Was der Gang über Krankheiten verrät

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Was der Gang über Krankheiten verrät
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I n f o r m a t i o n s m a t e r i a l
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Was der Gang über Krankheiten verrät
Wer traurig ist, lässt die oft Schultern hängen. Wer Probleme mit der Wirbelsäule hat, läuft bekanntermaßen krumm und schief. Wer Schmerzen in der
Hüfte oder im Knie hat, der humpelt. Aber es gibt auch sehr viele andere Erkrankungen, die sich am Gangbild erkennen lassen.
Neurologische oder orthopädische
Ursachen
Ärzte unterscheiden bei Gangstörungen
vorwiegend zwischen neurologischen
Ursachen, bei denen die Nerven geschädigt sind und orthopädischen Problemen, die durch Verletzungen oder Abnutzung der Knochen und Gelenke entstehen. Auch internistische Ursachen wie
Durchblutungsstörungen verändern das
Gehen. Gangstörungen nehmen mit
dem Lebensalter zu. Etwa zehn Prozent
der 60-Jährigen haben Probleme beim
Gehen, bei den 80-Jährigen sind es
schon 30 Prozent. Gangstörungen bergen immer das Risiko zu stürzen und
sich dabei erhebliche Verletzungen zuzuziehen. Man sollte sie daher nicht auf
die leichte Schulter nehmen, zumal es
in vielen Fällen gute Behandlungsmöglichkeiten gibt. Liegen die Ursachen für
die Probleme beim Gehen im orthopädischen Bereich, steht die ganze Palette
aus orthopädischem Schuhwerk, Bewegungstherapie und Physiotherapie bis
hin zu operativen Verfahren zur Verfügung. Im neurologischen Bereich gibt es
verschiedene Medikamente, die die
Gehfähigkeit von Patienten mit Parkinson oder Multipler Sklerose verbessern.
Im Fall von Altershirndruck - Mediziner
sprechen von NormaldruckHydrozephalus - kann eine Punktion des
Nervenwassers helfen. Die Erkrankung
wird häufig nicht erkannt, da die Patienten demenzähnliche Symptome haben.
Torkelnder Gang
Nicht allein Alkohol führt zu einem torkelnden Gang. Ursache können auch
Medikamente wie Schmerz- und Schlafmittel oder Antidepressiva, können so
etwas auslösen. Im Zweifel sollte mit
dem behandelnden Arzt geklärt werden, ob das Medikament gewechselt
werden kann.
Schlurfender Gang
Wer einen schlurfenden Gang hat, ist
nicht zwangsläufig zu faul die Füße zu
heben. Ursache kann auch Altershirndruck sein. Er wird laut Experten häufig
übersehen und tritt gleichzeitig mit Inkontinenz und demenzähnlichen Symptomen auf. Rechtzeitig erkannt, können die Beschwerden durch eine Lumbalpunktion erfolgreich behandelt werden. Auch Parkinson- und DemenzPatienten haben meist einen schlurfenden Gang.
Breitbeiniger Gang
Wer breitbeinig geht, hat möglicherweise Probleme mit den Augen. Wer nicht
richtig sehen kann, versucht durch das
breitbeinige Laufen mehr Sicherheit
beim Laufen zu bekommen. Charakte1
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ristisch für Gehstörungen auf Grund
schlechter Augen ist, dass sich das
Gangbild bei Dunkelheit nicht verschlechtert.
Stepper- oder Storchengang
Der Stepper- oder Storchengang ist typisch für Patienten mit Nervenschädigungen in den Füßen, einer Polyneuropathie, wie sie bei Diabetikern häufiger
auftritt. Beim Laufen hängt der Fuß
herab. Um nicht zu stolpern, heben die
Patienten ihr Bein stärker. Diese Patienten können auch nicht auf der Ferse
stehen.
Trippelschritte
Trippelschritte sind typisch für DemenzPatienten. Erste Gangstörungen treten
schon in einem frühen Stadium der Demenz auf. Mit fortschreitender Demenz
gehen diese Patienten auch immer langsamer.
Pausen beim Gehen
Häufige Pausen beim Gehen benötigen
Patienten mit Durchblutungsstörungen
in den Beinen. Die sogenannte Schaufenster-Krankheit hat daher auch ihren
Namen. Wie bei einem Schaufensterbummel bleiben die Patienten oft stehen. Denn dann werden ihre Schmerzen
erträglicher. Patienten mit Schwindelattacken können dagegen manchmal gar
nicht stehen bleiben.
Hightech in der Gangforschun
Die Ganganalyse-Matte im Zentrum für
klinische Neurowissenschaften des Uniklinikums Dresden sieht aus wie eine
überlange Gymnastikmatte. In der neun
Meter langen Hightech-Variante verstecken sich allerdings 80.000 hochsensible
Sensoren, die rund 100 verschiedene
Messwerte liefern. Gemessen werden
beispielsweise die Schrittlänge, die
Schrittgeschwindigkeit, die Verteilung
des Drucks beim Aufsetzen und Abrollen
des Fußes. Die Werte liefern Zahlen, die
die Gangstörungen messbar machen.
"Mit dem Auge sieht man als Neurologe
zwar auch, dass etwas nicht stimmt. Die
Matte misst aber genau, was nicht
stimmt" berichtet Prof. Dr. Tjalf Ziemssen. "Manchmal sagen die Patienten
zum Beispiel mit der Zeit: das Medikament bringt gar nichts mehr. Die Zahlen
der Gehmatte liefern dann den Beweis,
ob es wirklich so ist." Im Klinikalltag
unterstützt die Matte so die Ärzte bei
Diagnose und Therapie.
Untersuchung im 3-D-Labor
In der medizinischen Forschung werden
sogar noch komplexere GanganalyseMethoden verwendet. Das Waldkrankenhaus Eisenberg betreibt gemeinsam
mit Wissenschaftlern des Uniklinikums
Jena ein 3-D-Ganglabor, das zu den modernsten Forschungslaboren Deutschlands zählt. Patienten mit künstlichen
Gelenken oder Kinder mit ausgeprägten
Knick- und Senkfüßen laufen dort für
Forschungszwecke über eine etwa acht
Meter lange Analysestrecke. Sechs fest
installierte Infrarotkameras senden Licht
aus. Dieses wird von den am Körper
aufgeklebten Markern reflektiert und
vom Rechner zu einem dreidimensionalen Gangbild verarbeitet. Der Computer
vergleicht alle Messwerte mit einem
gesunden, normalen Gang und errechnet jede Abweichung von der Norm.
Zusätzlich liefern im Boden eingelassene
Kraftmessplatten Informationen zur
Belastung der Gelenke. "Aus diesen Angaben lassen sich Berechnungen über
die Beugung und die Streckung des Gelenkes anstellen, aber auch über die
Kräfte, die auf das Gelenk und damit
auf die empfindlichen Stellen im Gelenk
wie z. B. Knorpel und Knochen wirken",
erklärt Prof. Dr. Raimund Kinne. "Wir
wollen lernen, wie groß die Störung vor
einer OP ist und wie sich das Gangbild
nach einer OP verbessert. Daraus leiten
wir langfristig Empfehlungen für das
beste OP- Verfahren ab."
O-Beine sind mehr als nur
ein Schönheitsfehler
Fußballer-Beine sind bekanntermaßen
mehr oder weniger krumm. Die wahrscheinlich bekanntesten O-Beine des
Fußballsports sind die WeltmeisterWaden von Pierre Littbarski. Aber nicht
nur bei Weltmeistern findet man klas2
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sisch-schöne Fußballer-Beine. Auch viele
Klassen tiefer, wie bei den Kickern des
SV Fortuna Leipzig, sind O-Beine ein
Thema – und oft ein trauriges. Seine
großen Fußball-Träume musste Thomas
Klaus, Ex-Jugendnationalspieler der
DDR, früh zu Grabe tragen: "Mein Ziel
war schon in der DDR-Oberliga, einmal
in einem großen Verein zu spielen, vielleicht auch international etwas zu erreichen. Aber die Hoffnung ist mir dann
schnell genommen worden. Während
meiner Jugendzeit hatte ich die erste
schwere Knieverletzung, die mich dann
auch gezwungen hat, den Sport aufzugeben." Als Folge der Knieverletzung
entwickelten sich bei Thomas Klaus OBeine, die auch heute kein Fußballspiel
mehr ermöglichen.
Fußballer leiden häufiger unter OBeinen als andere Menschen. Die Ursachen dafür sind unterschiedlich. "Männer neigen von Natur aus eher zu OBeinen als Frauen, das ist genetisch so
bedingt", erklärt Dr. Ingmar Meinecke,
Orthopäde am Parkkrankenhaus in
Leipzig. "Dazu können häufige Verletzungen an Kreuzband und Meniskus zu
einer frühzeitigen O-Bein-Arthrose führen." Einer Studie der belgischen Universität Gent zufolge, nimmt zudem die
Zahl der O-Beine bei Fußballern ab dem
13. Lebensjahr zu. Grund dafür ist nach
Erkenntnissen der Genter Forscher die
Tatsache, dass sich die inneren Beinmuskeln bei Fußballern stärker ausprägen.
Robin Beckert, ein 20 Jahre alter Fußballer beim SV Fortuna Leipzig, hat das an
sich selbst bemerkt. "Ich hatte ganz
normale Beine. Wenn man auf das
Großfeld geht, so mit 13, 14 Jahren,
dann verändert sich das (Bein, Anm. d.
Red.) im Wachstum. Wenn die O-Beine
nicht so ausgeprägt sind, finde ich, dass
es Vorteile hat. Da braucht man seinen
Fuß nicht mehr so weit ausdrehen. Aber
wenn die O-Beine zu extrem sind, hat
das nur Nachteile. Oft bekommt z.B. oft
Bälle durch die Beine gespielt." Bereiten
O-Beine anfangs nur fußballerisch und
optisch Probleme, kommen später ge-
sundheitliche Probleme an Knie, Hüfte
und Wirbelsäule hinzu. Dann können
künstliche Gelenke aufgrund von einseitigen Abnutzungserscheinungen notwendig werden.
Vorbeugen kann man nur bedingt. Ein
ausgewogenes Training verhindert aber
zumindest ein Ungleichgewicht der
Beinmuskulatur und senkt das Verletzungsrisiko. In schwierigen Fällen kann
auch eine Umstellungs-OP nötig sein.
Dabei wird ein Stück Knochen aus dem
Schienbein entnommen und der Knochen für einige Zeit mit einer Platte korrigiert und fixiert. Die Beine sind nach
dieser OP wieder gerade und ein ordentlicher Gang ist wieder möglich.
Beipack-Zettel checken
Ein Tipp von Apotheker Friedemann Schmidt
Störungen bei Bewegungen wie dem
Gehen können durch eine Vielzahl von
Arzneimitteln hervorgerufen werden.
Entweder greift das Arzneimittel direkt
an der Muskulatur an und verursacht
dadurch Störungen der Bewegungsabläufe. Im Beipackzettel steht dann etwas
von möglichen "motorischen Störungen". Oder das Arzneimittel beeinflusst
in irgendeiner Weise den Gleichgewichtssinn, die Aufmerksamkeit oder
den Sehsinn, was ebenfalls solche Behinderungen und Störungen beim Gehen und Stehen hervorruft.
Besonders dramatisch sind derartige
Störungen bei alten Patienten, weil sie
häufig zu Stürzen führen und sich der
alte Patient dann in der Regel schwere
Verletzungen zuzieht. Deshalb sind in
der vor zwei Jahren erschienenen Priscus-Liste, das ist eine Liste von 83 Wirkstoffen, die sich aus verschiedenen
Gründen nicht für die Behandlung älterer Menschen eignen, auch häufig diese
Probleme aufgeführt. Schaut man sich
Rezepte älterer Patienten an, findet
man trotz der Liste immer wieder Verordnungen dieser Arzneistoffe. Hier ein
paar Beispiele:
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Blutdruckmedikamente aus der
Gruppe der Alpha-Blocker (Doxazosin,Prazosin)
Arzneimittel gegen psychotische
Störungen aus der Gruppe der
klassischen Neuroleptika (Haloperidol, Thioridazin,Fluphenazin)
Muskelentspannende Mittel,
häufig bei Skelett- und Muskelschmerzen verordnet (Tetrazepam, Baclofen)
Beruhigungsmittel aus der Gruppe der Benzodiazepine und der
sogenannten Z-Substanzen, vorallem langwirkende mit Nachwirkungen am nächsten Morgen
Starke Schmerzmittel
ältere Mittel gegen Depressionen
(Amitriptylin, Doxepin, Imipramin)
Einige der Substanzen sind in bestimmter Dosis einsetzbar, andere völlig ungeeignet. Vor allem Angehörige hochbetagter Patienten sollten immer ein
Auge auf die Arzneimittel haben und im
Zweifel einen Arzt oder einen Apotheker zu Rate ziehen, wenn sie den Eindruck haben, dass das motorische Verhalten des Patienten sich verändert, etwa Gangunsicherheit, häufiges Festhalten, Langsamkeit, Schwindel etc. neu
auftreten.
Testen Sie sich selbst!
Ist mein Rücken schief?
Häufig wird nach einer Operation weiter schiefgelaufen oder gehumpelt, obwohl das eigentliche Problem behoben
ist. Das ist ein Problem, denn es ist
schlecht für den Rücken. Ob Sie Ihre
Beine unterschiedlich stark belasten,
können Sie einfach mit zwei geeichten
Waagen testen. Stellen Sie dazu jedes
Bein auf eine Waage. Zeigen die Waagen ein unterschiedliches Gewicht an,
dann belasten Sie Ihre Beine ungleichmäßig und müssen das schwache Bein
trainieren.
Wie hoch ist Sturzrisiko älterer Menschen?
Eigentlich denkt man nicht darüber
nach, wie man geht. Das geschieht automatisch. Dabei ist das Gehen ein
hochkomplexer Bewegungsablauf, an
dem eine Vielzahl von Muskeln und Gelenken beteiligt sind. Interessanterweise
halten ältere Menschen beim Gehen
inne, wenn sie sich unterhalten. Und das
umso häufiger, je unsicherer sie gehen.
Es scheint, als können sie nicht mehr
gleichzeitig laufen und reden. In einer
schwedischen Studie wurde das sogar als
Vorhersagemöglichkeit des Sturzrisikos
bei älteren Menschen gewertet.
Ist mein Gleichgewicht gestört?
Versuchen Sie auf einer vier Meter langen Linie am Boden (zum Bespiel eine
Parkett- oder Teppichkante) mit geschlossenen Augen zu laufen. Verläuft
Ihre Gehstrecke bogenförmig, ist Ihr
Gleichgewichtssinn gestört.
Ein sicherer Gang
Tipps von Physiotherapeutin Gitte Baumeier
Eine Ganganalyse gehört zum Handwerkszeug eines jeden Physiotherapeuten.
Er schaut sich einen Patienten genau
von vorn, von der Seite und von hinten
an. Ein guter Physiotherapeut hört sogar
an der Schrittfrequenz, ob zum Beispiel
ein Bein stärker belastet wird als das
andere. Eine Störung des Ganges lässt
sich schwer selbst korrigieren, da sich
das Gangbild oft eingeschliffen hat und
kleine Veränderungen vom Patienten
häufig nicht wahrgenommen werden.
Treten Probleme beim Gehen auf, kann
man sich eine Gangschulung beim Physiotherapeuten verschreiben lassen. Die
Kosten werden von den Krankenkassen
getragen.
Wer auf eine Gehhilfe angewiesen
ist, sollte folgende Tipps beachten:
1. Bei vielen Patienten sind die Stützen
zu hoch eingestellt. Faustregel: Wo der
Oberschenkelknochen am deutlichsten
zu spüren ist, sollte sich der Griff der
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Gehstütze befinden. Oder bei herabhängenden Armen sollte sich der Griff
auf Höhe der Handgelenke befinden.
2. Benutzen Sie lieber einen Rucksack
zum Einkaufen als eine Tasche. Dann
haben Sie beide Hände frei.
3. Wer nur eine Stütze benutzen möchte, sollte sie immer an der gesunden
Seite tragen. Wenn sich also die betroffene Seite rechts befindet, kommt die
Stütze an den linken Arm. Die Belastung
des betroffenen Beines wird so vermindert.
Anschrift/ Thema der nächsten Sendung
MDR FERNSEHEN
Redaktion Wissenschaft und Bildung
"Hauptsache gesund"
04360 Leipzig
Faxabruf:
01803 151534 (0,09 € pro
Minute aus dem Festnetz, Mobilfunk
max. 0,42 € pro Minute)
Internet:
www.mdr.de/hauptsachegesund
E-Mail: [email protected]
Thema der nächsten Sendung am
10.05.2012: " Hilfe, mein Knie – die besten Heilmittel"
4. Ein Rollator ist bequem, aber nicht
unbedingt besser als zwei Gehstützen.
Mit zwei Gehstützen hat man einen aufrechteren Gang und geht nicht so vornüber gebeugt. Und man kommt schneller wieder davon weg.
5. Wer einen Rollator benutzen möchte,
sollte darauf achten, dass die Griffe
nicht zu hoch sind. Der Nutzer sollte sich
zwischen die Griffe stellen, die Arme
hängen lassen und die Griffe in Höhe
der Handgelenke fixieren. Zudem sollte
der Rollator nicht wie eine Schubkarre
vor sich her geschoben werden, sondern
möglichst nah am Körper geführt werden.
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