Ukraine: Die heimlichen Rebellen des Ostens [mit Videos]

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Ukraine: Die heimlichen Rebellen des Ostens [mit Videos]
Ukraine:
Rebellen
Videos]
Die
heimlichen
des Ostens [mit
Ein Aspekt des Bürgerkriegs im Donbass erntet aktuell im
deutschsprachigen Raum zu wenig Aufmerksamkeit: Wie viele
Bürger im aktuell von Kiew beherrschten Teil des
russischsprachigen Ostens hegen Sympathien für die Rebellen
oder sind sogar bereit, für sie bei der ersten Gelegenheit zur
Waffe zu greifen?
Die Bedeutung der Stimmung im Hinterland
Diese Frage kann von heute auf morgen sehr wichtig werden. Die
Rebellen berichten von Angriffsplänen der ukrainischen Armee,
die aus dem dortigen Generalstab zu ihnen durchgesickert
seien. Das kann Propaganda sein, oder auch nicht. Ist es keine
würde es bei einem erfolgreichen Vorstoß wohl ein
umfassenderes russisches Eingreifen zur Folge haben. Im Falle
eines Misserfolgs würden die Rebellen sofort zum Gegenangriff
übergehen. Und dessen Erfolgsaussichten hängen auch davon ab,
wie sich nun die Bevölkerung im Hinterland der Kiewer Truppen
verhalten würde. Wie ein Kartenhaus könnte die Herrschaft
Kiews über den gesamten Osten zusammenbrechen, ja eben wenn
die Mehrheit der Leute das will. Wie viele wollen das? Sind
alle dort überzeugte Kiew-treue Ukrainer, wie es die
deutschsprachigen Mainstream-Medien schildern?
Erfolgsmeldung als Eingeständnis radikaler Opposition
Poroschenko verkündete laut einer heutigen Meldung
Onlinezeitung Tajmer die Zerschlagung von Untergrundgruppen
der Rebellen in Charkow und Odessa, die beide von Kiew
beherrscht werden. 20 Gruppen mit insgesamt 600 Personen seien
inhaftiert worden, die bereit gewesen seien „mit ausländischen
Mächten“ zusammen zu arbeiten. In Nicht-Euromaidan-Sprech
ausgedrückt gibt Poroschenko selbst damit zu, dass es im
Hinterland der Kiewer in den mehrheitlich russischsprachigen
Gegenden verdeckt eine große Anzahl von Leuten gibt, die
bereit sind, sogar als Guerillia gegen die ungeliebten
Euromaidan-Machthaber zu kämpfen.
Keine homogene Bevölkerungsmeinung – aber Angst
Neu ist dabei nicht diese Tatsache an sich. Bombenanschläge
auf Büros zur Rekrutierung oder Nachschubbasen gab es gerade
in Odessa und Charkow bereits zahlreich und offen trifft man
Sympathiebekundungen für die Rebellen in der Ostukraine nur
deshalb nicht an, weil sie unter Strafe gestellt ist. Es
herrscht ein Klima der Angst und Bespitzelung. Denn natürlich
gibt es im Osten der Ukraine Euromaidan-gläubiger Bewohner,
vor allem unter in den letzten Jahrzehnten zugezogenen
Westukrainern. Auch Neonazis wie der Rechte Sektor haben hier
Anhänger, die viel Lust zur „Separatistenjagd“ verspüren, wenn
man ihnen die Gelegenheit gibt. Und niemand von offizieller
Seite würde ihnen Einhalt gebieten – so hält man auch als
prorussischer Bewohner lieber den Mund. Außer man befindet
sich in einer Menge oder Situation, wo man sich sicher glaubt
wie hier dieser Sprechchor am 2. August in Odessa, bei einer
Konfrontation von Anti- und Euromaidanern am Kulikowo-Feld,
übrigens unweit des Ortes des Massakers im Gewerkschaftshaus
vom 2. Mai 2014:
http://www.youtube.com/watch?v=l6PtyXp-fY8
Wer hat die Mehrheit – wer die Sympathie?
Niemand weiß, wie groß die prorussischen Gruppen sind, aber da
selbst in der Euromaidan-gläubigen Westukraine die
Unterstützung für Poroschenko und vor allem Jazenjuk
schwindet, dürften sie unter der Oberfläche im Osten noch
Zulauf haben, wo selbst zu besten Zeiten die Mehrheit der
Leute antimaidanisch gesinnt waren. Keiner kann aktuel einen
Bevölkerungsanteil beziffern, aber eine deutliche Sprache über
Sympathien spricht folgendes kleines Video aus einem Ort
Sartana im Donbass, beherrscht von Regierungstruppen.
Wohnhäuser wurden beschossen, Kiew machte die Rebellen
verantwortlich, doch die Bewohner glauben sofort etwas anderes
und sprechen es in ihrer Wut auch
aus (Video ist deutsch
untertitelt):
http://www.youtube.com/watch?v=jeSWN7-Zb3Q
Hier soll gar nicht behauptet werden, dass die Ukrainischen
Truppen einen Ort in ihrem eigenen Herrschaftsbereich
beschossen haben. Entscheidend ist, dass die Leute bereit
sind, das nach einem Beschuss sofort zu glauben, was viel über
ihr Verhältnis und Misstrauen zur Regierungsmacht aussagt.
Unterbewusste Kenntnis von Kiew
Dass Kiew diese unsichere Stimmung im „eigenen“ Osten bewusst
ist, zeigen auch die Repressalien, die Personen erdulden
müssen, die über die Demarkationslinie ins Rebellengebiet
reisen und zurück. Es gibt einen umfangreichen Antragsprozess
mit fehlendem Service und umständlichem Registrierungs- und
Genehmigungsverfahren. Hier handelt es sich ja um Bewohner des
eigenen Machtraums und hätte Kiew diese Leute so hinter sich,
wie etwa die ARD bei Reportagen aus Mariupol und Co.
suggeriert, wären solche Maßnahmen völlig unnötig.
Euromaidan-Herrschaft in der Krise
So zeigt sich, dass die Herrschaft des Euromaidan zumindest im
Osten des Landes auf tönernen Füßen steht.
Durch die
Desillusionisierung vieler seiner Anhänger auch im Westen des
Landes könnte man auch von einer inneren Krise des Euromaidan
sprechen, der die Kampfkraft der Regierungstruppen mit
Ausnahme der neofaschistischen Freiwilligeneinheiten auch
militärisch beeinflusst. Und das ist wichtig völlig unabhängig
davon, wer als nächstes angreift. Ob er sie überwinden, die
östlichen Landesteile bei der Stange halten oder
zusammenbrechen wird, wie einst westorientierte Regime in
Südvietnam oder Nicaragua, werden die nächsten Monate zeigen.
Roland Bathon, russland.RU; Grafik: Abgewandeltes Version
einer Creative-Commons-Grafik von Pohorynsky, ebenso Creative
Commons