnehmers den Nachweis versucht, dass es sich auch hierbei um
Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, da dem Versicherungsnehmer nicht die
Möglichkeit eröffnet wurde, eine kürzere Vertragsdauer zu vereinbaren.
Bereits im Jahre 1992 ergingen zur Frage der vor gedruckten Laufzeitklauseln 17 weitere
landgerichtliche Entscheidungen zu verschiedenen Sparten, vor allem Unfall-, Hausrat- und
Haftpflichtversicherung. Untersagt werden nicht nur fest vorgegebene und eingedruckte
Klauseln von 10 Jahren, sondern auch Vordrucke, mit denen die Laufzeit von 10 Jahren durch
Ankreuzen in einem Kästchen vereinbart wird. Dem Tatbestandsmerkmal „vorformuliert“ des
§ 1 AGBG steht nicht entgegen, dass die vorgedruckte Erklärung durch Ankreuzen des dafür
vorgesehenen Kästchens noch ausfüllbedürftig ist.
Mit fünf überwiegend gleich lautenden Entscheidungen vom 13.07.1994 stellte der BGH 139
fest, dass eine Laufzeitvereinbarung von 10 Jahren in Allgemeinen Geschäftsbedingungen
nicht wirksam getroffen werden kann. Damit war in Bezug auf Haftpflicht-, Hausrat- und
Unfallversicherungen ein vorläufiger Schlussstrich unter eine jahrelange Diskussion über die
Angemessenheit langfristiger Vertragsbedingungen gezogen. Die Entscheidungen beziehen
sich ausdrücklich nur auf vorgedruckte Laufzeitklauseln. Enthält das Formular dagegen
offene Stellen, die vom Versicherungsnehmer selbstständig auszufüllen sind, so unterliegen
diese Eintragungen nicht der Inhaltskontrolle 140 . Der BGH sieht in den Zehnjahresklauseln
eine erhebliche Belastung der Versicherungsnehmer wegen der damit verbundenen
Einschränkung der Dispositionsfreiheit bei Abschluss eines neuen Vertrages. Die
137
LG München I v. 23.11.1989- 7 O 7816/89 r + s 1990, 74.
OLG Düsseldorf v. 15.3.1990– 6 U 167/89 NJW-RR 1991, 1024.
139
BGH, Urteil v. 13.07.1994, IV ZR 107/93, NJW 1994, 2693; BGH, Urteil v. 22.02.1995, IV ZR 44/94, NJW
1995, 1289.
140
BGH, Urteil v. 07.07.1996, IV ZR 16/95, NJW 1996, 1676; VersR 1997, 345 und 685.
138
48
49
streitgegenständlichen Antragsformulare sehen kürzere Laufzeiten auch nicht gegen
Prämienaufschläge vor. Dem Versicherungsnehmer ist jede Möglichkeit genommen, die
Antragsdauer an die schon im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gegebenen oder
vorhersehbaren Umstände anzupassen. Noch schwerer wiegt, dass der Versicherungsnehmer
auch nach Vertragsabschluss keine Möglichkeit hat, sich marktgerecht zu verhalten, was zu
einer Wettbewerbsbeschränkung führt.
Nachdem die erstinstanzlichen Entscheidungen zu 10-Jahres-Klauseln im Jahre 1993 im
Wesentlichen durch die Oberlandesgerichte bestätigt wurden, ging der VSV dazu über,
nunmehr auch Verträge mit einer fest vorgegebenen Laufzeit von fünf Jahren abzumahnen. In
den Verfahren wegen einer Laufzeitdauer von 5 Jahren ist der VSV aber nicht erfolgreich. Mit
Urteil vom 06.12.1995 wies der BGH 141 die Klage des VSV wegen 5-Jahres-Klausel in einer
Unfallversicherung ab. Die formularmäßigen Bestimmungen einer zehnjährigen Laufzeit
seien zwar unwirksam, weil hierdurch das Gleichgewicht zwischen den Vertragsparteien in
einem Maße gestört wird, das mit den Geboten von Treu und Glauben nicht zu vereinbaren
ist. Dieses Abwägungsergebnis ist aber auf eine Fünfjahresklausel nicht zu übertragen. Die
den Versicherungsnehmer treffende Einschränkung seiner Dispositionsfreiheit ist nicht so
belastend wie bei einem Vertrag mit doppelt so langer Laufzeit. Ein Zeitraum von fünf Jahren
sei hinsichtlich der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse überschaubar. Der
Versichererwechsel bei Änderung der Marktverhältnisse führe zu keinem schweren Nachteil,
wenn der Versicherungsnehmer noch für den Rest der fünfjährigen Laufzeit an den Vertrag
gebunden bleibe. Dies gelte auch, wenn der Versicherungsnehmer während der
Bindungsdauer den Versicherer deshalb wechseln will, weil z. B. dessen Service nicht seinen
Vorstellungen entspricht.
2. Wissenschaftlichkeitsklausel
Mit Urteil des BGH vom 23.06.1993 wurde die sogenannte Wissenschaftlichkeitsklausel aus
§ 5 Abs. 1 f) der Musterbedingungen des Verbandes der Privaten Krankenversicherungen aus
dem Jahre 1976 für unwirksam erklärt. Die Klausel lautet:
Text:
Keine Leistungspflicht besteht für wissenschaftlich nicht
Untersuchungen oder Behandlungsmethoden und Arzneimittel.
allgemein
anerkannte
Das Oberlandesgericht Stuttgart hatte der Berufung der beklagten Versicherung stattgegeben
und das Unterlassungsurteil des Landgerichts aufgehoben. 142 Auf die Revision des
Verbraucherschutzvereins hat der BGH die vorgenannte Klausel für unwirksam erklärt. Die
Klausel unterliegt der Inhaltskontrolle, da sie das Hauptleistungsversprechen einschränkt,
verändert und ausgestaltet und damit nicht lediglich eine Leistungsbeschreibung enthält. Nach
dem
Verständnis
eines
durchschnittlichen
Versicherungsnehmers
ohne
versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse wird die Leistung für alle Methoden
ausgeschlossen, die nicht zur sogenannten Schulmedizin gehören, in erster Linie also alle
alternativen Heilmethoden. In diesem Verständnis schränkt die Klausel wesentliche Rechte
des Versicherungsnehmers, die sich aus der Natur des Krankenversicherungsvertrages
ergeben, so sehr ein, dass der Vertragszweck im Sinne von § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG gefährdet
ist. Die Einschränkung der Leistung bezieht sich auf zwei Aspekte: Zum einem steht sie im
Widerspruch zu den Tarifbestimmungen, in denen auch die Kosten für die Behandlung durch
Heilpraktiker zu den versicherten Leistungen gehören. Zum anderen wird durch die Klausel
141
142
BGH, Urteil v. 6.12.1995, IV ZR 380/94, NJW 1995, 2710; VersR 1996, 177; ZIP 1997, 1343.
OLG Stuttgart in VersR 1992, 183.
49
50
die Erstattung solcher Kosten ausgeschlossen, die durch Behandlung unheilbarer Krankheiten
entstehen, in denen die Schulmedizin noch keine allgemein anerkannten Methoden zur
Behandlung gefunden hat. Unter dem Begriff der medizinisch notwendigen Heilbehandlungen
i. S. des § 1 Abs. 2 MBKK 76 ist jegliche ärztliche Tätigkeit versichert, die durch die
betreffende Krankheit verursacht worden ist, sofern die Leistung des Arztes ihrer Art nach in
den Rahmen der medizinisch notwendigen Krankenpflege fällt oder auf Heilung oder auch
nur auf Linderung der Krankheit abzielt. Die Wissenschaftlichkeitsklausel beschränkt die
Methoden zur Linderung einer Krankheit auf allgemein anerkannte Methoden, die sich an
Heilerfolgen messen lassen, was bei unheilbaren Krankheiten gerade nicht möglich ist. Die
Klausel geht deshalb erheblich über die berechtigten Interessen des Versicherers hinaus, die
Kosten einer notwendigen Heilbehandlung niedrig zu halten und Aufwendungen für
Scharlatanerie von der Erstattungspflicht auszuschließen. Es ist aber kein rechtliches Interesse
des Versicherers erkennbar, Kosten für eine Behandlungsmethode der alternativen Medizin,
die als erprobt und Erfolg versprechend angewandt wird, nicht zu erstatten.
3. Prämienanpassungsklausel
Zu den relativ frühen Verfahren im Bereich des Versicherungsrechts gehört die Klage des
VSV wegen der in den Hausratbedingungen (VHB 84 § 16) geregelten
Prämienanpassungsklausel.
Text:
Die Versicherungssumme erhöht oder vermindert sich mit Beginn eines jeden
Versicherungsjahres entsprechend dem Prozentssatz, um den sich der Preisindex für andere
Verbrauchs- und Gebrauchsgüter ohne Nahrungsmittel und ohne normaler Weise nicht in
der Wohnung gelagerte Güter aus dem Preisindex der Lebenshaltungskosten aller privaten
Haushalte im vergangenen Kalenderjahr gegenüber dem davor liegenden Kalenderjahr
verändert hat. Der Veränderungsprozentsatz wird auf eine ganze Zahl abgerundet.
Maßgebend ist der vom Statistischen Bundesamt jeweils für den Monat September
veröffentlichte Index…Die Prämie wird aus der neuen Versicherungssumme berechnet.
Mit dieser Regelung wird eine Dynamisierung der Versicherungssumme festgelegt, ohne dass
der Versicherungsnehmer der Anpassung widersprechen kann. Die eigentliche
Prämienanpassung erfolgt dann gemäß § 16 Abs. 2 VHB 86 mit folgender Regelung:
Text:
Die Prämie pro 1000 DM pro Versicherungssumme, auch soweit sie für erweiterten
Versicherungsschutz vereinbart ist (Prämiensatz), kann zu Beginn eines jeden
Versicherungsjahres erhöht oder muss verringert werden, wenn sich das Verhältnis der
Summe
aller
Schadenszahlungen
aus
Hausratversicherungen
(ohne
Schadensregulierungskosten) zum Gesamtbetrag der Hausratversicherungssummen im
Durchschnitt der gemäß B maßgebenden drei Jahre um mindestens 5 % erhöht oder
vermindert hat.
Erhöht sich der Prämiensatz um mehr als 10 %, so kann der Versicherungsnehmer innerhalb
eines Monats, nachdem ihm die Erhöhung mitgeteilt wurde, den Versicherungsvertrag mit
Wirkung für den Zeitpunkt kündigen, in dem die Erhöhung wirksam werden sollte. Das
Kündigungsrecht entsteht auch, wenn sich innerhalb von drei aufeinander folgenden
Versicherungsjahren der Prämiensatz mehrfach erhöht hat und zwar auf einen Satz, der mehr
als 20 % über dem Prämiensatz zu Beginn dieses Zeitraumes liegt. Kündigungen sind
schriftlich zu erklären.
50
51
Die Ansicht des Verbraucherschutzvereins, dass die Klausel eine unangemessene
Benachteiligung enthält, weil sie dem Versicherungsnehmer nicht ein außerordentliches
Kündigungsrecht für jede Prämienerhöhung zugesteht, jedenfalls dann, wenn nicht zugleich
die Versicherungsleistung durch Dynamisierung verändert wird, hatte zunächst vor dem
Landgericht Hamburg keinen Erfolg. 143
Die Änderung des § 31 VVG durch das Gesetz vom 17.12.1990 144 regelt das
Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers für den Fall einer Prämienerhöhung erstmals für
Versicherungsverträge. Danach besteht ein Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers,
wenn der Versicherer aufgrund einer Prämienanpassungsklausel das Entgelt um mehr als 5
von Hundert des zuletzt gezahlten Beitrages oder mehr als 25 von Hundert des ersten
Beitrages erhöht.
4. Leistungsausschluss / Vorerkrankungen
a) Restschuldversicherung
Restschuldversicherungsverträge unterhielten die u. a. vom Bundesaufsichtsamt für das
Versicherungswesen bis 1994 genehmigten Allgemeinen Geschäftsbedingungen 145 mit
folgender Klausel
Text:
Eine Leistungspflicht besteht nicht für Krankheiten und deren Folgen …, die vor Beginn des
Versicherungsschutzes behandlungsbedürftig waren.
Der Verbraucherschutzverein sah in dieser Klausel eine wesentliche Benachteiligung und eine
Vertragszweckgefährdung im Sinne von § 9 AGBG, weil der Versicherungsnehmer bei
Abschluss des Vertrages nicht abschätzen kann, welche Risiken im Einzelnen abgesichert
werden. Die Frage, ob eine Krankheit behandlungsbedürftig ist, knüpft an kein äußeres
Ereignis an, sondern bedarf einer Wertung, deren Ergebnis weder überprüfbar, noch
vorhersehbar ist. Das LG Köln 146 hat die Klage des VSV mit der Begründung abgewiesen,
der Leistungsausschluss sei notwendig, um das Versicherungsunternehmen vor Absicherung
einer bereits eingetretenen Gefahr zu schützen. Die dagegen eingelegte Berufung blieb vor
dem OLG Köln erfolglos. 147 Die Revision wurde nicht zugelassen. Zu einer vergleichbaren
Klausel hat das Landgericht Berlin mit Urteil vom 17. Mai 1990 148 in einem
Individualverfahren die Klausel für unwirksam erklärt und den Zahlungsanspruch des
Versicherungsnehmers zugesprochen. Eine letztlich höchstrichterliche Klärung wurde in
diesem Verfahren vor dem OLG Köln wegen der Nichtzulassung der Revision verhindert.
b) Kreditlebensversicherungsvertrag
143
LG Hamburg v.1.12.1989- 74 O 308/89 r + s 1990, 423.
BGBl .I, S. 2864.
145
Genehmigungspflicht weggefallen mit Gesetz vom 21.07.1994, BGBl. I, S 1630.
146
LG Köln 20. 09.1989 – 26 O 22/ 89.
147
OLG Köln v. 09.02.1990 – 6 U 239/89 LSK 1990, 300121.
148
LG Berlin v. 17.5.1990- 7 O 357/88.
144
51
52
Das Landgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 25.März 1998 149 die sogenannte
Vorerkrankungsklausel für unwirksam erklärt, die zu einem partiellen Leistungsausschluss
führt. Die Klausel lautet:
Text:
Ich bin damit einverstanden, dass sich der Versicherungsschutz nicht auf vorvertragliche
Gesundheitsstörungen der jeweils versicherten Person erstreckt, die dieser bekannt sind und
die sie auch in den letzten 12 Monaten vor Beginn des Versicherungsschutzes hatte, wenn der
Versicherungsfall in den nächsten 24 Monaten seit Beginn des Versicherungsschutzes
eingetreten ist und mit dessen Gesundheitsstörungen in ursächlichem Zusammenhang steht.
Die Klausel ist gemäß § 34 VVG a. F. i. V. m. § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam. Sie weicht
zu ungunsten des Versicherungsnehmers von den Regelungen der §§ 16 ff VVG a. F. ab.
Diese Vorschriften dienen einem Interessenausgleich zwischen Versicherer und
Versicherungsnehmer bei der Abschätzung des zu versichernden Risikos 150 . Dabei soll der
Versicherungsnehmer keinen Wissensvorsprung behalten dürfen bezüglich der Umstände, die
für die Risikoeinschätzung durch den Versicherer von Bedeutung sind. Die Nichtanzeige
eines bekannten Risikoumstandes berechtigt den Versicherer zum Rücktritt, sofern der
Versicherer vor Vertragsabschluss einen seinen praktizierten Risikoprüfungsgrundsätzen
entsprechende Antragsprüfung durchführt. In der Klausel ist als Sanktion für die Nichtanzeige
von Risikoumständen die Leistungsfreiheit des Versicherers vorgesehen. Sie weicht aber
dadurch zu Ungunsten des Versicherungsnehmers von der gesetzlichen Regelung ab, dass
eine Prüfung der vorvertraglichen Risiken bei Vertragsabschluss nicht stattfinden soll.
Unerheblich ist, dass die Klausel die Leistungsfreiheit auf bekannte Gesundheitsstörungen
beschränkt, die in den letzten 12 Monaten vor Antragstellung bestanden haben müssen und zu
dem Eintritt des Versicherungsfalles in den ersten 24 Monaten nach Vertragsabschluss
geführt haben. Diese zeitliche Begrenzung entspricht nicht einer Wartezeitregelung, denn der
Versicherungsnehmer genießt trotz dieser zeitlichen Begrenzung Versicherungsschutz ab
dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, weil die Konstruktion eines vereinfachten Annahme
Verfahrens ohne Risikoprüfung gewählt wurde. Die Klausel unterliegt auch der
Inhaltskontrolle, weil es sich um einen sekundären Risikoausschluss handelt, mit dem die
Beklagte ihr Leistungsversprechen teilweise zurücknimmt.
c) Reisekrankenversicherung
In Verfahren zu Reisekrankenversicherungsverträgen hat der VSV folgende Klauseln
abgemahnt:
Text:
Keine Leistungspflicht besteht für solche Krankheiten und Unfallfolgen, die bereits vor
Beginn des Versicherungsschutzes akut behandlungsbedürftig waren.
Die Klausel enthält eine unangemessene Benachteiligung unter Verstoß gegen Treu- und
Glauben im Sinne von § 9 AGBG, weil der Versicherungsnehmer keine verlässliche
Risikoabsicherung erhält, wenn er damit rechnen muss, dass bereits eine
behandlungsbedürftige Krankheit, die er selbst nicht kannte, zum Zeitpunkt des
Versicherungsabschlusses vorlag. Das Landgericht Frankfurt 151 gab der Klage des
Verbraucherschutzvereins statt. Der BGH 152 bestätigte letztinstanzlich unter Aufhebung der
149
LG Düsseldorf v. 25.3.1998- 12 O 460/97 VSV ./. CIV Lebensversicherungs AG.
BGH NJW 1995, 1534.
151
LG Frankfurt/M v. 19.11.1991 – 2 / 13 O 126/91.
152
BGH, Urteil v. 2.3.1994, IV ZR 109/93, r + s 1994, 190.
150
52
53
Entscheidung des OLG Frankfurt/M 153 diese Rechtsansicht mit der Begründung, die Klausel
enthalte einen sekundären Risikoausschluss der nicht wirksam ist, weil damit eine über §§ 16
ff VVG (a. F.) hinausgehende Leistungsfreiheit erreicht werden soll.
5. Untersuchungspflicht im Krankenversicherungsvertrag
Im Jahre 1989 leitete der VSV ein Verfahren zu § 9 Abs. 3 MBKK 76 ein in Bezug auf eine
Regelung, die den Versicherungsnehmer bzw. die versicherte Person verpflichtet, sich durch
einen vom Versicherer beauftragten Arzt untersuchen zu lassen.
Text:
Auf Verlangen des Versicherers ist die versicherte Person verpflichtet, sich durch einen vom
Versicherer beauftragten Arzt untersuchen zu lassen.
Nach Ansicht des VSV liegt darin eine unangemessene Benachteiligung des
Versicherungsnehmers, weil die Klausel an keinerlei Voraussetzungen gebunden ist für das
Untersuchungsverlangen des Versicherers. Die Klausel begründet eine eigenständige
Obliegenheit des Versicherungsnehmers im Rahmen der Auskunfts- und Nachweispflicht zur
Duldung der Untersuchung durch einen Arzt, den der Versicherer ausgewählt hat. Sie geht
ihrem Wortlaut nach über die Obliegenheiten aus § 34 VVG
hinaus, wonach der
Versicherungsnehmer verpflichtet ist, dem Versicherer jede Auskunft zu erteilen, die zur
Feststellung des Versicherungsfalles oder zum Umfang der Leistungspflicht erforderlich ist.
Eine Beschränkung auf erforderliche Untersuchungen fehlt in der Klausel.
Das Landgericht 154 hat die Klage des VSV abgewiesen. Auch die dagegen eingelegte
Berufung vor dem Oberlandesgericht blieb erfolglos. 155 Die Revision wurde nicht zugelassen.
Begründung: Die Regelung in § 9 Abs. 2 u. 3 MB/KK 76 sieht kein Regelausnahmeverhältnis
dahingehend vor, dass dem Versicherer zunächst ein Auskunftsanspruch einschließlich eines
Anspruchs auf Entbindung des behandelnden Arztes von der Schweigepflicht zusteht und er
nur dann, wenn dieser seinen Zweck nicht erfüllt, den weitergehenden
Untersuchungsanspruch geltend machen kann. Objektiver Inhalt der Klausel ist vielmehr, dass
der Versicherer nach seiner Wahl
Auskunft und / oder Untersuchung des
Versicherungsnehmers durch einen Arzt verlangen kann. Die Würdigung der so verstandenen
Klausel ergibt bei einer Gesamtbetrachtung des Regelungswerks unter Abwägung der
beiderseitigen Interessen nicht, dass die beanstandete Bestimmung unangemessen ist. Dafür,
dass die Krankheit als Versicherungsfall eingetreten ist, trägt grundsätzlich der VN die
Beweislast. Es liegt deswegen in seinem eigenen Interesse von den in Betracht kommenden
Beweismöglichkeiten Gebrauch zu machen. Auch ein Verstoß gegen § 9 Abs. 1 AGBG aus
dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit einer ärztlichen Untersuchung begründet nicht die
Unwirksamkeit der Klausel. Die Klausel regelt lediglich eine Obliegenheit, deren Verletzung
gemäß § 10 Abs. 1 MB/KK 76 i. V. m. § 6 Abs. 3 VVG nur bei Vorsatz oder grober
Fahrlässigkeit zur Leistungsfreiheit führen kann. Damit ist klargestellt, dass nicht jede
Verweigerung einer Untersuchung den VR freistellt.
6. Ausschlussfristen in der Unfallversicherung
153
OLG Frankfurt/M v. 1.4.193 VersR 1993, 1515.
LG Köln v. 4.4.1990- 26 0 105/89 inVersR 1990, 616.
155
OLG Köln v. 07.12.1990 – 6 U 137/90 in VersR 1991, 411.
154
53
54
Mit Urteil vom 19. November 1997 hat der BGH 156 die Klage des VSV abgewiesen zu den
Ausschlussfristen in der Unfallversicherung.
Text:
Eine dauernde Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit (Invalidität) als Unfallfolge muss
innerhalb eines Jahres vom Unfalltag an gerechnet eingetreten sein; sie muss spätestens vor
Ablauf einer Frist von weiteren drei Monaten nach dem Unfalljahr ärztlich festgestellt und
geltend gemacht sein (AUB 61 § 8 Abs. II s. 1)
Der VSV hatte die Ausschlussfrist als zu kurz beanstandet, da hierdurch das Risiko , dass die
Invalidität erst zu einem späteren Zeitpunkt festgestellt werden kann, weil ein Zusammenhang
zwischen einem Unfall und einem später auftretenden Leiden nicht gleich erkannt wird oder
weil Heilversuche sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, auf den
Versicherungsnehmer abgewälzt wird. Der BGH hat die Regelung als angemessen erklärt.
Der Versicherer kann nicht für Spätschäden, die in der Regel schwer aufklärbar und
unübersehbar sind, eintreten. Eine Vertragszweckgefährdung liege darin nicht, weil Fälle der
nicht versicherten Spätschäden relativ selten seien. Deshalb liege auch in möglichen
Nachteilen für Versicherte noch keine unangemessene Benachteiligung i. S. v. § 9 Abs. 1
AGBG.
7. Bedingungsanpassungsklauseln
In einem Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf 157 wurde folgende in der
Versicherungsbranche übliche Klausel als unwirksam erachtet:
Text:
Der Versicherer ist berechtigt, bei Änderung von Gesetzen, auf denen die Bestimmungen des
Versicherungsvertrages beruhen, bei unmittelbar den Versicherungsvertrag betreffenden
Änderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der Verwaltungspraxis des
Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen oder der Kartellbehörden, im Falle der
Unwirksamkeit von Bedingungen sowie zur Abwendung einer Kartell- oder
aufsichtsbehördlichen Beanstandung einzelne Bedingungen mit Wirkung für bestehende
Verträge zu ergänzen oder zu ersetzen. Die neuen Bedingungen sollen den ersetzten rechtlich
und wirtschaftlich weitestgehend entsprechen. Sie dürfen die Versicherten auch unter
Berücksichtigung der bisherigen Auslegung in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht nicht
unzumutbar benachteiligen.
Die geänderten Bedingungen werden dem Versicherungsnehmer schriftlich bekannt gegeben
und erläutert. Sie gelten als genehmigt, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb eines
Monats nach Bekanntgabe schriftlich widerspricht. Hierauf wird er bei der Bekanntgabe
besonders hingewiesen. Zur Fristwahrung ist die Absendung ausreichend. Bei fristgerechtem
Widerspruch, laufen die Verträge mit den ursprünglichen Bedingungen weiter.
Das Gericht begründet die Entscheidung damit, die Bedingungsanpassungsklausel verstoße
bereits formal gegen das Transparenzgebot und benachteilige die Versicherten in
unangemessener Weise. Sie verstoße gegen das Gebot der Klarheit und Bestimmtheit, weil
die Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Bedingungsänderung nicht hinreichend
beschrieben werden, so dass ungerechtfertige Beurteilungsspielräume entstehen. Diese
Voraussetzungen und Rechtsfolgen müssten in AGB-Klauseln für den anderen Vertragsteil
156
157
BGH, Urteil v. 19.11.1997, IV ZR 348/96, r + s 1998, 79.
OLG Düsseldorf v. 26.6.1997- 6 U 143/ 96 LSK 1997, 500107.
54
55
aus der Sicht eines durchschnittlichen Betrachters nachprüfbar sein und dürften nicht
irreführen. Die Voraussetzungen, unter denen die Beklagte das Recht haben soll,
Bedingungen zu ergänzen und zu ersetzen, seien nicht hinreichend klar umschrieben.
Die Unangemessenheit der Klausel folge auch aus dem Wortlaut, wonach die neuen
Bedingungen den ersetzten rechtlich und wirtschaftlich weitestgehend entsprechen dürfen.
Die Bestimmung erwecke bei den Vertragspartnern den Eindruck, sie hätten nur die
Möglichkeit, entweder den einseitig bestimmten neuen Bedingungen nicht zu widersprechen
oder die alte, ggf. unwirksame, Klausel weiter gelten zu lassen.
Dieser Beurteilung ist der BGH mit Urteil vom 17.März 1999 158 gefolgt. Damit setzt der
BGH Maßstäbe für die Überprüfung von Bedingungsanpassungsklauseln in langfristig
angelegten Versicherungsverträgen. Auch wenn er die grundsätzliche Zulässigkeit einer
Anpassung im Falle der Störung des Äquivalenzverhältnisses bejaht, hat der Versicherer
gleichwohl sicher zu stellen, dass die neuen Bedingungen den Vertragspartner nicht
schlechter stellen. Dieses Schlechterstellungsverbot erstreckt sich nicht nur auf eine
unangemessene Benachteiligung, denn der vertraglich vereinbarte Versicherungsschutz kann
nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgeändert werden.
Die in der Klausel angegeben Gründe für eine Bedingungsanpassung stellt der BGH in Frage.
Weder die Abwendung einer Kartell- und aufsichtsbehördlichen Beanstandung, noch die
Beseitigung von Auslegungszweifeln genügen für eine Bedingungsanpassung.
Auslegungszweifel sind ohnehin gemäß § 5 AGBG zu Lasten des Verwenders zu beseitigen.
Mit der hiervon abweichenden Regelung in der Klausel wird zugleich ein wesentlicher
Grundgedanke des AGB-Rechtes verletzt (Verstoß gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG).
8. Schweigepflichtentbindungserklärung
In einem Verfahren vor dem Landgericht Hamburg 159
wurde folgende
Schweigepflichtentbindungsklausel erstmals durch den VSV zur gerichtlichen Überprüfung
gestellt:
Text:
Ich ermächtige alle Ärzte, Krankenanstalten , Behörden und die Bundesversicherungsanstalt
für
Angestellte
oder
die
Landesversicherungsanstalt
sowie
andere
Versicherungsunternehmen, Sozialversicherungsträger und Berufsgenossenschaften, der
…………..AG auf deren Verlangen jede von ihr gewünschte Auskunft zu erteilten. Die
Personen und Institutionen, die gemäß dieser Erklärung durch die …………… AG befragt
werden können, werden im vollem Umfang von der ihnen obliegenden Schweigepflicht
entbunden.
Die Klausel, die sich auf dem Antragsformular für eine Krankentagegeldversicherung
befindet, ist nach Auffassung des VSV zu weitgehend formuliert und berücksichtigt nicht die
gesetzlichen Regelungen zur Handhabung personenbezogener Daten. Die Ermächtigung geht
so weit, dass die Versicherungsgesellschaft jede von ihr gewünschte Auskunft einholen kann,
also auch solche, die mit dem konkreten Antrag nichts zu tun haben. Nach dem Grundsatz der
kundenunfreundlichsten Auslegung fallen auch Auskünfte unter die Klausel, die nicht für die
ordnungsgemäße Bearbeitung von Krankentagegeldanträgen erforderlich sind. Darüber hinaus
158
159
BGH, Urteil v. 17.3.1999, IV ZR 218/97, NJW 1999, 1865.
LG Hamburg v. 07.02.1997- 324 O 647 / 96.
55
56
ist nicht sicher, ob die Klausel allein zur Antragsbearbeitung verwendet wird oder auch im
Leistungsfall als Schweigepflichtentbindungsklausel eingesetzt werden kann.
9. Bezugsrecht in der Lebensversicherung
Der BGH hat unter Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen die Klage des VSV wegen
folgender Klauseln abgewiesen:
Text:
Der Inhaber des Versicherungsscheins ist berechtigt über die Rechte aus dem
Versicherungsvertrag zu verfügen, insbesondere Leistungen in Empfang zu nehmen.
Die Klausel in Lebensversicherungsverträgen hält einer Kontrolle nach § 9 AGBG stand. 160
Der BGH legt diese Klausel dahin aus, dass dem Versicherer vertraglich die Berechtigung
eingeräumt wird, an den Inhaber des Versicherungsscheins mit befreiender Wirkung zu
leisten, ohne aber diesem gegenüber zur Leistung verpflichtet zu sein. Daneben wird der
Versicherer für berechtigt erklärt, den Urkundeninhaber hinsichtlich anderer Verfügungen
über die Rechte aus dem Versicherungsvertrag als berechtigt anzusehen. Den
Versicherungsschein mit dieser Klausel zu einem qualifizierten Legitimationspapier i. S. v. §
808 BGB zu erklären, sei kein Verstoß gegen § 9 AGBG, weil damit nicht von einer
gesetzlichen Regelung i. S. v. § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG abgewichen werde. Die Ausgestaltung
des Versicherungsscheins als Urkunde i. S. des § 808 BGB führe auch nicht zu einer
Gefährdung des Vertragszwecks gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG in einer Lebensversicherung.
Befreiende Wirkung komme der Leistung eines Schuldners zwar regelmäßig nur dann zu,
wenn er an den materiellrechtlichen Forderungsinhaber leistet. Wenn die Klausel
demgegenüber die Leistungsberechtigung des Schuldners erweitert, so liege darin keine
wesentliche Beeinträchtigung von solchen Rechten und Pflichten, die sich gerade aus der
Natur des Lebensversicherungsvertrages und ihrem typischen Vertragszweck ableiten. Denn
der mit dem Lebensversicherungsvertrag versprochene und geschuldete Versicherungsschutz
bleibt von einer solchen Regelung unberührt. Die durch die Klausel bewirkte Erweiterung der
Leistungsberechtigung des Versicherers benachteilige den Versicherungsnehmer nicht
entgegen den Geboten von Treu und Glauben, obwohl sie allein dem Interesse des
Versicherers diene. Die Leistung an den Inhaber der Urkunde befreit den Versicherer von
seiner Verbindlichkeit. Bedeutung komme dieser Erweiterung aber nur zu für den
Ausnahmefall, dass der Urkundeninhaber nicht zugleich Inhaber der Forderung sei.
10. Auslandsreisekrankenversicherung
Eine Reisekrankenversicherung darf in Deutschland lebenden Ausländern den
Versicherungsschutz für Reisen in ihr Heimatland nicht mit folgender Klausel in den
Versicherungsbedingungen verweigern:
Text
Als Ausland gilt nicht das Staatsgebiet, dessen Staatsangehörigkeit die versicherte Person
besitzt oder in dem sie einen ständigen Wohnsitz hat.
Der BGH 161 hat die Klausel wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot untersagt. Die
Reisekrankenversicherung hat den Zweck, für die Kosten einer unvorhersehbaren
medizinischen Behandlung während eines vorübergehenden Auslandsaufenthaltes
160
161
BGH, Urteil v. 22.03.2000, IV ZR 23/99, NVersZ 2001, 259.
BGH, Urteil v. 11.11. 2000, IV ZR 235/99, NVersZ 2001, 121.
56
57
aufzukommen. Auch für in Deutschland lebende Ausländer sei die Reise in das Heimatland
ein Auslandsaufenthalt i. S. dieser Krankenversicherung.
Die sogenannte Schwangerschaftsklausel, wonach keine Leistungspflicht besteht für
Untersuchungen und Behandlungen zur Schwangerschaftsüberwachung, Entbindung und
Schwangerschaftsabbruch sowie deren Folgen ist in einer Auslandsreisekrankenversicherung
unwirksam, weil sie die Versicherungsnehmerinnen unangemessen benachteiligt.
Text:
Eine medizinisch notwendige und nicht vorhersehbare Behandlung während einer
Schwangerschaft ist vertragsnotwendiger Bestandteil einer Krankenversicherung, auch einer
Auslandskrankenversicherung.
11. Kündigung im Schadensfall
Die in der Schadensversicherung weit verbreitete Kündigungsklausel im Schadensfall , die in
der nachfolgend dargestellten Form häufig in Rechtsschutzversicherungsverträgen zu finden
ist, hat der BGH in seinem Urteil vom 27. März 1991 162 für unwirksam erklärt. Die Klausel
lautet:
Text:
Bejaht der Versicherer seine Leistungspflicht für mindestens zwei in einem Kalenderjahr
eingetretene Versicherungsfälle, ist er innerhalb eines Monats nach Anerkennung der
Leistungspflicht für den zweiten oder jeden weiteren Versicherungsfall berechtigt, den
Versicherungsvertrag mit einer Frist von einem Monat zu kündigen.
Das Berufungsgericht 163 hatte in dieser aus § 19 Abs. 2 ARB 75 entnommenen Klausel weder
eine Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung noch eine
Einschränkung der sich aus der Natur des Vertrages ergebenden Rechte und Pflichte gesehen,
die zu einer Vertragszweckgefährdung führen können. Es hatte sich dabei auf eine aus den
§§ 96, 113, 158 VVG a. F. bestehende außerordentliche Kündigungsmöglichkeit als
Leitbildfunktion bezogen.
Der BGH hält diese Ausführung für von „Rechtsfehlern beeinflusst“. Das Bürgerliche
Gesetzbuch wie das Versicherungsvertragsgesetz kennen zwei Arten der fristlosen bzw.
außerordentlichen Kündigung von Dauerschuldverhältnissen. Es gibt Rechte zur fristlosen
Kündigung aus Anlass bestimmter Vertragsverstöße des Partners des Kündigenden und die
Anknüpfung des Kündigungsrechts an eine Situation, die eine weitere Fortsetzung des
Vertragsverhältnisses für den Kündigungsberechtigten unzumutbar macht. Diesen
Kündigungsmöglichkeiten ist es eigen, dass sie in gleicher Weise beiden Vertragsseiten offen
stehen (§§ 627, 623 BGB). Allerdings darf auch eine Kündigung dieser Art nicht auf
Umstände gestützt werden, die dem Gefahrenbereich des Kündigenden entstammen. Ein
Kündigungsrecht hat auch nicht derjenige, der bei beiderseits verschuldeter Zerrüttung der
Vertragsgrundlage das überwiegende Verschulden daran trägt. 164
Bei allen Möglichkeiten einer außerordentlichen Kündigung hat der Kündigende entweder
den Vertragsverstoß seines Vertragspartners oder dessen überwiegendes Verschulden an einer
Zerrüttung der Vertragsgrundlage zu beweisen.
162
BGH, Urteil v. 27.3.1991, IV ZR 130/90, NJW-RR 1991, 918.
OLG Düsseldorf vom 29.03.1990 6 U 176/89 NJW-RR 1991, 435.
164
BGH NJW 1981, 1264.
163
57
58
Von dieser Rechtslage des BGB entfernen sich die verschuldensunabhängigen Möglichkeiten
einer außerordentlichen Kündigung eines Versicherungsverhältnisses, soweit sie im VVG
geregelt sind, beträchtlich (vgl. §§ 96, 113, 158 VVG a. F.). In keiner der drei Regelungen
wird darauf abgestellt, ob ein wichtiger Grund tatsächlich gegeben ist. Es könne offen
bleiben, ob diesen Regelungen Leitbildfunktionen zukomme. Die genannten Regelungen
räumen beiden Vertragspartnern unter den jeweils genannten Voraussetzungen (Eintritt eines
Versicherungsfalles) ein außerordentliches Kündigungsrecht ein. Mit der hier
streitgegenständlichen Klausel beansprucht die Beklagte ein Kündigungsrecht, das sie ihrem
Vertragspartner nicht gewährt. Jedenfalls nicht unter den gleichen Voraussetzungen. Mit
dieser Regelung bekäme es die Beklagte in die Hand, ihre Versicherungsnehmer solange und
zwar gerade solange am Versicherungsvertrag festzuhalten, wie es ihren Wünschen und
Vorstellungen entspricht, ohne den Versicherungsnehmern die von ihr unbeeinflussbare
Möglichkeit belassen zu müssen, dass sie sich vorzeitig aus dem Versicherungsverhältnis
lösen.
Damit benachteiligt die Beklagte ihre Versicherungsnehmer entgegen den Geboten von Treu
und Glauben unangemessen.
12. Auswertung und Zusammenfassung
Im Versicherungsbereich ist festzustellen, dass zentrale Bereiche des Vertragsrechts zu
Laufzeit
und
Kündigung,
Prämienund
Bedingungsänderung
sowie
zur
Leistungseinschränkung in einzelnen Sparten in Verbandsklageverfahren einer gerichtlichen
Klärung zugeführt wurden. Auffällig ist, dass jeweils zeitlich oder mit geringer zeitlicher
Verzögerung der Gesetzgeber auf einige dieser Klageverfahren reagiert hat. Die
Laufzeitänderung in § 8 VVG wurde mehrfach geändert. Für Verträge, die bis zum
01.01.1991 geschlossen wurden, enthielt das Gesetz keine Bestimmung über eine zulässige
Höchstlaufzeit. Dies war Grundlage der Verbandsklageverfahren. Für Verträge, die nach dem
01.01.1991 geschlossen wurden, regelte das in § 8 Abs. 3 VVG novellierte Gesetz 165
erstmals eine Laufzeitbeschränkung. Danach konnte ein Versicherungsverhältnis, das für eine
Dauer von mehr als drei Jahren eingegangen wurde, zum Ende des dritten Jahres oder jedes
darauf folgenden Jahres mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden. Dies galt
allerdings dann nicht, wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer schriftlich vor
Abschluss des Vertrages auch Verträge für die Dauer von einem Jahr, drei, fünf und zehn
Jahren angeboten hat und dabei auf Verträge mit einer Dauer von 5 und mehr Jahren einen
Prämiennachlass gewährt, dessen Vomhundertsatz mindestens der Dauer der Laufzeit
entspricht
Nachdem der BGH Versicherungsverträge mit einer Laufzeit von fünf Jahren mit dem AGBGesetz vereinbar erklärt hatte, erfolgte eine erneute Novellierung von § 8 Abs. 3 VVG mit
Gesetz vom 21.07.1994. 166 Danach galt für Verträge die nach dem 24.06.1994 geschlossen
wurden, die Fassung von § 8 Abs. 3 VVG bis zur VVG– Reform 2008. Danach kann ein
Versicherungsverhältnis, das für die Dauer von mehr als fünf Jahren eingegangen worden ist,
zum Ende des fünften und jedes darauf folgenden Jahres mit einer Frist von drei Monaten
gekündigt werden. Dies gilt nicht für Lebens- und Krankenversicherungsverträge. Die
Kündigungsmöglichkeit des Versicherungsnehmers aufgrund einer Prämienerhöhung wurde
erstmals mit Gesetz vom 17.12.1990 167 in § 31 VVG eingeführt. Zugleich wurde das
165
Gesetz vom 17.12.1990 BGBl I S. 2864.
BGBl. I S. 1630.
167
BGBl I S. 2864.
166
58
59
Kündigungsrecht an die Bedingung geknüpft, dass das Entgelt pro Jahr nicht mehr als um 5 %
des zuletzt gezahlten Beitrages oder um mehr als 25 % des Erstbetrages steigt. Mit einer
erneuten Änderung von 1994 168 entfielen die Voraussetzungen für das Kündigungsrecht,
soweit sie an bestimmte Prozentsätze geknüpft sind.
Uneinheitlich sind die Ergebnisse der Rechtsprechung zu Klauseln, die entweder einen
Risikoausschluss oder eine Modifizierung der Leistung enthalten. Während die
Wissenschaftlichkeitsklausel keinen Bestand hat, entscheiden die Oberlandesgerichte zu
Vorerkrankungsklauseln unterschiedlich. Eine höchstrichterliche Rechtsprechung steht hierzu
soweit ersichtlich bisher aus.
Grundpfeiler des Versicherungsvertragsrechts werden auch in Verbandsklageverfahren vom
BGH nicht in Frage gestellt, dazu gehören die Fristenregelung der Unfallversicherung und die
Inhaberklausel der Lebensversicherung. Unergiebig ist die Rechtsprechung, insbesondere des
OLG Köln, wenn zu zentralen Fragen des Versicherungsvertragsrechts die Revision nicht
erreicht wird. Hier wirkt sich der dreigliedrige Instanzenweg für Verbandklageverfahren
negativ auf die schnelle und effiziente Klärung strittiger Fragen aus.
VI. Banken AGB
Die Geschäftsbedingungen der Banken und Sparkassen sind in zwei Phasen von den
Verbraucherverbänden mit besonderer Aufmerksamkeit beobachtet worden. Zunächst ging es
in den 1980er Jahren um die AGB der Teilzahlungsbanken im Zusammenhang mit der
Diskussion um die Sittenwidrigkeit von Ratenkreditverträgen. Schwerpunkte waren vor allem
Verrechnung- und Zinsklauseln. In den 1990ger Jahren wurden die Preisklauseln der
Geschäftsbanken und Sparkassen einer Überprüfung unterzogen. Die in Preisverzeichnissen
geregelte Entgeltlichkeit bestimmter Leistungen wurde in den Verfahren einer gerichtlichen
Klärung zugeführt mit dem Ziel feststellen zu lassen, ob die Entgelte als Preisnebenabreden
der Inhaltskotrolle unterliegen oder zum Bereich der kontrollfreien Hauptleistung gehören.
Zum strategischen Vorgehen der Verbraucherverbände gehört, zunächst in wenigen Verfahren
die grundsätzlichen Fragen einer gerichtlichen Klärung zuzuführen, um danach auf der Basis
gesicherter Rechtsprechung die AGB branchenweit zu überprüfen. Dies ist der Statistik zur
Anzahl der Abmahnungen abzulesen. Nachdem grundsätzliche Fragen zur Inhaltskontrolle
von Entgeltklauseln im Bankenbereich höchstrichterlich geklärt waren, hat der VSV in den
Jahren 1994 mit 85 Abmahnungen und 1995 mit 97 Abmahnungen nunmehr als unzulässig
erkannten Klauseln branchenweit beanstandet. Der VZBV hat in einer konzentrierten
Aktion 169 in Zusammenarbeit mit den Verbraucherzentralen eine weitere Überprüfung von
Banken-AGB im Jahre 2004 die Mehrwertsteuerregelung in den Preisverzeichnissen von
insgesamt 42 Kreditinstituten beanstandet und abgemahnt. Dabei handelt es sich um
Preisklauseln mit dem Zusatz „zuzüglich Mehrwertsteuer“. Die Abmahnungen führten
ausnahmslos zur Korrektur der Preisverzeichnisse und zur Abgabe entsprechender
Unterlassungserklärungen.
1. Verrechnungsklauseln
168
169
Gesetz vom 21.07.1994,BGBl I , S. 1630.
Jahresbericht VZBV 2004.
59
60
In einer ersten Entscheidung aus dem Jahre 1984 hebt der BGH 170 die Urteile der
Vorinstanzen auf und erklärt folgende Klausel für unwirksam:
Text
Zahlungen werden nach § 367 BGB verrechnet.
Die Vorinstanzen hatten die Klauseln für wirksam erklärt, weil sie die gesetzliche Regelung
wiederholt. Der VSV hatte beanstandet, dass in Ratenkrediten von Teilzahlungsbanken
mindestens konkludent eine Verrechnung der Raten sowohl auf Zinsen als auch auf die
Hauptforderung jeweils vereinbart ist. Der BGH unterzieht die Klausel der Inhaltskontrolle,
weil sie trotz ihrer Verweisung auf eine gesetzliche Regelung einen echten eigenen
Regelungsgehalt aufweist. Dies ergebe sich aus einem Vergleich der Rechtslage mit und ohne
die streitige Klausel. Der Hinweis auf die Verrechnung gemäß § 367 BGB sei ohne
Bedeutung, solange der Darlehensnehmer die Raten vereinbarungsgemäß zahle. Erst wenn die
Ratenzahlung nicht vertragsgemäß erfolge, sei es, dass eine Rate nicht in voller Höhe gezahlt
werde oder bei Rückstand mehrerer Raten die vorzeitige Fälligkeit der gesamten Restschuld
eintrete, entsteht ein Anwendungsfall des § 367 BGB. Soweit die Klausel hierauf Bezug
nehme, wirke sie nur deklaratorisch. Konstitutive Bedeutung komme der Klausel aber
insoweit zu, als ihr zu entnehmen sei, dass auch bei vertragsgemäßer Zahlung eine vorrangige
Tilgung der Kosten erfolgen solle. Dies sei u. a. dann der Fall, wenn bei vorzeitiger
Gesamtfälligkeit aufgrund Verzugs alle bisherigen Zahlungen vorrangig auf die geschuldeten
Kosten verrechnet werden, so dass bei kundenfeindlichster Auslegung die vorhergehenden
Tilgungen nachträglich zur Kosten- und Zinstilgung verändert werden. Darin liege eine
unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 9 AGBG. Der Vertragspartner müsse darauf
vertrauen dürfen, dass ihm die Vorteile einer anteilmäßigen Verrechnung bis zum Zeitpunkt
des Verzugseintritts erhalten bleiben.
2. Schufa-Klausel
In den AGB nahezu aller geprüften Banken ist folgende Klausel enthalten
Text:
Die Bank ist berechtigt, der Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung (Schufa) und
der KSV Kreditschutz Vereinigung Wiesbaden, Daten des Kreditnehmers und etwaiger
Mitschuldner über die Aufnahme (Kreditbetrag, Laufzeit, Ratenhöhe) und Abwicklung dieses
Kredites zur Speicherung zu übermitteln
Die Schufa-Klausel wird mit Entscheidung des BGH 171 vom 19.9.1985 für unwirksam erklärt,
weil sie mit wesentlichen Grundgedanken der Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes
nicht übereinstimmt. Grundsätzlich sei die Übermittlung bestimmter Kreditdaten an die
Schufa zulässig, da es im Interesse der Allgemeinheit liege, dass eine Kreditvergabe an
Kreditunwürdige verhindert werde. Die Bank müsse in jedem Einzelfall prüfen, welche
Aussagekraft die Einzelmitteilung hat und ob hier nicht schutzwürdige Belange des
betroffenen Bankkunden entgegenstehen. Mit der Klausel werde der Kreditgeber
uneingeschränkt ermächtigt, jegliche Negativmerkmale wie Kündigung, Mahnung oder
Mahnbescheide ohne Interessenabwägung an die Schufa zu übermitteln. Das
Bundesdatenschutzgesetz untersagt zwar nicht schlechthin die Speicherung und Übermittlung
solcher Daten, macht sie aber von einer Abwägung der berechtigten Interessen aller
Beteiligten abhängig. Dies ist in der Klausel nicht ausreichend berücksichtigt. Die Klausel ist
170
171
BGH, Urteil v. 05.04.1984, III ZR 2 / 83, NJW 1984, 2161.
BGH, Urteil v. 19.9.198, III ZR 213/83, NJW 1986, 46.
60
61
darüber hinaus auch unwirksam, soweit sie sich auf eine Datenweitergabe außerhalb des
Anwendungsbereichs des Bundesdatenschutzgesetzes erstreckt.
Eine unangemessene
Benachteiligung des Kreditnehmers liegt in der uneingeschränkten Weitergabe von
Kreditdaten auch dann, wenn sie vorher bei der weitergebenden Bank nicht gespeichert
waren. Die Nachteile für den Kreditnehmer erwachsen aus der Speicherung bei dem
Empfänger (Schufa, KSV) und aus der anschließenden Übermittlung an andere Kreditgeber.
Schon der pauschale Verzicht auf das Bankgeheimnis führt zur Unwirksamkeit der Klausel
gemäß § 9 AGBG. 172
3. Vorfälligkeit bei Zahlungsverzug
Die Regelung, wonach der Kredit zur sofortigen Rückzahlung fällig sei, wenn der
Kreditnehmer mit zwei aufeinander folgenden Kreditraten ganz oder teilweise in Verzug
gerät, hat der BGH in der Entscheidung vom 19.9.1985 173 für unwirksam erklärt.
Text:
Der Kredit ist zur sofortigen Rückzahlung fällig, wenn der Kreditnehmer mit zwei
aufeinander folgenden Raten teilweise in Verzug ist.
Die Unbilligkeit der Klausel liege darin, dass der gesamte Restbetrag schon dann fällig
werden solle, wenn sich der Kläger mit zwei aufeinander folgenden Raten auch nur teilweise
in Verzug befindet. Der Bank sei die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses allerdings erst
dann nicht mehr zuzumuten, wenn sich der Verzug auf zwei volle aufeinander folgende Raten
erstrecke. Mit Recht hat das Berufungsgericht es abgelehnt, die gesamte Klausel für
unwirksam zu erklären. Strittig ist insbesondere, ob derartige Verfallsklauseln als
Vertragsstrafeversprechen i. S. v. § 339 BGB zu verstehen sind, die unter das Klauselverbot
ohne Wertungsmöglichkeit gemäß § 11 Nr. 6 AGBG fallen. Dies lehnt der Senat ab. Es gehe
nur um eine besondere Form der Vertragsbeendigung, nicht um Vertragsstrafe. Die Klausel
sei an § 9 AGBG zu messen. Die Vertragsverletzungen, die zur Kündigung führen müssen so
schwerwiegend sein, dass sie ohne Rücksicht auf den Einzelfall eine schematische
Vertragsbeendigung rechtfertigen. Unwirksam ist der Klauselbestandteil „oder teilweise“,
weil der Verzug mit einer Teilrate nicht die Kündigung rechtfertigt. In der Teilunwirksamkeit
liege keine geltungserhaltende Reduktion.
4. Stundungsklausel
Die Stundungsklausel erklärt der BGH 174 mit Urteil vom19.9.1985 für wirksam.
Text:
Bei Stundung von Teilbeträgen berechnet die Bank auf den zu stundenden Betrag 21 % p.a.
der Laufzeit zwischen alter und neuer Fälligkeit sowie eine einmalige Bearbeitungsgebühr
von 8 DM.
Es sei mit Treu und Glauben noch vereinbar, wenn eine Bank von einem Kreditnehmer, der
die vereinbarten Termine nicht einhalten will oder kann und deshalb Stundung begehrt, für
172
Eine sehr lesenswerte Zusammenstellung zur Beurteilung von Datenschutzklauseln nach dem Maßstab von §
9 AGBG (§ 307 BGB) enthält der Beitrag von Heidemann-Peuser, Rechtskonforme Gestaltung von
Datenschutzklauseln in DuD 2002, 389 ff.
173
BGH, Urteil v. 19.9.1985, III ZR 213/ 83, NJW 1986, 46 ff.
174
BGH, Urteil v. 19.9.1985, III ZR 213/83, NJW 1984, 46 ff.
61
62
die Zeit der Stundung 21 % Jahreszinsen verlange. Die Klausel sei nicht als reine
Leistungsvereinbarung der Inhaltkontrolle gemäß § 8 AGBG entzogen. Wenn die Einigung
über die Stundungsvergütung in einer AGB- Klausel versteckt werde, liege es nahe, dass der
Kreditnehmer übersieht, welche Belastungen auf ihn zukommen, wenn er eine Stundung
bewilligt bekommt. Das sei eine Gefahr, vor der das AGBG gerade bewahren soll. Die Höhe
der Zinsen sei jedoch nicht zu beanstanden.
5. Darlehensablösungsklausel
Die Klausel zur Ablösung eines bestehenden Kredits bei Aufnahme eines weiteren Darlehens
wird in den Bedingungen der Teilzahlungsbanken wie folgt geregelt.
Text:
Ein gegebenenfalls bestehender Kredit soll mit diesem Kredit getilgt werden.
In einer Entscheidung vom 19.09.1985 erklärt der BGH 175 diese Regelung für unwirksam.
Die Klausel sei überraschend und unangemessen im Sinne von § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG, weil
damit das vom Kreditnehmer verfolgte Vertragsziel, Bargeld zu erhalten, gefährdet wird. Der
Darlehensnehmer braucht nicht damit zu rechnen, dass anstelle einer Barauszahlung der
Darlehenssumme nunmehr eine Ablösung eines bestehenden Vorkredites durch
Klauselvereinbarung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgenommen werde. Eine
unangemessene Benachteiligung liege zusätzlich dann vor, wenn die für den Altkredit zu
zahlenden Zinsen niedriger sind als die des neu aufgenommenen Darlehens, was letztlich zu
einer Verteuerung des Altkredites führt.
6. Bürgenklausel
Den formularmäßigen Verzicht des Bürgen auf die Einrede der Aufrechenbarkeit gemäß §
770 Abs. 2 BGB regelt folgende Klausel:
Text:
Die Einreden nach §§ 770 Abs. 2 und 776 BGB sind ausgeschlossen. Die Verpflichtungen aus
der Bürgschaft sind also insbesondere zu erfüllen, wenn sich die Gläubigerin durch
Aufrechnung ganz oder teilweise befriedigen kann oder einzelne von mehreren
Kreditnehmern durch die Gläubigerin nicht in Anspruch genommen werden.
Das hält der BGH in seiner Entscheidung vom 19.9.1985 176 noch für zulässig. Grundsätzlich
setze die Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft einen bestehenden Kreditvertrag voraus.
Durch eine AGB-Klausel könne die Bank dem Bürgen auch keine Garantiepflicht unabhängig
vom Bestand des Kreditvertrages auferlegen. Wirksam sei allerdings der formularmäßige
Verzicht des Bürgen auf die Einrede der Aufrechenbarkeit gemäß § 770 Abs. 2 BGB, weil die
Bank ein berechtigtes Interesse an einem solchen Verzicht habe. Diese Entscheidung ist
inzwischen durch das Urteil des BGH vom 16. Januar 2003 177 überholt. Danach ist die
formularmäßige Abbedingung der Rechte des Bürgen aus § 770 Abs. 2 BGB unwirksam,
soweit nicht die Aufrechnung mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Ansprüchen
von dem Verzicht ausgenommen wird.
175
BGH, Urteil v. 19.9.198, III ZR 214/ 83, NJW 1986, 43 ff.
BGH, Urteil v. 19.9.1985, III ZR 214/83, NJW 1986, 43 ff.
177
BGH, Urteil v. 16.01.2003, IX ZR 171/00, NJW 2003, 1521.
176
62
63
7. Trennungsklausel bei Einwendungs- Durchgriff
Unwirksam ist nach Auffassung des BGH
lautet:
178
die sogenannte Trennungsklausel, die wie folgt
Text:
Auch bei Nichterhalt oder Erhalt mangelhafter Ware oder bei Löschung des Kaufvertrages
oder Widerruf, der auf den Kaufabschluss gerichteten Willenserklärungen, müssen die
Kreditnehmer (Käufer) den Kredit voll zurückzahlen.
Es sei zwar zulässig davon auszugehen, dass ein Kreditvertrag und ein Kaufvertrag bei einem
sogenannten finanzierten Abzahlungskauf zwei selbständige Verträge sind. Es sei aber
unzutreffend, dass der Kunde in jedem Fall das Darlehen zurückzahlen müsse, wie die
Klausel es vorsieht. Entsprechend der nach der Rechtsprechung geltenden Rechtslage für
finanzierte Abzahlungskäufe können Einwendungen aus einem Kaufvertrag auch dem
Kreditgeber gegenüber entgegengehalten werden, wenn beide Verträge eine wirtschaftliche
Einheit bilden und der Kaufvertrag nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllt werde bzw. durch
Anfechtung unwirksam werde. Diese Ausnahme sei in der Klausel nicht berücksichtigt. Darin
liege ein Verstoß gegen den von der Rechtsprechung zugelassenen sogenannten
Einwendungsdurchgriff 179 und zugleich eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von §
9 AGBG.
8. Lohnabtretungsklausel
In einer Grundsatzentscheidung vom 22.06.1989 erklärt der BGH 180 die folgende Klausel für
unwirksam:
Text:
Ich /wir treten hiermit zur Sicherung der Ansprüche der ……Bank dieser den jeweiligen
pfändbaren Teil meiner / unserer Lohn - , Gehalts- , Provisions- oder sonstigen Ansprüche ,
sowie die gemäß §§ 53 Abs. 3, 54 Abs. 3 Ziffer 2 Sozialgesetzbuch (SGB I. Buch) abtretbaren
Teile etwaiger Ansprüche auf Arbeitslosen-, Kurzarbeits- und Schlechtwettergeld sowie auf
Arbeitslosenhilfe, Erwerbsunfähigkeits- und Hinterbliebenenrente gegen den jeweiligen
Arbeitgeber, Dritte oder den jeweiligen Leistungsträger ab. Die ….Bank wird auf Verlangen
– sofern alle ihre Forderungen ausgeglichen sind – die Ansprüche zurück übertragen.
Die Lohnabtretungsklausel ist gemäß § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam. Im Grundsatz sei die
Lohnabtretung als Sicherungsmittel für Kreditverträge zwar zulässig, entsprechende Klauseln
müssten aber Zweck und Umfang der Abtretung sowie die Voraussetzungen, unter denen die
Bank von ihr Gebrauch machen darf, hinreichend eindeutig bestimmen und einen
vernünftigen, die schutzwürdigen Belange beider Vertragspartner berücksichtigenden,
178
BGH, Urteil v. 19.9.1985, III ZR 214 / 83, NJW 1986, 43 ff.
BGH, Urteil v. 25.3.1982, III ZR 198 / 80, NJW 1982, 1634.
180
BGH NJW 1989, 2383.
179
63
64
Interessenausgleich vorsehen. Im Rahmen eines finanzierten Abzahlungskaufes führt die
Verwendung der Klausel zu einer Übersicherung, wenn die Bank sich gleichzeitig den
Kaufgegenstand zur Sicherheit übereignen lässt. Außerdem lässt die streitige Klausel nicht
zweifelsfrei erkennen, ob nur Ansprüche aus dem jeweiligen Kreditvertrag oder auch
Ansprüche aus anderem Rechtsgrund gesichert werden.
In der Klausel wird nicht deutlich, unter welchen Voraussetzungen die Bank von der
Abtretung Gebrauch machen darf. So fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass die
Verwertungsbefugnis vom Zahlungsverzug des Darlehensnehmers abhängig ist. Eine
Vorausabtretung ohne zeitliche und betragsmäßige Begrenzung ist geeignet, eine
Übersicherung zu bewirken. Eine wirksame Lohnabtretungsklausel habe sich am
Gesamtumfang des Darlehens einschließlich der Kreditkosten der Höhe nach zu orientieren,
im angemessenen Umfang Rechtsverfolgungskosten einzubeziehen und mit einer geeigneten
Freigabeklausel der Tatsache Rechnung zu tragen, dass das Sicherungsinteresse mit
fortschreitender Tilgung des Darlehens abnimmt. Die vorliegende Klausel sei auch deshalb
unzureichend, weil sie eine Rückübertragung erst nach vollständiger Tilgung der gesicherten
Ansprüche vorsieht.
9. Bevollmächtigungsklausel
In der Entscheidung vom 22.06.1989 erklärt der BGH 181 die folgende Klausel für unwirksam:
Text:
Der erste Kreditnehmer und der zweite Kreditnehmer übernehmen für diesen Kredit die
gesamtschuldnerische Haftung und bevollmächtigen sich – bis auf schriftlichen Widerruf –
gegenseitig zur Entgegennahme aller Erklärungen seitens der …….Bank, sowie zur
Beantragung und Stundungen und Laufzeitverlängerungen.
Die Klausel verstößt nach Auffassung des BGH gegen § 9 AGBG, da sie die gegenseitige
Bevollmächtigung der Kreditnehmer ohne Einschränkung für alle Erklärungen der Bank
vorsieht. Sie begründet die gegenseitige Vertretung der Kreditnehmer auch für den Empfang
von vertragsändernden Erklärungen, wie z. B. Kündigungen. Außerdem soll die
Bevollmächtigung unabhängig davon gelten, in welchem Verhältnis die Kreditnehmer
zueinander stehen. Damit hat die Bank die Möglichkeit, das Darlehen einem Kreditnehmer
gegenüber fällig zu stellen, ohne dass er hiervon Kenntnis erlangt. Die Klausel stehe nicht im
Einklang mit dem Rechtsgedanken des § 10 Nr. 6 AGBG. Sie komme in ihrer Wirkung zu
Lasten des Vertretenen einer Zugangsfiktion gleich. Ein schutzwürdiges Interesse der Bank
am Fortbestand der Klausel sei nicht ersichtlich. Die Bank könne bei mehreren
Darlehensnehmern nicht davon ausgehen, dass einzelne Erklärungen an andere
Darlehensnehmer weitergeleitet werden. Die in der Klausel vorgesehene Möglichkeit, die
Empfangsvollmacht jederzeit zu widerrufen, gleiche die benachteilige Wirkung nicht aus.
10. Wertstellung im Überweisungsverkehr
Zu einer Grundsatzfrage der Zinsberechnung hat der BGH 182 auf eine von der VZ BadenWürttemberg unterstützte Individualklage am 17.1.1989 mit Bezug auf einen Girovertrag
folgende Klausel für unwirksam erklärt:
Text:
181
182
BGH NJW 1989, 2383.
BGH, Urteil v. 17.01.1989, XI ZR 54/ 88, NJW 1989, 582.
64
65
Wertstellung: Einzahlungen einen Tag nach Einzahlung.
Die Klausel verstößt gegen § 9 AGBG, weil sie sowohl formal das Transparenzgebot
verletzte, als auch materiell den Inhaber von Girokonten unangemessen benachteiligte. Es
werde nicht deutlich, dass durch die hinausgezögerte Wertstellung Sollzinsen für die
Inanspruchnahme von Krediten verlangt werden. Durch die verzögerte Wertstellung werden
die Inanspruchnahme eines Kredites fingiert und hierfür Zinsen berechnet, auch ohne dass
tatsächlich ein Schuldsaldo besteht. Soweit die Bank ein Entgelt benötigt, um kostendeckend
zu arbeiten, sind Gebühren offen auszuweisen.
Als Konsequenz aus dieser BGH-Entscheidung werden außergerichtlich durch Abgabe von
Unterlassungserklärungen folgende Klauseln als unwirksam erachtet:
Text:
Überweisungen: Buchungstag plus ein Arbeitstag.
Nicht beanstandet hat der BGH dagegen Klauseln, die bei der Bank als Inkassostelle die
Wertstellung für eingereichte Lastschriften um einen der durchschnittlichen Einziehungsdauer
entsprechenden Zeitraum hinausschieben und für Schecks eine Wertstellung von drei bis fünf
Tagen vorsehen 183 .
11. Tilgungsverrechnungsklausel
Tilgungsverrechnungsklauseln gehören ebenfalls zu den Zinsklauseln in unterschiedlichen
Ausgestaltungen. Nachdem der BGH im Jahre 1988 in zwei Individualrechtsstreitigkeiten zu
den fraglichen Klauseln Stellung genommen hatte 184 , haben die Verbraucherverbände
unterschiedliche Klauselgestaltungen in Verbandsklageverfahren einer gerichtlichen Klärung
zugeführt. Die Klauseln verstoßen gegen das Transparenzgebot gemäß § 9 Abs. 1 AGBG, da
sie nach Ansicht des BGH die zinssteigernde Wirkung für den Kunden nicht deutlich
erkennen lassen. In einem Hypothekenkredit ist folgende Klausel unwirksam:
Text:
Bei Bankkrediten und Hypotheken werden die Zinsen im Kalenderjahr der Auszahlung auf
den zur Verfügung gestellten Betrag (zuzüglich eines etwaigen Disagios) und in den
folgenden Jahren jeweils auf Kapitalbetrag per 31.12. des vorangegangenen Jahres
berechnet.
Aufgrund der üblicherweise unterjährigen Tilgung, die meist in den Allgemeinen
Geschäftsbedingungen als vierteljährliche Ratenzahlung zur Tilgung von Darlehensbetrag und
Zinsen vereinbart ist, sei für den juristischen Laien die durch die nachträgliche
Zinsverrechnung eintretende zinssteigernde Wirkung nicht deutlich erkennbar. Das
widerspricht dem Erfordernis einer eindeutigen Offenlegung der den Kunden belastenden
Konsequenzen aus der vorgesehenen Zinsberechnung.
Der VSV und die Verbraucherzentralen haben in einer gemeinsamen Aktion wegen dieser
und ähnlicher Klauseln dreizehn Institute abgemahnt und bis zum Ende des Jahres 1989 in
sechs Fällen Klage erhoben. Streitpunkt war jeweils, ob die konkrete Formulierung die
183
BGH, Urteil v. 06.05.1997, XI ZR 208/96, NJW 1997, 2042; BGH, Urteil v. 17.06.1997, XI ZR 239/96, NJW
1997, 3168.
184
Urteile vom 24.11.1988 III ZR 188/87 und III ZR 156/87.
65
66
zinssteigernde Wirkung der Zinsberechnung auf den Kapitalstand des Vorjahres hinreichend
deutlich macht. Das Landgericht Berlin 185 hat folgende Klausel für unzulässig erklärt:
Text:
Die durch fortschreitende Tilgung ersparten Zinsen werden zusammen mit der Tilgung unter
ganzjähriger Verrechnung am Ende des jeweiligen Kalenderjahres vom Darlehenskapital
abgesetzt.
Dagegen wurde von derselben Kammer des LG Berlin 186 folgende Klausel für wirksam
gehalten:
Text:
Die Zinsen werden nach dem jeweiligen Stand des Kapitals am Schluss des vergangenen
Kalenderjahres berechnet und sind in vierteljährlichen Tilgungsbeträgen am …zu zahlen.
Hier ergebe sich nach Ansicht der Kammer die benachteiligende Wirkung der Klausel bereits
unmittelbar aus dem Gesamtzusammenhang des dazu gehörigen Abschnitts, wobei die
Klauseln über die vierteljährlichen Zins- und Tilgungsraten und die Klauseln über die
Zinsberechnungen nach dem Kapitalstand am Schluss des Vorjahres in einem Satz logisch
und optisch unmittelbar miteinander verknüpft seien, so dass auch ein Durchschnittskunde die
für ihn ungünstige Abweichung von § 680 BGB eindeutig erkennen könne. Beide Urteile sind
nicht rechtskräftig geworden. Als maßgebliche Richtungsentscheidung gilt das Urteil des
BGH 187 , in einem Verfahren der VZ Baden-Württemberg, in dem folgender Klausel die
Wirksamkeit versagt wird:
Text:
Die Zinsen werden im Kalenderjahr der Auszahlung aus dem Darlehensbetrag und in den
Folgejahren aus dem Kapitalbetrag per 31.12. des Vorjahres berechnet. Die in den
Monatsraten enthaltenen Tilgungsanteile werde nur zum Schluss des Kalenderjahres auf die
Darlehensschuld verrechnet.
Der BGH stellt hierzu fest, die derartigen Klauseln eigentümliche Intransparenz der
Zinsbelastung sei als Grund für ihre Unwirksamkeit anzusehen. Ohne Effektivzinsangabe
kann eine Tilgungsverrechnungsklausel die zinserhöhende Wirkung auch dann unzulässig
verschleiern, wenn sie in zwei direkt aufeinander folgenden Sätzen formuliert ist. 188
Mit den grundlegenden Entscheidungen des BGHs von 1989 189 und 1990 190 und der daran
anschließenden Rechtsprechung zu Einzelfragen der Formulierung 191 ist ein umfassendes
Kapitel transparenter Klauselgestaltung mit preissteigernder Wirkung abgeschlossen.
12. Entgeltklauseln
185
LG Berlin v.06.12.1989- 26 O 399/89.
LG Berlin v. 06.12.1989 -26 O 398/89, Unterlassungserklärung im Berufungsverfahren Kammergericht vom
17.04.1991 – 23 U 765/90.
187
BGH, Urteil v. 10.12.1991, XI ZR 119/91, MDR 1992, 368 oder NJW 1992, 1108 oder WM 1992,218.
188
BGH NJW 1992, 1108.
189
Individualprozess NJW 1989, 222.
190
BGH NJW 1990, 2383.
191
BGH NJW 1991, 1989; BGH NJW 1992, 179 BGH NJW 1992,1097; BGH NJW 1992, 1108.
186
66
67
Im Jahre 1987 leitete der VSV erstmals ein Verfahren gegen eine Entgeltklausel in den
Preisverzeichnissen der Banken ein, die nach Ansicht des VSV nicht als
Leistungsvereinbarung im Sinne von § 8 AGBG sondern als Preisnebenabrede zu
qualifizieren ist und damit der Inhaltskontrolle des AGBG unterliegt.
a) Mahnkosten
Das Landgericht Frankfurt am Main 192 hält folgende Klausel für unzulässig:
Text:
Gebührenpflichtige Dienstleistungen, Gebührensatz Mahnschreiben wegen fälliger Rate,
1. Zahlungsaufforderung: DM 10,
2. Zahlungsaufforderung DM…….
Die Klausel verstoße gegen § 11 Nr. 5 a und b AGBG. Es handele sich nicht um eine
Leistungsvereinbarung, sondern um die Regelung von Verzugsschaden, der in dieser Höhe
nicht angemessen ist. Für die Erstmahnung besteht keine Ersatzpflicht, wenn die
Verzugsvoraussetzungen nicht vorliegen. Eine Differenzierung enthält die Klausel nicht. In
der Klausel sei auch klarzustellen, dass der Gegenbeweis eines geringeren Schadens zulässig
ist.
b) Entgelt für die Barein- und Barauszahlung
Mit Urteil vom 30.11.1993 193 hat der BGH nach zwei erfolglosen Vorinstanzen der Klage des
VSV gegen die Deutsche Bank wegen eines Entgeltes für die Inanspruchnahme des
Bankschalters bei Barein- und Barauszahlungen stattgegeben 194 . Die Klausel weiche von
wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab, weil das BGB als
selbstverständlich davon ausgehe, dass jede Geldschuld durch Bareinzahlung des
Nennwertbetrages erfüllt werde und der Gläubiger für die Entgegennahme von Bargeld keine
gesonderte Vergütung verlangen könne. Zwar habe der Schuldner gemäß § 270 Abs. 1 BGB
Geld auf seine Kosten an den Gläubiger zu übermitteln. Zu den Übermittlungskosten zählen
aber die nur die Versendungs- und Zustellungskosten, nicht jedoch Kosten des Gläubigers bei
der Entgegennahme von Bargeld. Für die Entgegennahme von Bargeld könne der Gläubiger
keine Vergütung beanspruchen. Es handele sich auch nicht um eine bankeigene Leistung, so
dass die Klausel nicht ein Leistungsentgelt zum Gegenstand habe. Das gleiche gelte auch für
Barauszahlungen, denn bei Auszahlung am Schalter der kontoführenden Filiale erfülle die
Bank ihre aus §§ 700 Abs. 1 Satz 3, 695, 697 BGB folgende Rückgabepflicht des ihr gemäß §
700 Abs. 1 BGB übergebenen Guthabens.
Die Banken sind in der Folgezeit dazu übergegangen, anstelle des Entgeltes für Barein- und
Barauszahlungen sogenannte Postenpreise zu erheben auch für die Verbuchung von Bareinund Barauszahlungen. Die Klauseln lauten:
Text:
Barverfügungen am Geldautomaten DM 0,25, alle nicht genannten Geschäftsvorfälle, DM
0,40.
192
LG Frankfurt/M v. 19.04.1988- 2/ 13 O 438/87, bestätigt durch BGH v. 07.05.1991 – XI ZR 244/90, WM
1991, 1113.
193
BGH, Urteil v. 30.11.1993, XI ZR 80/93, NJW 1984, 313 = VuR 1994, 7.
194
BGH, Urteil v. 30.11.1993, XI ZR 80/93, NJW 1984, 313 = VuR 1994, 7.
67
68
Diese Postenpreise werden berechnet für alle Geschäftsvorfälle außer Daueraufträgen,
Barabhebungen am Geldautomaten und Einzugsermächtigungen. Die Auslegung dieser
Regelung führt dazu, dass die Gebühren auch auf die vom Kunden vorgenommenen Bareinund Barauszahlungen anfallen, denn sie gelten ebenfalls als „Geschäftsvorfälle“.
Zulässig ist dagegen die Erhebung eines Entgeltes für die Auszahlung durch Geldautomaten.
Dies sei eine zusätzliche Serviceleistung 195 der Banken, für die Gebühren verlangt werden
könnten.
Aus den mehr als 85 Abmahnungen, die der VSV wegen der Berechnung der Gebühren für
die Barein- und Barauszahlungsregelung im Anschluss an die Entscheidung des BGH vom
30.11.1993 eingeleitet hat, kristallisieren sich zwei Problemkreise heraus:
•
•
Kann für Barverfügungen am Geldautomaten eine Gebühr erhoben werden?
Können mit der Klausel zu Gebühren für „Geschäftsvorfälle“ ohne konkrete
Bezeichnung auch Gebühren für die Ein- und Auszahlung berechnet werden?
Am 7. Mai 1996 ergeht hierzu eine grundlegende Entscheidung des BGHs in dem
Revisionsverfahren gegen die Stadt- und Saale Kreissparkasse Halle 196 .
Danach ist die Berechnung von Postenpreisen für die Barein- und Barauszahlung am Schalter
zulässig, aber nur unter der Voraussetzung, dass mindestens fünf Freiposten im Monat
gewährt werden. Im Unterschied zu dem Fall, der dem Senatsurteil vom 30.11.1993 zugrunde
lag, werden mit dieser Klausel nicht besondere Entgelte für die Inanspruchnahme der Kasse
berechnet, sondern unter der Überschrift „Kontoführung“ sogenannte Postenpreise in
Rechnung gestellt. Dabei geht es nicht allein um Entgelte für die Buchführung bzw. einzelne
Buchungsposten als solche, sondern auch für die Tätigkeit der Bank, die sich in den
verschiedenen Buchungsvorgängen widerspiegelt. Daraus folgt, dass Postenpreise im
Zusammenhang mit Ein- und Auszahlungen auch ein Entgelt für Kassentätigkeiten darstellen.
Das Kreditinstitut ist berechtigt, für seine Tätigkeit im Rahmen des Giroverhältnisses,
Vergütungen zu verlangen und diese in Allgemeinen Geschäftsbedingungen festzulegen. Bei
der Bemessung der Vergütung kann es grundsätzlich auch an die Kontoführung und deren
von Fall zu Fall unterschiedlichen Umfang anknüpfen. Das Giroverhältnis zwischen einem
Kreditinstitut und seinen Kunden steht jedoch im engen Zusammenhang mit anderen
Rechtsbeziehungen der Beteiligten, die durch verschiedene über das Girokonto
abzuwickelnde Geschäftsvorgänge entstehen können. So stellen ein Habensaldo des Kunden,
eine Forderung aus unregelmäßiger Verwahrung nach § 700 BGB und ein Sollsaldo eine
Darlehensverbindlichkeit i. S. d. § 607 BGB dar. Ein- und Auszahlungen auf das Girokonto
sind daher in aller Regel auch Akte zur Begründung oder Erfüllung der genannten
Schuldverhältnisse oder einzelner Pflichten aus ihnen. Daraus folgt, dass eine Entgeltregelung
für Girokonten, die an die einzelnen Geschäftsvorgänge anknüpft, im Rahmen von § 9 AGBG
daraufhin zu überprüfen ist, ob sie eine Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der
gesetzlichen Regelung enthält, die für die verschiedenen Geschäftvorgänge gelten. Wenn
auch die Preisklauseln für Privatkonten, die gezielt ein besonderes Entgelt für Ein- und
Auszahlungen festlegen, als unangemessene Benachteiligung nach § 9 AGBG unwirksam
seien, so gehe es im vorliegenden Fall doch um Klauseln, die als Postenpreise die Gebühren
für eine Kontoführung festlegen und dabei Ein- und Auszahlungen mit Ausnahme der
195
196
So die erstinstanzliche Entscheidung zu dieser Rechtsfrage LG Halle vom 21.12.1994- 7 O 642/94.
BGH, Urteil v. 070.5.1996, XI ZR 217 / 95, NJW 1996, 2032.
68
69
Barverfügungen am Geldautomaten nicht einmal gesondert erwähnen . Gleichwohl stellen die
Postenpreise im Zusammenhang mit Ein- und Auszahlungen auch ein Entgelt für
Kassentätigkeiten dar. Insoweit stellen die Klauseln eine Abweichung von gesetzlichen
Vorschriften, etwa des Darlehens– und Verwahrungsrechts dar. Allerdings ist nicht jede
Abweichung einer AGB-Klausel vom dispositiven Recht als Verstoß gegen § 9 AGBG
unzulässig. Bei der erforderlichen Abwägung kommt der im Preisaushang enthaltenen
Freipostenregelung eine entscheidende Bedeutung zu. Da die Bank nicht gehindert ist, für
andere Geschäftsvorfälle als Ein- und Auszahlung besondere Vergütungen zu verlangen,
können die unentgeltlichen Freiposten bei wertender Betrachtung der im Laufe eines Monats
anfallenden Ein- und Auszahlungen berechnet werden. Durch fünf solcher Freiposten im
Monat werden Ein- und Auszahlungen am Schalter in einem Umfang vergütungsfrei gestellt,
den der erkennende Senat für erforderlich, aber auch für ausreichend hält, um der
Vergütungsregelung den Makel der unangemessenen Benachteiligung zu nehmen. Der
Bereich dessen, was bei verständiger Würdigung noch als normale Inanspruchnahme von Einund Auszahlungen im Rahmen eines Privatgirokontos angesehen werden kann, darf keine
besonderen Vergütungspflichten auslösen. Soweit ein privates Girokonto darüber hinaus in
Anspruch genommen wird, stellt die Abweichung vom dispositiven Gesetzesrecht keine
gegen Treu und Glauben verstoßene unangemessene Benachteiligung dar. Wer Kassendienste
in außergewöhnlichem Maße in Anspruch nimmt, wird nicht unangemessen behandelt, wenn
er in maßvollem Umfang zu einem Entgelt hierzu herangezogen wird.
c) Gebühr für Ersatzsparbuch
Mit Urteil vom 07. Juni 1998 197 erklärt der BGH erstmals in einem Verfahren des VSV eine
Entgeltregelung im Preisverzeichnis für eine nicht kontrollfähige Preisklausel für wirksam.
Text:
Die Ausstellung eines Sparkassenbuches ohne Kraftloserklärung gemäß § 7 MstVO, 5 DM
pro angefangener 100 DM Guthaben – maximal 150,00 DM, minimal 15 DM.
Bei dem durch die Klausel festgelegten Entgelt für die Ausstellung eines Ersatzsparbuches für
das verloren gegangene handele es sich nicht um eine Erweiterung des ursprünglichen
Vertragsrahmens, sondern um eine echte Zusatzleistung für den Fall des Abhandenkommens.
Die Ausstellung eines Ersatzsparkassenbuches sei eine Sonderleistung und erfolge nicht in
Erfüllung einer der Bank obliegenden Pflicht. Dass für die Ersatzausstellung einer verloren
gegangene Legitimationsurkunde ein Entgelt zu entrichten sei, entspreche auch dann der
allgemeinen Lebenserfahrung, wenn die Urkunde als solche zunächst kostenfrei zur
Verfügung gestellt wurde.
d) Kontopfändungsgebühr
In zwei Grundsatzurteilen vom 18. Mai 1999 erklärt der BGH die Gebührenklausel bei
Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen auf Girokonten für unwirksam 198 . Die Klausel
lautet:
Text:
197
BGH, Urteil v. 7.6.1998, XI ZR 351/ 97, MDR 1998,1172-1173 oder ZIP 1998,1391-1392 oder NJW-RR
1998,1661-1662.
198
BGH, Urteil v. 18.5.1999, XI ZR 219/98, ZIP 1999, 1090.
69
70
Bearbeitung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen: 30 DM pro Pfändung, einmalige
Belastung kurzfristig nach Eingang des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses.
Anschließend Überwachung pro angefangener 30 Kalendertage: 20 DM erstmals nach Ablauf
der ersten 30 Kalendertage.
Die Klausel sei als Verstoß gegen § 9 AGBG eine unangemessene Benachteiligung der
Girokonteninhaber. Durch die Bearbeitung und Überwachung von Pfändungsmaßnahmen
erbringe ein Kreditinstitut keine Dienstleistung für seine davon betroffenen Kunden. Die
Bearbeitung und Überwachung lege weder im Auftrag des Kunden noch in ihrem Interesse.
Die Bank als Drittschuldner ist verpflichtet, auf Verlangen des Pfändungsgläubigers unter
anderem zu erklären, ob und inwieweit er die Forderung als begründet anerkenne und
Zahlung zu leisten bereit sei. Wer dieser Erklärungspflicht nicht nachkomme, mache sich
gegenüber dem Pfändungsgläubiger schadensersatzpflichtig. Diese staatsbürgerliche
Erklärungspflicht sei im Interesse des Pfändungsgläubigers und einer funktionierenden
Vollstreckung geschaffen worden. Ihre Erfüllung erfolgt zur Vermeidung einer
Schadensersatzhaftung im eigenen Interesse, nicht aber im Interesse des
Pfändungsschuldners. Das gleiche gelte für die anschließende Überwachung von
Pfändungsmaßnahmen 199 .
e) Bearbeitung von Freistellungsaufträgen
Mit einer im Kern an die Entscheidung zur Pfändungsgebührenklausel angelehnten
Begründung hat der BGH durch Urteil vom 15.07.1997 200 die Berechnung eines Entgeltes für
die Verwaltung und Änderung von Freistellungsaufträgen für Sparkonten mit wesentlichen
Grundgedanken des Gesetzes für nicht vereinbar und damit als unangemessene
Benachteiligung der betroffenen Sparer für unwirksam erklärt. Durch das Zinsabschlagsgesetz
werden Kreditinstitute - ähnlich wie Arbeitgeber beim Lohnsteuerabzug oder bei der
Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen – zur unentgeltlichen Einziehung der
Kapitalertragssteuer und damit zur Erfüllung staatlicher Aufgaben herangezogen. Unwirksam
ist folgende Regelung:
Text:
Verwaltung von Freistellungsaufträgen pro Jahr DM 10, ab DM 100 Ertrag pro Jahr.
Änderung eines Freistellungsauftrages DM 10.
Kreditinstitute haben die Aufwendungen, die durch die Erfüllung einer dem Staat gegenüber
bestehenden Pflicht erwachsen, als Teil ihrer Gemeinkosten selbst zu tragen. Sie können nicht
durch Entgeltklauseln auf die Kunden abgewälzt werden. Im freien Wettbewerb sind sie wie
andere Gemeinkosten durch erzielbare Leistungspreise zu erwirtschaften. Die dagegen von
der Volksbank Sandhofen eingelegte Verfassungsbeschwerde ist ohne Erfolg geblieben.
f) Lastschriftrückgabe/ Nichtausführung eines Auftrages
Banken können in Preisverzeichnissen ihre Kunden nicht verpflichten im Falle einer
Nichtausführung eines Überweisungsauftrages oder Dauerauftrages mangels Deckung bzw.
für den Fall einer Scheck- oder Lastschriftrückgabe mangels Deckung ein Entgelt zu
entrichten.
Text:
199
200
BGH, Urteil v. 18.05.1999, XI ZR 219 /98, ZIP 1999, 1090.
BGHZ 136,261 = NJW 1997, 2752; vgl. auch BGHZ 138, 380 und BGH NJW 1999, 2276.
70
71
Scheck, Scheckrückgabe, Scheckrückgabegebühr zu Lasten des Scheckeinreichers: Preis 10
DM.
Lastschriftrückgabe, Rücklastschriftgebühr zu Lasten des Zahlungsempfängers: Preis 7,50
DM.
Die Klausel ist unwirksam. Das ist das Ergebnis von zwei BGH-Entscheidungen vom
21.10.1997 201 . Bei Prüfung ausreichender Deckung vor Ausführung von Überweisung,
Daueraufträgen oder Erfüllung von Lastschriften werde die Bank ausschließlich im eigenen
Interesse tätig. Eine Verpflichtung der Bank zur Ausführung dieser Aufträge bestehe nur,
wenn das Konto des Kunden ausreichende Deckung in Form eines entsprechenden
Giroguthabens oder einer offenen Kreditlinie ausweist. Andererseits sei die Bank auch nicht
gehindert, eine durch die Belastungsbuchung eintretende Überziehung des Kontos
hinzunehmen. Entscheidet sie sich bei fehlender Deckung für die Nichtausführung, so liege in
ihrer berechtigten Weigerung keine Leistung und folglich kein, einer Vergütungspflicht
auslösender Sachverhalt. Bei der Nichteinlösung von Lastschriften komme hinzu, dass die
Bank in dem die Regel bildenden Einzugsermächtigungsverfahren die Kontobelastung ohne
entsprechende Einzelanweisung des Kunden vornehme, die Erfüllungsverweigerung sich also
als die Nichtausführung des Auftrags der Gläubigerbank im Rahmen des
Lastschriftabkommens darstelle. Es handele sich bei den Entgeltklauseln auch nicht um
wirksame Schadenspauschalierungen, da dem Kunden der Nachweis eines geringeren
Schadens im Sinne von § 11 Nr. 5 b AGBG abgeschnitten werde.
Im Anschluss an diese Entscheidungen sind einige Institute dazu übergegangen, für die
„Benachrichtigung des Kunden über die Nichteinlösung“ ein Entgelt zu erheben.
Entsprechende Klauseln lauten:
Text:
Überweisung: Kundenbenachrichtigung wegen Nichtausführung: Preis DM 7,50 plus
Barauslagen.
Die Urteile des BGH sind Grundlage des weiteren Vorgehens des VSV gegen Klauseln mit
diesem Regelungsgehalt.
Zu einer besonders bemerkenswerten Entscheidung kommt der BGH mit Urteil vom 8. März
2005 in einem Verfahren der Verbraucherzentrale Nordrheinwestfalen 202 . Gegenstand des
Verfahrens ist eine Anweisung der beklagten Bank in einem Rundschreiben vom 4. Mai 1998
gegenüber ihren Geschäftsstellen zur Behandlung von Lastschriftrückgaben mangels
Deckung. In diesem Schreiben heißt es:
Kostenerstattung bei Rückgaben von Lastschriften und Schecks mangels Deckung (BGHUrteil vom 21. Oktober 1997).
Mit Rundschreiben Nr. 43 vom 23. Februar 1998 hatten wir Sie davon unterrichtet, dass
aufgrund des BGH-Urteils vom 21. Oktober 1997 die Preisbelastung für
Retourenbearbeitungen von Schecks und Lastschriften mangels Kontodeckung eingestellt
wird.
201
202
BGH, Urteil v.21.10. 1997, XI ZR 5 / 97 und XI ZR 296 / 96, NJW 1998, 309.
BGH, Urteil v. 08.03.2005, XI ZR 154/04, LSK 2005, 180347.
71
72
Zwischenzeitlich wurde festgestellt, dass die Kosten für unser Haus bei der Rückgabe von
Lastschriften bzw. Schecks mangels ausreichender Deckung erheblich über dem bisher
geforderten Entgelt liegen. Andere Kreditinstitute kamen zu gleichen Ergebnissen. Wir
werden daher- auch im Interesse einer gegenüber unseren Kunden gerechten Preisgestaltung
- einen Teil der anfallenden Kosten für Lastschrift- und Scheckübergaben ab sofort in Höhe
von DM 15 belasten.
Aufgrund des BGH-Urteils ist ein teilmodifizierter Arbeitsablauf notwendig, welchen wir in
beigefügter Anlage I beschrieben haben. Wir bitten Sie, den Arbeitsablauf strikt einzuhalten.
In Übereinstimmung mit der Vorinstanz sieht der BGH in dem Rundschreiben keine
Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB. Weder die interne
Anweisung noch die Belastungsbuchungen aus den Kontoauszügen, noch die Schreiben an
widersprechende Kunden, lassen sich als Allgemeine Geschäftsbedingungen qualifizieren. Im
Gegensatz zum Berufungsgericht sieht der BGH in dem mit dem Rundschreiben
vorgegebenen Verfahren einen Verstoß gegen das Umgehungsverbot aus § 306 a BGB. Ein
solcher Verstoß liegt vor, wenn eine als Allgemeine Geschäftsbedingung unwirksame
Regelung bei gleicher Interessenlage durch eine andere rechtliche Gestaltung erreicht werden
soll, die nur den Sinn haben kann, dem gesetzlichen Verbot zu entgehen 203 . Mit dieser
Vorgehensweise praktiziert die Beklagte die vom erkennenden Senat in seinen Urteilen vom
21.10.1997 für unzulässig und unwirksam erklärte Entgeltklausel bei der Rückgabe von
Lastschriften mangels Deckung unter dem rechtlichen Deckmantel pauschalierten
Schadensersatzes wirtschaftlich wirkungsgleich weiter. Die interne Anweisung der Beklagten
ist ebenso effizient wie die Pauschalierung von Schadensersatz in Allgemeinen
Geschäftsbedingungen und hat deren typischen Rationalisierungseffekt. Der danach gegebene
Verstoß gegen das Umgehungsverbot eröffnet die Inhaltskontrolle nach §§ 307 bis 309 BGB,
die im Verbandsklageverfahren nach § 1 UKlaG geltend gemacht werden kann. Dieser hält
die interne Anweisung und die darauf beruhende Geschäftspraxis der Beklagten nicht stand.
Eine inhaltsgleiche Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die sich der
Verwender pauschalen Schadensersatz bei Rückgabe einer Lastschrift mangels Deckung
versprechen lässt, ist mit wesentlichen Grundgedanken der Rechtsordnung unvereinbar. Ein
Bankkunde ist gegenüber seiner Zahlstelle nicht verpflichtet, für die Einlösung von
Lastschriften im Einzugsermächtigungsverfahren Deckung vorzuhalten. Eine solche Pflicht
des Schuldners besteht nur gegenüber dem Gläubiger aufgrund der getroffenen
Lastschriftabrede. Die Schuldnerbank wird nicht auf Weisung des Schuldners tätig, sondern
greift im Auftrag der Gläubigerbank ohne Weisung ihres Kunden auf dessen Konto zu. Da der
Kunde seiner Bank keine Weisung erteilt hat, ist er im Verhältnis zu ihr berechtigt, der
Belastung seines Kontos ohne Angabe von Gründen zu widersprechen. Die Schuldnerbank
prüft bei einer Lastschrift die Deckung des Kontos lediglich im eigenen und im Interesse der
Gläubigerbank aber nicht im Interesse des Schuldners. Wenn die Beklagte bei Rückgabe einer
Lastschrift mangels Deckung gleichwohl eine als Teilschadensersatz deklarierte Pauschale in
das Konto ihres Kunden einstellt, unterstellt sie ohne nähere Kenntnis des Valutaverhältnisses
nicht nur, der Kunde habe im Verhältnis zu seinem Gläubiger schuldhaft seine Pflicht zum
Vorhalten von Deckung verletzt, leitet aus diesem Verdacht grundlos nicht nur unter
Außerachtlassung des Rechts des Kunden, im Verhältnis zur Bank einer Lastschrift ohne
Angabe von Gründen zu widersprechen, eine schuldhafte girovertragliche Pflichtverletzung
ihr gegenüber ab, sondern schreitet auch nur zur Durchsetzung ihrer angeblichen
Schadensersatzforderung durch Verrechnung im Kontokorrent, überlässt es also dem Kunden,
sich gegen die auf einen bloßen Verdacht einer angeblichen schuldhaften Pflichtverletzung
203
Heinrichs in Palandt, § 306 a Rn 2, Borges ZIP 2005, 185, 187.
72
73
hin vorgenommene Belastung seines Kontos zu wehren. Diese Praxis ist selbst dann nicht
gerechtfertigt, wenn die Bank ihre Kunden nach einer vorausgegangenen Lastschriftrückgabe
und Abmahnung nicht dafür gesorgt hätten, dass künftig ausreichend Deckung auf ihrem
Konto vorhanden sei. Die im Einziehungsermächtigungsverfahren im Verhältnis zur
Schuldnerbank nicht bestehende girovertragliche Kontodeckungspflicht kann nicht durch eine
Abmahnung begründet werden.
g) Gebühr für Löschungsbewilligung
Auf Revision des Verbraucherschutzvereins hat der BGH mit Urteil vom 7. Mai 1991 204
untersagt, für die Ausfertigung von Löschungsbewilligungen bei Grundpfandrechten ein
Entgelt zu erheben. Nach den vertragsrechtlichen Grundsätzen habe der Kunde, der seiner
Bank zur Sicherung eines Kredites eine Hypothek oder eine Grundschuld eingeräumt hat,
nach Tilgung des Darlehens einen Anspruch auf Löschung, um das Grundbuch berichtigen zu
lassen. Kommt das Kreditinstitut seiner gesetzlichen Verpflichtung nach, diesen Anspruch zu
erfüllen und die dafür erforderlichen Erklärungen abzugeben, dürfe für die
Löschungsbewilligung in ihrem Preisverzeichnis keine besondere Gebühr vorgesehen werden.
Allenfalls könne ein Aufwendungsersatz verlangt werden. Dieser Aufwendungsersatz sei aber
mit dem Gesamtverwaltungsaufwand der Bank durch die Kreditzinsen oder eine im
Darlehensvertrag vereinbarte Gebühr, abgegolten.
13. Auswertung und Zusammenfassung
Die Ergebnisse der Rechtsprechung zeigen, dass Entgelte im weitesten Sinne zu den zentralen
Problemen der Banken AGB gehören. Entgelte i. d. S. sind nicht nur Gebühren, sondern auch
Zinsberechnungsklauseln. Probleme bereitet das für jede einzelne Entgeltart in
Verbandsklageverfahren die Anwendbarkeit der Inhaltskontrolle erneut überprüft werden
muss. Die Begründungen des BGH lassen allerdings folgende grundsätzliche Leitlinien
erkennen:
Der Begriff der Preisklausel wird sehr eng gefasst, so dass nahezu alle Gebührentatbestände
einer Inhaltskontrolle unterzogen werden. Wesentlicher Anknüpfungspunkt ist, ob die Bank
tatsächlich eine eigene Leistung erbringt. Dabei verwendet der BGH rechtsdogmatisch
unterschiedliche Begründungen. Entgeltklauseln, die als wirksam angesehen werden, sind
entweder angemessen, weil sie keine Benachteiligung des Kunden i. S. v. § 307 Abs. 2 BGB
enthalten (Stundungsklausel) oder weil sie als echter Preis für eine Bankleistung gemäß § 307
Abs. 3 BGB nicht der Inhaltskontrolle unterliegen (Gebühr für Ersatzsparbuch). Soweit der
BGH die Klauseln einer Inhaltskontrolle unterzieht und mit Einschränkungen für wirksam
erklärt, handelt es sich um Preisklauseln, die gleichwohl einer Angemessenheitskontrolle
unterzogen werden. So hat der BGH die Postenpreise im Preisverzeichnis als
Kontoführungsgebühren gewertet, aber mit der Wirksamkeitsbedingung verknüpft, dass für
Ein- und Auszahlungen auf das eigene Girokonto unmittelbar im Preisverzeichnis fünf
Freiposten vorzusehen sind. Die mit der Tilgungsverrechnung verbundene Zinsberechnung
nach dem Stand des Kapitals am Ende des Vorjahres wird einerseits als berechtigte Zins- und
Preisgestaltung bewertet. Wirksam ist sie aber nur, wenn dieser nicht offen ausgewiesene
Preis für den Bankkunden hinreichend deutlich erkennbar ist, konkret durch Verknüpfung der
Verrechnungsklausel mit der Ratenzahlungsvereinbarung. Gerade diese Bewertung dürfte im
Hinblick auf die inzwischen gestiegenen Anforderungen an die Transparenz einer AGB-
204
BGH, Urteil v. 07.05.1991, XI ZR 244 /90, WM 1991, 1113.
73
74
Klausel kaum haltbar sein. Der Satz des BGH: „Preise für Bankleistungen sind offen
auszuweisen“, kann hier als Grundsatz gelten 205 .
Dieser Grundsatz führt aber nicht dazu, dass Preise jeder Art allein deshalb zulässig sind, weil
sie offen ausgewiesen werden. Einschränkungen macht der BGH insoweit, als es sich um
Entgelte handelt für eine Leistung, die entweder als Eigenleistung der Bank oder als Erfüllung
vertraglicher oder sonstiger gesetzlicher Verpflichtungen anzusehen ist. Zu den
Eigenleistungen gehört die Pflicht der Bank, vor Ausführung einer Überweisung oder
Einlösung einer Lastschrift, entsprechende Kontodeckung zu prüfen. Zu den (entgeltfreien)
Vertragsleistungen gehört die Entgegennahme und Auszahlung von Bargeld auf das eigene
Girokonto (Verwahrungsvertrag, bzw. Darlehenstilgung) und die Erteilung einer
Löschungsbewilligung zu einem Hypothekendarlehen. Die entgeltfreie Erfüllung allgemeiner
gesetzlicher Verpflichtungen liegt nach Ansicht des BGH in der Bearbeitung von
Freistellungsaufträgen und Kontopfändungen. Ausgehend von diesen Leitlinien ist die
Wirksamkeit von Entgeltklauseln in den Preisverzeichnissen der Banken und Sparkassen auf
der Grundlage der Inhaltskontrolle zu beurteilen.
VII. Allgemeine Geschäftsbedingungen der neuen Medien
Neue Medien im Sinne dieser Untersuchung als Begriff wie er von den Verbrauchzentralen
und VZBV verwendet wird, umfasst Verträge der Mobilfunkanbieter und der Online-Dienste.
Der Begriff ist offen für neue Entwicklungen. Zu den Internet- Diensten gehört Online bzw.
Internet Telefonie.
Den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kommunikationsmedien hat sich der
Verbraucherschutzverein erstmals mit einer Abmahnung der Anschluss- und
Nutzungsbedingungen der Telekom im Jahre 1993 gewidmet. Auch wenn die netzgebundene
Telefonie der Telekom nicht als „neues“ Medium i. S. der Definition zu verstehen ist, hat
diese Abmahnung doch eine gewisse Pilotfunktion, weil damit nach der Privatisierung der
Telefondienstleistung erstmals Nutzungsbedingungen für Telefondienstleistungen der
Inhaltskontrolle des AGB-Gesetzes unterzogen wurden. Beanstandet wurden Entgeltklauseln,
Haftungsbegrenzungen zu Gunsten der Telekom und eine Haftungsausweitung zu Lasten der
Anschlusskunden.
Die erste Abmahnung zu Mobilfunkverträgen wird für das Jahr 1995 mit einer Abmahnung
des seinerzeit noch als Mannesmann Mobilfunk GmbH firmierenden Dienstleisters berichtet.
Inzwischen sind alle großen Anbieter und Provider des Mobilfunkmarktes hinsichtlich ihrer
Allgemeinen Geschäftsbedingungen überprüft worden.
Wenn man zum Recht der neuen Medien auch die Lieferung bzw. den Verkauf von Software
rechnet, gehört die Abmahnung des Verbraucherschutzvereins vom 17.04.2000 gegen die
Microsoft Incorporation Investment USA dazu. Dieses Verfahren endete im Oktober 2000 mit
einer Unterlassungserklärung durch Microsoft. Beanstandet wurden vor allem
Haftungsbegrenzungsklauseln für Schäden, die durch die Verwendung der von Microsoft
gelieferten Software entstehen.
Im selben Jahr hat das Landgericht Berlin ein erstes Urteil gegen das Internet Auktionshaus
eBay GmbH verkündet 206 und darin zwei Klauseln für unwirksam erklärt.
205
206
vgl. Nobbe WM 2008, 185 ff.
LG Berlin v. 20.12.2000- 26 O 397/00 LSK 2001, 320323.
74
75
1. AGB der Mobilfunkverträge/ Internettelefonie
Verbandsklageverfahren wegen der Mobilfunkverträge wurden überwiegend Ende der 90iger
Jahre eingeleitet. Insoweit verwundert es nicht, dass bisher wenige obergerichtliche oder
höchstrichterliche Rechtsprechung zu diesem Themenbereich vorhanden ist.
In einem Verfahren gegen De-Te-Mobile (jetzt: T-Mobile-GmbH) hat das Oberlandesgericht
Köln mit Urteil vom 15.05.1998 207 insgesamt neun Klauseln für unwirksam erklärt. Die
Revision war als Streitwertrevision nicht möglich und wurde ausdrücklich zugelassen nur
hinsichtlich der Klausel:
Text:
Mündliche Nebenabreden bestehen nicht.
Diese Klausel hat der BGH auf Revision der Beklagten mit Urteil vom 14.10.1999 208 für
zulässig erklärt und sich insoweit auf seine vorangegangene Rechtsprechung 209 berufen.
Soweit die Beklagte gegen zwei weitere Klauseln, die ihr mit Urteil des Oberlandesgerichts
Köln untersagt worden sind, ebenfalls Revision eingelegt hat, wurde die Revision wegen
fehlender Zulassung als unzulässig verworfen. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln
wird nachfolgend als Grundsatzentscheidung im Bereich Mobilfunk AGB dargestellt.
Eine neuere Abmahnung des VZBV v. 28.2.2008 betrifft Verträge über Internet-Telefonie
durch die Firma Skype SARL/Luxemburg. In den AGB von Skype werden vom VZBV 210
Klauseln mit Preisänderungsvorbehalt, zum Guthabenverfall, Haftungsbeschränkungen und
Rechtswahlklauseln beanstandet. Aus systematischen Gründen werden die AGB der InternetTelefonie den Mobilfunk AGB zugeordnet.
a) Leistungsänderungsklausel/ Preisänderung
Unwirksam ist der Vorbehalt einer Rufnummernänderung aus technischen und betrieblichen
Gründen mit folgender Klausel:
Text:
De-Te-Mobile kann die Rufnummer aus technischen und betrieblichen Gründen ändern.
Dieser Leistungsänderungsvorbehalt, mit dem die Beklagte sich die Möglichkeit offen hält,
die Rufnummer aus nicht näher umschriebenen technischen und betrieblichen Gründen zu
ändern, ist unwirksam, weil die Zumutbarkeit für den Vertragspartner nicht hinreichend
gewährleistet ist. (Verstoß gegen § 10 Nr. 4 AGBG). Die Gegenüberstellung einerseits der
Interessen des Kunden an einer ordnungsgemäßen Erfüllung der versprochenen Leistung –
hier konkret der Beibehaltung der zugewiesenen Telefonnummern - und andererseits der
Interessen der Beklagten in einer Änderung aus technischen oder betrieblichen Gründen, lässt
ein überwiegendes oder auch nur gleichrangiges Interesse der Beklagten an der Änderung
mithin an deren Zumutbarkeit nicht erkennen. Zutreffend ist, dass nach § 20 Abs. 3
Telekommunikationskundenschutzverordnung (TKV) in der Fassung vom 11. Dezember
207
OLG Köln v. 15.5.1998- 6 U 72/97 LSK 1999, 220407.
BGH, Urteil v. 14.10.1999, III ZR 203/98, MMR 2000, 159.
209
BGH, Urteil v. 19. Juni 1985, VIII ZR 238/84, NJW 1985, 2329.
210
Abmahnung vom 28.02. 2008- Az: A 13992-1/08br.
208
75
76
1997 die Kunden der Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen Änderungen der
Rufnummer hinnehmen müssen, wenn diese durch Maßnahmen oder Entscheidungen der
Regulierungsbehörde gegenüber dem Anbieter nach Maßgabe von § 23 TKG veranlasst sind.
Dies mag ein „triftiger Grund“ sein nach Maßgabe der Ziffer 1 k) des Anhangs zu Artikel 3
Abs. 3 der Verbraucherschutzrichtlinie 9313 EWG am 05.04. 1993 211 . Der Regelungsgehalt
der hier in Rede stehenden Klausel geht über diese Gründe erheblich hinaus, insbesondere da
der Begriff der betrieblichen Gründe ein breites Auslegungsspektrum abdeckt, der in einer
unüberschaubaren Anzahl von Fällen einen Anlass für allein vom Willen der Beklagten
abhängigen Änderung bieten könnte.
Unwirksam ist auch die Leistungseinschränkungsklausel mit folgendem Wortlaut:
Text:
Die Verbindungen werden von der De-Te-Mobile im Rahmen der bestehenden technischen
Möglichkeiten
mit einer mittleren Durchlasswahrscheinlichkeit von 95 % - bei
Netzüberlassung unter Umständen in der Dauer begrenzt – hergestellt. Aufgrund der
technischen und wirtschaftlichen Dimensionierung des Netzes und in Abhängigkeit von den
funktionstechnischen Ausbreitungsbedingungen (z. B. Funkschaltungen), muss der Kunde
damit rechnen, dass eine Telefonverbindung nicht jederzeit und an jedem Ort hergestellt
werden kann, bzw. beeinträchtigt oder unterbrochen wird.
Die Klausel verstößt gegen § 9 Abs. 1 AGBG, weil sie eine dem Kunden unangemessene,
benachteiligende, intransparente Vertragsgestaltung und Vertragsabwicklung festlegt. Sie
verstellt den Blick auf die im Fall einer teilweisen oder völligen anfänglichen Unmöglichkeit
der Leistung der Beklagten eintretende Rechtslage zum Nachteil der Verbraucher, weil sie
eine klare, bestimmte und zutreffende Information über die dann eintretende Rechtslage nicht
vermittelt. Diese dem Gebot der Transparenz entsprechende Anforderung 212 erfüllt die
Klausel nicht und ist damit geeignet, Kunden von der Durchsetzung bestehender Rechte
abzuhalten oder für den Verwender eine scheinbare Stütze für die Abwehr begründeter
Ansprüche darzustellen.
In den AGB von Skype ist in Bezug auf Verträge über Internet-Telefonie folgende
Preisänderungsklausel vom VZBV abgemahnt worden
Text:
Skype kann die Tarife jederzeit durch eine entsprechende Ankündigung von 30 Tagen vor
einer solchen Änderung auf der Website ändern oder im Fall von Skype oder Voicemail, in
dem die neuen Tarife in Verbindung mit ihrem Kauf der jeweiligen Produkte angegeben
werden. Der neue Tarif gilt für Ihren nächsten Kauf nach Veröffentlichung der Anpassung auf
der Website. Durch die weitere Nutzung und den fortgesetzten Kauf von Skype-Produkten
nach Anpassung der Tarife akzeptieren Sie die neuen Tarife.
Die Klausel wurde vom VZBV als Verstoß gegen § 308 Nr. 5 BGB (fingierte Erklärung)
abgemahnt. Je nach Vertragsgestaltung könnte es sich um einen unzulässigen Preis
Änderungsvorbehalt handeln.
b) Haftungsklausel
211
212
Palandt/ Heinrichs Anhang zu § 24 a AGBG.
BGH NJW 1989, 3222; BGH NJW 1992, 2052.
76
77
Nicht zu beanstanden ist nach Auffassung des OLG Köln 213 folgende Klausel in den
Mobilfunkverträgen:
Text:
Preise, die durch unbefugte Nutzung des Anschlusses entstanden sind, hat der Kunde zu
zahlen, wenn und soweit er die unbefugte Nutzung zu vertreten hat, insbesondere wenn er eine
der unter …. aufgeführten Pflichten schuldhaft verletzt hat. Nach Verlust oder
Abhandenkommen der Karte hat der Kunde nur die Preise zu zahlen, die bis zur Meldung des
Verlustes oder des Abhandenkommens angefallen sind.
Die Klausel begründet keine verschuldensunabhängige Risikohaftung, sondern hält sich im
Rahmen der Grundsätze zur Gefahren- und Risikoverteilung, wie sie bei der Beurteilung der
positiven Vertragsverletzung von der Rechtsprechung zugrunde gelegt werden214 . Eine
Überbürdung des Missbrauchsrisikos auf den Kunden tritt durch die Klausel nicht ein, da es
insoweit keinen Anscheinsbeweis geben kann, solange Einwirkungen durch Dritte auf den
von der Beklagten genutzten Leistungsweg zwischen Einheiten Zähler und Kundenanschluss
keineswegs auszuschließen sind. Der Kunde haftet also nur für die Inanspruchnahme seines
Anschlusses durch Dritte, wenn und soweit er dies zu vertreten hat. Beweislast trägt insoweit
die Beklagte.
Dagegen enthalten die AGB von Skype zur Internet-Telefonie mehrere Klauseln mit
Haftungsbeschränkungen. Die nachstehenden Klauseln zur Haftungsbegrenzung von Skype
werden als Verstoß gegen § 309 Nr. 7 b BGB in der Abmahnung des VZBV für unwirksam
gehalten:
Text:
Skype kann nur für direkte Schäden haftbar gemacht werden, die sich aus der nachweisbaren
Nichterfüllung seiner Verpflichtungen unter diesen Allgemeinen Geschäftsbedingungen
ergeben. Direkte Schäden bedeuten in diesem Zusammenhang alle angemessenen Kosten die
Sie hatten, damit Skype seine Verpflichtung den Allgemeinen Geschäftsbedingungen
wahrnimmt oder um derartige Kosten zu begrenzen oder zu vermeiden.
Die Klausel enthält einen mit den Vorschriften des AGB-Rechts nicht zu vereinbarenden
Haftungsausschluss, weil die Haftung für entstandene Schäden unabhängig vom
Verschuldensgrad des Verwenders eingeschränkt werden soll.
Dies gilt auch für die nachfolgende Haftungsklausel:
Text:
Im größtmöglichen durch das anwendbare Recht gestatteten Umfang ist Skype nicht haftbar
für jegliche indirekte Sonder- , Neben- oder Folgeschäden, insbesondere Schäden durch
Verluste von Gewinnen oder vertraulicher oder anderer Informationen durch
Geschäftsunterbrechungen, durch den Verlust von Datenschutz, wenn dieser sich aus der
Verwendung oder der Unfähigkeit der Skype-Produkte ergibt, auch wenn Skype über die
Möglichkeit solcher Schäden in Kenntnis gesetzt wurde.
Der Ausschluss der Haftung auf das größtmöglich rechtlich gestattete Maß gewährleistet
nicht, dass durch § 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB geforderte Mindestmaß an Verständlichkeit. Der
Vertragspartner wird unangemessen benachteiligt, da er nicht nur die gesetzlichen
213
214
OLG Köln v.15.5.1998- 6 U 72/97 LSK 2000, 420266.
Unter Hinweis auf Palandt/ Heinrichs BGB 57. Aufl., § 282 Rn 8.
77
78
Vorschriften nicht kennt, sondern evtl. auch tatsächlich aufgefundene Vorschriften, wegen
ihres rechtlich technischen Charakters und ihrer praktischen Tragweise für die in Rede
stehende Vorschrift nicht einschätzen kann. Ein berechtigtes Interesse an der pauschalen
Verweisung auf die gesetzlichen Regelungen ist nicht erkennbar. Die Klausel verstößt deshalb
gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 BGB.
Als Verstoß gegen § 307 BGB wird auch die zur Haftungsklausel weiter geregelte
Einschränkung beanstandet mit folgendem Wortlaut:
Text:
Einige Gerichtsbarkeiten lassen die oben aufgestellten Ausschlüsse oder Beschränkungen
nicht zu, so dass die Beschränkungen und Ausschlüsse auf Sie möglicherweise nicht zutreffen.
In diesem Fall ist die Haftung im Rahmen der anwendbaren Gesetzgebung weitest möglich
beschränkt.
In der Klausel kommt zum Ausdruck, dass der Verwender die für internationale
Rechtsbeziehungen geltenden Vorschriften nicht jeweils dem nationalen Recht entsprechend
anpassen möchte und deshalb versucht, mit einer Generalklausel die weitest mögliche
Haftungsbeschränkung zu erreichen.
c)Vertragsweitergabeklausel
Wirksam ist nach Auffassung des OLG
Übertragungsklausel mit folgendem Wortlaut:
Köln 215
in
Mobilfunkverträgen
die
Text:
Eine Übertragung der Rechte und Pflichte der De-Te-Mobile aus diesem Vertrag auf die
Telekom oder eine Tochtergesellschaft der Telekom bzw. eine Beteiligungsgesellschaft von
dieser ist auch ohne Zustimmung des Kunden zulässig. Dem Kunden steht auch für diesen
Fall das Recht zu, den Vertrag ohne Einhaltung einer Frist zu kündigen.
Die Klausel ist mit § 11 Nr. 13 b AGBG vereinbar, denn dem Kunden ist eindeutig das
unbeschränkte Recht eingeräumt, im Fall des Wechsels des Vertragspartners durch fristlose
Kündigung sich vom Vertrag zu lösen, und der Dritte ist namentlich bezeichnet.
d) Bankauskunftsklausel
Nachdem die De-Te-Mobile bereits im Verfahren vor dem OLG Köln 216 eine
Unterlassungserklärung bezüglich folgender Klausel abgegeben hatte:
Text:
Ich willige ein, dass die De-Te-Mobile die erforderlichen, banküblichen Auskünfte an meine
oben angegebene Bank oder an eine Wirtschaftsauskunftei übermittelt, Auskünfte einholt und
im Säumnisfall entsprechende Daten an ein Auskunfts- oder Inkassounternehmen zur
Verarbeitung und Nutzung dort weiterleitet,
wurde dieser Rechtsstreit für erledigt erklärt. In der Folgezeit verwendet De-Te-Mobile
folgende Klausel:
215
216
a. a. O. FN 157.
OLG Köln v. 15.05.1998 , 6 U 72/97 LSK 2000, 420266.
78
79
Text:
Ich ermächtige meine kontoführende Bank widerruflich, T-Mobile bankübliche Auskünfte zur
Bonitätsprüfung zu erteilen. Dazu zählen neben allgemein gehaltenen Feststellungen und
Bemerkungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden, seine Kreditwürdigkeit und
Zahlungsfähigkeit, insbesondere auch die Überprüfung der Kundenangabe bezüglich
Kontoverbindung, ec-Karte und/ oder Kreditkarte.
Der BGH 217 begründet die Unwirksamkeit allerdings nicht mit der Ermächtigung der Bank
Auskünfte zur Bonität des Kunden einzuholen 218 . Diese Berechtigung sei von wesentlichen
Interessen der Telekommunikationsdienstleistungsanbieter getragen, weil sie im Allgemeinen
vorleistungspflichtig sind und deshalb ein anerkanntes Interesse daran haben, die Bonität ihrer
Kunden zu prüfen. Die übliche Bonitätsprüfungsklausel, sogenannte Schufa- Klausel, ist
deshalb in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Telekommunikationsdienstleistungsunternehmens mit der Inhaltskontrolle vereinbar.
Allerdings dürften erteilte Einwilligungen zur Erhebung und Verarbeitung von Daten nicht
pauschal gefasst sein, sondern so hinreichend konkretisiert, dass der Kunde übersehen könne,
auf welche Daten sich seine Einwilligung erstrecke, welche Daten gespeichert und an welche
Stelle sie übermittelt werden 219 . Insbesondere ist dabei auf den vorgesehenen Zweck der
Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der Daten hinzuweisen. In der hier
streitgegenständlichen Klausel sind die Zwecke widersprüchlich und unklar, was die
unangemessene Benachteiligung des Kunden im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 2 BGB zur Folge
hat.
e) Lastschrifteinziehungsermächtigung
In dem Verfahren des VZBV gegen die T-Mobile-Deutschland GmbH erklärt der BGH 220 die
Lastschrifteinziehungsklausel für unwirksam:
Text:
Ich ermächtige T-Mobile widerruflich, die Rechnungsbeträge bei Fälligkeit von unten
genanntem Konto im Lastschriftverfahren abzubuchen.
Der XII. Zivilsenat des BGH hatte zwar mit Urteil vom 10.01.1996 221 die Regelung einer
Lastschrifteinziehungsermächtigung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen für grundsätzlich
wirksam erachtet, in Dauerschuldverhältnissen jedoch an die Bedingung geknüpft, dass es
sich um jeweils geringfügige Beträge in gleich bleibender oder jedenfalls von vornherein
feststehender Höhe handelt. Das Urteil war seinerzeit zu den Geschäftsbedingungen eines
Betreibers von Breitbandkabel Verteileranlagen, bezogen auf monatlich gleich bleibende
Beträge von 11,40 DM ergangen.
Offen geblieben war die Frage, ob auch größere Beträge in unregelmäßiger Höhe aufgrund
von AGB-Klauseln eingezogen werden können. Gegen die Wirksamkeit einer entsprechenden
Einzugsermächtigungsklausel bestehen Bedenken, weil der Kontoinhaber in einer u. U.
217
BGH, Urteil v. 23.1.2003, III ZR 54/02, MMR 2003, 389.
Unter Hinweis auf Leitermann in Hiun, Handbuch Telekommunikationsrecht 2002, Teil V, Rnr 118, 138;
Schmitz in Schuster, Vertragshandlung Telemedia 2001, S. 159, Rn. 107; Munz in: Graf von Westphalen,
Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Telekommunikationsverträge - Dezember 1999 – Rn 66; Schöpflin BB
1997, 106, 107; Bordenhofen, K u. R 1999, 500 (Anm.: Die Zeitschrift heißt Kommunikation und Recht).
219
So auch Schaffland/Wiltfang, Bundesdatenschutzgesetz § 4 a Nr. 12.
220
BGH, Urteil v. 23.1.2003, III ZR 54/02, NJW 2003, 1237.
221
BGH, Urteil v. 10.1.1996, XII ZR 271/94, NJW 1996, 988.
218
79
80
wirtschaftlich unvernünftigen Weise gezwungen sein könnte, auf Dauer oder jedenfalls für
einen längeren Zeitraum ein erhebliches Deckungsvolumen vorzuhalten, um jederzeit auf eine
Lastschrift vorbereitet zu sein. Diesen Bedenken folgt der BGH in seiner Entscheidung vom
23.01.2003 222 und erklärt die Lastschrifteinziehungsklausel in den Bedingungen eines
Mobilfunkanbieters mit der Maßgabe für unzulässig, dass dem Kunden durch entsprechende
Gestaltung der Klausel eine bestimmte Frist ab dem Tag des Rechnungsdatums einzuräumen
sei, die so bemessen ist, dass zwischen Zugang der Rechnung und Einzug des
Rechnungsbetrages ausreichend Zeit – mindestens 5 Werktage – verbleibt, die Rechnung zu
prüfen und ggf. für ausreichende Deckung seines Girokontos zu sorgen 223 . Da das
Antragsformular der Beklagten und ihre AGB diesen Vorgaben nicht entsprechen, kann der
Kläger die Unterlassung der beanstandeten Lastschriftklausel verlangen. Die ebenfalls
beantragte Veröffentlichungsbefugnis lehnt der BGH aber ab, weil sich die Veröffentlichung
allein auf die Urteilsformel bezieht und der Tenor des Senatsurteils mit der Untersagung der
weiteren Verwendung der beanstandeten Klausel im Kontext mit den weiteren AGBRegelungen, dies nicht hinreichend zum Ausdruck bringt, sondern viel eher den insoweit
unzutreffenden Anschein erweckt, derartige Klauseln dürften in Allgemeinen
Geschäftsbedingungen eines Mobilfunkunternehmens regelmäßig nicht verwendet werden.
f) Deaktivierungsgebühr
Auf Regelungen über Kosten für die Deaktivierung des Anschlusses sind Vorschriften der
Inhaltskontrolle anwendbar, da sie nicht die vertraglichen Hauptleistungen festlegen.
Text:
Deaktivierung DM 74,75 mit MWSt.
Als Verstoß gegen §§ 10 Nr. 7 b und 9 AGB-Gesetz sind derartige Klauseln unwirksam 224 . In
der Klausel fehlt eine Differenzierung über die Gründe des Vertragsverhältnisses. Außerdem
wird dem Kunden nicht die Möglichkeit eröffnet, im konkreten Fall nachzuweisen, dass der
angemessene Betrag wesentlich niedriger als die vereinbarte Pauschale ist. Wird das
Vertragsverhältnis aus Gründen beendet, die der Verwender zu vertreten hat, so besteht
insgesamt kein Anspruch auf die Deaktivierungskosten 225 .
g) Verfall des Guthabens
Mit Bezug auf Prepaid- Karten für den Mobilfunkverkehr wird in den AGB geregelt, dass ein
vorhandenes Guthaben nach einer bestimmten Frist verfällt. Die Klauseln lauten wie folgt:
Text:
Ein Restguthaben auf Ihrer Free and easy-Card können Sie ganz einfach durch erneutes
Aufladen des Zeitfensters in das nächste Guthabenzeitfenster mitnehmen. Erfolgt kein
erneutes Aufladen innerhalb des Zeitfensters verfällt das Restguthaben.
Diese Klausel hat das Landgericht Potsdam 226 noch für zulässig erklärt, weil es sich um eine
Leistungsbeschreibung handele, die gemäß § 8 AGBG der Inhaltskontrolle entzogen sei.
222
BGH, Urteil v. 23 1.2003, III ZR 54/ 02, NJW 2003, 1237.
Unter Hinweis auf Hahn MMR 1999, 586, 588 und Munz in Graf von Westphalen, Vertragsrecht und AGBKlauseln in Telekommunikationsverträgen, Dezember 1999, Rn 37.
224
LG Potsdam v. 18.2.1998- 2 O 491/97.
225
LG Potsdam v. 18.02.1998 - 2 O 491 / 97.
226
LG Potsdam v. 24.09.1998 - 3 O 66/98.
223
80
81
Das Brandenburgische Oberlandesgericht hob das Urteil auf 227 . Die Klausel enthalte keine
reine Leistungsbeschreibung, sondern vielmehr eine Regelung, die über die Preisbestimmung
hinausgehe und daher der Inhaltskontrolle unterworfen sei. Sie verstoße gegen § 10 Nr. 4
AGBG, weil die Befugnis, ein Guthaben nach einer bestimmten Zeit verfallen zu lassen, das
Recht des Verwenders zur Änderung der versprochenen Leistung begründet. Mit der Klausel
behalte sich der Verwender das Recht vor, den Anspruch des Kunden auf Nutzung des
Mobiltelefons nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr zu erfüllen, selbst dann, wenn
noch das volle Guthaben zur Verfügung steht.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch das LG Düsseldorf 228 , das folgende Klausel für
unwirksam erklärt hat:
Text:
Nach Ablauf der Gültigkeitsdauer wird die Vodafone Card zur Nutzung gesperrt, d. h. die
Zugangsberechtigung zu VFD2–Diensten vollständig und endgültig unterbrochen.
(Permanente Deaktivierung). Ein eventuell noch vorhandenes Restguthaben verfällt und kann
vom Kunden auch nicht wieder nutzbar gemacht werden.
Die Klausel verstoße gegen §§ 307 Abs. 1 Nr. 1 und 305 Abs. 2 Nr. 2, sowie § 307 Abs. 1
Satz 2 BGB. Der mögliche Verfall des Guthabens führe indirekt zu einer
Mindestumsatzverpflichtung 229 . Das vertragliche Äquivalenzverhältnis von Leistung und
Gegenleistung werde entgegen der gesetzgeberischen Konzeption weitgehend eingeschränkt
durch den Verfall des Guthabens als solches und die Dauer der Verfallfrist von maximal 15
Monaten, sowie die unbegrenzte Höhe des verfallbaren Guthabens. Die von der Beklagten
angeführten Probleme bei der Rückzahlung des Guthabens und die damit verbundenen Kosten
vermögen den Verfall des Guthabens nicht zu rechtfertigen. Eine Rückzahlung, auch durch
Rücküberweisung auf ein im Vertrag angegebenes Konto, sei ohne nennenswerte Kosten
möglich. Den Kosten stehen zudem die Einnahmen der Beklagten aus nicht zurückgeforderten
Restguthaben und der Zins- und Liquiditätsgewinn entgegen, der dadurch entsteht, dass die
Kunden das Guthaben aufladen und erst über einen späteren Zeitraum hinweg verbrauchen.
Soweit die Klausel die Möglichkeit zu einer Nummernsperre enthalte, müsse dem
Verbraucher vor Vertragsabschluss diese Möglichkeit transparent gemacht werden. Die
Begrenzung der Laufzeit wird erst im Rahmen der später abrufbaren AGB der Beklagten
angesprochen und die genaue Laufzeit lässt sich erst anhand von Angaben errechnen, die in
einer Preisliste niedergelegt sind, die nicht Bestandteil der AGB ist. Die vertragliche
Konzeption sei für den Verbraucher unklar bzw. undurchschaubar.
In den AGB zur Internet-Telefonie sind ebenfalls Klauseln zum Verfall eines Guthabens zu
finden:
Text:
Ein Skype-Guthaben in Ihrem Nutzerkonto verfällt 180 Tage nach der letzten
gebührenpflichtigen Nutzung des Skype-Guthabens. Guthaben das während dieses Zeitraumes
von 180 Tagen nicht aufgebraucht wird, verfällt.
227
OLG Brandenburg v. 1.12.1999-3 U 251/98.
LG Düsseldorf v. 23.8. 2006 -12 O 458/05.
229
Unter Hinweis auf OLG München vom 22.06.2006, 29 U 2294 / 06, NJW 2006, 2416 und OLG Köln vom
07.03.2004, 6 U 137 / 02, sowie hinsichtlich der Telefonkarten für öffentliche Telefone , BGHZ 148 / 74.
228
81
82
Die Klausel verstößt gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i. V. m. § 194 ff. BGB. Im Unterschied
zur gesetzlichen Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB wird hier der Leistungsanspruch des
Vertragspartners auf 180 Tage begrenzt und soll danach verfallen. Dies ist eine
unangemessene Benachteiligung der Vertragspartner des Verwenders, insbesondere da die
Höhe des verfallenden Guthabens nicht begrenzt ist. Es gelten hier die gleichen
Rechtsgrundsätze wie zu den AGB der Mobilfunkverträge.
h) Anschlusssperre/ Zahlungsverzug
Die AGB der Telefonanbieter sehen bei Nicht- oder nicht rechtzeitiger Zahlung fälliger
Gebühren das Recht des Anbieters zu Sperrung des Anschlusses vor. Die Voraussetzungen
der Sperrung sind unterschiedlich geregelt und deshalb die AGB-rechtliche Bewertung
jeweils auf den konkreten Wortlaut zu beziehen:
Text:
Der Diensteanbieter behält sich unbeschadet seiner gesetzlichen Rechte vor, bei
Nichteinlösung der Lastschrift oder, sofern eine andere Zahlungsweise schriftlich vereinbart
worden ist, bei Nichtbezahlung der Gebührenrechnung 5 Werktage nach Rechnungsstellung
den Telefonanschluß bis zum Eingang der fälligen Gebühren zu sperren und eine Gebühr für
den Wiederanschluss gemäß Preistabelle zu erheben, wenn die Nichteinlösung bzw.
Nichtbezahlung im Verantwortungsbereich des Kunden liegt.
Das Landgericht Itzehoe 230 hat die erste Alternative der Klausel (Sperrung des
Telefonanschlusses) für unwirksam erklärt, die zweite Regelung zur Erhebung einer Gebühr
für den Wiederanschluss für wirksam. Das OLG Schleswig 231 weist die dagegen eingelegte
Berufung der Beklagten zurück (Regelung der Sperre) und gibt der Berufung des VSV zur
Wiederanschlussgebühr statt. Die Klausel verstößt wegen der Sperrung des Anschlusses
gegen § 9 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 AGBG, weil sie mit wesentlichen Grundgedanken der
gesetzlichen Regelung aus § 320 Abs. 2 nicht zu vereinbaren ist. Danach kann die
Gegenleistung, wenn von einer Vertragspartei teilweise nicht geleistet worden ist, insoweit
nicht verweigert werden, als die Verweigerung nach den Umständen , insbesondere wegen
eines verhältnismäßig geringfügigen rückständigen Teils gegen Treu und Glauben verstoßen
würde. Dies berücksichtigt die Klausel nicht. Bei kundenfeindlichster Auslegung kann die
Beklagte den Anschluss auch sperren, wenn der Kunde lediglich einen sehr geringfügigen
Betrag der Rechnung nicht bezahlt hat. Die Erhebung einer Wiederanschlussgebühr verstößt
gegen § 11 Nr. 4 AGBG. Die Beklagte nimmt als Anspruchsgrundlage für die Erhebung der
Gebühr eine positive Vertragsverletzung an. Die Klausel regelt die Folge einer verspäteten
Zahlung und ermöglicht die Erhebung einer Wiederanschlussgebühr auch ohne dass der
Vertragspartner im Verzug ist. Die Beklagte nimmt Rechtsfolgen für sich in Anspruch, die
nach dem Gesetz erst nach Mahnung oder Fristsetzung eintreten.
Unwirksam ist nach Ansicht des OLG Köln 232 die Zahlungsverzugsklausel mit folgendem
Wortlaut:
Text:
230
LG Itzehoe v. 12.6.1996- 2 O 19/96.
OLG Schleswig v. 29.5.1997- 2 U 42/96.
232
a.a.O. FN 157.
231
82
83
Bei Zahlungsverzug des Kunden ist De-Te-Mobile berechtigt, den Mobilfunkanschluss D1 auf
Kosten des Kunden zu sperren. Der Kunde bleibt in diesem Fall verpflichtet, die monatlichen
Preise zu zahlen.
Die in der Klausel begründete Zahlungspflicht trotz Sperre ist als Gegenleistung durch den
von der Beklagten weiterhin für den Kunden bereit gehaltenen im Falle der Beseitigung der
Sperre zu aktivierenden Anschluss keine unangemessene Benachteiligung. Die
Unwirksamkeit ergibt sich jedoch nach Treu und Glauben aus der Berechtigung der Beklagten
den Mobilfunkanschluss bei Zahlungsverzug mit jeglichem Betrag, also auch nur bei
geringfügig rückständigen Beträgen jederzeit anordnen zu können. Mit der Möglichkeit zur
Sperre des Anschlusses verschafft sich die Beklagte ein erhebliches Druckmittel, säumige
Kunden zur Zahlung anzuhalten. Die Nutzung dieses Druckmittels kann dann unberechtigt
sein, wenn nur Kleinstbeträge aus einer Rechnung rückständig sind und dem Kunden auch die
Möglichkeit genommen wird, sich mit beachtlichen Argumenten gegen seine Zahlungspflicht
in der durch die Beklagte in Rechnung gestellten Höhe zu verteidigen.
i) Onlinerechnung
In einem neueren Verfahren des VZBV wird folgende Klausel in den AGB der E-PlusService GmbH & Co. KG zur gerichtlichen Überprüfung gestellt:
Text:
Mit diesen Tarifen akzeptiert der Kunde, dass er eine Online – Rechnung erhält. Es erfolgt
kein Versand der Rechnung per Briefpost an den Kunden. Die Online Rechnung ist rechtlich
unverbindlich. Gesetzliche Anforderungen an Beweis, Aufbewahrung und Dokumentation und
ähnliches werden nicht erfüllt.
Das Verfahren liegt zur Entscheidung in der zweiten Instanz beim OLG Brandenburg 233 . Die
Klausel verstößt nach Auffassung des VZBV gegen §§ 307 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 BGB
286 ff BGB, § 257 HGB. Die Klausel sei mit wesentlichen Grundgedanken des Verzugs aus
§§ 286 ff BGB und zur handelsrechtlichen Aufbewahrungsfrist gemäß § 257 HGB nicht zu
vereinbaren. Nach der Regelung hätte der Kunde für Verzugsfolgen auch dann aufzukommen,
wenn eine fälligkeitsbegründene Rechnung ihm nicht zugegangen ist, etwa aufgrund von
Netzwerkproblemen. Diese Regelung entspricht den Voraussetzungen für den Verzugseintritt.
Dafür ist erforderlich, dass eine Rechnung den gesetzlichen Anforderungen an Beweis und
Dokumentation entspricht.
2. AGB der Online-Dienste
Seit Ende der 90er Jahre werden die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der OnlineDienstanbieter einer mehr systematischen Kontrolle unterzogen. Im Jahresbericht für 1997
weist der VSV Abmahnungen von vier Anbieterfirmen aus. Hier konnten drei Verfahren
außergerichtlich durch Abgabe der Unterlassungserklärung abgeschlossen werden. In dem
Verfahren gegen AOL wurde außergerichtlich eine Änderung für 19 Klauseln angekündigt.
Gegen die Firma Compuserve Incorporation hat der VSV wegen 23 Klauseln Klage vor dem
Landgericht Berlin erhoben 234 . Das Verfahren gegen die Firma Compuserve vor dem
Landgericht Berlin endete mit einem Versäumnisurteil. Im Wesentlichen geht es um Klauseln
233
234
Berufung vom 21.02.2008-7 U 29 / 08 voraussichtlicher Verhandlungstermin 08.10.2008.
LG Berlin v.02.06.1998, 26 O 364 /97.
83
84
mit Haftungsbegrenzungen und zur Regelung des jeweils anwendbaren Rechts. Eine Reihe
von Verfahren des VZBV ist zurzeit im Abmahnstadium bzw. in laufenden
Gerichtsverfahren.
a) Leistungsänderung
Gegen die Firma AOL ist ein Berufungsverfahren des VZBV vor dem Kammergericht in
Berlin am 13. März 2008 entschieden worden. In dem Verfahren geht es um folgende
Klausel:
Text:
AOL behält sich deshalb das Recht nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen vor. Die
Nutzungsbedingungen und die Tarife und Leistungen zu ändern, sofern die Änderung unter
Berücksichtigung der Interessen von AOL für Sie zumutbar ist (dies ist insbesondere der Fall,
wenn die Änderung im wesentlichen ohne rechtliche oder wirtschaftliche Nachteile ist, z. B.
bei Veränderung im Registrierungsprozess, Änderung von Kontaktinformationen, Aufnahme
zusätzlicher Dienste oder Ähnlichem).
Im Übrigen wird AOL Sie vor einer Änderung dieser Nutzungsbedingungen, einer
wesentlichen Änderung einer Leistung oder eines Tarifs mit angemessenem Vorlauf,
mindestens jedoch einen Monat vor dem beabsichtigten Inkrafttreten, informieren.
Vor einer wesentlichen Vertrags-, Preis- oder Leistungsänderung eines bestehenden
Vertrages über einen AOL Bezahldienst, wird AOL Sie mindestens einen Monat vor
Inkrafttreten per e-mail informieren.
Sollten Sie mit einer von AOL beabsichtigten Änderung nicht einverstanden sein, haben Sie
das Recht, der Änderung innerhalb eines Monats widersprechen. Ihre Einwilligung gilt als
erteilt, wenn Sie innerhalb eines Monats nach Mitteilung nicht widersprochen haben.“
Das Landgericht Berlin235 hat diese Klausel für wirksam gehalten. Das Kammergericht 236 ist
dieser Ansicht im Hinblick auf die Entscheidung des BGH 237 vom 11.10.2007 nicht gefolgt
und sieht in der Änderungsklausel einen Verstoß gegen §§ 308 Nr. 4, 307 Abs. 1 i. V. m Abs.
2 Nr. 1 BGB und mit §§ 145 ff BGB. In der Klausel wird das Recht des Verwenders
vereinbart, eine Leistung zu ändern auch für den Fall, dass dies dem anderen Vertragsteil
nicht zumutbar ist. Die Klausel erlaubt die Änderung wesentlicher Leistungen eines Tarifs
oder der Nutzungsbedingungen ohne Begrenzung. Sie enthält insoweit einen unwirksamen
Änderungsvorbehalt. Diese Begründung ist allerdings nicht mehr Gegenstand des
Berufungsverfahrens, weil die Parteien sich am 13.03.2008 dahin verglichen haben, dass die
wegen
der
streitgegenständlichen
Klauseln
eine
entsprechende
Beklagte
Unterlassungsverpflichtung abgibt und der Kläger hierfür eine Umstellungsfrist bis zum 4.
April 2008 gewährt. Mit dem Vergleich ist der Rechtsstreit beendet, ohne Entscheidung des
Kammergerichts
235
LG Berlin v. 30.05.2007 -26 O 303/06 FD-MietR 2007, 225846.
KG v. 13.3.2008.
237
BGH, Urteil v. 11.10.2007, III ZR 63/07, MIR 2007, Dok. 400.
236
84
85
Diese Grundsätze gelten auch für die in der Abmahnung von iTunes enthaltene nachstehende
Änderungsklausel:
Text:
Wir sind damit einverstanden, dass Sie, wenn iTunes einen Teil der Dienstleistung ändert
oder die Dienstleistung einstellt, wozu iTtunes nach eigenem freien Ermessen berechtigt ist,
die Produkte nicht mehr in dem gleichen Umfang wie vor der Änderung der Einstellung der
Dienstleistung nutzen zu können.
b) Nutzungsbeschränkungen
Abgemahnt wurde vom VZBV die Firma iTunes SARL Luxemburg wegen folgender Klausel:
Text:
Die Nutzung der Dienstleistung setzt ein kompatibles Gerät, einen Internetzugang und
bestimmte Software voraus, für die jeweils Gebühren anfallen können.
Die Klausel verstößt nach Auffassung des VZBV in dem Vertrag über den Music-Download
gegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, weil sie intransparent ist. Der Nutzer wird verpflichtet, über
ein kompatibles Gerät zu verfügen ohne dass ausgeführt wird, was ein nutzungskompatibles
Gerät ist. Tatsächlich ist ein unmittelbares Herunterladen der digitalen Inhalte nur auf I-pods
möglich, während das Herunterladen auf einen anderen MP3 Player nur nach vorherigem
Brennen der digitalen Inhalte auf eine CD möglich ist, was nicht nur mit einem zusätzlichen
Zeit– und Kostenaufwand verbunden ist. Die faktische Bindung an eine bestimmte Hardware
führt im Ergebnis zu einer unangemessenen Einschränkung, der nach dem Vertrag
vorausgesetzten Nutzungsmöglichkeiten, der aus dem Internet gegen Entgelt herunter
geladenen Musikstücke.
Unwirksam ist auch folgende Klausel nach Auffassung des VZBV:
Text:
Der Weitervertrieb, die Weitergabe oder Unterlizensierung ist vorbehaltlich abweichender
zwingender gesetzlicher Regel nicht gestattet.
Die Bestimmung steht nicht im Einklagen mit § 17 Abs. 2 UrHG, wonach sich das Recht die
Weiterverbreitung von Werkexemplaren zu kontrollieren, sich mit dem ersten
Inverkehrbringen erschöpft. Der sogenannte Erschöpfungsgrundsatz schützt den Erwerber
eines urheberrechtlich geschützten Werks in seinen eigentumsrechtlichen Interessen. Durch
das Weiterveräußerungsverbot in den Dienstleistungsbedingungen von i-Tunes werden die
Käufer von Musikstücken aus dem i-Tunes-Musicstore in ihrer Verfügung erheblich
beschränkt. Die Kunden von i-Tunes werden hierdurch unangemessen benachteiligt.
Bezüglich dieser Klausel hat der VZBV Klage zum Landgericht Berlin erhoben 238 .
Als Verstoß gegen das Transparenzgebot wird vom VZBV auch folgende Klausel
beanstandet:
Text:
Sie erklären sich damit einverstanden, dass Sie weder selbst versuchen, noch andere
Personen dazu ermutigen oder dabei zu unterstützen, Software, die zur Nutzung der
238
LG Berlin 16 O 67/08 am 05.02.2008.
85
86
Dienstleistung erforderlich ist oder diese Nutzungsbedingungen zu umgehen oder in die
Informationen zur Verwaltung von Rechten an den Produkten einzugreifen, diese zu entfernen
oder zu verändern.
In der Klausel wird nach Auffassung des VZBV nicht hinreichend deutlich, welche
Handlungen der Kunde zu unterlassen hat, insbesondere im Umgang mit Dritten „weder
ermutigt, noch unterstützt“ zur Umgehung der Nutzungsbedingungen oder der Software.
c) Bedingungsänderung
Der in den AGB von iTunes enthaltene Änderungsvorbehalt ist nach Ansicht des VZBV
unwirksam. Die Klausel lautet:
Text:
…..iTunes behält sich das Recht vor, die Nutzungsbedingungen jederzeit zu ändern.
Die Klausel verstößt gegen §§ 308 Nr. 4, 307 Abs. 1 BGB, da Änderungsvorbehalte in
Allgemeinen Geschäftsbedingungen an strenge Voraussetzungen gebunden sind, die hier
nicht eingehalten werden. Bezüglich dieser Klausel gab iTunes eine Unterlassungserklärung
ab.
Mit einer weiteren Klausel in den Bedingungen wird das Recht von iTunes begründet, die
Vereinbarung zu aktualisieren, zu überarbeiten, zu ergänzen oder zu verändern:
Text:
iTunes behält sich das Recht vor, von Zeit zu Zeit diese Vereinbarung zu aktualisieren, zu
überarbeiten, zu ergänzen oder zu verändern und neue oder zusätzliche Vorschriften,
Grundsätze, Bedingungen oder Konditionen für Ihre Nutzung der Dienstleistung zu
bestimmen. Solche Aktualisierungen, Überarbeitungen, Ergänzungen, Veränderungen und
Zusatzvorschriften,
Grundsätze,
Bedingungen
oder
Konditionen
(insgesamt
Zusatzbedingungen) sind ab sofort gültig und werden integraler Bestandteil dieser
Vereinbarung.
Auch diese Klausel wurde als unzulässiger Änderungsvorbehalt abgemahnt. Bezüglich dieser
Klausel gab iTunes eine Unterlassungserklärung ab.
d) Haftungsregelungen
Der VZBV beanstandet in der Abmahnung iTunes Haftungsfreistellungsklauseln wie
folgende:
Text:
Durch die Nutzung der Dienstleistung erklären Sie sich damit einverstanden, iTunes, ihre
Direktoren, leitenden Angestellten, Arbeitnehmern, verbundenen Unternehmen,
Erfüllungsgehilfen, Subunternehmern und Lizenzgebern, von allen Ansprüchen frei zu stellen,
die wegen Verstoßes gegen diese Vereinbarung oder wegen der Ermittlung durch iTunes
wegen eines vermuteten Verstoßes oder als Ergebnis einer Entscheidung, dass eine
Verletzung dieser Vereinbarung stattgefunden hat, geltend gemacht werden.
Die Klausel ist nach Auffassung des VZBV unbestimmt formuliert und enthält eine Vielzahl
von nicht nachvollziehbaren Anwendungsfällen. Dem durchschnittlichen verständigen
86
87
Kunden ist es unmöglich, seine Rechte und Pflichten und die Folgen seines Handels zu
erkennen. Die Klausel sei als Verstoß gegen das Transparenzgebot insgesamt unwirksam.
Überdies würde mit der Klausel eine Haftungsverlagerung eintreten, wenn die Kunden von
iTunes die genannten Personen von der Haftung freizustellen haben, weil das bedeutet, dass
sie selbst haften.
Das Landgericht Hamburg 239 hat in einem Verfahren des VZBV gegen die Valve
Corporation, Washington, USA folgende Haftungsklausel für unwirksam erklärt:
Text:
Valve garantiert nicht den dauerhaften, fehlerfreien, virusfreien oder sicheren Betrieb oder
Zugang auf Steam, die Steam-Software, Ihr Benutzerkonto und/ oder Ihre Abonnements.
Die Beklagte vertreibt u. a. Computerspiele. Den Zugang zu den Spielern kann der Interessent
auf zwei Arten erreichen: Der Spieler kann sich über das Internet anmelden, die Software auf
seinem Computer installieren und einen Softwarelizenzvertrag abschließen oder er erwirbt in
einem Ladengeschäft die DVD-ROM, legt diese in einen Computer ein, der über einen
Internetzugang verfügt und folgt den auf der DVD gespeicherten Handlungsanweisungen. In
den Handlungsanweisungen auf der DVD ist die zitierte Klausel enthalten. Die Klausel ist
unwirksam gemäß § 309 Nr. 7 b BGB, weil sie einen unzulässigen Haftungsausschluss
enthält. Sie ist geeignet, bei Kunden die irrige Vorstellung hervorzurufen, dass sie keine
Gewährleistungsansprüche gegen die Beklagte haben, falls das Programm in ihren Computern
Schäden verursacht. Das Gericht wendet deutsches Recht an aufgrund der
Zuständigkeitsregelung in § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UKlaG. Daraus ist zu entnehmen, dass
jedenfalls dann, wenn Allgemeine Geschäftsbedingungen im Geltungsbereich des deutschen
Bürgerlichen Gesetzbuches verwendet werden, nicht nur ein deutsches Gericht zuständig,
sonder auch deutsches Recht anwendbar ist. Das muss jedenfalls dann gelten, wenn das
Angebot des Verwenders sich gezielt auch an deutsche Verbraucher richtet und von
Verbrauchern im Geltungsbereich deutschen Rechts auch wahrgenommen werden kann. In
diesem Fall werden die Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Bereich des deutschen Rechts
verwendet.
e) Datenschutz und Urheberrecht
In einer Abmahnung vom 31.03.2008 beanstandet der VZBV insgesamt 29 Klauseln in den
Nutzungsbedingungen der Google Inc., Mountain View USA. Neben Haftungsbegrenzungen
und Rechtswahl bzw. Gerichtsstandklauseln werden vor allem Regelungen zum Urheberrecht
und zum Datenschutz beanstandet. Hintergrund ist, dass Google einen Service anbietet, mit
dem der Nutzer eigene Inhalte auf dem Google-Server hinterlegen kann auf einem eigenen
Nutzerkonto. In den Nutzungsbedingungen erklärt sich der Nutzer damit einverstanden, dass
Google eine dauerhafte, unwiderrufliche, weltweite und kostenlose Lizenz zur Nutzung der
Kundenkontoinhalte gewährt wird. Die Klausel lautet:
Text:
(Ihre Urheberrechte sowie alle anderen Rechte, die Sie bezüglich der von Ihnen in den oder
über die Services übermittelten, eingestellten oder dargestellten Inhalte innehaben,
verbleiben bei Ihnen). Durch Übermittlung, Einstellung oder Darstellung der Inhalte
gewähren Sie eine dauerhafte, unwiderrufliche, weltweite, kostenlose und nicht exclusive
239
LG Hamburg vom 29.09.2007- 324 O 871/06.
87
88
Lizenz zur Reproduktion, Anpassung, Modifikation, Übersetzung, Veröffentlichung,
öffentlichen Wiedergabe oder öffentlichen Zugänglichmachung und Verbreitung der von
Ihnen in oder durch die Services übermittelten, eingestellten oder dargestellten Inhalte. Diese
Lizenz gilt ausschließlich dem Zweck, Google in die Lage zu versetzen, die Services
darzustellen, zu verbreiten und zu bewerben; sie kann für bestimmte Services, wie in den
Zusatzbedingungen für die entsprechenden Services festgelegt, widerrufen werden.
Die Klausel verstößt nach Ansicht des VZBV gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs.
1 S. 2 BGB, weicht ab von wesentlichen Grundgedanken des Urheberrechts gemäß § 307
Abs. 2 Nr. 1 BGB i. V. m. § 31 Abs. 5 UrhG und führt deshalb zu einer unangemessenen
Benachteiligung der Vertragspartner von Google. Nutzer können aus dem Wortlaut der
Klausel nicht entnehmen, was im Einzelnen mit ihren Daten und Dokumenten geschieht und
unter welchen Bedingungen Google diese verwenden oder benutzen kann. Bei
kundenfeindlichster Auslegung können sämtliche in Satz 2 dargestellten Urheberrechte
zeitlich, örtlich unbegrenzt durch Google nutzbar sein. Der Nutzer verliert das Recht zur
ausschließlichen Reproduktion. Er kann die beliebige Vervielfältigung durch Google und
Dritte nicht verhindern. Der Nutzer kann auch eine Bearbeitung und Umgestaltung der Inhalte
durch Google oder Dritte nicht verhindern. Durch die Übertragung im Wege einer
kostenlosen Lizenz wird bei kundenfeindlichster Auslegung mit der Klausel gegen §§ 31 ff.
UrhG verstoßen. Danach hat der Urheber Anspruch auf eine angemessene Vergütung, die
vertraglich nicht einfach abbedungen werden kann.
Als unzulässig angesehen werden auch die in der Datenschutzerklärung von Google
weitgehend eingeräumten Rechte zur Nutzung der Kundendaten:
Text:
Wir können die Daten, die sie unter Ihrem Account angeben, mit Daten von anderen GoogleServices oder anderen Unternehmen kombinieren, um unser Angebot für Sie und die Qualität
unserer Services zu verbessern. Für bestimmte geben wir Ihnen die Möglichkeit, diese
Kombination von Daten abzulehnen.
Die Klausel ist als Verstoß gegen das Transparenzgebot nach Ansicht des VZBV unwirksam.
Dem Nutzer wird durch die Klausel nicht klar, was es bedeutet, wenn Google seine Daten mit
anderen Services und Unternehmen kombiniert, um das Angebot zu verbessern. Bei
kundenfeindlichster Auslegung werden die Daten ohne die gemäß § 13 TMG
(Telemediengesetz) erforderliche Einwilligung zu Werbezwecken verwendet.
Text:
Personenbezogene Daten, die Sie diesen Websides zur Verfügung stellen, können an Google
gesendet werden, um den Service auszuführen.
Die Regelung führ zu einer unangemessenen Benachteiligung gemäß § 307 BGB i. V. m. §§
12, 13 TMG. Danach dürfen personenbezogene Daten zur Bereitstellung von Telemedien nur
erhoben und verwendet werden, soweit das Gesetz es zulässt oder der Nutzer einwilligt. Bei
kundenfeindlichster Auslegung wird nicht gewährleistet, dass diese Voraussetzungen
eingehalten werden. Aus den gleichen Gründen wird auch folgende Klausel beanstandet:
Text:
Wir können personenbezogene Daten verarbeiten, um unsere Dienste bereit zu stellen, können
jedoch solche Daten auch für Dritte und nach deren Anweisungen verarbeiten.
88
89
Sie können jederzeit davon absehen, personenbezogene Daten für unsere Dienste anzugeben.
In diesem Fall kann Google Ihnen allerdings diese Services gegebenenfalls nicht zur
Verfügung stellen.
Ebenfalls als Verstoß gegen das Transparenzgebot hält der VZBV folgende Klausel für
unwirksam:
Text:
Google gibt personenbezogene Daten nur unter den nachfolgend beschriebenen
Voraussetzungen an Dritte außerhalb von Google weiter:
•
wenn solche Daten an unsere Tochtergesellschaften, verbundenen Unternehmen oder
andere vertrauenswürdige Unternehmen oder Personen zum Zwecke der
Verarbeitung personenbezogener Daten in unserem Auftrag weitergegeben werden.
Wir verlangen von diesen Parteien, dass sie solche Informationen gemäß unseren
Anweisungen und im Einklang mit diesen Datenschutzbestimmungen und sonstigen
geeigneten Geheimhaltungs- und Sicherheitsmaßnahmen verarbeiten.
Für den Nutzer ist weder erkennbar, welche Unternehmen Google als „vertrauenswürdig“
ansieht, noch was unter Geheimhaltungs- und Sicherheitsmaßnahmen zu verstehen ist 240 .
3. Auswertung und Zusammenfassung
Vertragstypisch für die Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Mobilfunk- und
Internettelefonverträgen sind Leistungsänderungen, Preisänderungen, Klauseln zur
Anschlusssperre und Klauseln zum Verfall eines Guthabens. Soweit die Klauseln eine
Übermaßregelung enthalten, was insbesondere für die Skype- Bedingungen gilt, die
vermutlich auf eine Übersetzung von Vertragsbedingungen aus einem anderen Rechtsbereich
ohne Anpassung an das Deutsche AGB-Recht zurückgehen, werden sie von der
Rechtsprechung durchgehend für unwirksam erklärt. Leistungseinschränkungen sind
grundsätzlich nicht deshalb wirksam, weil sie sich auf technische Gegebenheiten beziehen.
Der Begriff der technischen Gegebenheiten bedarf weiterer Konkretisierung. Die Sperre eines
Telefonanschlusses kann nicht wegen eines geringfügigen Zahlungsrückstandes verfügt
werden. Es sollte ergänzt werden, dass eine Sperre auch dann nicht in Betracht kommt, wenn
der Teilbetrag aus einer Rechnung strittig ist. Sinn und Zweck der Anschlusssperre ist der
Schutz des Anbieters vor Verlusten aufgrund einer nachhaltigen Zahlungsunfähigkeit oder
Zahlungsunwilligkeit seines Vertragspartners. Dieser Schutz kann nicht bereits dann
einsetzen, wenn geringfügige Rechnungsbeträge rückständig sind (so die Ergebnisse der
Verbandsklageverfahren). Der Schutz ist aber auch dann nicht angemessen, wenn der Kunde
begründete Einwendungen gegen einzelne Rechnungsposten erhebt.
Die Verfallklausel führt zu einem Leistungsverlust. Maßstab für die Angemessenheit der
Verfallsfristen
sind
die
gesetzlichen
Verjährungsfristen.
Die
Lastschrifteinziehungsermächtigung ist kein Zahlungsverfahren, das auf Mobilfunkverträge
beschränkt ist. Es zeichnet sich aber ab, dass je nach Art und Höhe der Geldschuld (geringe
Beträge zu festen Terminen, hohe oder wechselnde Beträge zu unterschiedlichen Terminen)
die Verpflichtung zur Erteilung einer wirksamen Einziehungsermächtigung an
unterschiedliche Bedingungen geknüpft wird. Für Mobilfunkverträge setzt der BGH für die
Wirksamkeit eine in der Klausel geregelte Karenzzeit von mindestens 5 Tagen zwischen
240
zum Problem rechtskonformer Gestaltung von Datenschutzklauseln vgl. Heidemann-Peuser, DuD 2002, 389
ff.
89
90
Rechnungszugang und Abbuchungszeitpunkt als Bedingung. Diese Voraussetzungen dürften
für andere Lastschrifteinziehungsermächtigungen ebenfalls gelten, wenn es sich um
unterschiedliche Beträge zu wechselnden Einzugsterminen handelt.
Die
Bedingungen
der
Online-Dienste-Anbieter
enthalten
unzulässige
Leistungseinschränkungen und Leistungsänderungen. Sie sind gekennzeichnet von dem
Bestreben der Anbieter, ein höchstmöglichstes Maß an Leistungs-, Bedingungs- und
Preisflexibilität zu erreichen. Zugleich ist die Nutzung von Downloads mit einer
Verfügungsbeschränkung zu Lasten des Verbrauchers verbunden, die als
Leistungseinschränkung nur unter engen Voraussetzungen wirksam sein kann. Die Ergebnisse
aus dem Abmahnverfahren des VZBV gegen iTunes bieten Gelegenheit zu einer
grundlegenden Klärung der damit verbundenen Rechtsfragen. Diese betreffen zunehmend
urheber- und datenschutzrechtliche Fragen.
VIII AGB der Altenheim- und Pflegeheimverträge
Im Jahre 1983 hat der VSV eine Studie in Auftrag gegeben, deren Ziel es war, die Regelung
der Leistungsbeziehungen insbesondere in Allgemeinen Krankenhausbedingungen und den
Bedingungen von Alten- und Pflegeheimen näher zu untersuchen. Beide Regelungsbereiche
unterliegen der Inhaltskontrolle des AGB-Gesetzes.
Die Verfasser Hanne Holch-Treu und Arnold Hilken (Universität Bremen) kamen zu dem
Ergebnis, dass die jeweiligen Klauselwerke in zahlreichen Bedingungen einer Inhaltskontrolle
nicht Stand hielten. Ausgehend von diesen Feststellungen hat der Verbraucherschutzverein im
Jahre 1986 241 erstmals die Bedingungen der Alten- und Pflegeheime mit einem Schwerpunkt
bearbeitet in Zusammenarbeit mit den Verbraucherzentralen und den Landeskartellbehörden.
Insgesamt 21 Abmahnungen sind für diesen Berichtszeitraum registriert, allerdings ohne
Differenzierung nach Altenheimen und Krankenhäusern. Unterlassungsklagen wurden im
Jahre 1986 noch nicht eingeleitet. Erstmals für das Jahre 1987 242 werden 5 Klageverfahren
wegen der Bedingungen der Alten- und Pflegeheime berichtet. Bei einem Verfahren handelt
es sich um eine Unterlassungsklage gegen den Bundesverband privater Alten- und
Pflegeheime. Die Entscheidung des Landgerichts Hamburg vom 23.01.1987 243 zu zwei
Kündigungsklauseln wurde rechtskräftig. Ebenso wurden zwei Urteile des Landgerichts
Dortmund rechtskräftig 244 . In diesen Verfahren ging es um die Wirksamkeit von
Haftungsklauseln für eingebrachte Wert- und Schmuckgegenstände, sowie eine
Haftungsbegrenzung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz. Beide Regelungen wurden für
unzulässig erklärt.
Im Jahre 1995 hat der Verbraucherschutzverein erneut die Bedingungen der Alten- und
Pflegeheime überprüft und Abmahnverfahren gegen 10 Verwender eingeleitet 245 . Eine
241
Jahresbericht VSV 1986, S. 69.
Jahresbericht VSV 1987, S 112.
243
LG Hamburg v. 23.1.1987- 74 O 462/86.
244
LG Dortmund v. 14. 07.1987 -8 O 115 / 87; LG Dortmund v. 05.11.1987- 8 O 249 / 87.
245
Tätigkeitsbericht 1995 , S. 73 ff.
242
90
91
Abmahnung betraf die Konditionenempfehlung des Bundesverbandes privater Alten –
Pflegeheime e. V. Es wurde eine Klage eingereicht 246 .
Zu den Klauseln, die mit einer Unterlassungserklärung als unwirksam akzeptiert wurden
gehört u. a. folgende:
Text:
In einem Altenpflegeheim mit hauptamtlich tätigem Heimarzt wird die freie Arztwahl
ausgeschlossen 247 .
Nach Ansicht des VSV widerspricht der Ausschluss der freien Arztwahl dem in Artikel 2 des
GG gewährleisteten Selbstbestimmungsrecht und kommt einer Entmündigung des
Heimbewohners gleich. Dieser Wertung hat sich der abgemahnte Verwender durch Abgabe
der Unterlassungserklärung angeschlossen.
Auch in weiteren Verfahren ging es um Klauseln, die zu einer Einschränkung der freien
Willensentschließung des Heimbewohners führen. Diese Verfahren werden nachfolgend
dargestellt:
Der VZBV hat ab Herbst 2002 eine konzentrierte Aktion zur Überprüfung der
Heimbedingungen der Alten- und Pflegeheime eingeleitet. Hintergrund ist das Inkrafttreten
des Dritten Gesetzes zur Änderung des Heimgesetzes am 1. Januar 2002. Das Heimgesetz
wurde insgesamt neu gefasst mit dem Ziel einer Stärkung des Schutzes von Heimbewohnern
und einer Verbesserung der Qualität von Pflege und Betreuung sowie Herstellung größerer
Transparenz bei Leistungen und Entgelten. Überprüft wurden in Zusammenarbeit mit den
Verbraucherzentralen die Vertragsbedingungen von 75 Heimverträgen. Es handelt sich dabei
um Verträge, in denen die Neuregelungen des Heimgesetzes bereits berücksichtigt werden
sollten. Dabei stellte es sich heraus, dass der überwiegende Teil der Anbieter nach Auffassung
des VZBV die im Heimgesetz vorgesehenen Verbesserungen des Bewohnerschutzes in der
vertragsrechtlichen Gestaltung nicht ausreichend berücksichtigen. In 70 Fällen wurden
Unterlassungsverfahren eingeleitet. Zentrale Regelungen, die nach Auffassung des VZBV
nicht den Vorgaben des Heimgesetzes standhalten, betreffen:
•
•
•
•
•
•
Eine Aufgliederung der Entgelte für Unterkunft und Verpflegung (Transparenz)
Regelungen zur Entgelterhöhung
Regelungen zur Abwesenheitsvergütung
Regelungen zur Beendigung des Heimvertrages beim Ableben des Heimbewohners
Sonstige Kündigungsregelungen und
Regelungen zur Räumung des Heimzimmers und zu eingebrachten Sachen der
Bewohner.
Der VZBV hat im Rahmen der Aktion „Heimvertrag AGB“ 30 Unterlassungserklärungen
erhalten und 15 Gerichtsverfahren eingeleitet. In zwei Grundsatzfragen zu diesen
Regelungsbereichen sind höchstrichterliche Entscheidungen ergangen.
1. Selbstbestimmungsrecht des Heimbewohners
246
247
LG Hildesheim v. 01.12.1995- 468 / 95.
Tätigkeitsbericht VSV 1995, S. 76.
91
92
Das Landgericht Hamburg hat mit Urteil vom 15.08.1997 248 folgende Klausel für unwirksam
erklärt:
Text:
Bei vorübergehender Erkrankung, die nicht auf Pflegebedürftigkeit beruht, kann der
Bewohner im Heim verbleiben, sofern der behandelnde Arzt die Versorgungsmöglichkeiten
des Heims für ausreichend erachtet. Auf Verlangen des Heimes kann ein Arzt darüber
entscheiden, ob eine Krankenhauseinweisung erforderlich ist.
Das Gericht hält diese Regelung für nicht vereinbar mit wesentlichen Grundgedanken des
Heimgesetzes und für einen Verstoß gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG. Zweck des Heimgesetzes
ist es u. a. die Interessen und Bedürfnisse der Heimbewohner vor Beeinträchtigungen zu
schützen, insbesondere ihre Selbständigkeit und ihre Selbstversorgung zu bewahren. Oberster
Grundsatz in diesem Zusammenhang ist die Gewährleistung der freien Entfaltung der
Persönlichkeit i. S. d. Artikels 2 GG. Damit unvereinbar ist es, wenn sich das Heim
ausbedingt, einen Arzt darüber entscheiden zu lassen, ob eine Krankenhauseinweisung
erforderlich ist. Damit wird nicht nur das Recht des Heimbewohners auf freie Arztwahl
verletzt. Der Verwender behält sich vielmehr mit dieser Klausel die vertragliche Möglichkeit
vor, eine für nicht sachgerecht gehaltene Entscheidung des behandelnden Arztes durch die
Entscheidung eines anderen Arztes zu ersetzen. Ein rechtliches Interesse für diese
Vorgehensweise ist nicht ersichtlich. Will der Heimbewohner im Krankheitsfall aufgrund
eigener oder im Einvernehmen mit seinem behandelnden Arzt getroffene Entscheidung im
Heim verbleiben, genügt es nicht, einen zweiten Arzt letztlich verbindlich entscheiden zu
lassen. Dadurch würde das Recht des Heimbewohners, über seinen Aufenthaltsort bestimmen
zu können, in nicht hinnehmbarer Weise eingeschränkt. Eingriffe in sein
Selbstbestimmungsrecht können nach dem gesetzlichen Leitbild des Heimgesetzes nur in der
auch sonst von der Rechtsordnung vorgesehenen Form - also grundsätzlich nach
Einbeziehung des Vormundschaftsgerichts – erfolgen. Auf diese Weise wird das Recht des
Heimbewohners auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit gewährt. Das Urteil wurde
rechtskräftig.
Das Kammergericht hat in seinem Urteil vom 28.05.1997 249 folgende Klausel für unwirksam
erklärt und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen:
Text:
Der Bewohner ist mit dem Umzug in einen anderen Raum einverstanden, falls dies nach
begründeter Erklärung des Heims aus zwingendem betrieblichem Anlass erforderlich ist.
Die Klausel verstößt gegen § 10 Nr. 4 AGBG, weil sie die Vereinbarung enthält, die
versprochene Leistung zu ändern und ihr abzuweichen. Die versprochene Leistung, um die es
hier geht, besteht in der vertragsgemäßen Überlassung eines bestimmten Appartements oder
Zimmers oder Heimplatzes in einem Mehrbettzimmer. Der Leistungsänderungsvorbehalt ist
für den Heimbewohner nicht ohne weiteres zumutbar. Die Beschränkung auf betrieblich
zwingende „Umzugsanlässe“ genügt für die Zumutbarkeit nicht, weil die Einschränkung zu
unbestimmt formuliert ist und der Beklagten einen zu großen Beurteilungsspielraum belässt.
2. Erstattung des Pflegegeldes bei Abwesenheit
248
249
LG Hamburg v. 15.8.1997-324 O 354 / 97.
KG v. 28.5.1997- Kartellsenat U 50 68/96.
92
93
Bereits in einer ersten Entscheidung vom 23.11.2000 250 hat das OLG Celle folgende Klausel
für unwirksam erklärt:
Text:
Volles Betreuungsgeld bei Abwesenheit bis 3 Tagen.
Das Gericht hält die Klausel für unwirksam wegen Verstoßes gegen § Abs. 1 AGBG, weil der
Heimbewohner ein gesetzlich geschütztes Interesse daran habe, dass bei vorübergehender
Abwesenheit von Anfang an ersparte Aufwendungen des Heimbetreibers erstattet werden.
Die Ersparnis des Heimträgers könne schon bei dreitägiger Abwesenheit des Heimbewohners
erheblich sein, etwa wenn ein Heimbewohner regelmäßig an Wochenenden oder Feiertagen
seine Familie besucht. Das Interesse des Heimbetreibers, den Verwaltungsaufwand niedrig zu
halten, könne dadurch berücksichtigt werden, dass es ihm nach dem Betreuungsvertrag
gestattet ist, seine Kalkulation für ersparte Aufwendungen pauschal anzusetzen.
Der BGH hat mit Urteil vom 5.Juli 2001 251 die dagegen eingelegte Revision zurückgewiesen
mit Hinweis auf mietrechtliche und dienstvertragsrechtliche Bestimmungen. Nutzt der Mieter
aus einem in seiner Person liegenden Grund die Mietsache nicht, oder nimmt der
Dienstberechtigte die ihm angebotenen Leistungen des Dienstverpflichteten nicht entgegen,
bleibt der Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Entgeltes unberührt (§§ 552 a. F., 615
BGB). Allerdings hat sich der andere Teil den Wert ersparter Aufwendungen anrechnen zu
lassen (§§ 552 Abs. 2 a. Fa., 615 S. 2 BGB). Soweit die hier in Rede stehende Klausel daher
das volle Betreuungsentgelt als geschuldet bezeichnet, läuft dies im Ergebnis auf eine
Abbedingung des in den zitierten Vorschriften enthaltenen Grundgedankens hinaus. Ist
danach davon auszugehen, dass die hier zu beurteilende Klausel diese dispositiven
Bestimmungen verdrängt, hängt ihre Wirksamkeit davon ab, ob sie den Heimbewohner
entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Der Senat ist mit
dem Berufungsgericht der Auffassung, dass die vom Kläger beanstandete Klausel
Selbstzahler dann unangemessen benachteiligt, wenn sie im nennenswerten Umfang von der
Möglichkeit einer Beurlaubung über das Wochenende Gebrauch machen. Eine
Differenzierung zwischen Heimbewohnern, deren Kosten nach dem BSHG aus öffentlichen
Mitteln getragen werden, und Selbstzahlern, sieht der BGH zwar schon in dieser
Entscheidung, hält aber die in den Landesrahmenverträgen gemäß § 93 d Abs. 2 BSHG (in
der damaligen Fassung) und aus den Rahmenverträgen gemäß § 75 Abs. 1 SGB XI sich
ergebenden Pflegesatzvereinbarungen, die eine Erstattung teilweise bei Abwesenheit von
mehr als drei Tagen vorsehen für keinen geeigneten Maßstab, der auf Selbstzahler übertragen
werden könne.
Diese Rechtsprechung hat der VZBV in seiner Aktion ab 2002 erneut aufgegriffen und u. a.
folgende Klausel-Gestaltungen abgemahnt und eingeklagt:
Text:
Bei Abwesenheit bis zu drei Tagen wird der volle Pflegesatz erhoben.
Text:
Bei vorübergehender Abwesenheit eines Bewohners bis zu drei Tagen ist das volle Entgelt
weiter zu zahlen.
Text:
250
251
OLG Celle v. 23.11.2000 -13 U 73/2000 BeckRS 2000 30145364.
BGH, Urteil v. 05.07.2001, III ZR 310/00, NJW 2001, 2971.
93
94
Bei Abwesenheit des Bewohners von mehr als drei Tagen erstattet das Heim vom ersten Tag
an 40 % des Heimkostensatzes.
Die Verbandsklageverfahren zu derartigen Klauselgestaltungen waren in den
instanzgerichtlichen Entscheidungen nicht erfolgreich. Mit Urteil vom 27.10.2005 252 ist der
BGH der instanzgerichtlichen Rechtsprechung gefolgt und hat die Klausel:
Text:
Bei Abwesenheit des Bewohners von mehr als drei Tagen erstattet das Heim vom ersten Tag
an 40 % des Heimkostensatzes.
für wirksam erklärt. Der Senat bezieht sich auf sein vorangegangenes Urteil vom 5. Juli
2001 253 zu einer vergleichbaren Klausel in einem Heimvertrag der Behindertenhilfe. In dieser
Entscheidung hatte der Senat die Klausel für unwirksam erklärt, weil sie mit den
maßgeblichen Bestimmungen des §552 Satz 2 BGB a. F. (jetzt § 537 Abs. 1 Satz 2 BGB) und
des § 615 Satz 2 BGB nicht in Einklang stehen, wonach sich der Vermieter und der
Dienstverpflichtete den Wert ersparter Aufwendungen anrechnen lassen müssen, wenn der
Mieter oder Dienstberechtigte, die angebotenen Leistungen nicht entgegennehmen, bzw. der
Mieter aus einem in seiner Person liegenden Grund die Mietsache nicht nutzt.
Nach der Novellierung des Heimgesetzes durch das am 1. Januar 2002 in Kraft getretene 3.
Gesetz zur Änderung des Heimgesetzes vom 5. November 2001 hält der Senat an dieser
Entscheidung nicht mehr unverändert fest. Über die Frage der Angemessenheit der hier
beanstandeten Klausel sei entscheidend auf § 5 Abs. 8 Heimgesetz abzustellen. Nach Satz 1
dieser Bestimmung wird dem Heimträger zur Pflicht gemacht, im Heimvertrag für Zeiten der
Abwesenheit der Bewohner eine Regelung vorzusehen, ob und in welchem Umfang eine
Erstattung ersparter Aufwendungen erfolgt. Aus der Begründung des Regierungsentwurfes sei
zu entnehmen, dass den Träger ein breiter vertraglicher Gestaltungsspielraum eröffnet werde.
Er könne für Abwesenheitszeiten der Bewohner unter Berücksichtigung der anfallenden
Vorhaltekosten einen angemessenen Erstattungsbetrag vorsehen. Er könne aber auch von der
Festlegung eines Erstattungsbetrages absehen. In diesem Fall müsse der Heimvertrag aber
eine ausdrückliche Regelung darüber enthalten, dass eine Erstattung ersparter Aufwendungen
nicht erfolge. Die Regelung des Heimgesetzes diene in erster Linie der Verbesserung der
Transparenz. Der Gesetzgeber habe den Gestaltungsspielraum nicht abschließend festgelegt.
Es sei Aufgabe der Rechtsprechung, die Unangemessenheit von Klauseln anhand § 307 Abs.
1 Satz 1 BGB zu prüfen. Dabei sei davon auszugehen, dass eine Klausel, die eine
Nichtanrechnung ersparter Aufwendungen in Fällen lang andauernder Abwesenheit vorsieht,
keinen Bestand haben könnte. In einer zeitlich so eng gefassten Klausel wie der vorliegenden,
könne aber keine unangemessene Benachteiligung des Heimbewohners liegen. Zur
Begründung wird darauf verwiesen, dass anderenfalls der Gesetzgeber in der Neufassung des
Heimgesetzes dies berücksichtigt hätte, dessen Novellierung in Kenntnis des weit
verbreiteten Gebrauchs derartiger Klauseln erfolgt ist.
In dem Pflegeweiterentwicklungsgesetz vom 14. März 2008, das am 01.07.2008 in Kraft tritt,
wird die Entscheidung dahin konkretisiert, dass gemäß § 75 Heimgesetz eine Erstattung von
Pflegekosten bei Abwesenheit von bis zu drei Tagen nicht erforderlich ist.
3. Entgelttransparenz
252
253
BGH, Urteil v . 27.10.2005-III ZR 59/05 in NJW 2005, 3632.
BGH, Urteil v. 5.7.2001, III ZR 310/00, BGHZ 148, 233, NJW 2001, 2971.
94
95
Bereits vor der Novellierung des Heimgesetzes hatte der Verbraucherschutzverein bzw. die
Verbraucherzentrale Bundesverband Entgeltklauseln im Hinblick auf die sogenannten
Hotelkosten beanstandet, in denen das Entgelt für Unterkunft und das Entgelt für Verpflegung
nicht getrennt angegeben werden. Die insoweit formularmäßigen Formulierungen lauten wie
folgt:
Text:
Das Entgelt für Unterkunft und Verpflegung beträgt täglich/monatlich ….
Klauseln mit diesem Inhalt waren in 12 der 15 Verfahren, die der VZBV zu den Allgemeinen
Geschäftsbedingungen in Heimverträgen geführt hat, insoweit erfolgreich, als hierzu die
Instanzgerichte mit Ausnahme des OLG Celle 254 die Klauseln für unwirksam erklärt haben
bzw. die Beklagten Heimbetreiber durch Vergleich oder Unterlassungserklärung die
Unwirksamkeit anerkannt haben. Die Instanzgerichte sahen in der Klausel einen Verstoß
gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, da sie mit wesentlichen Anforderungen des § 5 Abs. 3
Heimgesetz nicht zu vereinbaren seien und die Heinbewohner unangemessen benachteiligten.
In der Entscheidung des BGHs vom 3.2.2005 255 zur Revision gegen das Urteil des OLG Celle
werden die Urteile der Vorinstanzen bestätigt und die Revision des VZBV abgewiesen. Die
Regelung in den Musterbedingungen (§ 15 Abs. 1), wonach das Entgelt für Unterkunft ohne
weitere Aufgliederung festgelegt wird, hält der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG stand. Zwar
würde eine Aufspaltung in jeweils gesonderte Entgelte für Unterkunft und für Verpflegung zu
einer höheren Transparenz führen. Diesen Grad von Transparenz fordert das Heimgesetz
jedoch nicht.
Nachdem der Gesetzgeber mit der Novellierung des Heimgesetzes in § 5 Abs. 3 bestimmt hat,
dass im Heimvertrag die Leistungen des Trägers, insbesondere Art, Inhalt und Umfang der
Unterkunft, Verpflegung und Betreuung einschließlich der auf die Unterkunft, Verpflegung
und Betreuung entfallenden Entgelte anzugeben seien, hat der VZBV die Klauseln erneut
beanstandet und sich hierbei vor allem auf die Begründung des Gesetzgebers zu § 5 Abs. 3
Heimgesetz bezogen. Darin heißt es: „Heimverträge seien in der Praxis nicht hinreichend
transparent, weil z. B. eine Zuordnung von Entgelten zu Leistungen oft nur schwer möglich
sei.“ In der Einzelbegründung hierzu heißt es sogar: „Für den Bewohner muss ersichtlich
sein, welche einzelnen Leistungen des Heimträgers Gegenstand des individuellen
Heimvertrages sind und wie hoch das Entgelt gegliedert nach den Kostenblöcken Unterkunft,
Verpflegung und Betreuung für diese Einzelleistungen ist.“
Neben dem Gesichtspunkt der Transparenz und damit der Vergleichbarkeit der Kosten für
einzelne Leistungen liegt das Interesse der Heimbewohner vor allem in der Möglichkeit, das
Entgelt gegebenenfalls um einen auf die jeweilige Leistungsart entfallenden Betrag bei
Schlechtleistung zu mindern. Dieses Recht ist erschwert, solange die Einzelpreise für
Unterkunft und für Verpflegung in einem Gesamtbetrag angegeben werden.
Im Unterschied zu seiner früheren Entscheidung 256 stellt der BGH nicht in Frage, dass das
Heimgesetz nach der Novellierung nunmehr in § 5 Abs. 3 durchaus eine höhere Transparenz
bezüglich der Einzelentgelte regelt. Gleichwohl soll die Zusammenfassung der sogenannten
Hotelkosten in einer Preisangabe zulässig sein, weil nach Auffassung des BGH ein
Normenkonflikt mit § 82 Abs. 1 SGB XI entstehe, wenn man die Aufspaltung von Unterkunft
254
OLG Celle v. 4.3.2004 -13 U 194 / 03 BeckRS 2004 05847.
BGH, Urteil v. 3.2.2005, III ZR 411 / 04, NJW-RR 2005, 777.
256
BGH, Urteil v. 8.11.2001, III ZR 14/01, NJW 2002, 507.
255
95
96
und Verpflegungskosten mit § 5 Abs. 3 Satz 3 auch in Verträgen mit Leistungsempfängern
der Pflegeversicherung verlangt. In § 82 Abs. 1 SGB XI wird der Kostenblock Unterkunft und
Verpflegung zusammengefasst. Die öffentlich rechtliche Vorgabe sei für die Leistungen des
Heims, die von der Pflegeversicherung bezahlt würden, bindend. Eine entsprechende
Aufteilung der Kosten habe der Gesetzgeber für Leistungen aus der Pflegeversicherung nicht
gewollt. Vielmehr seien die Pflegekassen als Sachwalter im Interesse der Heimbewohner
verpflichtet, angemessene Entgelte für Unterkunft und Verpflegung auszuhandeln und zwar
ohne Aufgliederung in die Einzelsegmente. Es sei Sache des Gesetzgebers, in einer
Novellierung des SGB XI für eine entsprechende Transparenz bezüglich der Kosten von
Unterkunft und Verpflegung zu sorgen.
Die Leitsätze der BGH-Entscheidung vom 03.02.2005 257 weisen aber darauf hin, dass der
VZBV zwar mit seinem Anliegen in der Verbandsklage nicht durchdringen konnte,
gleichwohl aus § 5 Abs. 3 Satz 3 Heimgesetz eine Verpflichtung besteht, das Entgelt für
Betreuung, Unterkunft und Verpflegung für jeden dieser Leistungsbestandteile im
Heimvertrag aufzugliedern. In der Praxis hat dies zur Folge, dass Heimbetreiber beim
Abschluss mit Selbstzahlern eine Differenzierung der Hotelkosten vornehmen müssen, nicht
jedoch bei Leistungsempfängern der Pflegeversicherung und auch nicht bei
Leistungsempfängern der Sozialhilfe (§ 5 Abs. 6 Heimgesetz i. V. m. § 76 Abs. 2 SGB XII)
Damit konnte der VZBV zumindest insoweit einen Teilerfolg erringen, als für Selbstzahler
bei Schlechtleistung die Möglichkeit der Preisminderung für einzelne Leistungsarten eröffnet
wird.
Inzwischen hat der Gesetzgeber mit dem Pflegeweiterentwicklungsgesetz vom 14.03.2008
auch den § 87 SGB XI dahin geändert, dass grundsätzlich die Kosten für Unterkunft, Pflege
und Verpflegung in Heimvertragsvereinbarungen gesondert anzugeben sind.
4. Preisänderungsklauseln
Nach § 7 Abs. 1 Heimgesetz kann der Träger eines Heims eine erhöhtes Entgelt verlangen,
wenn sich die bisherige Berechnungsgrundlage verändert und sowohl die Erhöhung als auch
das erhöhte Entgelt angemessen sind. Diese als doppeltes Angemessenheitserfordernis
bezeichnete Voraussetzung ist im Wortlaut von Entgelterhöhungsklauseln zu berücksichtigen.
Allein die Bezugnahme auf Veränderungen in der Berechnungsgrundlage reichen nicht aus.
Unwirksam sind daher folgende Klauseln:
Text:
Die Erhöhung der nicht geförderten Investitionskosten und Zusatzleistungen ist zulässig,
wenn sich ihre bisherige Berechnungsgrundlage verändert hat und das erhöhte Entgelt
angemessen ist. 258
Text:
Die Einrichtung ist berechtigt, Entgelterhöhungen zu verlangen, wenn sich bestehende
Berechnungsgrundlagen verändern oder betriebsnotwendige Investitionsaufwendungen zu
tätigen sind, die nicht durch öffentliche Förderung gedeckt werden 259 .
Text:
257
BGH, Urteil vom 03.02.2005, III ZR 411/04, NJW-RR 2005, 777.
LG Lüneburg v. 02.10.2003 – 4 O 4/03.
259
LG Berlin v. 23.07.2003 - 26 O 13/03.
258
96
97
Bei einer Änderung der Situation für die vom Bewohner zu tragenden Kosten ist die
Einrichtung berechtigt, das Entgelt durch einseitige Erklärung anzupassen 260 .
Nach Auffassung der Gerichte sind die Klauseln als Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB
unwirksam, weil sie von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung in § 7 Abs.
1 Heimgesetz abweichen.
5. Haftungsbeschränkung
Soweit in den Vertragsregelungen der Alten- und Pflegeheime Haftungsbeschränkungen
geregelt werden, sind sie zum Teil wegen fehlender Differenzierung nach dem
Verschuldensmaßstab unwirksam.
Text:
Für Wertgegenstände und Geld haftete die Einrichtung nur in dem Fall, wenn sie ihr zur
besonderen Verwahrung gegen Quittung übergeben worden sind.
Die Klausel ist als Verstoß gegen § 309 Nr. 7 BGB unwirksam, weil sie eine
Haftungsfreizeichnung auch für vorsätzliches und grob fahrlässiges Verhalten des
Heimbetreibers und seiner Erfüllungsgehilfen zulässt 261 .
6. Kündigungsklauseln
Das Heimgesetz sieht in § 8 differenzierte Regelungen für die Vertragskündigung durch den
Heimbewohner und den Heimträger vor. Gemäß § 8 Abs. 2 Heimgesetz, kann der Bewohner
den Heimvertrag spätestens am 3. Werktag eines Kalendermonats für den Ablauf des selben
Monats schriftlich kündigen. Für den Heimbetreiber besteht gemäß § 8 Abs. 3 die
Kündigungsmöglichkeit nur aus wichtigem Grund. Ein wichtiger Grund liegt z. B. vor, wenn
die Fortsetzung des Vertrages für den Träger eine unzumutbare Härte bedeuten würde, weil
der Betrieb des Heims eingestellt, wesentlich eingestellt oder in seiner Art verändert wird.
Klauseln, die diese gesetzlichen Vorgaben nicht beachten, sind unwirksam. Zu den
gesetzlichen Vorgaben gehört auch, dass in den Klauseln das Kündigungsrecht des
Heimbetreibers dahin konkretisiert wird, welche Umstände als unzumutbare Härte gelten
sollen.
Text:
Der Heimbewohner kann das Vertragsverhältnis mit einer Frist von einem Monat zum
Monatsende kündigen 262 .
Text:
Der Träger ist berechtigt, das Vertragsverhältnis spätestens zum 3. Werktag für den Ablauf
des nächsten Monats zu kündigen, wenn der Betrieb des Hauses eingestellt, wesentlich
eingestellt oder in seiner Art verändert wird und die Fortsetzung des Vertrages für den
Träger eine unbillige Härte bedeuten würde. 263
260
LG Düsseldorf v. 07.01.2004 – 12 O 144/03.
LG Magdeburg v. 17.07.2003 – 7 O 3057/02.
262
LG Lüneburg v. 02.10.2003 – 4 O 4/03.
263
LG Hannover v. 02.11.2004 – 14 O 35 / 03.
261
97
98
Die Klauseln entsprechen nicht den gesetzlichen Vorgaben des Heimgesetzes und sind
deshalb gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 unwirksam.
7. Auswertung und Zusammenfassung
Die Ergebnisse der Verbandsklageverfahren zu den Bedingungen der Alten– und
Pflegeheimverträge zeigen, dass in diesem Bereich vertragsrechtliche Regelungen durch
öffentlich-rechtliche, insbesondere des Sozialrechts überlagert werden. Symptomatisch
hierfür ist die Entscheidung des BGH vom 03.02.2005 zur Entgelttransparenz (s. o. Ziffer 3).
Es fällt außerdem auf, dass die vertragsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten der
Heimverträge durch das Heimgesetz bestimmt werden. Die AGB-rechtliche Kontrolle bleibt
letztlich auf die Einhaltung der Bestimmungen des Heimgesetzes begrenzt. Ob
Verbraucherrechte in diesem Bereich noch gewahrt werden können, wenn die Leistungsträger
der Pflegeversicherung den Inhalt der Heimverträge wesentlich bestimmen, ist zumindest
fraglich. Da der Heimbewohner auch bei Inanspruchnahme der Leistung aus der
Pflegeversicherung einen nicht unerheblichen Teil der Kosten selbst zu tragen hat und die
Interessen der Heimbewohner nicht vollständig deckungsgleich mit den Leistungsträgern der
Pflegeversicherung sind, muss befürchtet werden, dass eine sich fortsetzende Tendenz der
Rechtsprechung, wie sie in dieser Untersuchung festgestellt wurde, zu einer weiteren
Verkürzung der Rechte des Heimbewohners führt, die auch mit Mitteln der Inhaltskontrolle
über entsprechende Vertragsgestaltungen kaum zu verhindern ist.
IX Von der Rechtsprechung zur Rechtssetzung
Die Rechtsprechung insbesondere des BGHs hat in der Gesetzgebung an mehreren Stellen
einen entsprechenden gesetzlichen Niederschlag gefunden. Dieser Zusammenhang zwischen
Verbandsklageverfahren, Rechtsprechung und gesetzgeberischen Entscheidungen soll
nachfolgend an vier Beispielen dargestellt werden. Gemeint ist die öffentliche Wahrnehmung
von
Verbraucherproblemen
durch
höchstrichterliche
Rechtsprechung
in
Verbandsklageverfahren, die in gesetzgeberische Entscheidungen einfließt. Wie die Beispiele
zeigen werden, sind die Ergebnisse durchaus offen. Nicht in allen Fällen löst der Gesetzgeber
das von den Verbraucherverbänden in Verbandsklageverfahren artikulierte Problem in deren
Sinne. Nachzuweisen ist allerdings, dass durch Gesetzesänderungen Verbraucherprobleme,
die Inhalt der Verbandsklageverfahren waren, einer Regelung durch den Gesetzgeber
zugeführt wurden.
1. Verbandsklageverfahren, Schuldrechtsreform und Gewährleistung
Mit der Schuldrechtsreform von 2002 264 hat der Gesetzgeber im neuen Kaufrecht einen
Untertitel 3 zum Verbrauchsgüterkauf eingeführt. Mit diesem Untertitel werden die
Vorschriften der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie vom 25. Mai 1999 umgesetzt 265 . Der
Untertitel 3 des Kaufrechts (§§ 474 – 479 BGB) enthält diejenigen Vorschriften, deren
Anwendung auf Verbraucherverträge beschränkt ist. Im Zusammenhang mit dieser
Untersuchung ist von Interesse die Vorschrift des § 475 Abs. 2 BGB, wonach die Verjährung
der in § 437 BGB bezeichneten Ansprüche (Gewährleistungsansprüche des Käufers) vor
Mitteilung eines Mangels an den Unternehmer nicht durch Rechtsgeschäft erleichtert werden
kann, wenn die Vereinbarung zu einer Verjährungsfrist von weniger als zwei Jahren bei neu
hergestellten Sachen, bzw. bei gebrauchten Sachen von weniger als einem Jahr ab dem
264
265
BGBL. Teil I/ 2001 S. 3138-3218.
Richtlinie 1999/ 44 / EG, ABl. EG 1999, Nr. L 171, S. 12.
98
99
gesetzlichen Verjährungsbeginn führt. Die Frist für die Verjährung der Mängelansprüche
beträgt gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB beim üblichen Verbrauchsgüterkauf zwei Jahre. Diese
Verjährungsfrist kann gemäß § 309 Nr. 8 b ff BGB in Allgemeinen Geschäftsbedingungen
grundsätzlich nicht auf weniger als ein Jahr verkürzt werden. Eine entsprechende
Gestaltungsmöglichkeit in Allgemeinen Geschäftsbedingungen wird durch die Regelung des
§ 475 Abs. 2 BGB für den Verbrauchsgüterkauf ausgeschlossen. Die Regelung entzieht die
gesetzlichen
Verjährungsvorschriften
für
Gewährleistungsansprüche
beim
Verbrauchsgüterkauf der Disposition der Vertragsparteien.
Die Regeln des Verbrauchsgüterkaufs gelten auch für den Gebrauchtwagenkauf allerdings
nur, soweit es sich um einen Verbrauchsgüterkauf i. S. des § 474 BGB handelt, also um den
Kauf eines Kraftfahrzeuges durch einen Verbraucher von einem Unternehmer. Für den
privaten Kraftfahrzeugverkauf kann die Gewährleistung der §§ 434, 437 BGB vollständig
ausgeschlossen werden, soweit nicht der Privatverkäufer den Kaufvertrag unter Verwendung
von Allgemeinen Geschäftsbedingungen abschließt. Allgemeine Geschäftsbedingungen i. S.
des § 305 Abs. 1 BGB sind auch Standardverkaufsformulare, die z. B. von Formularverlagen
oder Automobilclubs verbreitet werden. Hier stellt sich erneut die Frage, ob der generelle
Gewährleistungsausschluss gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB mit wesentlichen Grundgedanken
der gesetzlichen Regelung der §§ 434, 437 vereinbar ist und die Verjährungsfrist gemäß § 438
BGB generell ausgeschlossen, bzw. auf „0“ reduziert werden kann. Das Verbot, die
Verjährungsfrist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß § 309 Nr. 8 b ff BGB auf
weniger als ein Jahr zu verkürzen, gilt nur für neu hergestellte Sachen. Insoweit ist die mit
Entscheidung des BGH vom 11.06.1979 in Sachen VSV ./. Michael Schuricke zugelassene
Regelung
in
Allgemeinen
Geschäftsbedingungen
mit
einem
völligen
Gewährleistungsausschluss für den Verbrauchsgüterkauf gemäß § 475 Abs. 2 BGB außer
Kraft gesetzt. Ein völliger Gewährleistungsausschluss wäre als Verstoß gegen § 307 Abs. 2
Nr. 1 BGB i. V. m. § 475 Abs. 2 BGB unwirksam. Bedeutung behält die Entscheidung des
BGH für den Ausschluss der Gewährleistung beim Verkauf eines Gebrauchtwagens von
Unternehmer zu Unternehmer oder von Verbraucher zu Verbraucher. Beide Vertragsarten
unterliegen nicht dem Verbrauchsgüterkaufrecht gemäß §§ 474 ff BGB. Die Frage, ob in
diesen Vertragsbeziehungen der völlige Gewährleistungsausschluss als unangemessene
Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. §§ 433, 438 BGB einzuordnen ist, dürfte
weiter nach den von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Kriterien zu beurteilen sein.
Im Ergebnis hat der Gesetzgeber den in Verbandsklageverfahren formulierten Bedenken der
Verbraucherverbände gegen die Zulässigkeit des vollständigen Gewährleistungsausschlusses
beim Kauf eines gebrauchten Kfz von einem Händler an einen Verbraucher durch die
Verbrauchsgüterkaufrichtlinie und deren Umsetzung in §§ 474 ff BGB, Rechnung getragen.
2. AGB-Verbandsklage und Pauschalreiserichtlinie
Die Behandlung des Vorkasseproblems im Verbandsklageverfahren gegen die
Konditionenempfehlung des DRV hat zwar in der Entscheidung des BGH vom 12.03.1987
ein vorläufiges Ergebnis erreicht, konnte aber das Zentralproblem der Insolvenzabsicherung
nicht befriedigend lösen. Die Zahlung einer relativ geringen Anzahlung in Höhe von 10 % des
Reisepreises, die Restzahlung kurz vor Reiseantritt und die Aushändigung qualifizierter
Reiseunterlagen mit einem Leistungsanspruch gegen die Leistungsträger schützt Verbraucher
nicht davor, dass Reiseveranstalter nach Zahlung des Restreisepreises aber vor Reiseantritt
insolvent werden und die Reise damit ausfällt. Qualifizierte Papiere mit einem Anspruch
gegen die Leistungsträger sind in der Praxis nicht geeignet, die Durchführung der Reise
sicherzustellen. Zum einen würde dies voraussetzen, dass die Reisenden ihren Anspruch ggf.
99
100
im Klagewege gegen Leistungsträger durchsetzen müssten, zum andren steht den
Leistungsträgern der Einwand des nicht erfüllten Vertrages zu und damit ein
Leistungsverweigerungsrecht, solange sie ihrerseits für ihre Leistungen vom Reiseveranstalter
nicht bezahlt werden. Eine Verlagerung des Insolvenzrisikos vom Reisenden auf die
Leistungsträger war damit nicht zu erreichen.
Die ausführliche Diskussion in der rechtwissenschaftlichen Literatur hat Eingang gefunden in
die EU-Reiserichtlinie 266 vom 13.06.1990. Gemäß Artikel 7 der Richtlinie hat der
Veranstalter nachzuweisen, dass im Falle der Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses die
Erstattung gezahlter Beträge und die Rückreise des Verbrauchers sichergestellt sind. In einer
ursprünglichen Entwurfsfassung war sogar ausdrücklich vorgesehen, einen Garantiefonds zu
schaffen und Veranstalter zu verpflichten, eine Insolvenzausfallversicherung
abzuschließen 267 .
Vergleichbare Insolvenzausfallsicherungen gab es zuvor schon in zahlreichen anderen
europäischen Ländern. Nur in Deutschland hat der BGH sich darauf beschränkt, strenge
Voraussetzungen an die Zulässigkeit der Vorauskasse zu formulieren, die das Kernproblem
aber nicht lösen.
Dem Gesetzgeber ist diese Umsetzung offensichtlich schwer gefallen, denn die bis zum Ende
des Jahres 1992 laufende Umsetzungsfrist wurde nicht eingehalten. Erst mit Gesetz vom
24.06.1994 268 wurde der § 651 k BGB neu eingefügt und der bisherige § 651 k BGB wurde
zu § 651 l BGB. Die neue Regelung in § 651 k BGB verpflichtet die Reiseveranstalter
sicherzustellen, dass dem Reisenden der gezahlte Reisepreis sowie Reiseleistungen in Folge
Zahlungsunfähigkeit oder Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des
Reiseveranstalters, erstattet werden, sowie Aufwendungen, die dem Reisenden für die
Rückreise entstehen.
Die Absicherung kann durch Abschluss einer Versicherung oder über ein Kreditinstitut
erfolgen. Der Reiseveranstalter hat dem Reisekunden einen Sicherungsschein auszuhändigen,
der einen direkten Anspruch gegen den Träger der Reisegeldabsicherung begründet. Ohne
Aushändigung des Sicherungsscheins dürfen Zahlungen nicht verlangt werden. Das gilt auch
für Anzahlungen.
Zwei weitere Regelungsbereiche aus AGB des Pauschalreisevertragsrechts sind nach
Verbandsklageverfahren in Gesetzesregelungen über den Weg der Richtlinie übernommen
worden. Dies betrifft Preisänderungsvorbehalte und Leistungsänderungsvorbehalte.
Gemäß § 651 a Abs. 3 BGB kann der Reisepreis nur erhöht werden, wenn dies mit genauen
Angaben zur Berechnung des neuen Preises im Vertrag vorgesehen ist und die Erhöhung auf
gesetzlich definierten Kostensteigerungen beruht. Diese Kostenfaktoren sind:
•
•
•
Eine Erhöhung der Beförderungskosten
Abgaben wie Hafen – oder Flughafengebühren
Änderungen der Wechselkurse.
Ab dem 20. Tag vor dem vereinbarten Abreisetermin kann eine Preiserhöhung, gleich aus
welchem Rechtsgrund, nicht mehr verlangt werden.
266
EG-Richtlinie 90314 EWG vom 13.06.1990 ABl. EG-Nr. L 158 , S. 59 ff.
vgl. Tonner , Reiserecht in Europa , S. 280.
268
BGBl I S. 1322.
267
100
101
Vergleicht man diese Tatbestandsvoraussetzungen für eine wirksame Preiserhöhung mit der
Argumentation der Verbraucherverbände in Verbandsklageverfahren und den Begründungen
in der Entscheidungspraxis der Gerichte, so ist die Übereinstimmung evident. Die genaue
Angabe der Preis ändernden Faktoren und die Beachtung einer Karenzzeit vor Reiseantritt
hatten die Verbraucherverbände zur Bedingung für die Zulässigkeit einer Preisänderung in
Reiseverträgen erklärt: Die Angabe der Preis ändernden Faktoren, um sicher zu stellen, dass
Reiseveranstalter nicht zur Ausnutzung von Marktchancen aufgrund hoher Nachfrage bereits
vertraglich vereinbarte Preise ändern; die Einführung einer Karenzzeit, um den Reisenden
nicht kurz vor Beginn der Reise vor den Konflikt zu stellen, entweder den erhöhten
Reisepreis zu zahlen oder das bei Preisänderungen eingeräumte Rücktrittsrecht zu nutzen und
auf die Reise zu verzichten. Damit verbunden ist das Risiko, auf eine Urlaubsreise gänzlich
zu verzichten, wenn während der Hauptreisezeit die Buchung einer Ersatzreise aussichtslos
ist.
Das Leistungsänderungsrecht des Reiseveranstalters aus § 651 a Abs. 4 BGB entspricht in
seiner Struktur ebenfalls der Argumentation der Verbraucherverbände in
Verbandsklageverfahren. Das Gesetz berücksichtigt, dass der Reisende nicht nur das Recht
erhält, bei Preis- oder Leistungsänderungen vom Vertrag zurückzutreten (womit ihm aus den
vorerwähnten Gründen während der Hauptreisezeit häufig nicht geholfen ist), sondern, dass
der Reiseveranstalter verpflichtet ist, dem Reisenden Alternativreisen anzubieten. Der
Reisende hat das Recht die Teilnahme an einer mindest gleichwertigen anderen Reise zu
verlangen.
3. Verbandsklageverfahren und Versicherungsvertragsgesetz
Im Versicherungsbereich ist festzustellen, dass jeweils zeitlich oder mit geringer zeitlicher
Verzögerung der Gesetzgeber auf Verbandklageverfahren reagiert hat.
Die Laufzeitregelung in § 8 VVG wurde mehrfach geändert. Für Verträge, die bis zum
01.01.1991 geschlossen wurden, enthielt das Gesetz keine Bestimmung über eine zulässige
Höchstlaufzeit. Dies war Grundlage der Verbandsklageverfahren. Für Verträge, die nach dem
01.01.1991 geschlossen wurden, regelte das in § 8 VVG novellierte Gesetz 269 in § 8 Abs. 3
VVG erstmals eine Laufzeitbeschränkung. Danach konnte ein Versicherungsverhältnis, das
für eine Dauer von mehr als drei Jahren eingegangen wurde, zum Ende des dritten Jahres
oder jedes darauf folgenden Jahres mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden. Dies
galt allerdings dann nicht, wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer schriftlich vor
Abschluss des Vertrages auch Verträge für die Dauer von einem Jahr, drei, fünf und zehn
Jahren angeboten hat und dabei auf Verträge mit einer Dauer von 5 und mehr Jahren einen
Prämiennachlass gewährt, dessen vom Hundertsatz mindestens der Dauer der Laufzeit
entspricht.
Nachdem der BGH Versicherungsverträge mit einer Laufzeit von fünf Jahren für mit dem
AGB-Gesetz vereinbar erklärt hatte, erfolgte eine erneute Novellierung von § 8 Abs. 3 VVG
mit Gesetz vom 21.07.1994 270 . Danach kann ein Versicherungsverhältnis, das für die Dauer
von mehr als fünf Jahren eingegangen wird, zum Ende des fünften und jedes darauf folgenden
Jahres mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden. Ausgenommen hiervon sind
Lebens- und Krankenversicherungsverträge. Diese Regelung galt für Verträge, die nach dem
269
270
Gesetz vom 17.12.1990 BGBl I S. 2864.
BGBl. I S. 1630.
101
102
24.06.1994 geschlossen wurden die Fassung von § 8 Abs. 3 VVG bis zur VVG– Reform
2008.
Die Kündigungsmöglichkeit des Versicherungsnehmers aufgrund einer Prämienerhöhung
wurde erstmals mit Gesetz vom 17.12.1990 271 in § 31 VVG eingeführt. Zugleich wurde das
Kündigungsrecht an die Bedingung geknüpft, dass das Entgelt pro Jahr nicht mehr als um 5 %
des zuletzt gezahlten Beitrages oder um mehr als 25 % des Erstbetrages steigt. Mit einer
erneuten Änderung von 1994 272 entfielen die Prozentsätze als Voraussetzungen für das
Kündigungsrecht.
4. Verbandsklageverfahren und Heimgesetz
Die Entscheidung des BGH vom 03.02.2005 273 wonach in den AGB der Heimverträge nicht
die Verpflichtung besteht, die Entgelte für Unterkunft und Verpflegung getrennt anzugeben,
soweit die Entgelte aufgrund von Vereinbarungen mit der Pflegeversicherung zu tragen sind,
hat inzwischen zu einer gesetzgeberischen Reaktion geführt. Mit dem
Pflegeweiterentwicklungsgesetz vom 14.03.2008 hat der Gesetzgeber die Gelegenheit
genutzt, in § 87 S. 1 SGB IX die Wörter „für Unterkunft und Verpflegung“ durch die Wörter
„für die Unterkunft und für die Verpflegung jeweils getrennt“ zu ersetzen. Damit haben die
Partner der Pflegesatzvereinbarungen künftig die von den Pflegebedürftigen zu zahlenden
Entgelte für die Unterkunft und für die Verpflegung jeweils gesondert auszuhandeln und zu
vereinbaren. Die Regelung soll zur Harmonisierung mit den heimrechtlichen Vorschriften
beitragen. In § 5 Abs. 3 S. 3 HeimG ist die Aufgliederung der Leistungsbestandteile ebenfalls
vorgesehen, worauf sich der VZBV zur Begründung der Unwirksamkeit entsprechender
Klauseln berufen hatte.
Mit der Neufassung der Regelungen zur Pflegeversicherung und der damit verbundenen
Harmonisierung der Bestimmungen über die Angabe von Pflegeentgelten mit dem
Heimgesetz sind die Bedenken des BGH gegen die Unwirksamkeit von Klauseln, die eine
einheitliche Angabe des Entgeltes für Unterkunft und Verpflegung vorsehen, entfallen. Im
Ergebnis ist damit dem Anliegen des VZBV Rechnung getragen. Mit der Gesetzesänderung
zu § 87 S. 1 SGB IX sind Klauseln in Altenheimverträgen, die das Entgelt für Unterkunft und
für Verpflegung nicht getrennt angeben, künftig unwirksam.
Das Anliegen der Verbraucherverbände, Klauseln die Wirksamkeit zu versagen, die bei
Abwesenheit des Bewohners bis zu drei Tagen keine Kostenerstattung vorsehen, ist nicht nur
in der Entscheidung des BGH vom 27.10.2005 274 nicht durchgedrungen, sondern hat
inzwischen auch eine gesetzgeberische Reaktion hervorgerufen. Mit dem
Pflegeweiterentwicklungsgesetz vom 14.03.2008 ist in § 87 a Abs. 1 SGB IX ausdrücklich
bestimmt, dass
in den Rahmenverträgen gemäß § 75 für die dort bestimmten
Abwesenheitszeiträume Abschläge von 25 von 100 der Pflegevergütung der Entgelte für
Unterkunft und Verpflegung vorzunehmen sind, und zwar ausdrücklich erst für Zeiträume,
soweit drei Kalendertage überschritten werden. Damit bleibt es bei der in der Rechtsprechung
des BGH bereits zugrunde gelegten Beurteilung, wonach eine Abwesenheit von bis zu drei
Tagen keinerlei Erstattungspflicht auslöst, selbst dann nicht, wenn der Bewohner öfter nur
kurzzeitig den Heimaufenthalt unterbricht. Entsprechende Klauseln, die im Einklang mit
271
BGBl I S. 2864.
Gesetz vom 21.07.1994,BGBl I , S. 1630.
273
BGH, Urteil v. 03.02.2005, III ZR 411/04, NJW-RR 2005, 777.
274
BGH, Urteil v. 27.10.2005, III ZR 59/05, NJW 2005, 3632.
272
102
103
SGB IX eine Erstattungspflicht erst bei Abwesenheiten von mehr als drei Tagen vorsehen,
bleiben danach wirksam.
X. Vertragsergänzung nach Unwirksamkeit einer Klausel
Das AGB-Gesetz bestimmte in § 6 die Rechtsfolgen der Unwirksamkeit von AGB-Klauseln.
Gemäß § 6 Abs. 1 AGBG führte die Unwirksamkeit einzelner Klauseln nicht zur
Unwirksamkeit des Vertrages insgesamt; dieser blieb vielmehr wirksam. Entstand durch die
Unwirksamkeit einer Klausel eine regelungsbedürftige Lücke, so richtete sich gemäß § 6 Abs.
2 AGBG der Inhalt des Vertrages nach den gesetzlichen Vorschriften. Eine
Gesamtunwirksamkeit war gemäß § 6 Abs. 3 AGBG nur vorgesehen, wenn das Festhalten an
dem Vertrag für eine Vertragspartei auch unter Anwendung der gesetzlichen Vorschriften
eine unzumutbare Härte darstellte. Diese Regelung ist unverändert in § 306 BGB
übernommen worden.
Die Rechtsprechung hat zu diesem Problemkreis frühzeitig grundsätzliche Entscheidungen
getroffen. Im Ausgangspunkt wurde zunächst bestimmt, dass eine sogenannte
geltungserhaltende Reduktion nicht in Betracht kommt. Soweit das dispositive Recht
angemessene Regeln zu einer Klauselersetzung nicht zur Verfügung stellt, kann die durch
Unwirksamkeit einer Klausel entstandene Lücke im Wege der ergänzenden
Vertragsauslegung gefüllt werden. Im engen Zusammenhang mit der geltungserhaltenden
Reduktion steht die Frage, ob eine unwirksame Klausel nach Wortlaut und Gestaltung so
teilbar ist, dass sie noch einen vollständigen wirksamen Regelungsgehalt aufweist, wenn der
unwirksame Teil der Klausel entfällt.
1. Geltungserhaltende Reduktion und teilbare Klauselgestaltungen
In einer Grundsatzentscheidung vom 17.05.1982 hat der BGH 275 die geltungserhaltende
Reduktion für AGB abgelehnt und dies seitdem vielfach bestätigt 276 . Unter
geltungserhaltender Reduktion wird ein Verfahren verstanden, das den Unwirksamkeitsgehalt
einer Klausel durch Rechtsprechung auf ihren gerade noch zulässigen Inhalt zurückführt und
damit zur Wirksamkeit beiträgt. Die Frage der Anwendbarkeit des Instruments der
geltungserhaltende Reduktion ist kein Sonderproblem des AGB-Rechts, sondern wird als
Vertragsergänzung im Zusammenhang mit sittenwidrigen Verträgen diskutiert 277 . Die
Rechtsprechung hat die Anwendung einer Reduktion in Bezug auf sittenwidrige Verträge und
Vertragsteile unterschiedlich behandelt. Eine Reduktion sittenwidrig hoher Zinsen auf einen
noch üblichen und sittengemäßen Satz hat der BGH abgelehnt 278 . Dagegen sind übermäßig
lange Vertragslaufzeiten auf eine noch zulässige Dauer von der Rechtsprechung reduziert
worden.
275
BGH Z 84, 109 = ZiP 1982, 109.
BGH NJW 1982, 178; BGH NJW 1982, 2309; BGH NJW 1982, 2311 ; BGH NJW 1983 , 1320; BGH NJW
1983, 1322; BGH NJW 1984, 48; BGH NJW 1984, 2687; BGH NJW 1985, 53; BGH NJW 1985, 315 ; BGH
ZiP 1986, 32; BGH ZiP 1986, 1121; BGH WM 1998, 732; BGH WM 2000, 629; BGH NJW RR 2004, 1498;
BGH NJW 2005, 1574.
277
Zimmermann, Richterliches Moderationsrechts oder Totalnichtigkeit 1979, Hager , Gesetztes- und
sittenkonforme Auslegung und Aufrechterhaltung von Rechtsgeschäften , 1983; derselbe AcP 181, (1981), 447
f.; Bürge , Rechtsdogmatik und Wirtschaft, das richterliche Moderationsrecht , 1987.
278
Vgl. BGH ZiP 1981, 369.
276
103
104
Die von der Rechtsprechung vor Inkrafttreten des AGB-Gesetzes zur Vermeidung
unangemessener Benachteiligungen praktizierte restriktive Auslegung von AGB ist nach
Einführung der Inhaltskontrolle in den §§ 9 – 11 AGB-Gesetz zu modifizieren. Zwar gehen
gemäß § 5 AGBG (§ 305 c Abs. 2 BGB) Zweifel bei der Auslegung bei Allgemeinen
Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders, Klauseln also so auszulegen sind, dass sie
den Vertragspartner möglich nicht benachteiligen. Dies
gilt aber nicht in
Verbandsklageverfahren und auch nicht, soweit die Unwirksamkeit im Individualverfahren
die Rechtsstellung des Vertragspartners gegenüber einer Klauselauslegung verbessert 279 . Es
ist frühzeitig einhellig anerkannt worden, dass die Auslegung mehrdeutiger Klauseln zur
effizienten Anwendung in Verbandsklageverfahren in ihrem kundenfeindlichsten Sinne zu
verstehen ist. Eine Auslegung gemäß § 5 AGBG im Verbandsklageverfahren hätte die
präventive, auf Beseitigung unangemessener Geschäftsbedingungen gerichtete Funktion der
Verbandsklage wesentlich erschwert, wenn nicht vereitelt. Die direkte Anwendung der
Unklarheitenregelung gemäß § 5 AGBG im Verbandsklageverfahren hätte zur Folge, dass
nachteilige Klauseln bei kundenfreundlicher Auslegung die in den §§ 9 – 11 AGBG
festgesetzten Angemessenheitsschranken noch einhalten. In Rechtsprechung und Literatur
war deshalb von Anfang an nicht strittig, dass im Verbandsprozess die kundenfeindlichste
Auslegung gilt und die Klausel in dieser Auslegung einer Angemessenheitskontrolle zu
unterziehen ist 280 . Deshalb ist es nur konsequent, auch der Geltung erhaltenden Reduktion
eine Absage zu erteilen.
Die Rechtsprechung des BGH ist diesen Weg allerdings in letzter Konsequenz nicht
gegangen. Eine gewisse Nähe zur geltungserhaltenden Reduktion hat die Möglichkeit, die
Unwirksamkeit von Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch Teilung zu
begrenzen. Im Kern geht es um die Frage, was unter einer „Bestimmung“ i. S. v. §§ 305 c,
306 Abs. 2, 307 bis 309 BGB zu verstehen ist (§§ 9 – 11 AGBG). Teilbare Formulierungen
von Klauseln enthalten Bestimmungen, die in einen wirksamen und einen unwirksamen Teil
aufgespalten werden können mit der Folge, dass ein Unterlassungsgebot im Tenor eines
Urteils nur einen Teil einer Klausel bezeichnet. Strittig und bis heute wenig nachvollziehbar
ist allerdings, nach welchen Kriterien der BGH die Teilbarkeit einer Klausel beurteilt. So
können zum Beispiel Laufzeiten von mehr als zwei Jahren, die gemäß § 11 Nr. 12 a AGBG
bzw. § 309 Nr. 12 a BGB unwirksam sind, nicht auf die zulässige Dauer von zwei Jahren
reduziert werden (geltungserhaltende Reduktion). Nicht eindeutig ist allerdings, dass in einer
Klausel zur Unwirksamkeit eines unwiderruflich erteilten Überweisungsauftrags nur das
Wort „unwiderruflich“ zur Unwirksamkeit führt und insoweit für unzulässig erklärt wird 281 .
In seiner Entscheidung vom 31.10.1984 ist der BGH 282 zur Beschränkung des Verkehrswertes
auf 10 % bei Erstattung des Kaufpreises für die Rückgabe von Teppichen, Matratzen und
anderen in den AGB des Möbelhandels ebenso verfahren. In dieser Entscheidung wird nur die
Verkehrswertbeschränkung auf „höchstens 10 %“ für unwirksam erklärt, der Klausel im
Übrigen die Wirksamkeit aber nicht versagt. Mit Recht konstatiert Medicus 283 , dass sich
dieses Verfahren einer geltungserhaltenden Reduktion annähert. Fasst man als „Bestimmung“
279
Heinrichs in Palandt § 305c RN 20.
BGH NJW 1980, 831; BGH NJW 1983, 1671; BGH NJW 1984 , 2161; BGH NJW 1985, 320; BGH NJW
1985, 855; BGH NJW 1985 , 2271; BGH NJW 1986, 43 und 46; BGH NJW 1988, 1726: BGH NJW 1991, 1886,
BGH NJW 1993, 657; BGH NJW 1993 , 2369; BGH NJW 1994, 1060, BGH NJW 2003,
1237;MünchenerKommentar/ Basedow, BGB § 305 c ,Rnr: 34;Ermann / Roloff BGB § 305 c ,Rn 29;
Staudinger/Schlosser AGBG § 5, Rn 7; Wolf/Lindacher AGBG § 5 Rn 41;Löwe AGBG § 13 Rn 28; Bunde
ZiP 1982.
281
BGH NJW 1984, 2816.
282
Vgl. oben Fußnote 50.
283
Heinrichs/Löwe/Ulmer, 10 Jahre AGB-Gesetz, S. 83,90.
280
104
105
im Sinne der Inhaltskontrolle den inhaltlich zusammengehörenden Satz über die Erstattung
des Verkehrswertes auf, so wird dieser durch die Streichung des Satzteiles „höchstens 10 %“
auf seinen gerade noch zulässigen Inhalt reduziert.
Der BGH verlässt damit den von ihm entwickelten Grundsatz, wonach jeweils inhaltlich
selbstständige Regelungen Gegenstand gesonderter Wirksamkeitsprüfungen sein können,
auch wenn sie in einem äußeren sprachlichen Zusammenhang mit anderen Klauseln stehen 284 .
Der Satzteil „höchstens 10 %“ ist kein inhaltlich trennbarer Teil der Bestimmung, der aus sich
heraus verständlich ist. Dieses Verfahren ist vielmehr eine versteckte geltungserhaltende
Reduktion.
Anders zu beurteilen sind Klauseln, die aufgrund ihrer sprachlichen Fassung tatsächlich
mehrere Alternativen enthalten, wenn nur hinsichtlich einzelner dieser Alternativen die
Unwirksamkeit festgestellt wird. Beispiel: Eine Rücktrittsklausel enthält mehrere alternative
Rücktrittsgründe, die jede für sich der Inhaltskontrolle unterliegen, aber nur ein
Rücktrittsgrund ist sachlich nicht gerechtfertigt i. S. v. § 308 Nr. 3 BGB. Hier kann von einer
Teilung der Klausel durchaus gesprochen werden, weil die Klausel in ihrer Ausgangsfassung
den Inhalt mehrerer Rücktrittsgründe sprachlich zusammenfasst und damit tatsächlich
mehrere „Bestimmungen“ vorliegen. Das gleiche gilt, wenn eine Klausel ein
Zurückbehaltungsrecht unter Verstoß gegen § 309 Nr. 2 b BGB und ein nicht gegen § 309
Nr. 3 BGB verstoßendes Aufrechnungsrecht des Verwenders enthält. Auch hier könnte man
aus der sprachlich zusammengefassten Regelung zwei abgeschlossene aus sich heraus
verständliche Einzelklauseln formulieren und jeweils gesondert beurteilen.
Die Verbraucherverbände haben versucht, diesem Problem von Anfang an dadurch Rechnung
zu tragen, dass in Verbandsklagen der Verbotsantrag hinsichtlich des nicht beanstandeten und
damit für wirksam gehaltenen Teils in Klammern gesetzt wurde. Dieses Verfahren ist aber nur
in Bezug auf wirklich teilbare Klauseln einzuhalten, nicht in Bezug auf einzelne Wörter oder
Satzbestandteile, die aus sich heraus nicht verständlich sind wie im Beispiel zum
Verkehrswert in den AGB des Möbelhandels mit „höchstens 10 %“.
Der BGH ist in seiner Rechtsprechung wie dargestellt dem nicht gefolgt, sondern hat zum
Teil nur einzelne Wörter in einer sprachlich in sich geschlossenen und nicht teilbaren
Formulierung für unwirksam erklärt.
2. Ergänzende Vertragsauslegung
Die in § 6 Abs. 2 AGBG Anwendung der gesetzlichen Vorschriften des dispositiven Rechts
anstelle einer unwirksamen Klausel setzt voraus, dass das Vertragsrecht entsprechende
Regelungen bereithält. Das Problem stellte sich erstmals als Folge der Unwirksamkeit der
Tagespreisklausel. In seiner Entscheidung vom 07.10.1981 285 hatte der BGH (vgl. oben S.14)
die Tagespreisklausel in den Neuwagenverkaufsbedingungen für unwirksam erklärt, wonach
der am Tag der Lieferung gültige Preis des Verkäufers gelten sollte, wenn zwischen
Vertragsabschluss und vereinbarten Liefertermin mehr als vier Monate liegen. Die
Unwirksamkeit dieser Klausel hatten zahlreiche Kraftfahrzeugkäufer (insbesondere der Marke
Daimler-Benz) zum Anlass genommen, den bei Lieferung nach z. T. mehrjähriger Lieferzeit
bezahlten Mehrpreis als ungerechtfertigte Bereicherung zurückzufordern. Gegenstand der
284
BGH NJW 1982, 178; BGH NJW 1982, 3211; BGH NJW 1983, 1320, BGH NJW 1985, 623, BGH NJW
1984, 2687, BGH WM 1996, 1322; BGH WM 1997, 581; BGH WM 2005, 2153; BGH NJW 2003, 2899;BGH
ZIP 1986, 32.
285
BGH, Urteil v. 07.10.1981, VIII ZR 229 / 80, ZIP 1982, 71.
105
106
sogenannten zweiten Tagespreisklausel-Entscheidung des BGH 286 war die Forderung eines
Mercedeskäufers, der zweieinhalb Jahre nach seiner Bestellung bei der Auslieferung einen
um 3.250,00 DM erhöhten Kaufpreis gezahlt hatte. Der BGH hat den
Rückforderungsanspruch des Klägers scheitern lassen mit folgender Erwägung: Durch die
Regelung in § 6 Abs. 2 AGB werde für die Behandlung eines Vertrages nach Unwirksamkeit
von AGB-Klauseln die Anwendung des Gesetzesrechts vorgeschrieben. Dazu gehörten auch
die Regelungen zur ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 157, 133 BGB. Bei
Vertragsabschluss seien die Parteien übereinstimmend davon ausgegangen, dass wegen der
langen Lieferzeit nicht der Vertragspreis bis zur Auslieferung geltend könne. Dem Käufer sei
also bewusst gewesen, dass er ggf. einen höheren als den vertraglichen Preis zu zahlen habe.
Andererseits sei die Tagespreisklausel gerade deshalb unwirksam, weil dem Verkäufer nicht
gestattet werden könne, bei Auslieferung jeden nach seinem Belieben festzusetzenden Preis
zu verlangen. Davor müsse der Käufer bewahrt werden. Dieser Schutz könne erreicht
werden, wenn die Tagespreisklausel zwar in der bisherigen Form unwirksam sei, im Wege
der ergänzenden Vertragsauslegung aber die Vertragslücke so zu schließen sei, wie die
Vertragsparteien bei verständiger Würdigung ihres mutmaßlichen Willens von Anfang an bei
Kenntnis der Unwirksamkeit vereinbart hätten. Damit sei der Käufer darauf vorbereitet, bei
Auslieferung einen Preis zu bezahlen, der im Rahmen der Steigerung der allgemeinen
Lebenshaltungskosten höher sei als der Vertragspreis. Sollte sich der Tagespreis des
Verkäufers nicht in diesem Rahmen halten, so sei der Käufer nicht verpflichtet, einen höheren
Preis zu bezahlen und könne vom Vertrag zurücktreten.
Wenn auch im Schrifttum inzwischen die Zustimmung zur ergänzenden Vertragsauslegung
überwiegt, ist in Teilen diese Rechtsprechung in der Folgezeit vielfacher Kritik ausgesetzt
gewesen 287 . Die Kritik reicht von einer grundsätzlichen Ablehnung mit Hinweis auf die
faktische Normqualität von AGB und damit das Fehlen eines für die Vertragsauslegung
gemeinsamen Regelungsplanes bis hin zu dem Vorhalt, im Individualprozess letztlich doch
eine Geltung erhaltende Reduktion zu praktizieren und damit den Verwender vor den Folgen
der Unwirksamkeit einer AGB-Klausel zu bewahren 288 . So verständlich das Bemühen der
Rechtsprechung ist, die Totalnichtigkeit des Vertrages gemäß § 6 Abs. 3 AGBG (§ 306 Abs. 3
BGB) zu vermeiden, der Weg dahin ist nicht immer plausibel: Ergänzende Vertragsauslegung
zur Lückenfüllung in AGB-Verträgen setzt voraus, dass durch Unwirksamkeit oder
Nichteinbeziehung einer Klausel eine ausfüllungsbedürftige Lücke entsteht. Unklar ist aber,
wann eine Lücke ausfüllungsbedürftig ist 289 .
Einigkeit besteht darüber, dass eine ergänzende Vertragsauslegung nicht in Betracht kommt,
wenn mehrere gleichwertige Ergänzungen des Vertrages denkbar und möglich sind und das
Gericht eine dieser Möglichkeiten auszuwählen hätte 290 . Abgelehnt wird die ergänzende
286
BGH ZIP 1984, 330.
vgl. die Darstellung von Medicus in Heinrichs/Löwe/Ulmer, 10 Jahre AGB-Gesetz, S. 83, 94 und bei
Ulmer/Brandner/Hensen AGBG 6. Aufl., § 6 Rn 33 – 38.
288
Medicus a.a.O zitiert Schlosser in JURA 1984, 637, der vermutet, dass die Tagespreis II Entscheidung des
BGH der Daimler-Benz AG einen dreistelligen Millionen Betrag (DM) erspart haben dürfte.
289
Vgl. Rspr. zur Unwirksamkeit der Gewährleistungsbürgschaft „auf erstes Anfordern“ im Baurecht BGH WM
2002, 1976; BGH WM 2004, 1179; BGHZ 153, 311,316; abgelehnt von BGH WM 2002, 133; BGH WM 2005,
268; BGH WM 2005, 1188.
290
Locher AGBG, S. 57; Kötz MüKo AGBG § 6 Rnr 19; Basedow MüKo BGB § 306 Rn. 28;Trinkner BB 1983,
1876; derselbe BB 1984, 491.
287
106
107
Vertragsauslegung auch dann, wenn dem Verwender die Unangemessenheit der Klausel
bekannt oder für ihn doch voraussehbar war 291 .
XI. Zusammenfassung des 2. Kapitels
Die Ergebnisse der Rechtsprechung zeigen, dass es durchgehend gelungen ist, strittige
Rechtsprobleme einer höchstrichterlichen Klärung zuzuführen. Dabei werden AGB-Klauseln
grundsätzlich anhand der Generalklausel, früher § 9 AGBG, jetzt § 307 BGB, beurteilt.
Maßstab für die Beurteilung ist in vielen Entscheidungen formal der Gesichtspunkt von Treu
und Glauben, tatsächlich aber die jeweils geltende Rechtslage nach dem materiellem
Vertragsrecht, die auch gelten würde, wenn keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen
verwendet werden. Damit ist ein wichtiges Ziel des AGB-Gesetzes erreicht, nämlich die
Rückführung des Vertragsinhalts auf die gesetzlichen Bestimmungen.
Dieser Befund gilt mit zwei Ausnahmen. Klauseln, die Preisnebenabreden enthalten oder den
Leistungsinhalt modifizieren und für die insoweit keine gesetzlichen Regelungen als Maßstab
zur Verfügung stehen, werden einer Billigkeitskontrolle unterzogen, die im Kern auf den
Gesichtspunkt von Treu und Glauben zurückgeht. Beispiele hierfür sind die Preisklauseln im
Bankenbereich
und
Leistungsklauseln
im
Versicherungsbereich
(Wissenschaftlichkeitsklausel)
und
im
Bereich
der
Pauschalreisen
(Leistungsänderungsklausel).
Grenzen erreicht die Kontrollkompetenz in AGB-Verbandsklageverfahren, wenn es um
konkrete Zahlen geht. Nur ausnahmsweise gelingt die Prüfung einer Schadenspauschale
wegen der konkret genannten Höhe der Pauschale (Mahngebühr im Bankenbereich). In den
meisten Verfahren werden derartige Klauseln nicht wegen der Höhe der konkret geregelten
Pauschale beanstandet, sondern wegen nicht gesetzeskonformer Formalien (Stornopauschalen
im Reisebereich, Abnahmeverzugspauschalen im Möbelhandel). Im Übrigen werden
Zahlungsklauseln mit konkreten Euro- bzw. DM-Beträgen mit der Begründung für
unwirksam erklärt, der Verwender habe darauf dem Grunde nach keinen Anspruch
(Bearbeitung von Freistellungsaufträgen, Gebühr für Löschungsbewilligungen im
Bankenbereich, Gebühr für Pfändungsbearbeitung). Mit diesem Gesichtspunkt werden
umgekehrt Preisklauseln dann für wirksam erklärt, weil sie der Anwendung der
Inhaltskontrolle entzogen sind, wenn der Verwender dem Grunde nach einen Anspruch auf
Bezahlung geltend machen kann.
Der relativ früh entwickelte Grundsatz der unangemessenen Benachteiligung gemäß § 9
AGBG wegen Intransparenz hat im Laufe der Zeit an Bedeutung ständig zugenommen. Im
Bankenbereich sind unter Anwendung dieses Grundsatzes eine Reihe von Klauseln für
unwirksam erklärt worden (Wertstellung, Tilgungsverrechnung). Unter diesem Gesichtspunkt
werden auch Klauseln über Leistungsänderungen, Bedingungsanpassungen und
Urheberrechts- bzw. Datenschutzregelungen in den AGB der neuen Medien beanstandet.
Soweit die Rechtsprechung auf der Grundlage der Generalklausel branchenübergreifende
Standards geschaffen hat (Preisänderungen in Dauerschuldverhältnissen und Verträgen mit
291
Ulmer NJW 1981, 2031; Lindacher BB 1983, 158; Bunte NJW 1984, 1147; von Hippel BB 1985, 1631;
Schmidt in Ulmer u. a. AGB-Recht 10. Aufl. § 306 Rn 37.
107
108
Lieferfristen über vier Monate), wäre zu überlegen, diese Standards in Klauselverbote mit
oder ohne Wertungsmöglichkeiten in die §§ 308 oder 309 BGB zu übernehmen. Damit könnte
zum einem erreicht werden, dass die Verbindlichkeit dieser Standards gesetzlich festgelegt
wird und zum anderen die Rechtssicherheit für AGB-Verwender erhöht wird. Mit einem
solchem Transformationsmechanismus wird zugleich verhindert, dass die Klauselverbote
ohne Wertungsmöglichkeit im Laufe der Zeit leer laufen, weil deren Vorgaben weitgehend
beachtet werden. Es ist bereits jetzt aus der Studie zu erkennen, dass in der Anfangsphase der
Klageverfahren im Bereich AGB des Kraftfahrzeughandels und des Möbelhandels, die
Klauseln häufiger wegen Verstoßes gegen §§ 10 oder 11 AGBG untersagt wurden, als in den
zeitlich späteren Verfahren wegen der AGB von Banken und Versicherungen.
Zu den interessanten Phänomenen der Verbandsklageverfahren gehört die Beobachtung, dass
nicht immer Klauseln an das Gesetzesrecht angepasst werden, sondern die gesetzlichen
Grundlagen nach dem Ergebnis von Verbandsklageverfahren gestaltet werden. Beispiele
hierfür sind die Laufzeitklauseln im Versicherungsbereich und die Vorkasseklauseln im
Pauschalreisebereich. Die generelle Ablehnung der geltungserhaltenden Reduktion hat sich
weitgehend durchgesetzt, wird aber durch die von der Rechtsprechung, insbesondere durch
die des BGH praktizierte Beurteilung zur Teilbarkeit von Klauseln teilweise wieder
zurückgenommen. Für die Praxis der Verbandsklage ist dies solange ohne Auswirkung, wie
den Entscheidungen die Reichweite der Untersagung einer Klausel, eines Klauselteils oder
eines Teilinhalts zu entnehmen ist. Dies führt gegebenenfalls zu einer gewissen
Unkalkulierbarkeit des Prozesskostenrisikos, wenn wegen eines zu weitgehenden
Klageantrags in Bezug auf den Klauseltext eine Teilabweisung erfolgt.
3. Kapitel: Von der AGB-Verbandsklage zum Unterlassungsklagengesetz
I. Novellierungen des Verfahrensrechts
Mit der Übernahme der materiellrechtlichen Bestimmungen des AGB-Gesetzes in das BGB
im Zuge der Schuldrechtsreform musste für die verfahrensrechtlichen Bestimmungen des
AGB-Gesetzes, die nicht in das BGB passen, eine neue Gesetzesform gefunden werden. Von
einer Übernahme in die ZPO hat der Gesetzgeber Abstand genommen im Hinblick auf die
Besonderheiten
des
Verbandsklageverfahrens.
Stattdessen
wurde
mit
dem
292
(UKlaG) eine neue verfahrensrechtliche Kodifikation
Unterlassungsklagengesetz
geschaffen, die am 01.01.2002 in Kraft getreten ist. Die damit verbundenen Änderungen
gegenüber dem vorherigen Rechtszustand sind im AGB-Bereich allerdings gering.
Weggefallen ist die Verjährungsvorschrift des § 13 Abs. 4 AGBG und die Vorschrift zum
Verfahrensregister in § 20 AGBG 293 .
Für die Reform der AGB-Verbandsklage wesentlicher war die Novelle vom 27.06.2000 294 zur
Umsetzung der Richtlinie 98/27/EG über missbräuchliche Klauseln. Mit dieser Reform wurde
die Grundlage der Klagebefugnis gemäß § 13 AGBG verändert und die Einführung der
Verbandsklagebefugnis bei verbraucherschutzwidrigen Vertragspraktiken eingeführt. Weitere
Änderungen betrafen die Erleichterung der Voraussetzungen für den Erlass einstweiliger
Verfügungen und die Möglichkeit einer Streitwertherabsetzung, wie sie bereits das UWG
kennt.
292
SMG Art. 9.
Heidemann-Peuser in v. Westphalen u. a. , Das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz.
294
Gesetz über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts in BGBl. 2000 I S. 897.
293
108
109
II. Klagebefugnis
Mit der der Verbandklage in § 13 AGBG wurde nach Erweiterung der Klagebefugnis in § 13
UWG im Jahre 1965 ein weiteres Mal für Verbraucherverbände die Möglichkeit eines
rechtsförmigen Verfahrens zur Prüfung und Kontrolle von Rechtsverletzungen zum Nachteil
von Verbrauchern eröffnet. Das Verbandsklagemodell des UWG- Modells wurde allerdings
in wesentlichen Punkten modifiziert. Während die Klagebefugnis in der 1976 geltenden
Fassung des UWG lediglich eine verbandsorganisatorische Struktur als Verbraucherverband
voraussetzte, wurde das Klagerecht in § 13 Abs. 2 Nr. 1 AGBG an die zusätzliche
Voraussetzung geknüpft, dass die Verbände, entweder 75 natürliche Personen oder andere
Verbraucherverbände als Mitglieder haben. Diese Verschärfung war einer angeblich
missbräuchlichen Klagetätigkeit von Abmahnvereinen im Wettbewerbsrecht geschuldet, die
sich in AGB-Kontrollverfahren nicht wiederholen sollte. In kritischen Stellungnahmen war
schon frühzeitig darauf hingewiesen worden, dass diese Beschränkungen der Effizienz der
Verbandsklage nicht förderlich sind295 .
Diese Frage ist durch die in der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln verankerte
Registrierung klagebefugter Verbände nicht erledigt. Mit der erstmals in § 13 Abs. 2 AGBG
in der vom 13. Juni bis 31. Dezember 2001 296 geltenden Fassung geregelten Klagebefugnis,
wird der Anspruch auf Unterlassung und Widerruf von unzulässigen AGB „qualifizierten
Einrichtungen“ übertragen, die nachweisen können, dass sie in die Liste qualifizierter
Einrichtungen oder das Verzeichnis der Kommission der Europäischen Gemeinschaft nach
Art. 4 der Richtlinie 98/27/EG eingetragen sind. Betroffen davon sind nur
Verbraucherverbände, nicht Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen, die keiner
Registrierpflicht unterliegen. Damit wird eine behördliche Kontrolle der Klagebefugnis von
Verbraucherverbänden
durch
das
Bundesverwaltungsamt
eingeführt.
Das
Bundesverwaltungsamt führt die Liste der qualifizierten Einrichtungen. Entscheidungen über
die Eintragungen erfolgen gemäß § 22 a Abs. 3 AGBG (Fassung 2000) durch Bescheid. Das
Bundesverwaltungsamt steht gemäß § 22 a Abs. 5 AGBG unter der Fachaufsicht des
Bundesministeriums der Justiz. Gleichsam zur doppelten Sicherung gegen Missbräuche hat
der Gesetzgeber in § 22 Abs. 4 AGBG (Fassung 2000) noch eine dem § 8 Abs. 4 UWG
entsprechende Regelung eingeführt. Unverändert geblieben ist aber die Mitgliedschaft von
entweder 75 natürlichen Personen oder anderer Verbraucherverbände.
Die Klagebefugnis der Verbraucherzentralen, des Verbraucherschutzvereins und des VZBV
war durch die unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen zu keiner Zeit gefährdet. Für die
Klagebefugnis der Verbraucherzentralen und des VZBV, die mit öffentlichen Mitteln
gefördert werden, besteht gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 UKlaG eine unwiderlegliche Vermutung. Die
Klagebefugnis der Verbraucherzentralen und des VZBV wird solange unwiderleglich
vermutet, wie nicht ihre öffentliche Förderung vollständig gestrichen wird 297 . Ob die
Erzielung von Eigeneinnahmen und der damit verbundene teilweise Wegfall der öffentlichen
Finanzierung die unwiderlegliche Vermutung als Eintragungsvoraussetzungen gefährdet, ist
unsicher. Eine nur geringe öffentliche Finanzierung bei im Übrigen auf Einnahmeerzielung
ausgerichteter Tätigkeit dürfte der Vermutung entgegenstehen 298 .
295
Gerlach MüKo 1. Aufl. vor § 13 Rnr .15 , Axmann, Die praktische Bedeutung und Effizienz der
Verbandsklage nach § 13 AGBG, 1984, S. 104.
296
BGBl. I 2000, S. 946.
297
Micklitz MüKo § 24 Rn 24.
298
a.A. Micklitz a.a.O.
109
110
In diesem Zusammenhang stellt sich für die mit öffentlichen Mitteln geförderten
Verbraucherorganisationen eine weitere Frage: Lässt sich aus der EG-Richtlinie über
missbräuchliche Klauseln die Verpflichtung für den deutschen Gesetzgeber ableiten, für ein
effektives Kontrollinstrument Sorge zu tragen mit der weiteren Verpflichtung, die
Einrichtung und Finanzierung qualifizierter Einrichtungen sicherzustellen?
Mit Einführung des § 22 a AGB-Gesetz, der unverändert in § 4 UKlaG übernommen wurde,
ist die Überprüfung der Klagebefugnis nicht mehr (primär) Sache der Zivilgerichte, sondern
des Bundesverwaltungsamtes. Gegen Entscheidungen des Bundesverwaltungsamtes ist der
Verwaltungsrechtsweg
eröffnet.
Die
Zivilgerichte
sind
im
Rahmen
von
Verbandsklageverfahren nur gehalten, einen Nachweis des Klägers über die Eintragung in die
Liste qualifizierter Einrichtungen zu überprüfen. Ergeben sich in einem Rechtsstreit
begründete Zweifel an dem Vorliegen der Eintragungsvoraussetzungen bei einer
eingetragenen Einrichtung, so kann das Gericht gemäß § 4 Abs. 4 UKlaG das Bundesamt für
Justiz (vorher Bundesverwaltungsamt) zur Überprüfung der Eintragung auffordern und die
Verhandlung bis zu dessen Entscheidung aussetzen.
Die beim Bundesamt für Justiz geführte Liste klagebefugter Einrichtungen wird gemäß § 4
Abs. 1 Satz 2 UKlaG mit dem Stand zum ersten Januar eines jeden Jahres im Bundesanzeiger
bekannt gemacht und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften unter Hinweis auf
Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 98/27 EG über Unterlassungsklagen zum Schutze der
Verbraucherinteressen 299 zugeleitet. Damit soll sichergestellt werden, dass die Klagebefugnis
europaweit anerkannt werden kann. Der mit der Richtlinie 93/13 beabsichtigte Zweck,
grenzüberschreitende Kontrollverfahren zur Unterbindung verbrauchergesetzwidriger
Praktiken und unzulässiger AGB zu untersagen, war zunächst mit der in Art. 4 Abs. 2 der
Richtlinie 98/27 EG statuierten Berichtspflicht über Namen und Zweck der qualifizierten
Einrichtung an die EG-Kommission bezweckt worden. Inzwischen hat der Gesetzgeber in § 4
a UKlaG den Unterlassungsanspruch qualifizierter Einrichtungen auf innergemeinschaftliche
Verstöße erweitert. Damit sollte die von Teilen der Rechtsprechung bezweifelte
Klagebefugnis deutscher Verbraucherverbände unter Anwendung ausländischen Rechts
korrigiert werden 300 . Die Klagebefugten können nunmehr Unterlassungsansprüche bei
innergemeinschaftlichen Verstößen gegen Verbraucher schützende Gesetze geltend machen.
Das Kammergericht hat unter Anwendung von § 4 a UKlaG die Klagebefugnis des VZBV in
dem Verfahren gegen Air Baltic (vgl. oben Seite 109) nicht in Frage gestellt, ist dann aber
nach den allgemeinen Regeln des internationalen Privatrechts zur Anwendung deutschen
Rechts gelangt, so dass sich die Klagebefugnis direkt aus § 3 UKlaG ergibt.
III. Abmahnung / Wegfall der Wiederholungsgefahr / Vertragsstrafe
Eine Abmahnung war ursprünglich weder im UWG noch im AGBG als Voraussetzung einer
Klage gesetzlich geregelt. Im Wettbewerbsrecht 301 diente die Abmahnung zur Vermeidung
von Prozesskostenrisiken. Der Kläger einer Unterlassungsklage muss damit rechnen, dass ihm
gemäß § 93 ZPO die Verfahrenskosten auferlegt werden, wenn der Beklagte den Anspruch
sofort anerkennt und keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat. Mit einer
außergerichtlichen Abmahnung soll diesem Kostenrisiko vorgebeugt werden. Nach dem
Modell der UWG-Verbandsklage und aus den gleichen sachlichen Gründen wie dort ist das
299
ABl.EG Nr L 166, S 51.
Micklitz MüKo UKlaG , § 4 a Rn 2.
301
Pastor, Der Wettbewerbsprozess; Baumbach/Hefermehl, UWG.
300
110
111
Institut der Abmahnung auch in das Verfahren gegen unzulässige AGB-Klauseln
übernommen worden.
Inzwischen hat das Institut der Abmahnung mehrfach eine gesetzliche Regelung erfahren. Die
Novelle 2004 des UWG 302 enthält in § 12 Abs. 1 die Empfehlung, dass die zur
Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs Berechtigten den Schuldner vor Einleitung
eines gerichtlichen Verfahrens abmahnen und ihm Gelegenheit geben sollen, den Streit durch
Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungserklärung
beizulegen. Korrespondierend hiermit wurde den Unterlassungsverpflichteten in § 12 Abs. 1.
S. 2 UWG die Verpflichtung auferlegt, dem Abmahnenden, die für die Abmahnung
erforderlichen Aufwendungen zu ersetzen. In welcher Höhe dieser Aufwendungsersatz
verlangt werden kann, ist bisher unsicher 303 . Die Richtlinie über grenzüberschreitende
Unterlassungsklagen 304 empfiehlt den Mitgliedsstaaten in Artikel 5 ebenfalls, den
Gerichtsverfahren ein gesondertes Verfahren vorzuschalten 305 . Mit der Verweisung in § 5
UKlaG auf die Anwendung des § 12 Abs. 1, 2 und 4 UWG hat der deutsche Gesetzgeber die
Empfehlung aus der Unterlassungsklagenrichtlinie aufgegriffen und die Abmahnung für das
AGB-Verbandsklageverfahren
übernommen.
Die
Verbraucherzentralen,
der
Verbraucherschutzverein und der VZBV haben von Anfang an die Unwirksamkeit von
Klauseln gegenüber AGB- Verwendern und Empfehlern grundsätzlich und – soweit bekannt
– ausnahmslos in Form einer außergerichtlichen Abmahnung beanstandet und zur Abgabe
einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert. Nach den veröffentlichten
Statistiken 306 wurden und werden die weitaus meisten Beanstandungen außergerichtlich
durch Abgabe einer Unterlassungserklärung erledigt.
Mit einer strafbewehrten Unterlassungserklärung wird die Wiederholungsgefahr als
materiellrechtliche Voraussetzung für eine Unterlassungsklage ausgeräumt. Umgekehrt
besteht die Wiederholungsgefahr bis zur Abgabe einer Unterlassungserklärung fort. Von
diesem Grundsatz hat der BGH lediglich eine Ausnahme zugelassen: Auch ohne Abgabe der
Unterlassungserklärung entfällt die Wiederholungsgefahr, wenn der Verwender von Anfang
an die Berechtigung der Beanstandungen nicht bestreitet und seinen Vertragspartnern
ausdrücklich mitteilt, er werde aus den unzulässigen Klauseln keine Rechte mehr herleiten 307 .
Gesetzliche Vorgaben zu Inhalt und Form einer Abmahnung oder Unterlassungserklärung
bestehen nicht. Da die Unterlassungserklärung die einem Urteil im Verbandklageverfahren
entsprechende Wirkung entfalten soll, ist der Inhalt der Unterlassungserklärung an §§ 9, 11
UKlaG auszurichten. Dementsprechend gelten für den Inhalt der Abmahnung die Vorgaben
aus § 8 UKlaG für den Klageantrag.
IV. Einstweilige Verfügung
Zu den frühen Kontroversen in Bezug auf die Verbandsklageverfahren des AGB-Gesetzes
gehört die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen einstweilige Verfügungen
gemäß §§ 935, 940 ZPO zur Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs zulässig sind. Die
Kontroverse hat ihren Ursprung in einer Kehrtwendung des Gesetzgebers. Mit der Übernahme
302
Gesetz vom 03.04.2004, BGBl. I S. 1414.
Das LG Flensburg – 6O 134/07- hat am 03.03.2008 200 € des VZBV als zulässig angesehen.
304
Richtlinie 98/27/EG ABl. Nr. L 166, S. 51 f. vom 19.05.1998.
305
Micklitz/Rott in Grabitz/Hilf/Wolf, A25 Art. 5 Rn 10.
306
Vgl. Jahresberichte des VSV 1978 bis 2000; des VZBV 2000 bis 2006 und Micklitz MüKo vor § 1 Rn 33.
307
BGH NJW 1981, 2412 BB 1982 , 703.
303
111
112
des Verbandsklagemodells aus dem UWG hätte es nahe gelegen, eine dem § 25 UWG (a. F.)
entsprechende Regelung
in das AGB- Verfahren aufzunehmen. Danach wird für
Unterlassungsansprüche im Wettbewerbsrecht die für einstweilige Verfügungen gemäß §§
935, 940 ZPO erforderliche Dringlichkeit vermutet und entfällt allenfalls, wenn der
anspruchsberechtigte Antragsteller zwischen Kenntnis des Wettbewerbsverstoß und
Antragstellung im Verfügungsverfahren längere Zeit abwartet.
Im Teilbericht II 308 der Arbeitsgruppe des Bundesjustizministers war eine dem § 25 UWG
entsprechende Vorschrift zur Erleichterung der Voraussetzungen für die Durchführung
einstweiliger Verfügungsverfahren vorgesehen. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung
wurde diese Vorschrift allerdings nicht übernommen, was den Bundesrat zur Anrufung des
Vermittlungsausschusses 309 veranlasste, jedoch ohne Erfolg.
Nach Einführung des AGB-Gesetzes wurde die Zulässigkeit einstweiliger Verfügungen in
Verfahren nach § 13 Abs. 2 AGBG uneinheitlich beurteilt. Die Befürworter sahen den Nutzen
einstweiliger Verfügungen vor allem in der raschen Durchsetzung einer Unterlassung
eindeutig unwirksamer Klauseln und damit einer breiten wirksamen Durchsetzung
höchstrichterlich als unwirksam festgestellter Klauseln 310 . Die Gegner verwiesen vor allem
darauf, dass eine dem § 25 UWG entsprechende Regelung im AGB-Gesetz nicht verwirklicht
worden sei und das die Wirkungen des § 21 AGBG nur durch ein Urteil im Klageverfahren
nicht aber durch Entscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahren herbeizuführen seien.
In der Rechtsprechung waren die jeweiligen Instanzen gegenteiliger Ansicht. Während die
Landgerichte in zahlreichen Verfahren die für den Erlass einer einstweiligen Verfügung
erforderliche
Dringlichkeit
allein
aus
der
Verwendung
von
Allgemeinen
Geschäftsbedingungen und dem Interesse des Anspruchsberechtigten an möglichst rascher
Untersagung als gegeben ansehen 311 , sind die Oberlandesgerichte dieser Rechtsprechung
nahezu durchgehend nicht gefolgt und haben Anträge auf einstweilige Verfügung
abgewiesen 312 . Soweit ersichtlich hat lediglich das OLG Hamburg mit Urteil vom
10.06.1981 313 in einem einstweiligen Verfügungsverfahren
der Verbraucherzentrale
Hamburg gegen einen Reiseveranstalter eine Stornopauschale für unwirksam erklärt. Zur
Begründung verweisen die Oberlandesgerichte darauf, dass zwar auch in
Verbandsklageverfahren nach § 13 AGBG einstweilige Verfügungen zulässig seien. Die
Dringlichkeit als Verfügungsgrund gemäß §§ 935, 940 ZPO werde jedoch nicht vermutet,
weil eine dem § 25 entsprechende Regelung im AGBG nicht besteht. Die Dringlichkeit könne
auch nicht aus der Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen generell begründet
werden, sondern sei für jeden einzelnen Gesetzesverstoß vom Antragsteller nachzuweisen.
Damit haben die Oberlandesgerichte die Hürden für die Durchführung einstweiliger
Verfügungsverfahren zur Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs bei AGB-Verstößen so
hoch gelegt, dass die Verbraucherverbände in der Folgezeit von diesem Instrument keinen
Gebrauch mehr gemacht haben.
308
Teilbericht II S. 57.
BT Drucks. 7/ 3919 S. 47 ff.
310
Ulmer/Brandner/Hensen AGBG 3. und folgende Auflagen ab 1982 , § 15 Rnr 13 u. 14; Löwe u. a. AGBG 1.
Auflage 1977, § 15 Rn 19.
311
LG Bremen vom 04.11.1987 – 1 O 2981/ 1987; LG Frankfurt/Main vom 25.08.1987 – 2 / 13 O 299/87 NJW
1988, 499; LG Koblenz vom 23.01.1986 - 3 HO 14 /86, LG Bamberg vom 04.09.1985 – 1 O 256 /; LG
Frankfurt /Main vom 20.08.1985 - 2/ 13 O 275/85; LG Düsseldorf vom 08.05.1985 – 12 O 163/ 85.
312
OLG Hamm vom 06.02.1986 – 17 U 201/85; OLG Frankfurt/Main vom 27.09.1988 – 6 W 98/88 NJW 1989,
1489; OLG Düsseldorf vom 29.12.1988- 6 U 206/88 BB 1989, 1078; KG vom 09.03.1988 – 23 W 1114/ 88.
313
OLG Hamburg vom 10.06.1981 – 5 U 78/81 – in NJW 1981, 2420.
309
112
113
Eine Änderung dieser Rechtslage
ist ein weiteres Mal auf den Einfluss des
Gemeinschaftsrechts zurückzuführen. In Art. 2 Abs. 1 b der Richtlinie 98/27/ EG zur
grenzüberschreitenden Verbandsklage
wurde
ausdrücklich geregelt, dass zu den
Unterlassungsklagen auch diejenigen Rechtsbehelfe gehören, die im Rahmen eines
Dringlichkeitsverfahren dazu dienen, einen Rechtsverstoß einzustellen oder zu verbieten. Der
Gesetzgeber
hat mit der Novelle des AGB-Gesetzes aus dem Jahre 2000 diese
gemeinschaftsrechtliche Vorgabe mit einem Verweis auf die Anwendung des §§ 25 UWG in
§ 15 Abs. 1 AGBG reagiert. Inzwischen finden sich die entsprechenden Regelungen in § 5
UKlaG, der auf § 12 Abs. 2 UWG verweist. Ob die geänderte Gesetzeslage seit dem Jahre
2000 eine spürbare Zunahme von einstweiligen Verfügungen in AGB Unterlassungsverfahren
bewirkt hat, ist bisher nicht festzustellen.
V. Zusammenfassung des 3. Kapitels
Mit den Novellierungen der verfahrensrechtlichen Bestimmungen des AGB-Gesetzes und mit
der Schaffung des UKlaG sind inzwischen eine Reihe von ursprünglich vorhandenen
Defiziten des Kontrollverfahrens behoben worden. Dies betrifft die gesetzliche Regelung der
Abmahnung und damit der Unterlassungserklärung als Voraussetzung für den Wegfall der
Wiederholungsgefahr. Dazu gehört auch die Vereinfachung der Einleitung von einstweiligen
Verfügungsverfahren und die Begrenzung des Prozesskostenrisikos durch die Einführung der
Streitwertbegünstigung in § 5 UKlaG. Zu den Defiziten gehören der Wegfall des
Informationssystems gemäß § 20 AGBG ohne angemessenen Ersatz und die begrenzte
Breitenwirkung selbst höchstrichterlicher Entscheidungen. Nachteilig ist auch, dass ein
Verfahren zur Folgenbeseitigung und damit zum Ausgleich von Ansprüchen der durch
unwirksame AGB-Klauseln benachteiligten Verbraucher bisher nicht geschaffen wurde.
Zwar ist die ursprünglich in § 21 AGBG geregelte Drittwirkung auch in § 11 UKlaG
übernommen worden. Eine Ausweitung dieser Drittwirkung etwa dahin, dass sich auch
Vertragspartner anderer als des verurteilten Verwenders auf die gerichtlich festgestellte
Unwirksamkeit einer Klausel berufen können oder gar dahin, dass der verurteilte Verwender
verpflichtet wird, seine Vertragspartner so zu stellen, als wäre die unwirksame Klausel nicht
Vertragsbestandteil geworden, wurde nicht eingeführt. Ob und inwieweit die Vorschriften
über die Zuständigkeit deutscher Verbraucherverbände zur Einleitung von
Unterlassungsverfahren bei grenzüberschreitender Verwendung von Allgemeinen
Geschäftsbedingungen ausreichend sind, bleibt abzuwarten. Mit der Einführung von § 4a
UKlaG durch das Gesetz zur Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze bei
innergemeinschaftlichen Verstößen 314 hat der Gesetzgeber auf der Grundlage der Verordnung
2006/2004 EG einen ersten Schritt in diese Richtung getan. Die Notwendigkeit die
Kontrollkompetenz der klagebefugten Verbände, insbesondere der Verbraucherverbände in
diese Richtung zu erweitern, ist bereits abzulesen an den Verfahren zu den Bedingungen der
Fluggesellschaften und der Anbieter von Internetdienstleistungen. Sie wird in Zukunft noch
verstärkte Bedeutung erlangen.
4. Kapitel: Ausblick und Perspektiven
Die Geschichte des AGB-Gesetzes geht weiter. Die Verbandsklageaktivitäten der
Verbraucherzentralen und des VZBV in den letzten Jahren zeigen, dass die Notwendigkeit
gerichtlicher Überprüfung von AGB-Klauseln in vielen sensiblen Verbraucherbereichen eher
314
BGBl. I, S. 3367.
113
114
zugenommen hat. Zu diesen sensiblen Bereichen gehören u. a. die Energieversorgung, der
Gesundheitsbereich, der Finanzdienstleistungsbereich und der Bereich Bauen und Wohnen.
Es handelt sich um Bereiche, in denen fraglich ist, ob Verbraucher nachteiligen AGB durch
Anbieterwechsel überhaupt entgehen können. Umso wichtiger ist die gezielte
Inhaltskontrolle anhand der von der Rechtsprechung in den letzten 30 Jahren entwickelten
Maßstäbe zur Inhaltkontrolle.
1. AGB der Energieversorger Elektrizität, Gas , Wasser
Die Musterverfahren zu Preiserhöhungen der Gasversorgungsunternehmen, die von mehreren
Verbraucherzentralen geführt werden, sind durchweg erfolgreich. Das Hanseatische
Oberlandesgericht in Bremen hat mit Urteil vom 16.11.2007 315 in einer von der
Verbraucherzentrale Bremen organisierten Sammelklage festgestellt, dass die
Preiserhöhungen des örtlichen Gasversorgungsunternehmens zwischen dem 01.10.2004 und
dem 30.09.2006 ohne vertragliche Grundlage vorgenommen wurden und deshalb unzulässig
sind. Der beklagte Gasversorger hatte sich auf eine Preiserhöhungsklausel in seinen AGB zur
Begründung für die Zulässigkeit der von ihm verlangten Preiserhöhung berufen. In der
dagegen von den Gasvertragskunden als Sonderabnehmer in Form einer Sammelklage von 59
Erdgaskunden erhobenen Feststellungsverfahren hatte bereits das Landgericht Bremen im
Mai 2006 316 die Unwirksamkeit der Preisänderungsklauseln festgestellt und der Klage
stattgegeben. Die Feststellung der Unwirksamkeit bezog sich auf unterschiedliche Fassungen
von Preiserhöhungsklauseln, die die Beklagte zwischen 1990 und 2002 mehrfach geändert
hatte. Das OLG Bremen bestätigt diese Entscheidung und begründet die Unwirksamkeit der
Klauseln damit, dass sie entgegen den Geboten von Treu und Glauben den Vertragspartner
des Gasunternehmens unangemessen benachteiligen (§ 307 Abs. 1 BGB). Die Kläger könnten
den Umfang der auf sie zukommenden Preissteigerungen aus den Formulierungen der
Preisänderungsklausel nicht erkennen. Den von der Beklagten verwendeten Klauseln fehle es
an einer hinreichend klaren und nachvollziehbaren Beschreibung der für eine Preiserhöhung
maßgeblichen Bezugsfaktoren und deren Gewichtung für die Kalkulation des Gaspreises.
Eine Preisänderung im Wege der einseitigen Leistungsbestimmung durch die Beklagte gemäß
§ 4 Abs. 1 und 2 ABVGasV bzw. § 315 BGB komme ebenfalls nicht in Betracht.
Daraus folge, dass den Verträgen eine wirksame Vereinbarung über die Preisanpassung fehle.
Besonders bemerkenswert ist an dieser Entscheidung, dass das OLG Bremen auch eine
Preiserhöhung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nicht vornimmt 317 . Es fehle zwar
für Gaspreiserhöhungen an einer dispositiven gesetzlichen Regelung, die anstelle der
unwirksamen Preisänderungsklauseln treten könnte. Für eine ergänzende Vertragsauslegung
im Sinne der Rechtsprechung der BGH fehle aber der objektiv generalisierende Maßstab
dafür, welche Regelungen die Parteien getroffen hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der
Klausel bei Vertragsabschluss bekannt gewesen wäre. Da sich das beklagte
Gasversorgungsunternehmen in dem Verfahren geweigert hat, seine Kalkulation zur
Begründung der Preisänderung vorzulegen, fehle es auch an den erforderlichen
Anknüpfungstatsachen, um im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eine Preisänderung
zu ermitteln, die den Interessen beider Parteien entspricht. Der ersatzlose Wegfall der
angefochtenen Klauseln führe nicht zu derart unbilligen Vorteilen der Kläger, die das
Vertragsgefüge in nicht mehr vertretbarer Weise einseitig zu Lasten der Beklagten verschiebe.
Die Beklagte habe die Möglichkeit, das Vertragsverhältnis mit einer Frist von drei Monaten
vor Ablauf der jeweiligen Laufzeit zu kündigen und Verträge mit wirksamen Klauseln
315
OLG Bremen vom 16.11.2007 – 5 U 42/06 BeckRS 2007 19172.
LG Bremen vom 24.05.2006- 8 O 1065/05 LSK 2006, 310458.
317
dazu Halfmeier VUR 2006, 417 / 418.
316
114
115
abzuschließen. Aus diesem Grund scheidet auch eine Gesamtnichtigkeit der Verträge gemäß §
306 Abs. 3 BGB aus.
Diese Rechtsprechung hat sich noch nicht durchgesetzt. Das OLG Celle 318 hat mit Urteil vom
Januar 2008 in einem Verbandsklageverfahren der Verbraucherzentrale Bremen, die
Preiserhöhungsklauseln eines weiteren kommunalen Gasversorgers für wirksam erklärt. Die
Klausel unterscheidet sich allerdings von den Preisänderungsklauseln im Verfahren vor dem
OLG Bremen dadurch, dass sie ein Kündigungsrecht zugunsten der Abnehmer für den Fall
einer Preiserhöhung vorsieht. Beide Entscheidungen sind nicht rechtskräftig.
Beim Kammergericht in Berlin ist eine Klage, organisiert von der VZ Berlin, anhängig, in
einem Verfahren, in dem bereits das Landgericht Berlin die Preiserhöhungsklausel in den
Vertragsbedingungen für Sonderkunden für unwirksam erklärt hatte.
Der BGH hat in dem Sammelklageverfahren, das die Verbraucherzentrale Sachsen
organisiert hat, mit Urteil vom 29. April 2008 319 , die Preiserhöhung des beklagten
Gasversorgungsunternehmens zwischen Juli 2005 und April 2006 für unzulässig erklärt. Die
in diesen AGB enthaltene Preiserhöhungsklausel ist nach Auffassung des Kartellsenats des
BGHs als Verstoß gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam. Bei Anwendung der
kundenfeindlichsten Auslegung berechtige die Klausel die Beklagte zwar zur Preiserhöhung,
verpflichte sie aber nicht, bei einem veränderten Gaseinkaufspreis den Lieferpreis
anzupassen. Damit sei die Beklagte nicht verpflichtet, die Bezugspreise ihrer
Sonderabnehmer, nach gleichmäßigen Maßstäben zu bestimmten Zeitpunkten an den
Einstandspreis anzupassen, unabhängig davon, in welcher Richtung sich der Einstandspreis ab
Vertragsschluss oder seit der letzten Preisanpassung entwickelt habe.
Dass diese Entscheidungspraxis nicht auf Preiserhöhungen in Gasbezugsverträgen beschränkt
bleibt, ist der Entscheidung des OLG Schleswig vom 15.11.2007 320 in dem Verfahren des
VZBV gegen Eon-Hanse AG zu entnehmen. Darin wird die Preiserhöhungsklausel in
Stromlieferverträgen für Elektrospeicherheizungen als Verstoß gegen § 307 Abs. 1 BGB für
unwirksam erklärt. Mit der Klausel hatte sich die Beklagte das Recht vorbehalten, die Preise
anzupassen, sofern sich die Kosten für die Beschaffung und Verteilung der elektrischen
Energie ändern. Das OLG Schleswig erklärt auch eine andere Fassung der
Preisänderungsklausel für unwirksam, mit der sich die Beklagte das Recht vorbehält, den
Strompreis zu erhöhen oder zu ermäßigen, wenn nach Vertragsabschluss erlassene Gesetze
oder sonstige behördliche Maßnahmen, die Wirkung haben, dass die Erzeugung, der Bezug,
die Fortleitung, die Verteilung oder die Abgabe von elektrischer Energie unmittelbar verteuert
oder verbilligt wird. Ob in Ansehung des BGH-Urteils vom 29.04.2008 zur Gaspreisklausel,
diese Klausel auch vor dem BGH keinen Bestand hätte, ist unsicher. Notwendig ist mithin zu
unterschiedlichen Klauselgestaltungen jeweils eine höchstrichterlicher Klärung.
Das Verfahren enthält einen weitergehenden Aspekt, weil es zeigt, dass nicht nur
Preisänderungsklauseln, sondern auch andere Regelungsbereiche in den Tarifbedingungen der
Energieversorger für Verträge mit Sonderkunden der Inhaltskontrolle nicht Stand halten.
Eine Leistungsänderungsklausel, in der sich Eon-Hanse das Recht vorbehält, bei sich
ändernden Belastungsverhältnissen in der Energiebeschaffung, die Heizstromleistung
anzupassen ist ebenfalls unzulässig (Verstoß gegen § 308 Nr. 4 BGB). Daraus ist zu
entnehmen, dass Klärungsbedarf in Bezug auf die AGB der Energieversorger auch
318
OLG Celle vom 17.01.2008 – 13 U 152/07 NJOZ 2008, 1466.
KZR 2 /07 d.
320
OLG Schleswig Beschluss vom 15.11.2007- 2 U 1 /07.
319
115
116
bezüglich anderer Klauseln besteht. Zu denken ist insbesondere an Freizeichnungsklauseln.
Ob sich die Rechtsprechung des BGH zu den Haftungsbestimmungen der AVBElt für
Verträge mit Tarifkunden 321 auch auf den Sonderkundenbereich übertragen lässt, ist nicht
sicher und bedarf näherer Prüfung.
Laufzeitklauseln dürften dagegen nach der hierzu ergangenen Rechtsprechung 322 keine
benachteiligenden Regelungen mehr enthalten.
Soweit § 310 Abs. 2 BGB die Anwendung der §§ 308 und 309 BGB auf Verträge der
Elektrizitäts-, Gas-, Fernwärme und Wasserversorgungsunternehmen mit Sonderabnehmern
ausschließt, soweit diese nicht zum Nachteil der Abnehmer von den entsprechenden
Verordnungen abweichen, ist daraus eine Beschränkung der Inhaltskontrolle nicht zu
befürchten. Zum einen ist die Anwendung von § 307 BGB nicht beschränkt und bleibt
anwendbar, wenn die Bedingungen von den AVBVO nicht abweichen. Dies folgt aus der
besonderen Vertragsbeziehung zwischen Unternehmen und Sonderkunden, auf die die
AVBVO nicht zugeschnitten sind. Zum anderen bleiben die §§ 308 und 309 BGB anwendbar,
soweit von den AVB zu Lasten der Tarifkunden abgewichen wird. In diesem Fall markieren
die AVBVO den vertragsrechtlichen Mindeststandard. Eine Überprüfung der AGB in
Verträgen mit Sonderabnehmern ist nach Liberalisierung des Energiemarktes 1998 im
Prüfspektrum der Verbraucherverbände.
2. AGB im Gesundheitsbereich
Im Gesundheitsbereich ist, soweit ersichtlich bisher die Wirksamkeit von Klauseln in
Allgemeinen Geschäftsbedingungen vor allem Gegenstand von Individualverfahren gewesen.
Zum Gesundheitsbereich gehören Verträge mit Ärzten über Privatleistungen, Chefarztverträge
und Krankenhausverträge. Die Rechtsprechung in Individualrechtsstreitigkeiten hat sich zur
Wirksamkeit einer Abtretungsklausel in einer Honorarvereinbarung, zur Abrechnung durch
eine ärztliche Abrechnungsstelle geäußert 323 und zum Honoraranspruch des Arztes für einen
vereinbarten aber vom Patienten nicht eingehaltenen Termin 324 sowie zu den
Krankenhausentgelten für Wahlleistungen 325 .
Dass aufgrund eines Pflegekostentarifs für Wahlleistungen
der Aufnahme- und
Entlassungstag voll zu bezahlen ist, unterliegt nach Auffassung des BGH nicht der
Inhaltskontrolle 326 und würde im Übrigen auch einer Inhaltskontrolle standhalten 327 .
Unzulässig ist dagegen, die zugunsten des Krankenhauses in AGB eröffnete Möglichkeit eine
Wahlleistungsvereinbarung jederzeit fristlos kündigen zu können 328 .
In Chefarztverträgen ist die Wirksamkeit sogenannter Vertreterklauseln umstritten 329 . Mit
derartigen Klauseln soll der Anspruch für das Chefarzthonorar auch dann fällig werden,
wenn die Leistung durch andere leitende Ärzte erbracht wird. Unwirksam dürfte eine
321
BGH NJW 2004, 2161; BGH NJW 2005, 2919.
BGH NJW 1987, 1622; OLG Hamm DB 1996, 2608; zur Kartellrechtlichen Kontrolle von Fernwärme AGB
nach § 22 GWB a. F.: BGH WM 1985, 490.
323
BGH NJW 1991, 2955; BGH NJW 1992, 2348.
324
AG Bremen, NJW –RR 1996, 818.
325
BGH NJW 1996, 781; BGH NJW 1998, 1778.
326
BGH NJW 1999, 864.
327
Wolf u. a. AGBG § 9 Rn K 23.
328
OLG Düsseldorf NJW- RR 1988, 884.
329
Schwabe ZRP 1987, 270; Kubis NJW 1989, 1512, Kramer NJW 1996, 2398, Kuhla NJW 2000, 841,
Miebach/Patt NJW 2000, 3377.
322
116
117
Vertreterklausel jedenfalls dann sein, wenn sie sich auf eine Vielzahl von Krankenhausärzten
als Vertreter bezieht, da das erhöhte Honorar für die persönliche Leistung des Chefarztes
geschuldet ist 330 . Klauseln über die Erfüllung der ärztlichen Aufklärungspflicht können als
unzulässige Tatsachenbestätigungen gegen § 309 Nr. 12 b BGB verstoßen. Zulässig ist
allenfalls eine gesonderte Bestätigung darüber, dass überhaupt ein Aufklärungsgespräch
stattgefunden hat 331 .
Das Recht des Patienten auf Einsicht in die Krankenunterlagen und auf Überlassung von
Kopien gemäß § 810 BGB kann durch AGB nicht beschränkt werden 332 .
Zu prüfen sind in den Krankenhausbedingungen insbesondere Haftungsbeschränkungen 333
auch für verwahrte Sachen des Patienten und für die ordnungsgemäße ärztliche und
pflegerische Leistung 334 .
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hat im Jahre 2003 die vierte Fassung ihrer
Allgemeinen Vertragsbedingungen für Krankenhäuser als Konditionenempfehlung
angemeldet 335 . AGB-rechtliche Fragen stellen sich im Hinblick auf die Entgeltabrechnung (§
5 AVB), die Vorauszahlungsklausel, die Obduktionsklausel (§ 12 AVB) und die Regelung der
Verbindlichkeit über die Hausordnung in § 14 AVB. Zweifelhaft ist auch, ob die Regelung in
§ 15 Abs. 4 AVB wirksam ist, wonach im Krankenhaus zurückgelassene Sachen (außer
Wertsachen) in das Eigentum des Krankenhauses übergehen, wenn sie nicht innerhalb von 12
Wochen nach Aufforderung abgeholt werden. Nicht zu beanstanden ist dagegen wohl die vom
BGH bereits gebilligte Klausel zum Haftungsausschluss, bei leichter Fahrlässigkeit für
Schäden an eingebrachten Sachen des Patienten, die in seiner Obhut verbleiben 336 . Dagegen
ist die Zahlungspflicht des Patienten, bei Nichtbestehen einer gesetzlichen
Krankenversicherung oder tatsächlicher Inanspruchnahme von Wahlleistungen zumindest
bedenklich, wenn hierüber nicht bei Aufnahme in das Krankenhaus bzw. bei
Inanspruchnahme der Wahlleistung ausdrücklich aufgeklärt wird.
Insgesamt besteht Prüfbedarf für die AGB in Krankenhaus- und Arztverträgen, die auch zum
Gegenstand von Verbandsklageverfahren gemacht werden können.
3. AGB für Finanzdienstleistungen
Im Bereich der Finanzdienstleistungen haben die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der
Banken und Versicherungen eine besondere Bedeutung für Verbraucher, weil sie einerseits
das Produkt beschreiben und andererseits die Rechte und Pflichten der Vertragspartner
festlegen. Die Bedeutung der Inhaltskontrolle durch AGB- Verbandslageverfahren in diesem
Bereich erschließt sich bereits aus dem im 2. Kapitel dargestellten Ergebnissen der
Rechtsprechung zu Versicherungs- und Bankbedingungen.
Zu den Allgemeinen Versicherungsbedingungen ist mit dem Wegfall des Erfordernisses einer
aufsichtsbehördlichen Genehmigung ab dem 29.07.1994 die nur für behördlich genehmigte
AGB gemäß § 23 Abs. 3 AGBG a. F. vorgesehene Vereinfachung der Einbeziehung in den
330
OLG Stuttgart, VUR 2002, 218; LG Konstanz VersR 2003, 867; LG Mosbach VersR 2003 ,870, AG
Tübingen RuS 2002, 434.
331
BGH NJW 1985, 1399.
332
Wasserburg NJW 1980,617.
333
BGH NJW 1990 , 761.
334
OLG Köln VersR 1989, 372, OLG Düsseldorf NJW –RR 1988, 884.
335
BAnz. 2003, 647.
336
BGH NJW 1990, 761.
117
118
Versicherungsvertrag gegenstandslos geworden. Die für Krankenversicherungen- und
Pflichtversicherungen gemäß § 5 Abs. 5 Nr. 1 VAG vorgesehene Verpflichtung zur
Einreichung
der
Versicherungsbedingungen
beim
Bundesaufsichtsamt
für
Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFinA) ist kein Genehmigungserfordernis bezogen auf die
Vertragsbedingungen. Die gerichtliche Inhaltskontrolle hat nach Wegfall der präventiven
Genehmigungspflicht eine noch größere Bedeutung gewonnen.
Eine zusätzliche Bedeutung erhält die Prüfung der Versicherungsbedingungen durch die
VVG-Reform 2008 337 . Das geänderte Versicherungsvertragsgesetz ist am 1. Januar 2008 in
Kraft getreten. Auf Altverträge, die bis zum Inkraftreten des Gesetzes abgeschlossen wurden,
ist im bis zum 31. Dezember 2008 das Versicherungsvertragsrecht in der früheren Fassung
anzuwenden. Entscheidend für die AGB-Kontrolle ist, dass die Versicherer bis zum 1. Januar
2009, die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für Altverträge mit Wirkung ab dem 1.
Januar 2009 ändern können, soweit sie von den Vorschriften des neuen
Versicherungsvertragsgesetzes 2008 abweichen (EG VVG Art. 1 Abs. 3). Die Änderungen
gelten dann mit Wirkung ab 1. Januar 2009. Sie sind unter Kenntlichmachung der
Unterschiede, spätestens einen Monat vor diesem Zeitpunkt dem Versicherungsnehmer in
Textform mitzuteilen. Das EG VVG regelt nicht die Rechtsfolgen einer unterbliebenen
Anpassung der AVB an die neue Rechtslage. Es ist davon auszugehen, dass Klauseln, die
nach dem 01.01.2009 nicht mit den neuen gesetzlichen Bestimmungen des VVG im Einklang
stehen, als Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam sind.
Einer gezielten Überprüfung bedürfen auch die Änderungen der Versicherer aus mehreren
Gründen:
Soweit das VVG 2008 ausfüllungsbedürftige Bestimmungen enthält, ist im Rahmen der
Inhaltskontrolle zu überprüfen, ob die geänderten AVB den gesetzlichen Rahmen einhalten.
Nicht auszuschließen ist auch, dass Versicherer über die mit Artikel 1 Abs. 3 EG VVG
eröffnete Befugnis zur einseitigen Änderung der AVB hinaus, andere Teile der AVB ändern.
Die Inhaltskontrolle Allgemeiner Versicherungsbedingungen ist dadurch erschwert, dass in
Deutschland mit dem Prinzip der benannten Gefahren gearbeitet wird. Versichert wird nur
das, was in den Versicherungsbedingungen ausdrücklich benannt wird. Somit die Klauseln
sind, die einen Leistung beschreibenden, Risiko begrenzenden Inhalt haben, der
Inhaltskontrolle entzogen. Darunter werden Klauseln verstanden, ohne deren Vorliegen
mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer
Vertrag nicht mehr angenommen werden kann 338 .
Abhilfe könnte die Schaffung eines neuen gesetzlichen Leitbildes im VVG bringen. In
Großbritannien geht man gesetzlich vom Prinzip der Allgefahrenabsicherung aus. Danach ist
das versicherte Objekt zunächst gegen sämtliche Gefahren abgesichert. Möchte der
Versicherer von diesem Grundsatz abweichen, muss er den Verbraucher ausdrücklich auf die
Einschränkungen
im
Versicherungsschutz
hinweisen.
Damit
wären
primäre
Leistungsausschlüsse unter dem Blickwinkel der Transparenz oder dem Aspekt der
Begrenzung von Kardinalpflichten auch im Wege des kollektiven Verbraucherrechtsschutzes
überprüfbar.
337
gemäß Beschluss des Deutschen Bundestages vom 05.07.2007 BT-Drucksache 583/07.
BGH VersR 1987, 712; BGH VersR 1993, 830; BGH VersR 1993, 957; BGH NJW-RR 1996, 595; Weber
VersR 1986, 1; Dreher VersR 1995, 245; Schirmer: Symposion 80 Jahre VVG , S. 553;Reinhard VersR 1996,
497.
338
118
119
Bis dahin muss auf die bisherigen Instrumentarien zurückgegriffen werden, wobei sich der
Anwendungsbereich einer möglichen inhaltskontrolle durch das neue VVG erweitert hat. Zu
prüfen sind insbesondere Klauseln über Obliegenheitsverletzungen, Fristenklauseln,
Sicherheitsvorschriften
in
der
Sachversicherung,
Prämienund
Bedingungsanpassungsklauseln,
Regelungen
zur
Überschussbeteiligung
in
der
Lebensversicherung, Mitwirkungspflichten des VN in der Krankenversicherung,
Tarifausschlüsse- und Leistungsbeschränkungen, soweit sie
den oben dargestellten
kontrollfreien Bereich überschreiten.
Bankbedingungen hatten in der bisherigen Kontrollpraxis der Verbraucherverbände ihren
Schwerpunkt in den Entgeltklauseln, vor allem bei Entgelten für Einzelleistungen in Sparund Giroverträgen. Andere Bankbereiche, insbesondere des Anlagengeschäftes, waren - von
Ausnahmen abgesehen (Depotgebühren) - bisher, erst in neuerer Zeit Gegenstand von
Verbandsklageverfahren. Der VZBV hat im Jahre 2005 Klauseln in den Bedingungen einer
Bank für telefonische oder per Fax erteilte Aufträge und für die Erteilung von bankseitigen
Informationen
per
Fax
oder
e-mail
abgemahnt.
Es
geht
dabei
um
Haftungsfreizeichnungsklauseln für Verzögerungen in der Auftragsausführung beim Kauf von
Wertpapieren aufgrund von zusätzlichen Sicherungsmaßnahmen oder aufgrund eines der
Bank entstehenden Fälschungsverdachts. Das Verfahren wurde mit einer
Unterlassungserklärung abgeschlossen. In einem weiteren Verfahren geht es um die
Geschäftsbedingungen für DWS-Depots. Hier beanstandet der VZBV eine Regelung zur
Vertriebsvergütung als Verstoß gegen § 31 d Abs. 1 und Abs. 3 WpHG. Als unwirksam
beurteilt werden außerdem Klauseln, wonach Vertriebsvergütungen der Emittenten von
Wertpapieren der depotführenden Stelle verbleiben sollen und ein Anspruch des Anlegers
gegen die depotführende Stelle auf Herausgabe der Vertriebsvergütung nicht entsteht. Darin
liegt eine unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB durch
Abweichung von der gesetzlichen Grundregel in § 667 BGB, wonach der Beauftragte
verpflichtet ist, dem Auftraggeber alles, was er zur Ausführung des Auftrags erhält und was er
aus der Geschäftsbesorgung erlangt, herauszugeben. Das Verfahren ist inzwischen beim
Landgericht Frankfurt/ Main anhängig. In einem weiteren Verfahren vor dem Landgericht
Hannover wird die Wirksamkeit von Haftungsbegrenzungsklauseln und Verjährungsklauseln
aus den Bedingungen des AWD zur Vermittlung eines geschlossenen Immobilienfonds
überprüft. Das Landgericht Hannover hat die Haftungsklausel für wirksam und die
Verjährungsklausel für unwirksam erklärt 339 . Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Zu denken ist
hier insbesondere an Haftungsklauseln, für die Ausführung von Aufträgen und für
Anlageempfehlungen. Zum Bereich des Anlagengeschäftes gehören nicht nur die AGB der
Banken, sondern auch Kapitalbeteiligungen an Fonds in Form einer KG oder als atypisch
stille Gesellschaftsbeteiligung. Zwar ist die Anwendung der Inhaltskontrolle gemäß § 310
Abs. 4 BGB auf Gesellschaftsverträge ausgeschlossen 340 . Die Reichweite dieses Ausschlusses
ist aber nicht gesichert. Für Publikumsgesellschaften, die einer großen Zahl von Mitgliedern
offen stehen, ist die Nichtanwendung der AGB-Vorschriften nicht mit gleicher
Eindeutigkeit zu verneinen 341 . In der rechtswissenschaftlichen Literatur wird zum Teil
vertreten, dass auf Verträge über die Beteiligung von Verbrauchern an Immobilienfonds und
anderen Kapitalanlagegesellschaften abweichend von § 310 Abs. 4 BGB die Anwendung der
339
LG Hannover v. 08.04.2008- 18 O 256/07.
BGH, Urteil v. 10.10.1994, II ZR 32/94 zu § 23 Abs. 1 AGBG in Bezug auf eine stille
Gesellschaftsbeteiligung NJW 1995, 192.
341
Vgl. Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen AGB-Recht, 10. Aufl., § 310 Rn 120.
340
119
120
Vorschriften des AGB-Rechts aufgrund richtlinienkonformer Auslegung geboten sei 342 .
Auch die Rechtsprechung einzelner Oberlandesgerichte tendiert in diese Richtung 343 .
Da der Bereich der Kapitalanlagen im sogenannten grauen Kapitalmarkt mit erheblichen
Belastungen für Verbraucher verbunden ist (Schrottimmobilien und atypisch stille
Beteiligungen) wäre es de lege ferenda wünschenswert, Ausnahmen von der
Nichtanwendungsregel des § 307 Abs. 4 BGB für bestimmte
Kapitalanlagen in
gesellschaftsrechtlicher Form zuzulassen.
4. AGB der Bauverträge
Der Vertragsinhalt von Bauverträgen ist weitgehend durch Allgemeine Geschäftsbedingungen
geprägt. Zu den Bauverträgen gehören die Fertighausverträge und Werkverträgen über
einzelne Baumaßnahmen als Aufbau- oder Umbaumaßnahmen. Die Verträge unterliegen
uneingeschränkt der Inhaltskontrolle, soweit sie nicht die VOB/B insgesamt und unverändert
zugrunde legen. Die Baubranche ist nach Einschätzung des VZBV dazu übergegangen in der
überwiegenden Zahl der Fälle, geschätzt 70 bis 80 % aller privaten Bauvorhaben, die VOB/B
zugrunde zu legen. In diesen Fällen sind die Klauseln nach ständiger Rechtsprechung nicht
überprüfbar. Diese von der Rechtsprechung praktizierte Freistellung der VOB/B als
sogenanntes ausgewogenes Klauselwerk, dürfte nicht im Einklang stehen mit der Richtlinie
93/13/ EWG 344 . Der vom VZBV in dem Verfahren gegen den Deutschen Vergabe- und
Vertragsausschuss wegen der Unwirksamkeit von insgesamt 24 Klauseln der VOB/B
geführte Rechtsstreit liegt zurzeit zur Entscheidung beim BGH 345 . Die entscheidende Frage,
ob die VOB/B nach der Legalausnahme des Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 von der
Inhaltskontrolle gemäß §§ 307 – 309 BGB auszunehmen sei, wurde von den Vorinstanzen346
verneint.
Außerhalb der VOB/B werden in zahlreichen Fertighaus- und Bauverträgen Klauseln
verwendet, die für Verbraucher nachteilig sind. Dies betrifft Preis- und Zahlungsregelungen,
Gewährleistungs- und Haftungsklauseln, Kündigungsregelungen und Klauseln zur
Modifizierung des Vertragsinhalts in Form von Leistung - Änderungen bzw. Preisänderungen
aufgrund fiktiver Vereinbarungen über geänderte Leistungen. Beispiele hierfür sind Klauseln,
die Änderungen erlauben, die nicht zu den Wünschen des Auftraggebers im Widerspruch
stehen 347 .
Die Rechtsprechung hatte in der Vergangenheit vielfältig Gelegenheit vor allem in
Individualrechtsstreitigkeiten die Wirksamkeit einzelner Klauseln in Bauverträgen zu
überprüfen 348 . Wegen der großen wirtschaftlichen Bedeutung von Bauverträgen für
Verbraucher ist eine systematische Auswertung der bisherigen Rechtsprechung mit
entsprechenden Schlussfolgerungen für eine gezielte Überprüfung einzelner
Regelungsbereiche in AGB-Verbandsklageverfahren angezeigt.
342
Grundmann JZ 1996 , 274; Heinrichs NJW 1996, 2190 und NJW 1998, 1447.
Vgl. Kammergericht WM 1999, 731; OLG Oldenburg NZG 1999, 896; OLG Frankfurt WM 2004, 991
344
Micklitz Bauverträge mit Verbrauchern und die VOB Teil B, Zur Bedeutung der Richtlinie 93/13 EWG über
missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, Schriftenreihe der Verbraucherzentrale Bundesverband zur
Verbraucherpolitik Band II, 2005.
345
VII ZR 55/07.
346
Kammgericht vom 15.02.2007 – 23 U 12/06-; LG Berlin vom 07.12.2005- 26 O 46 / 05 NZBau 2006, 182.
347
LG Itzehoe in Bunte AGBE I, 569.
348
vgl. Rechtsprechungsnachweise von Christensen in Ulmer/Brandner/ Hensen AGB-Recht (10. Auflage),
Anhang § 310 BGB , Rn 192 – 195.
343
120
121
5. Defizite der AGB- Verbandsklage
Trotz einiger wesentlicher Nachbesserungen des Gesetzgebers in den Regelungen zum AGBVerbandsklageverfahren, ist nicht zu übersehen, dass nach wie vor mit den Verfahren in der
bisherigen gesetzlichen Ausgestaltung das angestrebte Ziel einer breitenwirksamen
Bereinigung des Rechtsverkehrs von unwirksamen Klauseln nicht oder jedenfalls nicht mit
einem vertretbaren Aufwand zu erreichen ist. Man kann dafür die sehr zurückhaltende
Kontrolltätigkeit der Wirtschaftsverbände und die unangemessen geringe finanzielle
Ausstattung der Verbraucherverbände als Ursache benennen 349 , damit allein ist das Problem
aber nicht ausreichend beschrieben. Vielmehr ist das verfahrensrechtliche Instrumentarium
noch immer nicht auf den Verfahrenszweck einer überindividuellen Kontroll- und
Prüffunktion im Interesse der Allgemeinheit zugeschnitten 350 .
Als erstes und wichtigstes Problem ist auch an dieser Stelle erneut auf die fehlende
Breitenwirksamkeit gerichtlicher Entscheidungen hinzuweisen. Anschauliches Beispiel dafür
sind die Verfahren des VSV wegen der Laufzeitklauseln in Versicherungsverträgen und
wegen der Preisklauseln der Banken. Selbst höchstrichterliche Entscheidungen verpflichten
nur den jeweiligen Beklagten und werden nicht ohne weiteres auf inhaltsgleiche Klauseln
auch nur der gleichen Branche übertragen. Zwar ist mit der Einführung der
Dringlichkeitsvermutung bei Anträgen auf Erlass einer einstweiligen Verfügung (jetzt § 5
UKlaG unter Verweis auf § 12 UWG) ein Hindernis für den schnellen Rechtsschutz beseitigt
und damit die Möglichkeit zur breitenwirksamen Durchsetzung höchstrichterlicher
Rechtsstandards verbessert worden. Gleichwohl bleibt natürlich die Notwendigkeit für diese
Rechtsdurchsetzung wiederum gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Als Lösungen
bieten sich verschiedene Maßnahmen an. Nach wie vor nicht endgültig zu den Akten gelegt,
ist der Vorschlag, der schon von der AGB-Kommission aus der Entstehungsphase des AGBGesetzes stammt, Muster-AGB mit Leitbildfunktion branchenspezifisch aufzustellen. Als
Institutionen hierfür könnten Kommissionen gebildet werden aus Vertretern der jeweiligen
Branche, der Verbraucherverbände, der Rechtswissenschaft und den oberen Gerichten. Als
Anreiz für die Verwendung dieser Muster-AGB käme eine zumindest zeitlich begrenzte
Freistellung von einer gerichtlichen Kontrolle in Betracht. Dies hat die Rechtsprechung zur
VOB Teil B bisher praktiziert, obwohl erhebliche Zweifel daran bestehen, dass die VOB/ B
ein in sich ausgewogenes und angemessenes Vertragsgefüge für Bauverträge darstellt.
Verbesserungsbedürftig ist im Interesse einer größtmöglichen Breitenwirkung die Verkürzung
des Instanzenzuges, die im Übrigen auch zur Einsparung von Justizkosten beiträgt. Auch
hierfür könnte der Vorschlag der AGB-Kommission aufgegriffen werden und die
erstinstanzliche Zuständigkeit den Oberlandesgerichten zugewiesen werden. Der zu
behandelnde Tatsachenstoff nötigt nicht zu zwei Tatsacheninstanzen.
Auch der Vorschlag von Löwe 351 zumindest höchstrichterliche Entscheidungen mit einer
einem Rechtsentscheid ähnlichen Bindungswirkung auszugestalten, sollte erneut geprüft
werden. Damit könnte, bei entsprechender Ausgestaltung erreicht werden, dass
höchstrichterliche Entscheidungen zumindest branchenweit verbindlich werden und weder in
Individualverfahren noch in Verbandsklageverfahren abweichende Entscheidungen zu den
einmal für unwirksam erklärten Klauseln, möglich sind. In einem weiteren Schritt wäre zu
349
Löwe, Instrumente der abstrakten Kontrolle in Heinrichs u. a. , 10 Jahre AGB-Gesetz, 1987; Micklitz, MüKo
UKlaG vor § 1, Rn 25 ff, 37.
350
so auch Micklitz a.a.O.
351
Löwe, Instrumente der abstrakten Kontrolle in 10 Jahre AGB-Gesetz, S. 99, 116.
121
122
überlegen, ob die weitere Verwendung identischer Klauseln durch andere Unternehmen
derselben Branche nicht mit Vertragsstrafen oder Ordnungsgeldern ohne vorherige
Abmahnung zu belegen sind.
Dazu gehören weitere rechtliche Vorkehrungen: Es muss ein lückenloses Informationssystem
mindestens für höchstrichterliche und obergerichtliche Urteile aus Verbandsklageverfahren
eingerichtet werden, damit jeder Verwender, jederzeit die Möglichkeit hat, den aktuellen
Rechtszustand seiner AGB zu überprüfen. Dass das bisher gemäß § 20 AGB-Gesetz beim
Bundeskartellamt geführte Register diese Funktion nicht oder nicht ausreichend erfüllt hat,
spricht nicht gegen ein derartiges Informationssystem sondern zeigt vielmehr, dass dessen
Nutzen von einer effizienzorientierten Ausgestaltung abhängt. Wenige und überschaubare
Informationen sind hierbei eher geeignet, als größtmögliche Detailgenauigkeit.
Als Schwäche der bislang bestehenden Verbandsklagebefugnis ist vielfach auf die fehlende
Nachkontrolle hingewiesen worden 352 . Dafür ist eine entsprechende personelle und
finanzielle Ausstattung der klagebefugten Verbände erforderlich. Das allein genügt aber nicht.
Ebenso notwendig ist die gesetzlich statuierte und sanktionsbewährte Verpflichtung eines
AGB-Verwenders, nach festgestellter Unwirksamkeit einer AGB-Klausel die beabsichtigte
künftige Klausel zur Überprüfung dem jeweils abmahnenden bzw. klagenden Verband
vorzulegen. Nur dadurch kann sichergestellt werden, dass nicht im Gefolge abgegebener
Unterlassungserklärungen oder gerichtlich verhängter Unterlassungsgebote erneut
bedenkliche Klauseln mit anderem, aber ebenfalls gesetzwidrigem Inhalt in den
Rechtsverkehr gebracht werden. Hier gegen schützt bisher nicht einmal die Drohung mit
Ordnungsgeldern oder Vertragsstrafen.
Schließlich ist festzustellen, dass der bisher für Wettbewerbsverstöße geprägte Lehrsatz
„unlauterer Wettbewerb lohnt sich“ auch für die Verwendung unwirksamer AGB-Klauseln
gilt. Anschauliche Beispiele hierfür liefern die Klauseln im Bankenbereich und die Klauseln
für Rückkaufwertberechnungen im Versicherungsbereich. Sie sind geeignetes
Anschauungsmaterial für die vielfältigen Probleme, die bei Rückforderung rechtsgrundlos
gezahlter Beträge auf der Grundlage unwirksamer Klauseln durch Verbraucher entstehen.
Hiergegen bietet sich an, die Sammel- oder Einziehungsklage gemäß Art. 1 § 3 Nr. 8
Rechtsberatungsgesetz ausdrücklich auf derartige Ansprüche auszudehnen. Allerdings müsste
das Verfahren noch in mancher Hinsicht vereinfacht werden.
Als Ergebnis bleibt festzustellen, dass die Kontrollfunktion der Verbraucherverbände im
AGB-Bereich, durch wenige, aber nachhaltige gesetzgeberische Maßnahmen, um ein
Vielfaches effizienter ausgestaltet werden könnte. Letztendlich wäre dann mit geringfügig
höherem finanziellem Aufwand die Bereinigung des Rechtsverkehrs von Allgemeinen
Geschäftsbedingung zu steigern.
6. Zusammenfassung des 4. Kapitels
Wichtige Vertragsbereiche bedürfen aufgrund der Deregulierung und der Privatisierung
weiterhin und verstärkt einer Kontrolltätigkeit in Bezug auf die in Verbraucherverträgen
zugrunde gelegten Geschäftsbedingungen. Zu den deregulierten Märkten gehören die
Energieversorger und die neuen Medien, insbesondere auch im grenzüberschreitenden
Angebot von Dienstleistungen z. B. im Internet.
352
Verfasser, Verklagen oder Verhandeln? 1994, S. 160,161; Micklitz ,MüKo UKlaG vor § 1 Rn 36.
122
123
Eine besondere Aufmerksamkeit
verdienen die Vertragsklauseln im Bereich der
Finanzdienstleistungen vor allem wegen der Novelle des Versicherungsvertragsgesetzes und
der vielfältigen Gesetzesänderungen zum Kapitalanlagerecht.
Wegen der hohen finanziellen Risiken
und der bekanntermaßen besonderen
Konfliktanfälligkeit sind Maßnahmen erforderlich, gegebenenfalls auch durch
Verbandsklageverfahren, um in Bauverträgen und Verträgen über den Verkauf von
Fertighäusern die berechtigten Belange von Verbrauchern als Bauherren oder Käufern in
AGB-Klauseln zu sichern.
Schließlich ist rechtspolitisch nach Lösungen zu suchen für die noch immer vorhandenen und
bereits vielfach diskutierten Defizite des Verbandsklageverfahrens zur effizienten (d. h. auch
kostengünstigen) und breitenwirksamen Bereinigung des Rechtsverkehrs von unwirksamen
Klauseln.
Gutachten Ende
Berlin, d. 30. Mai 2008
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Anhang zum Gutachten zur Praxis der AGB-Verbandsklage
Gesetzestexte
BGB
§ 307 Inhaltskontrolle
(1) 1Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den
Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen
benachteiligen. 2Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass
die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird,
nicht zu vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so
einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) 1Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in
Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder
diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. 2Andere Bestimmungen können nach
Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
§ 308 Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit
In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist insbesondere unwirksam
1.
(Annahme- und Leistungsfrist)
eine Bestimmung, durch die sich der Verwender unangemessen lange oder nicht
hinreichend bestimmte Fristen für die Annahme oder Ablehnung eines Angebots oder
die Erbringung einer Leistung vorbehält; ausgenommen hiervon ist der Vorbehalt, erst
nach Ablauf der Widerrufs- oder Rückgabefrist nach § 355 Abs. 1 und 2 und § 356 zu
leisten;
2.
(Nachfrist)
eine Bestimmung, durch die sich der Verwender für die von ihm zu bewirkende
Leistung abweichend von Rechtsvorschriften eine unangemessen lange oder nicht
hinreichend bestimmte Nachfrist vorbehält;
3.
(Rücktrittsvorbehalt)
die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, sich ohne sachlich gerechtfertigten
und im Vertrag angegebenen Grund von seiner Leistungspflicht zu lösen; dies gilt
nicht für Dauerschuldverhältnisse;
4.
(Änderungsvorbehalt)
die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern
oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder
Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen
Vertragsteil zumutbar ist;
Anhang zum Gutachten zur Praxis der AGB-Verbandsklage
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5.
6.
(Fingierte Erklärungen)
eine Bestimmung, wonach eine Erklärung des Vertragspartners des Verwenders bei
Vornahme oder Unterlassung einer bestimmten Handlung als von ihm abgegeben oder
nicht abgegeben gilt, es sei denn, dass
a) dem Vertragspartner eine angemessene Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen
Erklärung eingeräumt ist und
b) der Verwender sich verpflichtet, den Vertragspartner bei Beginn der Frist auf die
vorgesehene Bedeutung seines Verhaltens besonders hinzuweisen;
dies gilt nicht für Verträge, in die Teil B der Verdingungsordnung für Bauleistungen
insgesamt einbezogen ist;
(Fiktion des Zugangs)
eine Bestimmung, die vorsieht, dass eine Erklärung des Verwenders von besonderer
Bedeutung dem anderen Vertragsteil als zugegangen gilt;
7.
(Abwicklung von Verträgen)
8.
eine Bestimmung, nach der der Verwender für den Fall, dass eine Vertragspartei vom
Vertrag zurücktritt oder den Vertrag kündigt,
a) eine unangemessen hohe Vergütung für die Nutzung oder den Gebrauch einer
Sache oder eines Rechts oder für erbrachte Leistungen oder
b) einen unangemessen hohen Ersatz von Aufwendungen verlangen kann;
(Nichtverfügbarkeit der Leistung)
die nach Nummer 3 zulässige Vereinbarung eines Vorbehalts des Verwenders, sich
von der Verpflichtung zur Erfüllung des Vertrags bei Nichtverfügbarkeit der Leistung
zu lösen, wenn sich der Verwender nicht verpflichtet,
a) den Vertragspartner unverzüglich über die Nichtverfügbarkeit zu informieren und
b) Gegenleistungen des Vertragspartners unverzüglich zu erstatten.
§ 309 Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit
Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, ist in
Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam
1.
(Kurzfristige Preiserhöhungen)
eine Bestimmung, welche die Erhöhung des Entgelts für Waren oder Leistungen
vorsieht, die innerhalb von vier Monaten nach Vertragsschluss geliefert oder erbracht
werden sollen; dies gilt nicht bei Waren oder Leistungen, die im Rahmen von
Dauerschuldverhältnissen geliefert oder erbracht werden;
2.
(Leistungsverweigerungsrechte)
3.
eine Bestimmung, durch die
a) das Leistungsverweigerungsrecht, das dem Vertragspartner des Verwenders nach §
320 zusteht, ausgeschlossen oder eingeschränkt wird oder
b) ein dem Vertragspartner des Verwenders zustehendes Zurückbehaltungsrecht,
soweit es auf demselben Vertragsverhältnis beruht, ausgeschlossen oder
eingeschränkt, insbesondere von der Anerkennung von Mängeln durch den Verwender
abhängig gemacht wird;
(Aufrechnungsverbot)
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eine Bestimmung, durch die dem Vertragspartner des Verwenders die Befugnis
genommen wird, mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung
aufzurechnen;
4.
(Mahnung, Fristsetzung)
eine Bestimmung, durch die der Verwender von der gesetzlichen Obliegenheit
freigestellt wird, den anderen Vertragsteil zu mahnen oder ihm eine Frist für die
Leistung oder Nacherfüllung zu setzen;
5.
(Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen)
6.
7.
die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz
oder Ersatz einer Wertminderung, wenn
a) die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge
zu erwartenden Schaden oder die gewöhnlich eintretende Wertminderung übersteigt
oder
b) dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich der Nachweis gestattet wird, ein
Schaden oder eine Wertminderung sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich
niedriger als die Pauschale;
(Vertragsstrafe)
eine Bestimmung, durch die dem Verwender für den Fall der Nichtabnahme oder
verspäteten Abnahme der Leistung, des Zahlungsverzugs oder für den Fall, dass der
andere Vertragsteil sich vom Vertrag löst, Zahlung einer Vertragsstrafe versprochen
wird;
(Haftungsausschluss bei Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit und bei grobem
Verschulden)
a) (Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit)
ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für Schäden aus der Verletzung des
Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, die auf einer fahrlässigen Pflichtverletzung
des Verwenders oder einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Pflichtverletzung eines
gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen;
b) (Grobes Verschulden)
ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für sonstige Schäden, die auf einer
grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder auf einer vorsätzlichen oder
grob fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder
Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen;
die Buchstaben a und b gelten nicht für Haftungsbeschränkungen in den nach
Maßgabe des Personenbeförderungsgesetzes genehmigten Beförderungsbedingungen
und Tarifvorschriften der Straßenbahnen, Obusse und Kraftfahrzeuge im
Linienverkehr, soweit sie nicht zum Nachteil des Fahrgastes von der Verordnung über
die Allgemeinen Beförderungsbedingungen für den Straßenbahn- und Obusverkehr
sowie den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen vom 27. Februar 1970 abweichen;
Buchstabe b gilt nicht für Haftungsbeschränkungen für staatlich genehmigte Lotterieoder Ausspielverträge;
8.
(Sonstige Haftungsausschlüsse bei Pflichtverletzung)
a) (Ausschluss des Rechts, sich vom Vertrag zu lösen)
eine Bestimmung, die bei einer vom Verwender zu vertretenden, nicht in einem
Mangel der Kaufsache oder des Werkes bestehenden Pflichtverletzung das Recht des
anderen Vertragsteils, sich vom Vertrag zu lösen, ausschließt oder einschränkt; dies
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gilt nicht für die in der Nummer 7 bezeichneten Beförderungsbedingungen und
Tarifvorschriften unter den dort genannten Voraussetzungen;
b) (Mängel)
eine Bestimmung, durch die bei Verträgen über Lieferungen neu hergestellter Sachen
und über Werkleistungen
aa) (Ausschluss und Verweisung auf Dritte)
die Ansprüche gegen den Verwender wegen eines Mangels insgesamt oder bezüglich
einzelner Teile ausgeschlossen, auf die Einräumung von Ansprüchen gegen Dritte
beschränkt oder von der vorherigen gerichtlichen Inanspruchnahme Dritter abhängig
gemacht werden;
bb) (Beschränkung auf Nacherfüllung)
die Ansprüche gegen den Verwender insgesamt oder bezüglich einzelner Teile auf ein
Recht auf Nacherfüllung beschränkt werden, sofern dem anderen Vertragsteil nicht
ausdrücklich das Recht vorbehalten wird, bei Fehlschlagen der Nacherfüllung zu
mindern oder, wenn nicht eine Bauleistung Gegenstand der Mängelhaftung ist, nach
seiner Wahl vom Vertrag zurückzutreten;
cc) (Aufwendungen bei Nacherfüllung)
die Verpflichtung des Verwenders ausgeschlossen oder beschränkt wird, die zum
Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-,
Wege-, Arbeits- und Materialkosten, zu tragen;
dd) (Vorenthalten der Nacherfüllung)
der Verwender die Nacherfüllung von der vorherigen Zahlung des vollständigen
Entgelts oder eines unter Berücksichtigung des Mangels unverhältnismäßig hohen
Teils des Entgelts abhängig macht;
ee) (Ausschlussfrist für Mängelanzeige)
der Verwender dem anderen Vertragsteil für die Anzeige nicht offensichtlicher
Mängel eine Ausschlussfrist setzt, die kürzer ist als die nach dem Doppelbuchstaben ff
zulässige Frist;
ff) (Erleichterung der Verjährung)
die Verjährung von Ansprüchen gegen den Verwender wegen eines Mangels in den
Fällen des § 438 Abs. 1 Nr. 2 und des § 634a Abs. 1 Nr. 2 erleichtert oder in den
sonstigen Fällen eine weniger als ein Jahr betragende Verjährungsfrist ab dem
gesetzlichen Verjährungsbeginn erreicht wird; dies gilt nicht für Verträge, in die Teil
B der Verdingungsordnung für Bauleistungen insgesamt einbezogen ist;
9.
(Laufzeit bei Dauerschuldverhältnissen)
bei einem Vertragsverhältnis, das die regelmäßige Lieferung von Waren oder die
regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen durch den Verwender zum
Gegenstand hat,
a) eine den anderen Vertragsteil länger als zwei Jahre bindende Laufzeit des Vertrags,
b) eine den anderen Vertragsteil bindende stillschweigende Verlängerung des
Vertragsverhältnisses um jeweils mehr als ein Jahr oder
c) zu Lasten des anderen Vertragsteils eine längere Kündigungsfrist als drei Monate
vor Ablauf der zunächst vorgesehenen oder stillschweigend verlängerten
Vertragsdauer;
dies gilt nicht für Verträge über die Lieferung als zusammengehörig verkaufter
Sachen, für Versicherungsverträge sowie für Verträge zwischen den Inhabern
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10.
urheberrechtlicher Rechte und Ansprüche und Verwertungsgesellschaften im Sinne
des Gesetzes über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten
Schutzrechten;
(Wechsel des Vertragspartners)
11.
eine Bestimmung, wonach bei Kauf-, Dienst- oder Werkverträgen ein Dritter anstelle
des Verwenders in die sich aus dem Vertrag ergebenden Rechte und Pflichten eintritt
oder eintreten kann, es sei denn, in der Bestimmung wird
a) der Dritte namentlich bezeichnet oder
b) dem anderen Vertragsteil das Recht eingeräumt, sich vom Vertrag zu lösen;
(Haftung des Abschlussvertreters)
12.
eine Bestimmung, durch die der Verwender einem Vertreter, der den Vertrag für den
anderen Vertragsteil abschließt,
a) ohne hierauf gerichtete ausdrückliche und gesonderte Erklärung eine eigene
Haftung oder Einstandspflicht oder
b) im Falle vollmachtsloser Vertretung eine über § 179 hinausgehende Haftung
auferlegt;
(Beweislast)
13.
eine Bestimmung, durch die der Verwender die Beweislast zum Nachteil des anderen
Vertragsteils ändert, insbesondere indem er
a) diesem die Beweislast für Umstände auferlegt, die im Verantwortungsbereich des
Verwenders liegen, oder
b) den anderen Vertragsteil bestimmte Tatsachen bestätigen lässt;
Buchstabe b gilt nicht für Empfangsbekenntnisse, die gesondert unterschrieben oder
mit einer gesonderten qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind;
(Form von Anzeigen und Erklärungen)
eine Bestimmung, durch die Anzeigen oder Erklärungen, die dem Verwender oder
einem Dritten gegenüber abzugeben sind, an eine strengere Form als die Schriftform
oder an besondere Zugangserfordernisse gebunden werden.
AGB-Gesetz (in der Fassung der Bekanntmachung vom 29.06.2000, BGBl.
I. S. 946, außer Kraft seit dem 26. November 2001)
§ 9 Generalklausel
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den
Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen
benachteiligen.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht
zu vereinbaren ist, oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so
einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
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§ 10 Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit
In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist insbesondere unwirksam
1. (Annahme- und Leistungsfrist)
eine Bestimmung, durch die sich der Verwender unangemessen lange oder nicht hinreichend
bestimmte Fristen für die Annahme oder Ablehnung eines Angebots oder die Erbringung
einer Leistung vorbehält; ausgenommen hiervon ist der Vorbehalt, erst nach Ablauf der
Widerrufs- oder Rückgabefrist nach §§ 361a Abs. 1, 361b Abs. 2 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs zu leisten;
2. (Nachfrist)
eine Bestimmung, durch die sich der Verwender für die von ihm zu bewirkende Leistung
entgegen § 326 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs eine unangemessen lange oder nicht
hinreichend bestimmte Nachfrist vorbehält;
3. (Rücktrittsvorbehalt)
die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, sich ohne sachlich gerechtfertigten und im
Vertrag angegebenen Grund von seiner Leistungspflicht zu lösen; dies gilt nicht für
Dauerschuldverhältnisse;
4. (Änderungsvorbehalt)
die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder
von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter
Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist;
5. (Fingierte Erklärungen)
eine Bestimmung, wonach eine Erklärung des Vertragspartners des Verwenders bei
Vornahme oder Unterlassung einer bestimmten Handlung als von ihm abgegeben oder nicht
abgegeben gilt, es sei denn, dass
a) dem Vertragspartner eine angemessene Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung
eingeräumt ist und
b) der Verwender sich verpflichtet, den Vertragspartner bei Beginn der Frist auf die vorgesehene
Bedeutung seines Verhaltens besonders hinzuweisen;
6. (Fiktion des Zugangs)
eine Bestimmung, die vorsieht, dass eine Erklärung des Verwenders von besonderer
Bedeutung dem anderen Vertragsteil als zugegangen gilt;
7. (Abwicklung von Verträgen)
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eine Bestimmung, nach der der Verwender für den Fall, dass eine Vertragspartei vom Vertrag
zurücktritt oder den Vertrag kündigt,
a) eine unangemessen hohe Vergütung für die Nutzung oder den Gebrauch einer Sache oder
eines Rechts oder für erbrachte Leistungen oder
b) einen unangemessen hohen Ersatz von Aufwendungen verlangen kann;
8. (Nichtverfügbarkeit der Leistung)
die nach Nummer 3 zulässige Vereinbarung eines Vorbehalts des Verwenders, sich von der
Verpflichtung zur Erfüllung des Vertrags bei Nichtverfügbarkeit der Leistung zu lösen, wenn
sich der Verwender nicht verpflichtet,
a) den Vertragspartner unverzüglich über die Nichtverfügbarkeit zu informieren und
b) Gegenleistungen des Vertragspartners unverzüglich zu erstatten.
§ 11 Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit
In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist unwirksam
1. (Kurzfristige Preiserhöhungen)
eine Bestimmung, welche die Erhöhung des Entgelts für Waren oder Leistungen vorsieht, die
innerhalb von vier Monaten nach Vertragsabschluss geliefert oder erbracht werden sollen;
dies gilt nicht bei Waren oder Leistungen, die im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen
geliefert oder erbracht werden;
2. (Leistungsverweigerungsrechte)
eine Bestimmung, durch die
a) das Leistungsverweigerungsrecht, das dem Vertragspartner des Verwenders nach § 320 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs zusteht, ausgeschlossen oder eingeschränkt wird, oder
b) ein dem Vertragspartner des Verwenders zustehendes Zurückbehaltungsrecht, soweit es auf
demselben Vertragsverhältnis beruht, ausgeschlossen oder eingeschränkt, insbesondere von
der Anerkennung von Mängeln durch den Verwender abhängig gemacht wird;
3. (Aufrechnungsverbot)
eine Bestimmung, durch die dem Vertragspartner des Verwenders die Befugnis genommen
wird, mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung aufzurechnen;
4. (Mahnung, Fristsetzung)
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eine Bestimmung, durch die der Verwender von der gesetzlichen Obliegenheit freigestellt
wird, den anderen Vertragsteil zu mahnen oder ihm eine Nachfrist zu setzen;
5. (Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen)
die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz oder
Ersatz einer Wertminderung, wenn
a) die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu
erwartenden Schaden oder die gewöhnlich eintretende Wertminderung übersteigt, oder
b) dem anderen Vertragsteil der Nachweis abgeschnitten wird, ein Schaden oder eine
Wertminderung sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale;
6. (Vertragsstrafe)
eine Bestimmung, durch die dem Verwender für den Fall der Nichtabnahme oder verspäteten
Abnahme der Leistung, des Zahlungsverzugs oder für den Fall, dass der andere Vertragsteil
sich vom Vertrag löst, Zahlung einer Vertragsstrafe versprochen wird;
7. (Haftung bei grobem Verschulden)
ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für einen Schaden, der auf einer grob
fahrlässigen Vertragsverletzung des Verwenders oder auf einer vorsätzlichen oder grob
fahrlässigen Vertragsverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des
Verwenders beruht; dies gilt auch für Schäden aus der Verletzung von Pflichten bei den
Vertragsverhandlungen;
8. (Verzug, Unmöglichkeit)
eine Bestimmung, durch die für den Fall des Leistungsverzugs des Verwenders oder der von
ihm zu vertretenden Unmöglichkeit der Leistung
a) das Recht des anderen Vertragsteils, sich vom Vertrag zu lösen, ausgeschlossen oder
eingeschränkt oder
b) das Recht des anderen Vertragsteils, Schadensersatz zu verlangen, ausgeschlossen oder
entgegen Nummer 7 eingeschränkt wird;
9. (Teilverzug, Teilunmöglichkeit)
eine Bestimmung, die für den Fall des teilweisen Leistungsverzugs des Verwenders oder bei
von ihm zu vertretender teilweiser Unmöglichkeit der Leistung das Recht der anderen
Vertragspartei ausschließt, Schadensersatz wegen Nichterfüllung der ganzen Verbindlichkeit
zu verlangen oder von dem ganzen Vertrag zurückzutreten, wenn die teilweise Erfüllung des
Vertrags für ihn kein Interesse hat;
10. (Gewährleistung)
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eine Bestimmung, durch die bei Verträgen über Lieferungen neu hergestellter Sachen und
Leistungen
a) (Ausschluss und Verweisung auf Dritte)
die Gewährleistungsansprüche gegen den Verwender einschließlich etwaiger
Nachbesserungs- und Ersatzlieferungsansprüche insgesamt oder bezüglich einzelner Teile
ausgeschlossen, auf die Einräumung von Ansprüchen gegen Dritte beschränkt oder von der
vorherigen gerichtlichen Inanspruchnahme Dritter abhängig gemacht werden;
b) (Beschränkung auf Nachbesserung)
die Gewährleistungsansprüche gegen den Verwender insgesamt oder bezüglich einzelner
Teile auf ein Recht auf Nachbesserung oder Ersatzlieferung beschränkt werden, sofern dem
anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich das Recht vorbehalten wird, bei Fehlschlagen der
Nachbesserung oder Ersatzlieferung Herabsetzung der Vergütung oder, wenn nicht eine
Bauleistung Gegenstand der Gewährleistung ist, nach seiner Wahl Rückgängigmachung des
Vertrags zu verlangen;
c) (Aufwendungen bei Nachbesserung)
die Verpflichtung des gewährleistungspflichtigen Verwenders ausgeschlossen oder beschränkt
wird, die Aufwendungen zu tragen, die zum Zweck der Nachbesserung erforderlich werden,
insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten;
d) (Vorenthalten der Mängelbeseitigung)
der Verwender die Beseitigung eines Mangels oder die Ersatzlieferung einer mangelfreien
Sache von der vorherigen Zahlung des vollständigen Entgelts oder eines unter
Berücksichtigung des Mangels unverhältnismäßig hohen Teils des Entgelts abhängig macht;
e) (Ausschlussfrist für Mängelanzeige)
der Verwender dem anderen Vertragsteil für die Anzeige nicht offensichtlicher Mängel eine
Ausschlussfrist setzt, die kürzer ist als die Verjährungsfrist für den gesetzlichen
Gewährleistungsanspruch;
f) (Verkürzung von Gewährleistungsfristen)
die gesetzlichen Gewährleistungsfristen verkürzt werden;
11. (Haftung für zugesicherte Eigenschaften)
eine Bestimmung, durch die bei einem Kauf-, Werk- oder Werklieferungsvertrag
Schadensersatzansprüche gegen den Verwender nach den §§ 463, 480 Abs. 2, 635 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs wegen Fehlens zugesicherter Eigenschaften ausgeschlossen oder
eingeschränkt werden;
12. (Laufzeit bei Dauerschuldverhältnissen)
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bei einem Vertragsverhältnis, das die regelmäßige Lieferung von Waren oder die regelmäßige
Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen durch den Verwender zum Gegenstand hat,
a) eine den anderen Vertragsteil länger als zwei Jahre bindende Laufzeit des Vertrags,
b) eine den anderen Vertragsteil bindende stillschweigende Verlängerung des
Vertragsverhältnisses um jeweils mehr als ein Jahr oder
c) zu Lasten des anderen Vertragsteils eine längere Kündigungsfrist als drei Monate vor Ablauf
der zunächst vorgesehenen oder stillschweigend verlängerten Vertragsdauer;
13. (Wechsel des Vertragspartners)
eine Bestimmung, wonach bei Kauf-, Dienst- oder Werkverträgen ein Dritter an Stelle des
Verwenders in die sich aus dem Vertrag ergebenden Rechte und Pflichten eintritt oder
eintreten kann, es sei denn, in der Bestimmung wird
a) der Dritte namentlich bezeichnet oder
b) dem anderen Vertragsteil das Recht eingeräumt, sich vom Vertrag zu lösen;
14. (Haftung des Abschlussvertreters)
eine Bestimmung, durch die der Verwender einem Vertreter, der den Vertrag für den anderen
Vertragsteil abschließt,
a) ohne hierauf gerichtete ausdrückliche und gesonderte Erklärung eine eigene Haftung oder
Einstandspflicht Oder
b) im Fall vollmachtsloser Vertretung eine über § 179 des Bürgerlichen Gesetzbuchs
hinausgehende Haftung auferlegt;
15. (Beweislast)
eine Bestimmung, durch die der Verwender die Beweislast zum Nachteil des anderen
Vertragsteils ändert, insbesondere indem er
a) diesem die Beweislast für Umstände auferlegt, die im Verantwortungsbereich des Verwenders
liegen;
b) den anderen Vertragsteil bestimmte Tatsachen bestätigen lässt;
Buchstabe b gilt nicht für gesondert unterschriebene oder gesondert qualifiziert elektronisch
signierte Empfangsbekenntnisse;
16. (Form von Anzeigen und Erklärungen)
eine Bestimmung, durch die Anzeigen oder Erklärungen, die dem Verwender oder einem
Dritten gegenüber abzugeben sind, an eine strengere Form als die Schriftform oder an
besondere Zugangserfordernisse gebunden werden.
Anhang zum Gutachten zur Praxis der AGB-Verbandsklage
Juni 2008
11
Anhang zum Gutachten zur Praxis der AGB-Verbandsklage
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