BGH: AGB-Klausel zur Guthabendeckung bei Prepaid

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BGH: AGB-Klausel zur Guthabendeckung bei Prepaid
BGH: AGB-Klausel zur Guthabendeckung bei Prepaid-Mobilfunkverträgen wirksam
Der BGH hat in seiner Entscheidung bestätigt, dass bei Mobilfunk-Prepaid-Verträgen der
Kunde sich darauf verlassen kann, dass solche Kosten, welche für die übliche Nutzung
anfallen, von dem bestehenden Guthabenkonto gedeckelt sind. Nimmt der Kunde hingegen
Sonderdienste in Anspruch, welche nicht in Echtzeit abgerechnet werden (RoamingVerbindungen, Mehrwertdienste), darf der Telekommunikationsanbieter auf dem
Kundenkonto einen Negativsaldo entstehen lassen, welcher vom Kunden zu bezahlen ist.
BGH, Urteil v. 09.10.2014 – Az. III ZR 33/14
I.
Sachverhalt
Bei der Beklagten handelt es sich um einen Telekommunikationsanbieter, welcher kein
eigenes Netz unterhält, sondern seine Leistungen durch Nutzung des Netzes eines anderen
Telekommunikationsunternehmens (sog. Netzbetreiber) erbringt. Streitgegenständlich war
eine Klausel für Prepaid-Verträge, in denen der Kunde vor Leistungserbringung ein
Guthaben bei der Beklagten auflädt, von welchem im Anschluss die Kosten der erbrachten
Verbindungsleistungen abgezogen
werden.
Die
streitgegenständliche
Klausel
hatte
folgenden Inhalt:
„Der Diensteanbieter weist ausdrücklich darauf hin, dass bei Roamingverbindungen,
Verbindungen zu Premiumdiensten sowie über das Sprach- oder Datennetz in Anspruch
genommene Mehrwertdienste die für die Abrechnung erforderlichen Daten verzögert vom
Netzbetreiber übermittelt werden können. Insbesondere kann aufgrund von verzögerten
Abbuchungen ein Negativsaldo auf dem Guthabenkonto des Kunden entstehen. In diesem
Fall hat der Kunde die Differenz unverzüglich auszugleichen. Dies betrifft auch Kunden, die
eine Zusatzoption mit einem Mindestverbrauch oder Freiminuten bzw. Frei-SMS gewählt
haben.“
Hintergrund der Regelung ist der Umstand, dass nicht sämtliche, von der Beklagten
erbrachten Leistungen zeitgleich mit ihrer Inanspruchnahme und dem hiermit verbundenen
Abzug der Kosten von dem bestehenden Guthaben erfolgen. Die Beklagte wird über einige,
vom Kunden in Anspruch genommene und vom Netzbetreiber kostenpflichtig erbrachte
Leistungen nur mit zeitlicher Verzögerung informiert. Hierdurch kann es vorkommen, dass
das Guthabenkonto des Kunden zum Zeitpunkt der Berechnung kein Guthaben mehr
aufweist und ein negativer Saldo entsteht.
II. Entscheidungsgründe
In der Vorinstanz hielt das OLG Frankfurt die Klausel wegen eines Verstoßes gegen das
Transparenzgebot für unzulässig. Diese Entscheidung hat der BGH aufgehoben.
1. Zunächst stellte der BGH zutreffend die Kontrollfähigkeit der Klausel fest. Bei dieser
handele
es
sich
nicht
um
eine,
von
der
Inhaltskontrolle
ausgeschlossene,
Leistungsbeschreibung oder Preisvereinbarung. Die Klausel modifiziere vielmehr die
vertraglich vereinbarte Vorleistungspflicht des Kunden dahingehend, dass in einigen
Fällen die Leistung seitens der Beklagten bzw. ihres Netzbetreibers zunächst
unabhängig von der Höhe des bestehenden Guthabenbetrages erbracht wird. Hierbei
liege eine das Preis-Leistungsgefüge nur mittelbar regelnde, und somit kontrollfähige
Bestimmung vor.
2. Der sodann folgenden Inhaltskontrolle hielt die Klausel – nach zutreffender Auffassung
des BGH – stand. Eine unangemessene Benachteiligung des Kunden konnte das Gericht
nicht erkennen.
a. Es sei nicht zu beanstanden, dass die Beklagte von ihren Kunden bei nur verzögert
erfassten Leistungen auch dann das entsprechende Entgelt verlange, wenn auf dem
Kundenkonto kein Guthaben mehr bestünde. In den Fällen, in denen die Kunden die
Leistungen über den bestehenden Guthabenbetrag hinaus in Anspruch nehmen,
müsse die Beklagte für die erbrachten Leistungen gegenüber ihres Netzbetreibers
einstehen, diese mithin bezahlen. In diesen Fällen habe die Beklagte aber ein
berechtigtes Interesse daran, dieses Entgelt von ihren Kunden ausgeglichen zu
bekommen. Solange diese Rechtsfolge klar und unmissverständlich verdeutlicht
würde, ergäbe sich keine unangemessene Benachteiligung der Kunden.
b. Inhaltlich und sprachlich sei die Klausel nicht zu beanstanden. Darüber hinaus würde
die Klausel auch nicht den üblichen Erwartungen der Kunden bei Abschluss eines
Prepaid-Vertrages widersprechen. Denn die dem Grunde nach bei dem Kunden
erweckte Erwartung, das Kostenrisiko sei auf den bestehenden Guthabenbetrag
beschränkt, treffe bei dem üblichen Gebrauch eines Mobilfunkgeräts zu. Eine
Überschreitung des gutgebuchten Betrags könne nur bei Nutzung der besonderen
Funktionen des Roamings und des Zugangs zu Premium- und Mehrwertdiensten
eintreten. Dass auch solche Nutzungen nur im Rahmen des Kartenguthabens
kostenmäßig anfallen, könne der verständige Durchschnittskunde allein dem
Schlagwort "prepaid" nicht entnehmen. Vielmehr könne von ihm erwartet werden,
dass er, wenn er solche "Zusatzleistungen" in Anspruch nimmt, sich insoweit
gesondert kundig mache und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten
zu Rate ziehe.
III. Praxishinweis
Mit dieser Entscheidung ist der BGH ein Stück weit von der noch im Jahre 2012 zu den
Hinweispflichten bei Datenverbindungen im Mobilfunk (BGH, Urt. v. 15.03.2012 – Az. III ZR
190/11) ausgeurteilten, sehr verbraucherfreundlichen Rechtsprechung abgerückt. Das
Gericht mutet dem Mobilfunkkunden zu, sich bei der von der üblichen Nutzung
abweichenden Inanspruchnahme von Telekommunikationsdiensten, eigenständig über die
Kosten und Abrechnungsmodalitäten in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu
informieren. Sofern diese Informationen klar und verständlich formuliert sind und sich die
Klauseln auch innerhalb der gesamten Geschäftsbedingungen an einer nachvollziehbaren
Stelle wiederfinden, bestehen keine Bedenken an ihrer Zulässigkeit.
Autor: Rechtsanwalt Florian Schaal

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