Studie „Best Practice 360° Feedback“: Aktuelle - HR

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Studie „Best Practice 360° Feedback“: Aktuelle - HR
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Studie „Best Practice 360° Feedback“:
Aktuelle Ergebnisse und Erfahrungen aus der Praxis
Von Christina Dietzsch-Kley und Jürgen Kaschube
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© 2007 Christina Dietzsch-Kley, Jürgen Kaschube, München.
Email: [email protected]
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Im Überblick
1. Definition: Was es wirklich ist
2. Ziele eines 360 Grad Feedbacks
i. Ziele ersten Grades - für den Feedback Rezipienten
ii. Ziele zweiten Grades - in der Evaluation mit dem/den Rezipienten
iii. Ziele dritten Grades - für das Unternehmen/die Personalabteilung
3. Methodische Vielfalt
4. 360 Grad Feedback im Kontext
5. Feedbacksysteme
6. „Best Practice“ der Implementierung von Feedbacksystemen
i. Bestimmung von Zielen, Feedbackmethode und Rating-Kriterien
ii. Festlegung des Projektablaufs
iii. Kommunikation und Steuerung von Erwartungen
iv. Ressourcen
v. Benennung der Akteure
vi. Ergebnispräsentation, Angebote und Einzelmaßnahmen
vii. Regelmäßigkeit und Nachkontrolle
7. Methodische und inhaltliche Überfrachtung
8. Effekte
9. Tatsächliche Erfolgsfaktoren
10. Empirische Ergebnisse
i. Das Procedere
ii. Das Feedback Instrument
iii. Üblicher Projektablauf
iv. Maßnahmen der Qualitätssicherung
v. Ergebnisdarstellung
vi. Ergebnisverwendung
vii. Werttendenzen und statistische Ergebnisse
viii. Akzeptanz von 360 Grad Feedbacks
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Studie „Best Practice 360° Feedback“:
Aktuelle Ergebnisse und Erfahrungen aus der Praxis
"The concept of 360 degree feedback makes a lot of sense and, if used
well, should have a great deal to offer. It seems to suit the move towards
the less hierarchical, more flexibly-structured and knowledge-based
organisations of the future.”
Prof. Dr. Clive Fletcher
(Goldsmiths College, University of London)
Unternehmen sind geprägt von ihren Mitarbeitern und den Themen der Zeit, in der sie
bestehen. Noch vor einigen Jahrzehnten ergab die Einhaltung von streng funktionalen
Hierarchien ein klares Organisationsmodell. Mit der Welle des Lean Managements etablierte
sich dann in vielen Firmen ein Organisationsmodell mit weniger Hierarchien, mehr
horizontaler Breite und funktionsübergreifenden oder gar projektbasierten Verzahnungen.
Diese flexiblen Organisationsmodelle prägen auch die heutigen Führungsformen. Mit der
Flexibilisierung geht oftmals einher, dass sich die Dyade Mitarbeiter-Vorgesetzter zugunsten
von zweckgebunden geführten Teams weiter entwickelt hat. Die damit verbundene
Spannbreite in der Führungsverantwortung treibt Führungskräfte unweigerlich zu einer
verstärkten Nutzung systematischer Führungsinstrumente, wie z.B. MBO Prozesse und
Leistungsfeedbacks. Neben der Beurteilung von Produktivität bzw. Zielerreichung wird auch
den sog. Social oder Networking Skills der Mitarbeiter mehr Bedeutung beigemessen. Diese
lassen sich anhand von 360 Grad Feedbacks messen. Dahinter steht die Annahme, dass die
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persönlichen (Handlungs-) Kompetenzen in einem ähnlichen Maß wie die sachlichoperativen Kompetenzen zum Erfolg einer Führungsperson beitragen. Inzwischen gibt es
zahlreiche Studien und Erfahrungsberichte, die die Wirksamkeit von 360 Grad Feedbacks
sowohl für die beteiligten Individuen als auch für Unternehmen belegen.
1. Definition: Was es wirklich ist
Ein 360 Grad Feedback holt mehrere Meinungen über die Beiträge und das Verhalten eines
Mitarbeiters sowie dessen Eigenbeurteilung anhand eines strukturierten Verfahrens ein. Die
Fremdeinschätzungen sollten aus verschiedenen Beziehungsgruppen kommen, d.h. Peers,
Vorgesetze,
Mitarbeiter,
Externe
(Lieferanten/Kunden),
um
ein
umfassendes
und
aussagekräftiges Ergebnis auf der Basis von gemittelten Werten zu erzeugen. 360 Grad
Feedbacks sind methodisch vielfältig und können je nach Art der Fragestellung verschiedene
Ziele verfolgen. Dabei gilt der allgemeine Grundsatz, dass gutes Feedback konkret und
verhaltenbezogen ist und nicht wertend sein sollte. Es sollte veränderungsorientiert sein und
den Fokuspersonen entsprechende Handlungsmöglichkeiten aufzeigen. Neben den aus dem
Unternehmen abgeleiteten Zielen von Feedbackprojekten dient eine gute Rückmeldung in
Form eines multi-perspektivischen Feedbackberichts vor allem der persönlichen Entwicklung
von Mitarbeitern.
2. Ziele eines 360 Grad Feedbacks
Obwohl ein Feedback kein Testinstrument ist und die meisten den grundlegenden
Gütekriterien von Testinstrumenten kaum gerecht werden, ordnen einige Anwender ein 360
Grad Feedback zunächst der Eignungsdiagnostik zu. Das ist streng genommen falsch, weil
Feedbacks keinem einheitlichen Maßstab folgen. Trotzdem verbinden viele mit 360 Grad
Feedbacks Selektionsziele. Die meisten Unternehmen jedoch verstehen 360 Grad
Feedbacks als Maßnahmen der individuellen Entwicklung im Rahmen einer allgemeinen
Organisationsentwicklung, die insbesondere der Führungskultur zugute kommen sollen. Es
soll hier genügen, eine Übersicht über alle Ziele herzustellen, die in der Praxis mit einem 360
Grad Feedback verfolgt werden. Die Frage danach, wie und unter welcher Prämisse diese
Ziele erreicht werden, wird in Punkt 7. („Inhaltliche und methodische Überfrachtung“)
diskutiert.
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Man kann zwischen Zielen ersten Grades, d.h. den direkten Ergebnissen für Teilnehmer, und
den Zielen zweiten und dritten Grades unterschieden, die sich den potenziellen
Konsequenzen der Feedbackmessung widmen.
Ziele ersten Grades - für den Feedback Rezipienten:
•
Professionalisierte persönliche Rückmeldung
•
Quantitative Darstellung von schwer messbaren Kriterien, wie z.B. Erfolg von
Führungs- und Integrationsverhalten
•
Sensibilisierung anhand von Unterschieden in Eigen- und Fremdbewertung
•
Überprüfung von individuellen Leistungsmaßstäben
•
Relative Analyse von Stärken und Schwächen sowie von Entwicklungsbereichen
•
Entwicklungs- und Veränderungsanstöße
•
Bindeglied zwischen Zielvorgaben und Zielerreichungsstrategien
Ziele zweiten Grades - in der Evaluation mit dem/den Rezipienten:
•
Für den Vorgesetzten: Ein systematisches Führungsinstrument
•
Für den Coach: Eine Basis für die Entwicklungsberatung und Karriereplanung
•
Für das Team: Aktivierung von Problemlöseprozessen
Ziele dritten Grades - für das Unternehmen/die Personalabteilung:
*
•
Einschätzung fachlicher Kompetenzen*
•
Einschätzung persönlicher Kompetenzen*
•
Möglichst vollständige Bewertung der Schlüsselqualifikationen von Mitarbeitern
•
Potenzialanalyse*
•
Selektion von Mitarbeitern anhand von Anforderungsprofilen*
•
Aktivierung von Führungsverhalten
•
Indirektes Training von Sozialkompetenz
•
Partielle Analyse der individuellen Zielerreichung
•
Ausgangspunkt für Mitarbeitergespräche und erneute Zielvereinbarungen
•
Entscheidungshilfen im Fall von Gehaltserhöhungen oder Beförderungen
Ziele dritten Grades, deren Erreichen allein durch ein 360 Grad Feedback Instrument bezweifelt werden muss
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•
Kopplung an Leistungsbeurteilungen und ggf. Bonusberechnungen
•
Basis für die Weiterentwicklung gesamter Zielgruppen im Rahmen einer
Organisationsentwicklung
•
Stärkung der Motivation von Mitarbeitern (Hypothese)*
•
Stärkung der nachhaltigen Leistung von Mitarbeitern (Hypothese)*
•
Bestimmung von Trainingsmaßnahmen
•
Bestimmung von Selektionskriterien oder Musterprofilen*
•
Profilvergleich verschiedener Gruppen, wie zum Beispiel Verkäufer, Einkäufer,
Führungskräfte etc., sodass zielgruppenspezifische Verbesserungsmaßnahmen
abgeleitet werden können
•
Unterstützung von Restrukturierungen, indem das 360 Grad Feedback aufzeigt,
welche für die Unternehmensentwicklung notwendigen Kompetenzen vorhanden sind
•
Optimierung von Arbeitsprozessen
•
Entwicklung einer Feedbackkultur, durch das Lernen, Kritik an der eigenen Person zu
akzeptieren und zu verarbeiten sowie konstruktive Kritik an anderen zu üben
•
Unterstützung von Teamentwicklung, durch Initiierung und Steuerung von
Teambildungsprozessen
•
Überprüfung des Erfolgs von Trainingsmaßnahmen und von persönlicher
Weiterentwicklung*
•
Insgesamt Vorteile für ein Unternehmen durch offene Kommunikation:
Führungsimpulse, Zielvereinbarungskorrekturen, kontinuierliche Verbesserungen und
Stärkung der Zusammenarbeit durch besseres gegenseitiges Verständnis
•
Verbesserung des Arbeitgeberimages bei Mitarbeitern und Kunden
•
Unternehmensweite Etablierung einer strukturierten und einheitlichen Methode der
Personalentwicklung
Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ihre Länge könnte bereits
suggerieren, dass 360 Grad Feedbacks ein geeignetes Mittel für alle Arten von Change
Management seien. Das ist natürlich nicht der Fall. Viele der genannten Ziele dritten Grades
lassen sich mit anderen Mitteln leichter erreichen. Hier versteht es sich von selbst, dass Ziele
dritten Grades mit 360 Grad Feedbacks nur dann zu erreichen sind, wenn sie inhaltlich und
methodisch sehr genau auf diese zugeschnitten sind.
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3. Methodische Vielfalt
Bereits im Jahr 1997 hatte in Großbritannien knapp die Hälfte der im Rahmen einer Studie
befragten Unternehmen ein Feedback-Verfahren implementiert. In den USA ist ein „Three
Sixty“ inzwischen Standard. Jedoch ist die methodische Vielfalt enorm, mit der man versucht
Feedbackprozesse systematisch umzusetzen. Sie reicht von standardisierten OnlineInstrumenten über stark an die Bedürfnisse eines Unternehmens in einer bestimmten Phase
angepassten Prozessen bis hin zu einfachen Fragen auf Papier oder einem schlichten
persönlichen Gespräch bei einer Tasse Kaffee, das dann eben „Three Sixty“ genannt wird.
Man kann die Schablone zu einem 360 Grad Feedback inzwischen sogar für 2,90 € im
Internet erwerben.
Diese offensichtlich herrschende Begriffsverwirrung war Anlass für eine Befragung der HR
Effekt GmbH (HR-Meter) in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl Arbeits- und Organisationspsychologie der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Zentrale Fragestellung war
dabei, welche Feedback Methode Erfolg verspricht und mit welchen Bedingungen dies
einhergeht. Betrachtet wurden dabei alle Feedbackarten, in denen systematische Ergebnisse
durch multiple Bewertungen und anhand eines Fragebogens erzeugt werden. Die
methodischen Feinheiten (quantitativ und qualitativ) seien hier wie folgt aufgelistet:
•
Häufigkeit von Feedbackprojekten
•
Dauer eines Feedbackprojektes
•
Kopplung von Feedbackprojekten an andere Maßnahmen (Leistungsmessung, MBO,
Mitarbeiterbefragung, Führungsleitbilder, Ziele eines Change Management)
•
Durchschnittliche Anzahl und Ebene der Feedbackteilnehmer
•
Durchschnittliche Anzahl der herangezogenen Fremdbeurteilungen pro Fokusperson
•
Durchschnittliche Anzahl der Gruppierungen von Fremdbeurteilungen
•
Durchschnittliche Anzahl der erhobenen Dimensionen
•
Fokus der Erhebung auf verhaltens- oder eigenschaftsbezogene Dimensionen
(arbeitsrelevantes Verhalten, Kompetenz- und Leistungsdimensionen)
•
Art der Skalierung (unipolar, bipolar, keine Skalierung)
•
Integration von freien Formulierungen (offene Fragen oder Kommentare)
•
Beteiligung von externen Coaches
•
Kommunikation und Herstellung von Transparenz des Projektes
•
Qualifizierungsmaßnahmen der Teilnehmer
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•
Instruktionen und Informationsressourcen zur Teilnahme
•
Ergebnisse für Fokuspersonen: Selbsteinschätzung und Fremdeinschätzungen, GapAnalyse,
Rater-Gruppen-Bewertungen,
beste
und
schlechteste
Messkriterien,
Integration der Vorgesetztenbeurteilung, Tipps zur Weiterentwicklung
•
Ergebnisse auf Organisationsebene: Benchmark Berichte, Berichte zu organisationalen Einheiten, Ebenenberichte und Kriterienberichte
•
Ableitung von individuellen Verbesserungsvorschlägen, Entwicklungsperspektiven
und Handlungsoptionen aus den Ergebnissen
•
Kommunikation und Konsequenzen der Feedback Ergebnisse
•
Offener, gemeinsamer oder individueller Umgang mit negativem Feedback
•
Ergebnisse und Handlungskonsequenzen für die Personalabteilung
•
Effekte und Wertkorrekturen im interkulturellen und hierarchischen Vergleich
•
Feststellung der Zufriedenheit mit Feedbackprozessen
•
Organisation von Coachings
4. 360 Grad Feedback im Kontext
Um ein 360 Grad Feedback erfolgreich in Verbindung mit Zielen dritten Grades, z.B. einer
Organisationsentwicklung, einzusetzen, ist die Betrachtung des Kontextes unabdingbar: In
erster Linie bestimmen die Ziele des Unternehmens, welche Ziele in einem 360 Grad
Feedback verfolgt werden sollten. Auf dieser Basis kann eine passende Feedback Methode
ausgewählt werden und ein entsprechender Prozess der Umsetzung definiert werden. Dabei
ist der Prozess der Feedbackimplementierung mindestens genauso wichtig wie das
Feedback selbst. Gute Feedback Tools scheitern, wenn sie falsch angewendet werden. Die
drei sensibelsten Punkte, die ein Scheitern verhindern, sind:
1) Teilnehmer sollten vorab detailliert über die Ziele und den Ablauf des 360 Grad
Feedbacks informiert werden;
2) Vertraulichkeit und Anonymität sollten bei den Gruppen von Feedback-Gebern
selbstverständlich zugesichert und (zu jedem Zeitpunkt) eingehalten werden;
3) Aufklärung darüber, wer Einsicht in die Ergebnisse erhält und was die Konsequenzen
der Ergebnisse für Fokuspersonen sein können.
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Bevor ein Feedback zum Einsatz kommt müssen also folgende Fragen geklärt werden und
die Teilnehmer entsprechend informiert werden:
•
Welche Ziele verfolgt das Unternehmen, die über ein Feedback abgebildet und
bearbeitet werden sollten?
•
Welche Zielvorgaben sind Einzelnen gegeben und mit welchen Zielerreichungsstrategien sind diese verbunden?
•
Sind individuelle und kollektive Ziele sprachlich leicht verständlich umsetzbar?
•
Wer soll ein Feedback bekommen, wer daran teilnehmen?
•
Welche Fragen oder Kompetenzen bilden die Schlüsselelemente des Verfahrens?
•
Wer führt das Feedback durch (Personalabteilung oder Berater)?
•
Was geschieht mit den Ergebnissen?
•
Welche Konsequenzen haben die Ergebnisse für den Einzelnen und wer erhält
Einsicht in diese?
•
Welche Konsequenzen haben die Ergebnisse für das Unternehmen (falls
Benchmarks
zu
entsprechender
Referenzgruppe
vorhanden
und
tatsächlich
vergleichbar sind)?
•
Wie soll das Feedback in die Organisationsentwicklung integriert werden?
Man sollte sich vor Augen halten, dass der durch ein Feedback Projekt geschaffene Kontext
auf das Antwortverhalten der Teilnehmer und auf die Motivation zur persönlichen
Weiterentwicklung auf der Basis ihrer Ergebnisse einen starken Einfluss hat.
Ein gutes Beispiel einer strategischen Einbindung von 360 Grad Feedback in den
Unternehmenskontext bildet das System von General Electric. Vereinfacht gesagt versucht
man bei GE, die Unternehmensziele in individuellen Zielvereinbarungen abzubilden und
während der Jahresgespräche formal zu verankern. Ein kollaterales, dem MBO Prozess
angepasstes 360 Grad Feedback, in dem anhand eines GE Wertesystems die
Zielerreichungsstrategien abgefragt und verglichen werden, rundet den Prozess ab. Das GE
Wertesystem basierte zum Zeitpunkt der Veröffentlichung auf folgenden Werten: Umsetzung
der gemeinsamen Vision, Verantwortlichkeit, Streben nach Exzellenz, Offenheit und
Kommunikation, Teamwork, Veränderungsbeiträge, Einsatz, Wahrung von Qualität und
globalem Denken. Das Feedback System von GE hat damit den Effekt, dass die gewünschte
Führungskultur bewahrt und beeinflusst werden kann und dass individuelle Ergebnisse in
den Jahresgesprächen von den Vorgesetzten entsprechend berücksichtigt werden können.
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5. Feedbacksysteme
Aufgrund der Masse an Daten, die im Rahmen von 360 Grad Feedbacks erhoben werden,
haben sich in den letzten Jahren Online-Systeme vorrangig etabliert. Sie funktionieren über
E-Mail Einladungen zu Webportalen, in denen Teilnehmer über Kennwort geschützte
Zugänge zu Fragebögen zur Selbstbeurteilung oder Fremdbeurteilung erhalten. Eine
Datenbank steuert die Erfassung und Zuordnung der Daten pro Teilnehmer. Aus dieser
werden später alle Daten zur Reportgenerierung anhand von Auswertungslogarithmen
ausgelesen und in einem ansprechenden Layout dargestellt. Mittelwerte und Streuungsmaße
von Rater-Gruppen (z.B. Kollegen, Mitarbeiter, Vorgesetzte und Externe) werden in
Gruppenwerten benannt und graphisch leicht verständlich aufbereitet. Der Einzelreport erhält
oft eine Gap-Analyse zwischen Selbst- und Fremd-Ratings. Ergebnisse werden zudem in
Kompetenzbereichen
verdichtet
und
um
Verbesserungs-vorschläge
und
Handlungsalternativen bereichert. Derartige automatische Features machen Online-Systeme
attraktiv, da sie Zeit und Ressourcen sparen und somit Teilnehmern eine zügige Zusendung
eines standardisierten und professionellen Reports ermöglichen.
Ohne Online-System stünden Personalabteilungen in großen Unternehmen bei 360 Grad
Feedbacks vor einer nur schwer zu meisternden logistischen Herausforderung. Auf der
anderen Seite besteht die Versuchung, ein Online-System in englischer Sprache auch gleich
international einzusetzen. Dabei darf man nicht vergessen, dass kulturelle Unterschiede so
bedeutend sind, dass z.B. eine Frage in dem einen Land selbstverständlich sein mag, im
nächsten jedoch unter Umständen in einem ganz anderen Bezug verstanden wird. Selbst
Übersetzungen sind nur mit Vorsicht zu genießen. Kulturelle Unterschiede erzeugen zudem
Wertungsdifferenzen. Während es in einem Land absolut akzeptabel ist ein mittleres Rating
zu erhalten ist es in einem anderen Land undenkbar und wird von Mitarbeitern sofort als
Aufforderung zur Kündigung verstanden.
Es gibt weitere Grenzen von Online-Systemen, auf die im Punkte der inhaltlichen und
methodischen Überfrachtung näher eingegangen wird.
6. „Best Practice“ der Implementierung von Feedbacksystemen
Bestimmung von Zielen, Feedbackmethode und Rating-Kriterien: Die in dem 360 Grad
Feedback zu berücksichtigenden Rating-Kriterien werden vorab mit der Unternehmens_________________________________________________________________________________________
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leitung und den Personalverantwortlichen abgestimmt, sodass unternehmensspezifische
Anforderungen Berücksichtigung finden. Dieser Prozess sollte auf bewährten Modulen,
deren Aussagekraft bekannt ist, und auf für den Kunden zugeschnittenen Teilen sowie freien
Fragen basieren. Neben den Inhalten gilt es die Methode des Feedbacks festzulegen und
die Prozesse zu bestimmen, anhand derer eine erfolgreiche Implementierung des gesamten
Feedbackprozesses zu erwarten ist.
Festlegung des Projektablaufs: Üblicherweise ist ein Feedbackprojekt in drei Teile
gegliedert: 1) Eine Informationsveranstaltung mit allen Teilnehmern, bei der sämtliche
Bestandteile, Abläufe und Konsequenzen eines 360 Grad Feedbacks anhand von Beispielen
erläutern werden. 2) Die Durchführung des Feedbacks und 3) die Phase der
Ergebniserörterung.
Kommunikation und Steuerung von Erwartungen: Die Kommunikation rund um ein
Feedbackprojekt muss bestimmte Elemente vorrangig und präzise behandeln. Dazu gehören
zuerst Aspekte der Sicherheit des Instruments, der Vertraulichkeit in der Behandlung der
Daten und der Anonymität der Ratings in Feedback-Geber-Gruppen. Ebenso wichtig für die
Glaubwürdigkeit und die Akzeptanz des Verfahrens ist die genaue Kommunikation des
gesamten Projektablaufs. Es gilt darüber zu informieren, was den Teilnehmer erwartet und
welche Konsequenzen sich aus den Ergebnissen für ihn ableiten.
Ressourcen: Feedback zu geben fällt vielen Mitarbeitern und Führungskräften schwer. Die
Tatsache, dass 360 Grad Feedbacks Anonymität versprechen, macht es nicht leichter.
Daher ist es unabdingbar, Teilnehmer darin zu schulen, wie man wirksames Feedback
formuliert. Auch müssen viele Teilnehmer explizit darauf hingewiesen werden, den
Instruktionen des eingesetzten 360 Grad Feedbacks Folge zu leisten. Zum Beispiel ist die
Instruktion wichtig, die Gruppe der Vergleichspersonen den Rating-Gebern zu definieren,
gegenüber denen ein Teilnehmer bewertet werden soll. Üblicherweise sind dies Inhalte einer
Kick-Off Veranstaltung. Aber auch ein Handbuch, in dem alle wichtigen Informationen
nachgeschlagen werden können, kann das Know-How, die Akzeptanz, das Sicherheitsgefühl
der Teilnehmer und damit die Qualität des Feedbackergebnisse enorm erhöhen.
Benennung der Akteure: Die involvierten internen und externen Akteure müssen benannt
und für alle Teilnehmer ansprechbar sein. Sie sollten sich mit dem Projektablauf und mit
allen Ressourcen auskennen und darauf bedacht sein, das ihnen entgegengebrachte
Vertrauen einzelner zu jeder Zeit vorrangig zu betrachten.
Ergebnispräsentation, Angebote und Einzelmaßnahmen: In einem abschließenden
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Evaluationsworkshop und in individuellen Rückmeldegesprächen werden die Ergebnisse
aus dem Feedback kommuniziert. Mögliche Veränderungen, die jeder aus Ergebnissen
ableiten kann, werden im Workshop thematisiert, sie sollten jedoch nur im persönlichen
Setting konkretisiert werden. Das individuelle Rückmeldegespräch sollte auch an den
persönlichen Zielvereinbarungen ansetzen. Das bedeutet, dass bestenfalls ein externer
Coach und der Vorgesetzte die Feedbackergebnisse mit der Fokusperson besprechen –
eventuell an verschiedenen Terminen.
Regelmäßigkeit und Nachkontrolle: Die Aussicht auf Regelmäßigkeit eines Feedbacks
erzeugt bei den Teilnehmern eine gewisse Nachhaltigkeit, da Ergebnisverbesserungen nur
mit der tatsächlichen Umsetzung von Feedbackergebnissen zu erzielen sind. Ein zweites
und drittes Feedback Projekt kann die individuellen Ausgangswerte neben den aktuellen
Werten
erneut
aufnehmen
und
auch
um
organisatorische
Benchmarks
oder
Teamentwicklungswerte bereichert werden.
7. Methodische und inhaltliche Überfrachtung
An der eingangs aufgeführten langen Liste von möglichen Zielen kann man unschwer
erkennen, wie viele unterschiedliche Erwartungen an ein 360 Grad Feedback gestellt werden
könnten. Diese Erwartungen lassen sich, wie bereits erwähnt, zwei Bereichen zuordnen: Der
Eignungsdiagnostik und der Organisationsentwicklung im weitesten Sinne.
An Erwartungen aus dem Bereich der Eignungsdiagnostik ist die Vorstellung geknüpft,
Feedback Tools seien objektive und genau messende, aussagekräftige Testinstrumente –
manche nennen sogar konkrete Werte in Testgütekriterien. Es gibt 360 Grad Feedbacks, in
denen bis zu 45 einzelne Kompetenzen gemessen werden. Da Feedbacks jedoch auf
Einschätzungen, d.h. gemittelten Meinungen beruhen, kann man sie kaum als echte,
objektive Messinstrumente einstufen. Ähnliches gilt für die Messgenauigkeit: Meinungen sind
abhängig von den Wertesystemen, in denen sie gebildet werden. Ihr Bezugssystem ist daher
stark limitiert. Wenn z.B. zwei Werte mit dem gleichen Instrument erzeugt werden und gleich
hoch sind, die Messungen jedoch in zwei verschiedenen Bezugssystemen stattfinden, dann
sind diese Werte nicht miteinander vergleichbar. Der Psychologe Prof. Oswald Neuberger
geht sogar noch einen Schritt weiter, indem er sagt, dass "Urteile, die sich in Zahlenwerte
fassen und vergleichen lassen" nur "wenig wert" seien. "Sie sind notwendigerweise abstrakt,
denn sie sind abgezogen von der erfahrenen Realität, gereinigt von all den Bedingungen, die
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deren Zustandekommen bewirkt haben." Gerade Führungskräfte müssen jedoch damit
leben, dass sie ständig beurteilt werden und dass ihre Karriere davon abhängt. Sie sollten
daher das Zustandekommen von Einschätzungen zu ihrer Person im Unternehmen
genauestens studieren. Unter Umständen hängt ihr nächster Bonus oder eine Beförderung
genau davon ab. Man muss auch fairer Weise sagen, dass zwar die Werte eines Feedback
Ergebnisses nur schwer normierbar und vergleichbar sind, dass aber die Profilwerte, d.h. die
relativen Unterschiede innerhalb eines Feedbackergebnisses, dennoch ziemlich solide
Ergebnisse erzeugen.
Bei der Einschätzung von Kompetenzen mittels 360 Grad Feedbacks ist allerdings die Frage
gerechtfertigt, ob Mitarbeiter überhaupt dazu in der Lage sind, die Kompetenzen ihrer
Vorgesetzten umfassend zu beurteilen. Man sollte sich daher vergegenwärtigen, dass eine
Kompetenzenmessung in einem 360 Grad Feedback nur diejenigen Kompetenzen
annähernd abbilden kann, die in einem Unternehmen von Mitarbeitern tatsächlich verlangt
werden und die in der Interaktion mit anderen Mitarbeitern beobachtbar und beurteilbar sind.
Daraus ergeben sich hohe Anforderungen an den Fragenkatalog eines Feedback
Instrumentes. Es haben sich die Fragentypen bewährt, die sich an beobachtbarem Verhalten
orientieren.
Zu dem Problem der Relativität der Werte gesellt sich ein weiteres: Es gibt kaum kompakte
Theorien, die die Inhalte eines 360 Grad Feedbacks rechtfertigen. Die Fragensysteme, die in
360 Grad Feedbacks zur Anwendung kommen und die Art, in der sie ausgewertet werden,
vermissen entweder eine solide theoretische Grundlage, deren Relevanz im Unternehmenszusammenhang bewiesen ist, oder es fehlt den „theoriegeleiteten“ Tools die Abstimmung auf
die Zielsetzung des Unternehmens. Besonders problematisch in dieser Hinsicht sind
Feedback Instrumente, deren Fokus auf Aspekten der Persönlichkeit liegt. Erfahrungen, die
Kollegen am Arbeitsplatz miteinander machen versetzen diese wohl kaum in die Lage, ihre
Persönlichkeit zu beurteilen. Feedback-Geber fühlen sich in den meisten Fällen mit solchen
Instrumenten überfordert und bezweifeln nicht zu unrecht deren Glaubwürdigkeit. Die
Verbindung zwischen Fragen nach der Persönlichkeit und den Zielen, die eine dem
Feedback folgende Mitarbeiterentwicklung für den Unternehmenserfolg haben soll, ist hier
nicht leicht zu ziehen.
All diese Grenzen reduzieren die quantitative Aussagekraft von Feedbacks. Auch wenn HRBerater darüber informieren, dass 360 Grad Feedbacks nicht den Richtlinien der DIN ISO
Norm für Testinstrumente entsprechen, die den Gütekriterien der Objektivität, Reliabilität und
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Validität gerecht werden sollten und die für Instrumente der Eignungsdiagnostik
normalerweise gefordert werden, können manche schwer zu rechtfertigende Konsequenzen
auf der Basis von Feedbackergebnissen nicht vermieden werden.
Die Erwartungen an Feedback Instrumente und deren Nutzen aus dem Bereich der
Organisationsentwicklung bzw. des Change Managements (Ziele ersten, zweiten und dritten
Grades) sind umfassender. Viele der genannten Wunschziele sind jedoch nur in
Zusammenhang mit einem gut geplanten und ausgeführten Implementierungsprozess
erreichbar. Das Feedback Tool selber spielt meist eine enger definierte Rolle. Auf der
Unternehmensebene tragen transparente Prozesse und konsistentes Handeln von
Schlüsselfiguren zu einen erfolgreiches Change Management bei, während auf der Ebene
der einzelnen Mitarbeiter ein an gleichen Werten orientiertes 360 Grad Feedback
ausschlaggebend für die Motivation zur Veränderung sein kann. Von den Firmen General
Electric und Siemens ist bekannt geworden, dass sie 360 Grad Feedbacks einsetzen, deren
Wertesystem bzw. Kompetenzensystem mit den Zielen des Unternehmens im Einklang
stehen. Das hat den Vorteil, dass Rückmeldungen an Feedbackteilnehmer immer mit dem
Label des in der Firma verankerten Maßstabs versehen sind, d.h. keinen Anspruch auf
allgemeine Gültigkeit erheben. Das ist aus mehreren Gründen positiv: Es trifft das Wesen
eines 360 Grad Feedbacks, das nützliche und sinnvolle, aber auf Organisationseinheiten
beschränkte Ergebnisse erzeugt. Es lenkt den Fokus auf das Zusammenarbeiten im
Unternehmen. Und es kommuniziert die Anforderungen, die im Rahmen eines Change
Management
Prozesses
an Mitarbeiter
gestellt
werden,
sodass
hier
tatsächliche
Veränderungen auf der Ebene einzelner Mitarbeiter und Teams steuerbar werden. Günstig
sind natürlich regelmäßige Feedbacks, die über die Feststellung des Status Quo
hinausgehen. Sie können auch den Fortschritt eines Change Management Prozesses
(vorher/nachher) messen, sodass aus einer gemeinsamen Evaluierung, in der genauer
Veränderungsbedarf festgestellt, organisiert und angestoßen wird, eine abprüfbare
Veränderungsverantwortung erwächst.
Eine Menge der genannten analytischen bzw. administrativen Ziele dritten Grades lassen
sich durch 360 Grad Feedbacks zufrieden stellend abbilden. Dies gilt mit dem Vorbehalt,
dass es sich um relative Ergebnisse handelt, deren Genauigkeit und Vergleichbarkeit nur zu
einem gewissen Grad erreichbar sind. Die beste Methode, dies zu verbessern, ist die Wahl
eines 360 Grad Feedbacks, dessen Fragen extrem nah am tatsächlich im Unternehmen
beobachtbaren Verhalten liegen und die sich an einem Werte- oder Kompetenzensystem
orientieren, das für das gesamte Unternehmen zielführend ist. Das hat nicht nur den Vorteil,
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dass Feedback-Geber sich leichter tun und differenziertere Aussagen abgeben. Es
verbessert auch die Verständlichkeit der Feedback Ergebnisse. Ein Feedback Rezipient
kann sich die eigenen und alternative Verhaltensweisen leicht vor Augen führen, wenn er die
konkreten Situationen Revue passieren lässt, die wohlmöglich zu den Einschätzungen seiner
Feedback Ergebnisse geführt haben. Der Veränderungsimpuls ist somit ungleich stärker.
8. Effekte
"Die Diskussion um Feedback, das zur Verhaltensänderung bei den Feedbackempfängern führt, ist nicht neu.
Spätestens seit der Formulierung des Thorndikeschen Effektgesetzes ist deutlich geworden, dass nur durch eine
unmittelbare, konkret auf das Verhalten bezogene Rückmeldung ein Lernerfolg entsteht und somit die Grundlage
für eine Verhaltensänderung gelegt wird.”
(zitiert aus einem Web-Beitrag von Bernd Runde und Dirk Kirschbaum, Universität Osnabrück)
Jede Kommunikation ist letztlich Feedback. So, wie man es nicht vermeiden kann zu
kommunizieren, kann man es auch nicht vermeiden, ständig Feedback zu geben und zu
erhalten. Je offener die Kommunikation, umso mehr und umso besseres Feedback wird
ausgetauscht. Mitarbeiter benötigen umfassendes Feedback, damit sie wissen, wo sie
stehen. Das kann in einem 360 Grad Feedback relativ professionell organisiert werden, da
die Methode einen eventuell zu subjektiven, falschen Eindruck eines Vorgesetzten
ausgleicht. Die genannten Ziele ersten Grades rücken damit in Reichweite. Einer
Führungskraft, die auf diese Weise kritische Rückmeldungen erhält, erscheinen diese wie
von mehreren bestätigt zu sein. Gleichsam sind sie anonym gehalten, sodass die Kritik nicht
mit vorschnellen Begründungen zurückgewiesen kann, die die Schuld dafür in einer anderen
Person suchen. Es ergibt sich eine ideale Ausgangssituation für ein Coaching, in der
eingeschliffenes Fehlverhalten aufgedeckt und neutral diskutiert werden kann.
Ein 360 Grad Feedback kann aber auch zahlreiche unerwünschte „Nebeneffekte“ erzeugen.
In ausführlicheren schriftlichen Feedbackprozessen, in denen Formulierungen eindeutig
bestimmten Kollegen oder Mitarbeitern zuzuschreiben sind, kann es sein, dass ein Feedback
Sanktionen gegen Mitarbeiter auslöst. Umgekehrt ist die Beurteilung von Führungskräften
durch ihre Mitarbeiter eine noch sensiblere Angelegenheit. Man muss also damit rechnen,
dass in Feedbacks mehr Lob verteilt als Kritik geübt wird – eventuell „nach oben“ mehr als
„nach unten“.
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Mitarbeitern kann ein gutes 360 Grad Feedback eine verdiente Anerkennung vermitteln. In
jedem Fall kann ein umfassendes Feedback eine Informationsquelle für Themen sein, die im
Arbeitsalltag weniger im Vordergrund stehen, wie z.B. das Interesse am Menschen selber,
die Wahrnehmung von Seiten einer Person, die in der Zusammenarbeit sonst entweder nicht
zum Tragen kommen oder über die einfach nie gesprochen wird. Gerade Führungskräfte tun
sich oft schwer mit der positiven Erwähnung von Dingen, die ihnen selbstverständlich
erscheinen. Umgekehrt kann ein schlechtes Feedback Ergebnis auch stark ablehnende
Reaktionen erzeugen. Diese gilt es professionell aufzufangen. Besonders wirksam sind
dabei zwei Dinge: Zum einen das Vertrauen des Mitarbeiters in das gesamte Projekt herstellbar
durch
die
Einhaltung
definierter
Prozesse,
aus
denen
sich
keine
(diskriminierenden) Konsequenzen ergeben, auf die die Mitarbeiter im Vorhinein nicht
vorbereitet wurden; zum anderen ein vertraulicher und entwicklungsorientierter Umgang mit
den Ergebnissen, der oft nur durch einen externen Coach herstellbar ist. Ein geschulter
Coach kann zum Beispiel anhand der Einzelbeurteilungen erkennen, ob von Seiten der
Rating-Geber ein eindeutig schlechtes aber differenziertes Bild entstanden ist, oder ob einige
Rating-Geber bei allen Fokuspersonen pauschal negativ geurteilt haben, was bedeuten
würde, dass die Ergebnisse z. T. verfälscht wären. Einzelne Ratingmuster wie „Dampf
ablassen“ oder „In-den-Himmel-loben“ kann man zwar nur schwer erkennen, sobald jedoch
ein diesbezüglicher Verdacht besteht, sollte man sich darum bemühen, die Hintergründe von
extremen Beurteilungen in Erfahrung zu bringen.
An Coaches sind in diesem Zusammenhang besondere Anforderungen zu stellen: Sie sollten
sich mit dem Instrument besonders gut auskennen, d.h. Messverhalten und Grenzen der
Aussagefähigkeit genau definieren können. Des Weiteren sollten sie selbst umfassende
Führungserfahrung in einem Wirtschaftsunternehmen gesammelt haben, damit sie die
Ergebnisse vor dem Hintergrund der gesamten Situation ihrer Klienten tatsächlich für diese
gewinnbringend
beurteilen
können.
Nicht
zuletzt
ist
immenses
psychologisches
Fingerspitzengefühl gefragt, das trainiert sein will. Nicht jedem Coach gelingt es, ohne zu
psychologisieren Ergebnisse eines Feedbacks so zu besprechen, dass sie angenommen
werden und zu einer Entwicklung in die „richtige Richtung“ motivieren.
9. Tatsächliche Erfolgsfaktoren
Zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren eines 360 Grad Feedbacks gehört neben einem guten,
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schnell arbeitenden und übersichtlichen Produkt ein guter Projektablauf, der von leitender
Stelle im Unternehmen und von professionellen Akteuren gesteuert wird. Aus unseren
empirischen Daten der Forschung in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl Arbeits- und
Organisationspsychologie der Ludwig-Maximilians-Universität in München hat sich nicht
ergeben, dass ein bestimmtes Feedback System Vorteile gegenüber anderen Varianten
hätte. Die Akzeptanz eines Feedbacks leitet sich vielmehr aus der Qualität und Stimmigkeit
des gesamten Feedback Projektes ab. Ein durchdachtes Fragenkonzept, das auf die
Leistungskriterien im Unternehmen eingeht und an den tatsächlich wirksamen Werten der
erfolgreichen Zusammenarbeit unter Mitarbeitern ansetzt, muss dazu die Basis bilden. Der
erfolgreiche Projektablauf um das Feedback selbst lässt sich an den folgenden, in Fragen
formulierten Kriterien einer 360 Grad Feedback Projektevaluation festmachen:
•
Sind Ziele und Rahmenbedingungen für die Einführung eines Feedbacks klar
definiert worden?
•
Sind messbare Leistungsanforderungen, die aus den Unternehmenszielen abgeleitet
wurden, in das Feedback integriert worden?
•
Sind eindeutige „gelebte“ und „erlebbare“ Führungsleitlinien/Unternehmenswerte in
das Feedback integriert worden?
•
Waren die Schlüsselfiguren in den gesamten Prozess eingebunden und haben sie
die Akzeptanz des Feedbacks zu jeder Zeit durch ihr Tun gewährleisten können?
•
Wurde gewährleistet, dass ein vertraulicher, rechtzeitiger, individueller und kontinuierlicher Dialog über das Vorgehen und die Ziele geführt wird?
•
Konnten die Ergebnisbesprechungen und Entwicklungsmaßnahmen zeitnah in Gang
gesetzt werden?
•
Wird das Feedback periodisch wiederholt, um Auskunft über Entwicklungen zu geben
und den Fokuspersonen mitzuteilen, sodass Feedback nachhaltig wirksam werden
kann?
•
Ist das Feedback Teil der Führungskultur geworden? Profitieren andere Führungsinstrumente von den Feedbackergebnissen? Greifen die Führungsinstrumente gut
ineinander?
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10. Empirische Ergebnisse
Über mehrere Monate hinweg wurden sukzessive ca. 750 Personalleiter durch HR-Meter
und die LMU München eingeladen, an einer online Befragung teilzunehmen und ihre
firmeninternen Feedback Projekte den Fragen gemäß einzustufen. Gemäß der Anzahl von
Website Visits haben sich viele in dieser Zeit mit den Kriterien der Befragung beschäftigt,
allerdings haben die meisten die Befragung wiederum an den Stellen abgebrochen, an
denen z.B. nach zu beziffernden Details oder statistischen Erfahrungen und Werttendenzen
gefragt wurde. Immerhin konnten 35 ausführliche Datensätze gesammelt werden, was in
Anbetracht dessen, dass 360 Grad Feedbacks noch lange kein Standardinstrument in
deutschen Unternehmen sind, ein sehr zufrieden stellendes Ergebnis ist.
Die Stichprobe (N=35) weist eine gute Branchenverteilung auf. Sie besteht zu 26% aus
Unternehmen mit mehr als 5000 Mitarbeitern und zu 35% mit weniger als 1000 Mitarbeitern.
Im Schnitt setzen die Befragten ein 360 Grad Feedback bereits seit 4 Jahren in ihrem
Unternehmen ein - und das meist einmal im Jahr.
Das Procedere: 67% der Fokuspersonen dieser Feedbacks sind Führungskräfte, 58%
Mitarbeiter. In den meisten Fällen wird es vorgezogen, bestimmten Ebenen insgesamt ein
Feedback anzubieten, statt nur bestimmte Mitarbeiter anzusprechen, mit Ausnahme von
High Potentials (50%). Die Ergebnisse der Frage, wie viele Fremdbeurteilungen im Schnitt
für das Feedback einer Fokusperson eingeholt werden, sind breit gefächert: Über 33%
ziehen mehr als 8 Fremdbeurteilungen heran, ca. 30% ziehen zwischen 4 und 7 heran und in
28% der Fälle besteht ein Feedback nur aus 1 bis 3 Fremdbeurteilungen. Das entspricht der
Hypothese, dass wenn über 360 Grad Feedback gesprochen wird, häufig nur einfache
Feedbacks gemeint sind, in denen nicht aus 360 Grad von Ratergruppen Feedbacks
eingeholt werden, sondern aus einem „360 Grad Blickwinkel“ von wenigen Feedback über
eine Person erzeugt werden soll. Im Detail sieht das folgendermaßen aus:
•
Es werden zu 62% Beurteilungen von einem Vorgesetzten eingeholt; 22% holen 2
oder 3 ein und wenige mehr als 5 (6% verzichten ganz darauf)
•
In 33% der Fälle werden 3 Kollegenbeurteilungen eingeholt; 23% holen 4 oder 5 ein
und 10% mehr als 5 (17% verzichten ganz darauf)
•
In 39% der Fälle werden 3 Mitarbeiterbeurteilungen eingeholt, 21% holen 4 oder 5 ein
und 14% mehr als 5 (11% verzichten ganz darauf)
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•
In 34% der Fälle werden zwischen 1 und 3 externe Beurteilungen eingeholt, in 24%
der Fälle werden zwischen 4 und über 5 externe Beurteilungen eingeholt (42%
verzichten jedoch ganz darauf)
Über die Gruppen von großen und kleinen Unternehmen gemittelt erhalten durchschnittlich
30 Mitarbeiter ein systematisches Feedback. In 44% der Fälle betrifft das eine gesamte
Ebene. Meist werden bestimmte Kreise definiert oder eine bestimmte Hierarchiestufe, ab der
ein 360 Grad Feedback möglich ist. Allein auf Wunsch des Mitarbeiters ein Feedback zu
erhalten, ist in nur 11% der Fälle möglich. Auch werden in nur 8% der Fälle bestimmte
Mitarbeiter von Vorgesetzten oder der Personalabteilung avisiert, um ein Feedback zu
erhalten und von einer gezielten Förderung Gebrauch zu machen.
Das Feedback Instrument: Über zwei Drittel (69%) aller Befragten geben an, dass sie die
Dimensionen eines Feedback Instrumentes an einem internen Führungsleitbild orientieren.
Man kann davon ausgehen, dass es sich dabei um inhaltlich und sprachlich angepasste
Fragen handelt, die den Zielen, Werten und Verhaltensweisen entsprechen, die im
Unternehmen „gelebt“ werden. Das korreliert mit der Bevorzugung von verhaltensorientierten
Kriterien und Fragen (69%) des Instruments. Nur 31% geben an, eigenschaftsorientierte
Kriterien und Fragen zu verwenden. Auch die methodisch nicht ungeschickte, jedoch oft bei
den Anwendern Verwirrung stiftende bipolare Skalierung (verschiedene Kriterien werden den
Skalenpolen zugeordnet) wird nur in 14% der Fälle eingesetzt. Ohne Skalierung wird in 14%
der Fälle gearbeitet, jedoch kommen in 81% der Fälle Texteingabefelder bzw. Möglichkeiten
zur freien Formulierung von Feedback zum Einsatz.
Üblicher Projektablauf: Der häufigste Weg der Kommunikation über 360 Grad Feedbacks
an die Mitarbeiter führt über die Personalabteilung bzw. Personalentwicklung (47%). In 39%
der Fälle geht die Kommunikation auf die Vorgesetzten zurück. Ähnlich hoch ist die Fallzahl
an Schulungen, aus denen sich die wichtigsten Informationen zur Teilnahme an einem
systematischen Feedback ergeben. 25% der Fälle veranstalten einen Workshop zum
Thema. Daneben sind natürlich die Instruktionen, die im Feedback Instrument (47%) selbst
bzw. in der Einladung zur Teilnahme enthalten sind, eine häufig genutzte Informationsquelle.
Es geben zwei Drittel der Befragten ferner an, mit externen Beratern im Rahmen eines 360
Grad Feedbacks in bestimmten Phasen zu arbeiten. Am häufigsten wurden dabei folgende
Phasen genannt:
•
Konzeption
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•
Entwicklung des Instruments
•
Datensammlung- und Aufbereitung
An der Festlegung der Dimensionen des Feedbacks sind allerdings noch in 19% der Fälle
externe Berater beteiligt. Auffallend ist demgegenüber, dass in 22% der Fälle die individuelle
Ergebnisbesprechung externen Beratern übertragen wird. Ähnlich verhält es sich mit dem
nachfolgenden Coaching Angebot, das zu 19 % externen Beratern übertragen wird.
Allerdings ist in diesem Ergebnis nicht abzuschätzen, in wie vielen Fällen überhaupt
Coachings angeboten werden. Das Gesamtbild ist jedoch plausibel, da externe Berater, die
ein Tool zum Einsatz anbieten, mit diesem auch besonders vertraut sind. Vielfach bietet es
sich dann auch an, ihnen die Ergebnisbesprechung zu überlassen und eventuell mit KurzCoachings zusammen zu legen.
Maßnahmen der Qualitätssicherung: Neben der Schulung über Inhalt und Zweck eines
360 Grad Feedbacks ist es wichtig, einige Schritte der Qualitätssicherung einzuhalten. Sie
dienen dazu, die Ergebnisqualität und die Akzeptanz eines Feedback Instruments zu
steigern. Die wichtigsten, zu denen auch empirische Daten vorliegen, seinen hier kurz
skizziert:
•
Mitarbeiter, die Beurteilungen im Rahmen von Feedbacks abgeben, müssen mit den
Fokuspersonen auch direkt zusammenarbeiten, damit sie genügend Interaktionen vor
Augen haben, auf die sie ihre Einschätzungen beziehen können. Dieses Kriterium
wird in 58% der Fälle angewendet.
•
Mitarbeiter sollten aus persönlichen Gründen oder aus zuvor genanntem Grund eine
Aufforderung zur Beurteilung einer Fokusperson ablehnen können. Dieses Kriterium
wird in 50% der Fälle angewendet.
•
Mitarbeiter, die die Beurteilung einer Fokusperson vorhaben, sollten daran erinnert
werden, dass ein faires Feedback mit möglichst vielen korrekten Werten die
Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die Fokusperson zur eigenen Weiterentwicklung
motiviert wird. Dieses Kriterium wird in 42% der Fälle angewendet.
•
Mitarbeiter sollten genaue Informationen darüber erhalten, mit welchen Personen die
Leistung der zu beurteilenden Person zu vergleichen ist. Idealerweise sollten die
Rater in der Lage sein, sich zu dieser Gruppe eine Art Normalverteilung der
Leistungen vorzustellen. Obwohl dies eines der wichtigsten methodischen Kriterien
ist, wird es nur in 22% der Fälle angewendet.
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Ergebnisdarstellung: Eine übersichtliche und intuitiv verständliche Darstellung der
Ergebnisse ist für den direkten Erfolg von 360 Grad Feedbacks enorm wichtig. Aus den
Antworthäufigkeiten der Befragungsdaten lässt sich eine Rangordnung über die in der Praxis
gängigen Darstellungsformen bilden:
1. Die Ergebnisse sind auf die ursprünglichen Fragen zurückführbar (72%)
2. Die Ratergruppen sind gesondert ausgewiesen (67%)
3. Im Fall eines Vorgesetztenratings ist dies gesondert ausgewiesen (64%)
4. Die Ergebnisse sind handlungsorientiert, sodass Teilnehmer Verbesserungsvorschläge ihres Verhaltens aus den Daten direkt erlesen oder ableiten
können (58%). Das Wichtigste ist auf maximal 3 Seiten zusammengefasst
(58%). Die Abweichungswerte (Standardabweichung oder Streubreite) sind
ausgewiesen (58%)
5. Gruppenbezogene Benchmarks sind integriert (36%)
6. Organisationale Benchmarks sind integriert (28%). Auf Messfehlern
beruhende Toleranzbereiche sind ausgewiesen (28%)
Die Ergebnisse der Feedbacks werden, laut einer gezielten Nachfrage, meist von externen
„Projektleitern“ in vertraulicher Form bekannt gegeben (28%). 22% erhalten ihre Ergebnisse
durch schlichte Zusendung. In 19% der Fälle nimmt sich der Vorgesetzte Zeit für ein
vertrauliches Gespräch über die Ergebnisse seines Mitarbeiters. 17% erhalten ihre
Ergebnisse in einem Gespräch, das von Seiten der Personalabteilung geführt wird, und 8%
innerhalb eines Workshops - mit der Gefahr, dass personenbezogene Ergebnisse in einem
Forum thematisiert werden, für das sie nicht direkt geschaffen sind.
Ergebnisverwendung: Die Konsequenzen eines 360 Grad Feedbacks sind zunächst einmal
begrenzt auf die Entwicklungsimpulse, die die Fokuspersonen durch ihre Ergebnisse
erhalten. Sie sind eingangs als Ziele ersten Grades definiert worden. In der Befragung sind
diese jedoch nicht eigens thematisiert worden. Der Schwerpunkt lag eher auf den Zielen
dritten Grades, d.h. den Konsequenzen, die von Unternehmensseite im Rahmen
administrativer Tätigkeiten der Personalabteilung und durch Vorgesetzte und Entscheidungsträger ausgeführt werden. Es wurde zum
einen gefragt, welche administrativen
Konsequenzen in der Personalabteilung gezogen werden, und zum anderen wurde gefragt,
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welche dieser Informationen den Fokuspersonen auch mitgeteilt werden. Der Übersicht
halber haben wir für die Darstellung dieser Ergebnisse eine Tabellenform gewählt. Die
Kriterien steigern sich dabei in der vermuteten Bedeutung, die sie für die Fokusperson
haben.
Kriterien
Information für
Information für
Personalabteilung
Fokusperson (%)
(%)
Teilnahmenotiz in der Personalakte
14
11
Ergebnisnotiz in der Personalakte
19
11
Trainingsempfehlung
61
50
Führungsempfehlungen für den Vorgesetzten
47
28
Integration der Ergebnisse in die Zielvereinbarungen
42
33
Festlegung eines Bonusanteiles
8
6
Entscheidung über die Entwicklungsperspektive im
39
k.A.
Unternehmen
Es ist unschwer erkennbar, dass eine Menge Informationen, die sich aus einem 360 Grad
Feedback ergeben, in der Personalabteilung „hängen“ bleiben und nicht der Fokusperson
mitgeteilt werden. Für den Fall, dass dies allen Teilnehmern bekannt ist, kann man
annehmen, dass sie dem Procedere zustimmen. Allerdings birgt diese Informationsasymmetrie Sprengstoff. Sie entspricht auch nicht dem Wesen eines 360 Grad Feedback,
das als Methode die eindeutige Kommunikation von Ergebnissen aufgrund anonymer
Beiträge ermöglicht. Es offenbart sich jedoch ein Problem, das sich eher auf die
Interpretation und Verarbeitung der Feedbackergebnisse bezieht: Es werden Konsequenzen
gezogen, die weit über die Reichweite von Feedbackergebnissen hinausgehen. Es wurde an
anderer Stelle bereits festgestellt, dass auf der Basis von Feedback-Werten oft falsche
Interpretationen entstehen, obwohl den meisten bekannt ist, dass Feedback-Instrumente in
Messgenauigkeit und Validität limitiert sind. Es ist daher nicht überraschend, dass in einer
Folgefrage 58% der Befragten angeben, Schlüsse über die Persönlichkeit der Teilnehmer zu
ziehen. Das sind zudem mehr, als zu erwarten gewesen wären, da nur 31% angegeben
hatten, überhaupt Eigenschaften in Feedbacks zu messen. Immerhin geben viele an, dass
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sie nur solche Schlüsse ziehen, deren Konsequenzen sich nicht nur auf die Fokusperson
beziehen und damit eher zulässig sind:
•
Zum einen die Vermutung über Verbesserungsmöglichkeiten hin zu einem
reibungslosen Zusammenarbeiten (geäußert von 61% der Befragten);
•
und zum anderen ergeben sich Schlüsse für die Führung von Mitarbeitern (geäußert
von 67% der Befragten).
Des Weiteren geben 53% der Befragten an, Schlüsse über potenzielle Beförderungen zu
ziehen, und 42% denken über organisationale Veränderungen nach. Nur 25% der Befragten
geben an, dass sie Schlüsse über die Produktivität von Fokuspersonen ziehen; und nur 17%
geben an, dass sie Schlüsse über notwendige Veränderungen von Zielvereinbarungen
ziehen. Diese Arten der Konsequenz sind jedoch fallweise zu betrachten. Sie sind stark
abhängig davon, ob Fragen auf die tatsächliche Arbeit und die Ziele einer Fokusperson
zugeschnitten sind. In diesen Kriterien steckt eine Menge Arbeit, die oft mit dem Einsatz
eines Standardinstrumentes nicht geleistet werden kann.
In 56% der Fälle bekommen Fokuspersonen, die ein schlechtes Feedback erhalten haben,
ein Coaching Angebot oder eine alternatives Angebot. Schlechtes Feedback wird in fast der
Hälfte der Fälle zum Anlass genommen, mit der Person selber oder/und ein Gespräch mit
der Person und dem Vorgesetzten herbeizuführen.
Werttendenzen und statistische Ergebnisse: Ein grundlegendes Problem von 360 Grad
Feedbacks ist, dass in Messwerten schwer abzuschätzen ist, wie viel falsches Lob aus
strategischen Gründen gegeben wird.
Fremdbeurteilung/Richtung
Relativ genau (%)
Zu positiv (%)
Zu negativ
(%)
„nach oben“ (Feedback für Vorgesetzte)
44
24
0
„unter Kollegen“ (Feedback für Kollegen)
36
31
3
„nach unten“ (Feedback für Mitarbeiter)
36
22
0
„von außen“ (Feedback von Externen)
33
8
8
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Es zeigt sich, dass in den hierarchisch sensiblen Wegen der Beurteilung kaum negative
Werttendenzen zu finden sind. Allerdings wurde in der Befragung nur nach „allgemeinen
Erfahrungen“ gefragt und nicht nach Statistiken. Ein anderes Bild ergibt sich bei den
Selbstbewertungen und deren Übereinstimmung mit Fremdbewertungen. Insgesamt geben
nur 6% der Befragten an, dass in den Gesamtbewertungen eine Überschätzung der
Fokuspersonen eintritt. 56% geben an, dass Selbsteinschätzungen mit Fremdeinschätzungen ungefähr übereinstimmen. Und 14% geben an, dass die Selbsteinschätzungen
ihrer Erfahrung nach meist kritischer ausfallen. Fragt man getrennt nach den Ergebnissen
der Ratergruppen, ergeben sich interessante Details:
Selbstbewertungen im Vergleich zu *
Relativ genau (%)
Zu positiv (%)
Zu negativ
(%)
*Vorgesetzten
33
11
28
*Kollegen
36
8
28
*Mitarbeiter
17
28
25
*Externen
22
19
6
Einer Hierarchie entsprechend existiert im Schnitt „nach oben“ mehr Vorsicht als „nach
unten“. Der „Lob-Effekt“ sollte insgesamt als allgemeiner Effekt in systematischen Feedbacks
einkalkuliert werden. Dazu kommt, dass erfahrene Teilnehmer wissen, dass Bescheidenheit
in der Einschätzung der eigenen Leistungen besser ankommt als eine durch Fremdeinschätzungen entlarvte Selbstüberschätzung.
Akzeptanz von 360 Grad Feedbacks: Eine allgemein herrschende Akzeptanz haben alle
Befragten bestätigt. Sie geht von Führungskräften sogar noch häufiger aus als von
Mitarbeitern. Das spiegelt sich auch darin, dass die meisten Fokuspersonen laut Angaben
der Befragten mit ihren Ergebnissen zufrieden (47%) oder sehr zufrieden (31%) sind. Es
konnte ferner eine eindeutige Korrelation zwischen dem
vermuteten Image des
Unternehmens als Arbeitgeber und der Akzeptanz des Feedbacks bei Führungskräften und
Mitarbeitern festgestellt werden.
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Falls Sie weitere Informationen erhalten möchten, kontaktieren Sie HR-Meter jederzeit unter
[email protected] oder telefonisch unter +49-33079500. Auf Ihre Fragen und Anregungen
gehen wir gerne ein.
Über die Autoren:
Christina Dietzsch-Kley war als Diplompsychologin zunächst im In- und Ausland im Bereich
Marketing und Vertrieb von Informationssystemen tätig. Mitte 2002 hat sie die amerikanische OnlinePlattform HR-Meter LLC gegründet und diese in das Netzwerk der Münchner Beratungsgesellschaft
HR Effekt GmbH, deren Geschäftsführerin sie ist, integriert. Frau Dietzsch-Kley hat 2004 einen MBA
an der WHU in Vallendar und der Kellogg School of Management erworben.
Dr. Jürgen Kaschube ist habilitierter Privatdozent im Fach Arbeits- und Organisationspsychologie. Er
gehört seit über 15 Jahren dem Lehrkörper des Lehrstuhls für Wirtschaftspsychologie, Prof. Lutz von
Rosenstiel, der Ludwig-Maximilians-Universität in München an.
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