Material #1
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Material #1
Bildbetrachtung und -meditiation Barmherziger Samariter Dieses Bild von Julius Schnorr von Carolsfeld stellt die zentrale Aussage der Erzählung (des Gleichnisses) Jesu vom barmherzigen Samariter dar. Im Vordergrund ist ein Mann zu sehen, der sich zu einem verletzt am Boden Liegenden hinabbeugt. Der Verletzte, ein jüngerer Mann, liegt halb bekleidet und am Kopf blutend auf einem Tuch. Dieses ist in Bauchhöhe um ihn herumgelegt. Mit dem Tuchende betupft der Helfende den Kopf des Mannes. Das Gesicht des Verletzten wirkt eher schlafend, als schmerzverzerrt und seine liegende Haltung eher entspannt, als vom Schmerz verkrampft. Der Helfer ist mit einem roten Gewand mit weißem Schultertuch sowie einem rot-weißen Turban angetan. Rot ist als Farbe der Liebe, des Handelns, der Furchtlosigkeit zu deuten. Weiß symbolisiert Mitgefühl und Verlässlichkeit. An seiner Seite trägt er eine Tasche, aus der ein Krug – der Ölkrug – herausschaut. Er scheint älter zu sein, worauf der längere Bart hinweist. Sein Gesicht spiegelt Fürsorge wieder. Mit der einen Hand tupft er mit dem Tuch den Kopf des Verletzten ab, die andere Hand hält er fürsorglich über den Verletzten. Sie scheint sagen zu wollen: „Sei still, beunruhige dich nicht, ich helfe dir!“ Neben dem Helfer steht ein Esel, der neugierig und beinahe ebenfalls mitleidig auf den Verletzten blickt. Nicht die Szenerie ist nicht die Steinwüste Judäas, sondern ein Waldstück, wie wir es aus unseren Breiten kennen. Zwischen den Bäumen – oberhalb des Esels – sind die fliehenden Räuber zu erkennen. Auf dem Weg zur Stadt, die in der linken Bildhälfte im Hintergrund zu sehen ist, befinden sich zwei Menschen. Der eine, auf seinem Esel reitend, hat die Stadt schon bald erreicht.. Ein anderer scheint den Verletzten gerade erst verlassen zu haben, eine Schriftrolle im Gehen studierend. Der Maler gibt im Bild die Szene wieder, in welcher der barmherzige Samariter sich um den Verletzten kümmert. Wie lange hat der Verletzte warten müssen? Welche Gedanken quälten ihn, nachdem die beiden anderen Männer an ihm vorbei kamen, ihn sahen und ihn in seinem Elend liegen ließen? Wieviele Hoffnungen auf Hilfe hatte er? Hoffnungen, die zerschlagen wurden - so wie er geschlagen wurde. Auch wir kennen das Gefühl des Wartens – auf Hilfe, auf Menschen. Auch wir kennen das Gefühl der Enttäuschung. Schlimm ist diese, wenn man auf Hilfe gehofft hat, sich auf Menschen verlassen hat und dann enttäuscht wurde. So ging es dem Verletzten. Ein Schriftgelehrter, ein Levit – gottesfürchtige Männer aus seinem eigenen Volk – sie gingen an ihm vorüber, ohne zu helfen. Was war dann noch zu erwarten, wenn ein Ausländer kam? Und jetzt dieser Fremde, ein Samariter, mit einer von den Juden nicht anerkannten Religion, der selbstlos und mutig anpackt und hilft. Dem weder Zeit - noch später, wie wir aus der Geschichte wissen, Geld eine Rolle spielen und er einfach da hilft und so hilft, wie es die Situation jetzt erfordert. Die Bildszene wurde von dem Maler Julius Schnorr von Carolsfeld ca 1860, in unsere Breiten verlegt. Vielleicht will er damit als Botschaft für uns ausdrücken, dass die Aufforderung zu helfen, bzw. derjenige der Hilfe braucht, nicht im fernen Land zu suchen ist. Dass der Hilfsbedürftige nicht unbedingt äußerlich verletzt sein muss, sondern dass es auch Verletzungen gibt, die nicht auf Anhieb zu erkennen sind, aber dennoch der Mensch unsere Hilfe benötigt. Hilfe braucht Fürsorge, Mut, Mitgefühl und Verlässlichkeit. Und diese Hilfe kann jeder von uns - mit etwas Fantasie und gutem Willen - einem Hilfesuchenden geben.