IP kompakt 10/2015 - Bundesanzeiger Verlag
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BGH – Tuning Verwendung der Herstellermarke in Angebot des Tuning-Unternehmens RA Niklas Kinting, Köln ¢ Sachverhalt In dem vorliegenden Rechtsstreit machte die Firma Porsche u.a. aus ihrer Wort-Bild-Marke „PORSCHE“ Verletzungsansprüche gegen die beklagte Tuning-Anbieterin geltend. Die Beklagte hatte unter der für sie geschützten Marke „TECHART“ nachträgliche Tuningmaßnahmen an von der Klägerin hergestellten Fahrzeugen angeboten. Zudem hatte sie von ihr umgebaute Porsche-Fahrzeuge unter verschiedenen Bezeichnungen auf den Internetportalen „autoscout24“ und „mobile.de“ unter der Herstellerrubrik „Porsche“ zum Verkauf angeboten. In den Angeboten waren die Fahrzeuge mit der Hersteller- und Modellbezeichnung der Klägerin sowie dem Zusatz „mit TECHART-Umbau“ nach folgendem Muster aufgeführt: „Porsche 911 Turbo mit TECHART-Umbau“. Die Angebote enthielten jeweils eine Fahrzeugbeschreibung, in der die von der Beklagten vorgenommenen Modifizierungen aufgeführt waren. Die Klägerin sah in den Angeboten der Beklagten u.a. eine Verletzung ihrer Wort-Bild-Marke. Sie machte geltend, die Beklagte greife mit ihren Umbauten erheblich in die Eigenart ihrer Fahrzeugmodelle ein. Mit der Bezeichnung „Porsche … mit TECHART-Umbau“ mache die Beklagte nicht hinreichend deutlich, dass die Ware wegen der veränderten Beschaffenheit nicht mehr der Klägerin zuzurechnen sei. Mit ihrer Klage griff die Klägerin die Verkaufsangebote der Beklagten in Bezug auf insgesamt 20 Modelle an. Die Beklagte führte zu ihrer Verteidigung aus, sie verwende die Zeichen der Klägerin rein beschreibend. Zudem seien die Markenrechte erschöpft, weil die vorgenommenen Veränderungen die Sacheigenschaften der OriginalFahrzeuge nicht wesentlich verändert hätten. Im Übrigen seien die Ansprüche der Klägerin verwirkt. Die Klage hatte erstinstanzlich Erfolg. Das erstinstanzliche Urteil wurde in der Berufungsinstanz weitgehend bestätigt. Lediglich in zwei Fällen wies das Berufungsgericht die Klage wegen Erschöpfung ab. Das Berufungsurteil wurde von beiden Parteien mit der Revision angegriffen. ¢ Entscheidung des BGH Die Revision führte zur vollumfänglichen Klageabweisung. Der BGH ließ dahinstehen, ob in der beanstandeten Verwendung der Klagemarke überhaupt ein markenmäßiger Gebrauch vorlag und ob sich die Beklagte auf den Grundsatz der Erschöpfung berufen konnte. Jedenfalls habe sich die Beklagte im Rahmen der Schutzschranke des § 23 Nr. 2 MarkenG bewegt. Nach dieser Vorschrift hat der Inhaber einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung nicht das Recht, einem Dritten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr ein mit der Marke identisches oder ähnliches Zeichen als Angabe über Merkmale oder Eigenschaften von Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, sofern die Benutzung nicht gegen die guten Sitten verstößt. Diese Voraussetzungen können nach der Rechtsprechung des Senats erfüllt sein, wenn eine mit der Marke des Herstellers versehene Ware nach dem Inverkehrbringen von einem Dritten verändert und die veränderte, allerdings noch immer mit der Marke des Herstellers versehene Ware unter zusätzlicher Anbringung der Marke des Dritten angeboten wird. Einschränkend gilt dies jedoch nur dann, wenn dem Verkehr deutlich wird, dass die ursprüngliche Herstellerbezeichnung ein fremdes Zeichen ist, das lediglich die Ware in ihrem Ursprungszustand kennzeichnet (BGH v. 15.1.1998, GRUR 1998, 697, 699 – VENUS MULTI; v. 24.6.2004, GRUR 2005, 162, 163 – SodaStream; v. 14.12.2006, GRUR 2007, 705 Rn. 23 f. – Aufarbeitung von Fahrzeugkomponenten). Ob eine Neutralisierung der Kennzeichnungsfunktion der Marke des ursprünglichen Herstellers anzunehmen ist, hängt nach der Rechtsprechung des BGH davon ab, ob die angesprochenen Verkehrskreise erkennen, dass die Produkte nur ursprünglich vom Hersteller stammen und unabhängig von dessen Produktverantwortung verändert worden sind (BGH v. 14.12. 2006, GRUR 2007, 705 Rn. 23 – Aufarbeitung von Fahrzeugkomponenten). Vorstehend zusammengefasste Grundsätze wendet der BGH auf alle von § 14 Abs. 3 MarkenG erfassten Handlungen an. In der vorliegenden Konstellation sah der BGH die angegriffenen Handlungen nach diesem Maßstab als von Ausgabe Oktober 2015 · Seite 7 der Schutzschranke des § 23 Nr. 2 MarkenG erfasst an. Unmaßgeblich sei die Frage der markenmäßigen Benutzung. § 23 Nr. 2 MarkenG unterscheide nicht nach den verschiedenen Möglichkeiten der Verwendung (vgl. EuGH v. 7.1.2004, GRUR 2004, 234 Rn. 19 – Gerolsteiner Brunnen zu Art. 6 Abs. 1 lit. b MarkenRL). Die Anwendung der Vorschrift sei deshalb nicht auf eine beschreibende Verwendung beschränkt (vgl. EuGH v. 25.1.2007, GRUR 2007, 318 Rn. 42 f. Opel/Autec; BGH v. 15.1.2004, GRUR 2004, 600, 602 – d-c-fix/CD-FIX; v. 2.4. 2009, GRUR 2009, 678 Rn. 18 – POST/ RegioPost; v. 2.12.2009, GRUR 2010, 646 Rn. 23 – OFFROAD). Ferner habe das Berufungsgericht zu hohe Anforderungen an die Annahme einer teilweisen Aufhebung der herkunftshinweisenden Funktion der Klagemarke „Porsche“ gestellt. Voraussetzung für das Eingreifen der Schutzschranke des § 23 Nr. 2 MarkenG sei zwar die Erkenntnis des Verkehrs, dass die herkunftshinweisende Funktion der Marke der Klägerin in den beanstandeten Angeboten auf die Kennzeichnung der Fahrzeuge in ihrem Ursprungszustand begrenzt sei. Dafür reiche aus, dass der Verkehr erkenne, dass der Dritte überhaupt Änderungen an der Ware vorgenommen und dies zum Anlass genommen habe, die veränderte Ware unter seinem eigenen Zeichen anzubieten. Damit sei klar, dass sämtliche Veränderungen allein vom Dritten zu verantworten seien. Insofern dürfe kein zu enger Maßstab angelegt werden. Die Bestimmungen des Art. 6 Abs. 1 MarkenRL und des § 23 MarkenG dienten dazu, die Interessen des Markenschutzes und des freien Warenverkehrs sowie der Dienstleistungsfreiheit in der Weise in Einklang zu bringen, dass das Markenrecht seiner Rolle als wesentlicher Teil eines unverfälschten Wettbewerbs gerecht werden könne. Vor diesem Hin- Seite 8 · Ausgabe Oktober 2015 tergrund könne den Anbietern von Kraftfahrzeugen, an denen sie Tuningmaßnahmen vorgenommen hätten, grundsätzlich nicht verwehrt werden, in ihrem Angebot die Marke des Herstellers zu nennen. Eine vom Berufungsgericht hierfür geforderte Angabe jeglicher Änderungen im Detail würde es den Anbietern unzumutbar erschweren, ihre Leistungen gegenüber dem Verkehr in Internet-Verkaufsportalen zu präsentieren. Auch auf die Frage, ob dem Verkehr die von der Beklagten angebotenen Fahrzeuge noch als „Porsche“- oder schon als „TECHART“-Fahrzeuge präsentiert worden seien, kam es nach Ansicht des BGH nicht an. Entscheidend sei vielmehr, ob der Verkehr aufgrund der Umstände erkenne, dass mit der Marke des Herstellers nur das Fahrzeug in seiner Gestalt und den Eigenschaften beschrieben werde, die beim erstmaligen Inverkehrbringen – also vor dem Umbau – vorlagen. Abzustellen sei insoweit insbesondere auf die Bezeichnung der angebotenen Fahrzeuge und die im Angebot mitgeteilten Informationen. Das Berufungsgericht hatte zudem darauf abgestellt, dass die Beklagte in den Angeboten nicht ihr eigenes Kennzeichen („TECHART“) vorangestellt hatte, sondern die Bezeichnung „Porsche“. Dem hielt der BGH entgegen, bereits aus dem Wortlaut „Porsche … mit TECHART-Umbau“ ergebe sich, dass an einem Porsche-Fahrzeug Umbauten von TECHART vorgenommen worden seien. Anhaltspunkte dafür, dass auch Porsche an den Umbauten beteiligt gewesen sei, würden dem Leser nicht mitgeteilt. Ferner wisse das angesprochene Publikum, dass es von Kraftfahrzeugherstellern unabhängige Unternehmen gebe, die nach der Auslieferung eines Serienfahrzeugs Tuningmaßnahmen vornehmen und die veränderten Fahrzeuge sodann am Markt anbieten. Im Streitfall habe sich die Beklagte außerdem nicht auf die Bezeichnung nach dem Muster „Porsche … mit TECHARTUmbau“ beschränkt, sondern in den Fahrzeugbeschreibungen die von ihr vorgenommenen Maßnahmen mit ihrer Marke „TECHART“ gekennzeichnet (z.B. „TECHART Aero-Kit GTstreet“). Ein Verstoß gegen die guten Sitten lag nach Ansicht des BGH ebenfalls nicht vor. Das Merkmal der guten Sitten im Sinne des § 23 MarkenG entspreche inhaltlich dem in Art. 6 Abs. 1 MarkenRL verwendeten Begriff der anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel. Derjenige, der sich auf eine privilegierte Benutzung berufe, müsse alles getan haben, um eine Beeinträchtigung der Interessen des Markeninhabers nach Möglichkeit zu vermeiden. Diese Prüfung erfordere eine Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalles. Grundlage der Prüfung sei, dass § 23 MarkenG dazu diene, die Interessen des Markenschutzes und des freien Warenverkehrs sowie der Dienstleistungsfreiheit in der Weise in Einklang zu bringen, dass das Markenrecht seine Rolle als wesentlicher Teil eines unverfälschten Wettbewerbs spielen könne (BGH v. 14.4.2011, GRUR 2011, 1135 Rn. 26 – Große Inspektion für Alle). Das Berufungsgericht hatte angenommen, der Beklagten hätten jedenfalls Kennzeichnungsformen zur Verfügung gestanden, die der Klägerin eine geringere Verantwortung für die angebotenen Fahrzeuge zugewiesen hätten, etwa „TECHART … auf Basis von Porsche …“. Der BGH hielt dem u.a. entgegen, der Verkehr werde bereits aus der beanstandeten Angabe „Porsche … mit TECHART-Umbau“ selbst, erst recht aber im Kontext mit den in den Anzeigen gegebenen weiteren Erläuterungen hinreichend deutlich erkennen, dass die Umbauten und damit das veränderte Produkt von der Beklagten zu verantworten seien. Die Beklagte habe sich auch nicht in unlauterer Weise in die Sogwirkung der Klagemarke begeben. Umstände, die den Schluss rechtfertigen könnten, zwischen den Parteien bestehe eine Handelsbeziehung oder die Benutzung beeinträchtige den Wert der Marke durch unlautere Ausnutzung ihrer Unterscheidungskraft oder Wertschätzung, seien ebensowenig festgestellt wie herabsetzende oder auf Nachahmung deutende Gesichtspunkte. Auch eine Irreführung sei nicht erkennbar. Fazit Eine gemäß § 23 Nr. 2 MarkenG zulässige Angabe liegt vor, wenn ein Fahrzeug (hier: Porsche) nach seinem Inverkehrbringen von einem Tuning-Unternehmen (hier: TECHART) verändert und das veränderte Fahrzeug von diesem sodann unter der Nennung der Marke des Herstellers und der Bezeichnung des Tuning-Unternehmens zum Kauf angeboten wird (hier: „Porsche … mit TECHART-Umbau“), sofern dem Verkehr durch die Angaben im Kaufangebot deutlich wird, dass mit der ursprünglichen Herstellerbezeichnung lediglich das Fahrzeug in seinem Ursprungszustand gekennzeichnet ist (im Anschluss an BGH, Urteil vom 14. Dezember 2006, I ZR 11/04, GRUR 2007, 705 – Aufarbeitung von Fahrzeugkomponenten). Bei der Prüfung der Voraussetzungen der Schutzschranke des § 23 Nr. 2 MarkenG ist zu berücksichtigen, dass den Anbietern von Tuningmaßnahmen im Interesse des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs grundsätzlich nicht verwehrt werden kann, im Angebot der von ihnen umgebauten Fahrzeuge die Marke des Herstellers des Fahrzeugs zu nennen, das durch die Tuningmaßnahmen verändert worden ist. Dabei muss den Anbietern ein gewisser Spielraum verbleiben, um ihre Leistungen dem Verbraucher gegenüber angemessen zu präsentieren. Es ist weder erforderlich, dass jegliche Änderungen im Detail angegeben werden, noch muss der Anbieter ausdrücklich darauf hinweisen, dass die genannte Marke des Herstellers nur die Herkunft des Ursprungsprodukts bezeichnet und der Hersteller mit den Umbauten nichts zu tun hat. (Amtliche Leitsätze des BGH) Quelle BGH v. 12.3.2015, Az. I ZR 147/13 Unternehmen und Wirtschaft Newsletter betrifft-unternehmen Der kostenlose Newsletter betrifft-unternehmen bietet Ihnen monatlich hilfreiche Informationen zum Unternehmens- und Wirtschaftsrecht aus den Rubriken: • Unternehmensrecht • Steuern und Finanzen • Compliance und Sicherheit • Seminare und Veranstaltungen Besuchen Sie uns unter betrifft-unternehmen.de und melden Sie sich noch heute für unseren kostenlosen Newsletter an! Recht vielseitig! Ausgabe Oktober 2015 · Seite 9