9 E 2161/08 Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 29. August

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9 E 2161/08 Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 29. August
9 E 2161/08
Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 29. August 2008
Die Antragsteller begehren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 07. August 2008 gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung
vom 29. Juli 2008, mit der die Antragsgegnerin dem Beigeladenen den Umbau eines Bestandsgebäudes und Erweiterung (Anbau) zur Einrichtung einer Kindertagesstätte (4
Gruppen), xxx, erlaubt hat.
Dieser Antrag ist gemäß § 80a Abs. 3 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO zulässig, da dem
Widerspruch nach § 212a Abs. 1 BauGB keine aufschiebende Wirkung zukommt.
Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg. Denn bei der im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO
vorzunehmenden Abwägung zwischen dem gemäß § 212a BauGB grundsätzlich Vorrang
gebührenden Interesse des Beigeladenen an der sofortigen Ausnutzung der Baugenehmigung und dem Interesse der Antragsteller daran, dass bis zur rechtskräftigen Entscheidung über ihren Rechtsbehelf keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden, überwiegt
hier das Interesse der Antragsteller.
Der Rechtsbehelf der Antragsteller wird in der Hauptsache aller Voraussicht nach Erfolg
haben, denn die Baugenehmigung dürfte nach der in diesem Eilverfahren nur möglichen
und gebotenen summarischen Prüfung rechtswidrig sein und geschützte nachbarliche
Belange der Antragsteller verletzen (1.). Auch die gebotene Interessenabwägung fällt im
Ergebnis zugunsten der Antragsteller aus (2.).
1. Die angefochtene Baugenehmigung verletzt nachbarliche geschützte Belange der Antragsteller. Zwar dürfte eine Kindertagesstätte im Wohngebiet, in dem das Grundstück der
Antragsteller liegt, seiner Art nach vom Grundsatz her verträglich und damit zulässig sein
(a). Das genehmigte Vorhaben verstößt aber aller Voraussicht nach gegen das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme (b).
a) Die Grundstücke der Antragsteller und des Beigeladenen liegen beide im Bereich des
Baustufenplanes Othmarschen, der das Gebiet als „W 2 o“ nach der Baupolizeiverordnung – BPVO - vom 08. Juni 1938 ausweist. Der Baustufenplan enthält für das Gebiet
zudem die Ausweisung „besonders geschütztes Wohngebiet; Verbot jegliche Art gewerb-
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licher und handwerklicher Betriebe, Läden und Wirtschaften“. Der Baustufenplan gilt als
einfacher nach § 173 Abs. 3 BauGB übergeleiteter Bebauungsplan gemäß § 30 Abs. 3
BauGB weiter. Zur Konkretisierung der Festsetzungen des Baustufenplans ist grundsätzlich auf die Regelungen der Baupolizeiverordnung zurückzugreifen, da sich die Baustufenpläne an diesen Regelungen orientieren und durch diese erst ihren Inhalt erhalten.
Hinsichtlich der vorliegenden Ausweisung „W“ (Wohngebiet) regelt § 10 Abs. 4 lit. W Satz
1 BPVO, dass die dieser Ausweisung unterfallenden Grundstücke „Wohnbedürfnissen“
dienen.
Der Betrieb einer Kindertagesstätte dürfte grundsätzlich mit dieser Ausweisung als Wohngebiet vereinbar sein, weil eine solche Nutzung Wohnbedürfnisse im Sinne von § 10 Abs.
4 BPVO erfüllt. Nach der Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts
eröffnet die Ausweisung eines Baugrundstücks als Wohngebiet im Baustufenplan grundsätzlich Nachbarschutz, wobei der Begriff der Wohnbedürfnisse weit auszulegen ist. Er
schließt nicht nur Nutzungen ein, die ihrer Art nach Wohnen sind, sondern auch solche,
die in einem Wohngebiet allgemein erwartet werden oder jedenfalls mit ihm verträglich
sind, sofern sie nicht durch Schutzvorschriften im Baustufenplan selbst ausgeschlossen
sind (OVG Hamburg, Urt. v. 10.04.1997, Bf II 72/96, in juris; BVerwG, Urt. v. 17.12.1998,
4 C 9/98, in juris). Als Maßstab zur Konkretisierung dieser Festsetzung kann - wenn auch
nicht schematisch - die jeweils geltende Baunutzungsverordnung als Auslegungshilfe herangezogen werden (BVerwG, Urt. v. 17.12.1998, 4 C 9/98, in juris; OVG Hamburg,
Beschl. v. 8.12.2003, NordÖR 2004, 110; Beschl. v. 12.08.2002, 2 Bs 216/02, in juris).
Denn die Vorschriften dieser Verordnung bringen zum Ausdruck, was nach allgemeinem
Verständnis für die Wohnnutzung in bestimmten Gebieten über die eigentliche Wohnnutzung hinaus als dazugehörig oder jedenfalls mit ihr verträglich anzusehen ist. Es erscheint
daher grundsätzlich sachgerecht, die Vorschriften der Baunutzungsverordnung zur Auslegung von Baustufenplänen ergänzend heranzuziehen (OVG Hamburg, a.a.O.), weshalb in
der Regel in Wohngebieten alle diejenigen Nutzungen zulässig sind, die für in Baustufenplänen ausgewiesene besonders geschützte Wohngebiete – wie hier - nach § 3 BauNVO
bzw. für nicht besonders geschützte Wohngebiete nach § 4 BauNVO als allgemein oder
ausnahmsweise zulässig eingestuft sind (OVG Hamburg, Beschl. v. 8.12.2003, NordÖR
2004, 110; BVerwG, Urteil v. 17.12.1998, 4 C 16.97, in juris). Allerdings unterliegt die Anwendung des § 3 BauNVO gewissen Einschränkungen im Hinblick darauf, dass die in § 3
Abs. 3 BauNVO ausnahmsweise zulassungsfähigen Anlagen keinen oder einen nur eingeschränkten Bezug zu den nach § 10 Abs. 4 BPVO maßgeblichen Wohnbedürfnissen
aufweisen. Das Gericht hält es deshalb für geboten, bei den in § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO
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genannten Anlagen einen funktionalen Bezug zu den Bedürfnissen des umgebenden
Wohngebiets zu verlangen. Das bedeutet, dass diese Anlagen, soweit sie nicht selbst
„wohnartige“ Nutzungen vorsehen, eine dem Wohnen dienende Funktion haben müssen.
Diese Einschränkungen entsprechen dem Wortlaut von § 10 Abs. 4 lit. W Satz 1 BPVO,
der ausdrücklich auf die „Wohnbedürfnisse“ abstellt und somit hervorhebt, dass es auf die
Bedürfnisse der Bewohner des Gebietes ankommen soll (so auch zu § 4 BauNVO VG
Hamburg, Urt. v. 04.02.2008, 19 K 2515/07, n.v.).
Bei Zugrundelegung dieses Maßstabs dürfte die geplante Nutzungsänderung für das
Grundstück xxx grundsätzlich zulässig sein. Die bauliche Anlage ist nicht als Wohngebäude im Sinne von § 3 Abs. 2 BauNVO zu bewerten. Planungsrechtlich stellt eine Kindertagesstätte vielmehr eine Anlage für soziale Zwecke dar (vgl. Brügelmann, BauGB,
Band 6, Stand: April 2008, § 3 BauNVO Rn. 110). Dies gilt auch für das Vorhaben des
Beigeladenen. Daran ändert nichts, dass der Beigeladene als gemeinnütziger Träger der
öffentlichen Jugendhilfe Kindertagesstätten in großem Umfang betreibt. Dies macht ihn –
entgegen der Auffassung der Antragsteller – nicht zum (hier unzulässigen) Gewerbebetrieb. Als Anlage für soziale Zwecke ist die Einrichtung nur dann zulässig, wenn sie den
oben dargelegten Gebietsbezug aufweist. Dies dürfte nach der Einschätzung der Kammer
hier der Fall sein. Der Gebietsbezug der Kindertagesstätte ist durch die tatsächliche
Nachfrage der Anwohner, die aus dem maßgeblichen, durch den Baustufenplan Othmarschen ausgewiesenen Wohngebiet stammen, begründet. Ausweislich der Adresslisten
stammen nicht wenige der von dem Beigeladenen künftig zu betreuenden Kinder aus diesem Bereich (s. Anlage 1 zum Schriftsatz v. 25.08.2008, Bl.97 d.A.).
b) Die ihrer Art nach grundsätzlich zulässige Nutzung verstößt im vorliegenden Fall jedoch
gegen das aus § 15 BauNVO folgende nachbarschützende Rücksichtnahmegebot, welches auch im Baustufenplan-Gebiet anwendbar ist (VG Hamburg, Urt. v. 04.02.2008, 19 K
2515/07, n.v.). Nach der nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung dürften die
von dem hier genehmigten Vorhaben des Beigeladenen ausgehenden Belästigungen und
Störungen in Anbetracht der konkreten örtlichen Verhältnisse insgesamt die Schwelle des
den benachbarten Antragstellern zumutbaren Maßes überschreiten. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die von dem Betrieb der Kindertagesstätte zu erwartenden Belastungen
des Grundstücks der Antragsteller mit Geräuschimmissionen.
Für die Bewertung von Kinderlärm existiert kein Regelwerk. Die TA Lärm ist anlagenbezogen und kann deshalb nicht zur Anwendung kommen. Sie gilt nach Nr. 1 Abs. 2 h) für
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Vorhaben, die als genehmigungsbedürftige oder nicht genehmigungsbedürftige Anlagen
den Anforderungen des Zweiten Teils des Bundesimmissionsschutzgesetzes unterliegen,
mit Ausnahme von Anlagen für soziale Zwecke. Die Freizeitlärm-Richtlinie stellt auf den
durch Freizeitaktivitäten entstehenden Lärm ab; sie gilt nach Nr. 1 für Einrichtungen, die
dazu bestimmt sind, von Personen zur Gestaltung ihrer Freizeit genutzt zu werden. Die
Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV) ist nach ihrer Legaldefinition in § 1
Abs. 2 auf ortsfeste Einrichtungen ausgerichtet, die zur Sportausübung bestimmt sind.
Alle diese Kriterien treffen auf einen Kindergarten nicht zu, so dass es einer Einzelfallbeurteilung bedarf. Die Geräusche, die von spielenden Kindern ausgehen, können auch
nicht durch eine entsprechende Anwendung dieser Vorschriften erfasst werden (vgl. VGH
Mannheim, Urt. v. 26.06.2002, BRS 65 Nr. 181 und BT-Drs. 15/5993, S. 69 f.). Der typische Lärm, den eine Vielzahl von Kindern unterschiedlichen Alters insbesondere beim
Spielen im Freien verursacht, ist kein „vermeidbarer Lärm“ (vgl. Stollenwerk, Kinderlärm
im Miet-, Wohnungseigentums- und Nachbarrecht, zit. nach beck-online). Denn Kinder
lassen sich in ihrer Lautstärke nur begrenzt „regeln“.
Im Ergebnis können bei Lärmbelästigungen, die von einem Kindergarten ausgehen, die in
den genannten Regelwerken für die einzelnen Baugebiete festgelegten Immissionsrichtwerte nicht schematisch, sondern nur als Orientierungshilfe herangezogen werden (vgl.
BVerwG, Beschl. v. 20.03.2003, NVwZ 2003, 1516; Urt. v. 19.01.1989, BVerwGE 81,
197). Denn mit ihnen kann die „Lästigkeit" von Spiel- und Sportgeräuschen, die gerade
darin besteht, dass diese Geräusche von unterschiedlichen, ständig wechselnden Ereignissen ausgehen und von ganz unterschiedlicher Art und Intensität sind, nicht bzw. nur
unzureichend erfasst werden. Die Beurteilung der Zumutbarkeit muss wegen der Atypik
und Vielgestaltigkeit vielmehr der richterlichen Wertung im Einzelfall vorbehalten bleiben.
Erforderlich ist eine „situationsbedingte“ Abwägung der Gesamtumstände des konkreten
Einzelfalls bzw. der konkreten örtlichen Situation, nach der durch die Gebietsart und der
tatsächlichen Verhältnissen bestimmten Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit unter
Berücksichtigung der sozialen Adäquanz und allgemeinen Adäquanz (VG Osnabrück, Urt.
v. 18.06.1997, 2 A 177/96, in juris).
Gemessen an diesen Grundsätzen gehen von dem geplanten Vorhaben für die Antragsteller unzumutbare Belastungen aus. Dabei ist von Belang, dass im vorliegenden Fall
die Schutzwürdigkeit und –bedürftigkeit des Grundstücks der Antragsteller angesichts der
Ausweisung als besonders geschütztes Wohngebiet und den der Ausweisung entsprechenden tatsächlichen Verhältnisse gegenüber dem konkreten Vorhaben des Beigelade-
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nen hoch anzusetzen ist. Zudem grenzt das Grundstück des Beigeladenen in voller Länge
an die Westgrenze des Grundstücks der Antragsteller. Dabei wird nicht verkannt, dass
Kindergärten in der Regel sozialadäquate Einrichtungen innerhalb einer Wohnbebauung
sind. Nur in einem besonders gelagerten Einzelfall können sie unzulässig sein oder – um
Interessenkonflikte auszugleichen – Nutzungsbeschränkungen bedürfen. Geräusche spielender Kinder sind untrennbarer Bestandteil des Wohnens. Eine ortsnahe Versorgung der
umgebenden Wohngebiete mit ausreichendem Angebot von Kindergartenplätzen dient
zudem dem Allgemeinwohlinteresse.
Hier steht zu erwarten, dass die Lärmbelastung unter Berücksichtigung der besonderen
Störungssensibilität des besonders geschützten Wohngebiets das Maß des danach Zumutbaren überschreiten wird. So wird der als Orientierungshilfe heranzuziehende Immissionsrichtwert von 50 dB(A) für tagsüber außerhalb der Ruhezeiten, wie er übereinstimmend in allen drei oben genannten Regelwerken für das reine Wohngebiet festgelegt ist,
aller Voraussicht nach nicht eingehalten, sondern erheblich überschritten werden. Denn
die von spielenden Kindern ausgehenden Geräusche können – entsprechend der Vermutung der Antragsteller – den nach der TA Lärm für reine Wohngebiete vorgesehenen Immissionsrichtwert von 50 dB(A) ohne weiteres zum Teil erheblich übersteigen, insbesondere wenn eine größere Anzahl von Kindern im Freien spielt (vgl. LG Hamburg, Urt. v.
8.08.2005, 325 O 166/99, in beck-online). Darüber hinaus führt die hier gegebene besonders beengte Grundstückssituation dazu, dass der geplante Umfang der Nutzung (4
Gruppen mit insgesamt 60 Kindern) im Alter von 0 bis 12 Jahren deutlich über der
Schwelle der Verträglichkeit liegt.
Zwar soll der Kindertagesstättenbetrieb auf die Wochentage Montag bis Freitag in der Zeit
von 8.00 bis 17.00 Uhr beschränkt werden. Die Wochenenden, Feier- und ähnliche Tage
verbleiben als Ruhetage und die Nutzung der Außenflächen wird darüber hinaus wetterund jahreszeitenabhängig sein. Zu Gunsten des Beigeladenen sind zudem die gesetzlichen Vorgaben zur Errichtung von Kindergärten nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch
SGB in Verbindung mit § 6 Hamburger Kinderbetreuungsgesetz (HmbGVBl. 2004, S. 211,
KibeG) zu beachten (VG Hamburg, Urt. v. 04.02.2008, 19 K 2515/07, n.v.; vgl. auch VG
Gelsenkirchen, Urt. v. 14.07.2005, 5 K 3789/03, in juris). Denn aus diesen Bestimmungen
folgt zwangsläufig eine Erhöhung der Anzahl von Kindertageseinrichtungen in und in unmittelbarer Nähe von Wohngebieten, so dass ihnen damit eine Einschränkung des Ruheanspruchs der Bewohner eines reinen oder allgemeinen Wohngebietes gewissermaßen
immanent ist.
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Gleichwohl sind hier unter Berücksichtigung der konkreten örtlichen Situation selbst bei
der zeitlichen Einschränkung der Nutzung der Außenflächen massive Belästigungen zu
erwarten, die auch nicht mehr als sozialadäquat hinzunehmen sind. Denn auf dem Grundstück des Beigeladenen, das eine Größe von insgesamt 1005 qm bzw. von 790 qm bis
zur Fluchtlinie (vgl. Lageplan gem. Bauvorlage Nr. 460/08/25) aufweist, verbleibt nach
dem zu errichtenden Anbau für die 60 Kinder im hinteren Gartenbereich eine nutzbare
Außenfläche von nur ca. 450 qm. Das Grundstück grenzt in voller Länge, ab dem zu errichtenden Anbau in einer Länge von ca. 42 m, an das Grundstück der Antragsteller. Die
Spielfläche weist dabei im Anschluss an den Anbau nur eine Breite von ca. 14 m auf, die
sich bis auf ca. 8 m Breite zur nordöstlichen Grundstücksgrenze hin verjüngt. Die Kinder
werden sich demnach jeweils in unmittelbarer Nähe zum Grundstück der Antragsteller
aufhalten und dort spielen. Es ist angesichts dieser beengten örtlichen Verhältnisse von
einer erheblichen Lärmkonzentration auszugehen. Dass die Geräusche einer solchen
Anzahl spielender Kinder die Immissionsrichtwerte für tagsüber außerhalb der Ruhezeiten
von 50dB(A) für reine Wohngebiete überschreitet, dürfte zu erwarten sein, selbst, wenn
nicht alle Kinder zugleich auf der Freifläche spielen.
Diese Auswirkungen auf das Grundstück der Antragsteller sind nicht mehr als zumutbar
hinzunehmen, zumal keine Vorkehrungen zur Vermeidung getroffen werden. So enthält
die Baugenehmigung keinerlei Auflagen zum Schutz der Ruhebedürfnisse der Antragsteller. In der Anlage zum Bescheid „Immissionsschutzrechtliche Anforderungen“ heißt es
unter Ziff. 1.10 nur: „Die folgenden Richtwerte gelten ausschließlich für technische Anlagen. Kinderlärm ist als sozialadäquat hinzunehmen. Rücksichtnahme auf nachbarschaftliche Belange sollte trotzdem erfolgen.“ Die Antragsgegnerin hat im Erörterungstermin vom
26. August 2008 angegeben, dass sie diesbezügliche Auflagen bzw. eine weitergehende
Aufklärung der zu erwartenden Beeinträchtigungen der Nachbarn nicht für erforderlich
halte. Die von den Antragstellern und dem Beigeladenen zum Schutz ursprünglich an der
Grenze vorgesehene Lärmschutzwand würde die Antragsgegnerin selbst bei Vorliegen
des Einverständnisses der Beteiligten nur mit der in § 6 Abs. 7 HBauO vorgesehenen
Höhe von 2,00 m genehmigen. Insoweit teilt das Gericht jedoch die Auffassung der Antragsteller, dass eine Lärmschutzwand in dieser Höhe keine geeignete Schutzmaßnahme
darstellt, zumal das Grundstück des Beigeladenen ca. 15 cm tiefer liegt als das Grundstück der Antragsteller und das Aufstellen von Spielgeräten im Außenbereich zu erwarten
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ist, die eine solche Wand überragen würden. Die Antragsteller würden somit auf der gesamten Gartenfläche ihres Grundstückes während der Betriebszeiten der Kindertagesstätte den Geräuschen der spielenden Kinder ausgesetzt sein.
Selbst wenn sich nicht alle 60 Kinder zeitgleich im Außenbereich aufhalten sollten, werden hier angesichts der konkreten beengten Grundstücksverhältnisse auch bei einer geringeren Kinderanzahl erhebliche Geräuschbelästigungen zu erwarten sein. Zwar ist bislang noch ungeklärt, wo der Beigeladene welche Spielgeräte und aus welchem Material
im Außenbereich aufstellen möchte. Angesichts der beengten Grundstücksituation auf
seinem Grundstück wäre es aber erforderlich, die dafür verbleibende Fläche von ca. 450
qm im hinteren Grundstücksbereich vollständig zu nutzen. Zudem lässt allein die nach
Angaben des Beigeladenen im Erörterungstermin beabsichtigte Nutzung der ca. 15 m
langen und unmittelbar entlang der Grenze zu den Antragstellern geplanten Holzrampe,
die auch als Spielfläche für die Kinder dienen soll, letztlich unzumutbare Lärmbelastungen
erwarten. Denn die Rampe soll nach den Planunterlagen nur einen Abstand von ca. 2,90
m zum Grundstück der Antragsteller mit einem Gefälle von 6 % haben (vgl. Anlage zum
Bescheid Nr. 460/29). Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass wegen des
Materials Holz bereits dann, wenn die Kinder nur auf der Rampe umherlaufen, aber erst
Recht, wenn die Rampe mit entsprechenden Kinderspielgeräten befahren werden sollte,
massive Lärmbeeinträchtigungen auftreten werden.
2. Auch die gebotene Interessenabwägung ergibt, dass hier das Interesse der Antragsteller, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Baugenehmigung anzuordnen, das Interesse des Beigeladenen, die Baugenehmigung auszunutzen, überwiegt.
Denn es besteht hier bei der Verwirklichung des Vorhabens die Gefahr, dass von ihm
unzumutbare konkrete Belästigungen für die Antragsteller ausgehen, die auch für die
Dauer eines Hauptsacheverfahrens für die Antragsteller nicht zumutbar sind. Der Beigeladene beabsichtigt, die Nutzung ab dem 01.09.2008 - zunächst eingeschränkt mit ca. 40
Kindern -, die vollständige Nutzung ab dem 01.10.2008 aufzunehmen. Angesichts der
Tatsache, dass sich die Antragsgegnerin nicht in der Lage sieht, die dadurch zu erwartenden Belästigungen durch erforderliche Schutzmaßnahmen zu Gunsten der Antragsteller einzudämmen, kann den Interessen des Beigeladenen auch vor dem Hintergrund,
dass er bereits vor der Erteilung der Baugenehmigung Anmeldungen in großer Zahl von
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Eltern entgegengenommen hat und im Wissen um die nachbarlichen Einwendungen die
Eröffnung zum 1.9.2008 auf eigenes Risiko betreibt, kein Vorrang eingeräumt werden.
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