Perspektiven zur Zucht Afrikanischer Elefanten in Zoos Europas

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Perspektiven zur Zucht Afrikanischer Elefanten in Zoos Europas
J anuar
18
2011
GEGRÜNDET VON ALEXANDER HAUFELLNER
Perspektiven zur Zucht Afrikanischer Elefanten in Zoos Europas
Bestandssituation und Zuchtmanagement im Jahr 2010
Die einzige Aufzucht eines Afrikanischen Elefantenkalbes gelang 2009 nicht in einem EEP­Zoo, sondern im Serengetipark Hodenhagen.
Foto: T. Dornbusch
Text: Olaf Töffels
Elefanten sind seit Beginn der Haltungsgeschichte Aushänge­
schilder ihrer Halter. Ein Besuch bei den grauen Riesen gehört
für die meisten Menschen auch heute noch zu einem Zoobesuch,
für die moderne Tiergärtnerei sind sie schlechthin die Flagg­
schiffe. Woher die Dickhäuter hinter Graben und Gitter stammen,
beschäftigt längst nicht so viele Zoobesucher. Etliche wissen
nicht, dass das Gros der Zooelefanten auch heute noch nicht als
„Zooelefant“ zur Welt gekommen ist.
Gerade bei den Afrikanischen Elefanten begann die Nachzucht in
Menschenobhut erst vor wenig mehr als einem Elefantenalter mit der
Welterstzucht 1943 in München. Bis 1973 wurden insgesamt nur
sechs Jungtiere dieser Art in ganz Europa geboren.
Die Möglichkeit von immer mehr Zoos, auch Bullen der Afrikanischen
Art dauerhaft sicher zu halten sowie erste Erfahrungen bei der Hal­
tung und Zucht der Riesen in Menschenhand ließen die Geburtenzah­
len in den letzten etwa 25 Jahren deutlich ansteigen.
Von planmäßiger Zucht kann allerdings keine Rede sein, denn kein
Vorreiter der europäischen Afrikanerzucht hat diese Position bisher
dauerhaft bestätigen können. Nur der Zoopark Howletts, UK, züchtet
aktuell mit drei verwandten Weibchengenerationen. Doch erst jetzt,
da die erste und zweite Generation zoogeborener Elefanten selbst ins
zuchtfähige Alter kommt, wird sich zeigen, ob Zoologische Gärten für
diese Tiere Arche Noah oder Titanic sein werden.
Perspektiven zur Zucht Afrikanischer Elefanten in Zoos Europas
Nur sechs Geburten in den ersten 30 Jahren
Zuchtgeschichte Afrikanischer Elefanten in
Europa: Bild oben „Adam“ (Nr. 1, 1943) in
München und rechts „Hannibal“ (Nr. 6, 1973)
in Hannover, jeweils mit ihren Müttern.
Wird die Zukunft der Afrikanerzucht der
Vergangenheit ähneln – mit Geburten als
„singulärem Ereignis“? Fotos: Archiv EEG
Leider ist der Zeitraum, innerhalb dessen eine
junge Elefantenkuh erstmals gezüchtet haben
muss, offenbar deutlich kürzer als die Zeit, die
viele Menschen benötigen, um umzudenken.
Skepsis und mangelnde Flexibilität sowie ein
Gutteil Egoismus und Behäbigkeit haben in
den vergangenen Jahrzehnten viele überfälli­
ge Veränderungen verhindert – die Quittung
naht daher unerbittlich:
Der Zucht des Afrikanischen Elefanten in
Obhut der europäischen Zoos droht der
Zusammenbruch.
INHALTSÜBERSICHT
1 Zuchtperspektiven Afrikanischer Elefanten
17 Waldelefanten in Kenia
18 Bedrohung und Schutz der Elefanten
In Afrika
20 Zoo Aktuell
29 Unfälle mit Elefanten
32 Circus Aktuell
40 Vereinsmitteilungen
42 Gedanken zur Tiergärtnerei in Berlin
(Dr. Blaszkiewitz)
44 Künstliche Aufzucht von Elefanten
51 Elephant Back Safaris in Südafrika
57 Elefanten in Afrika
60 Elefantenanlage im Oasis Park,
Fuerteventura
62 Bullenhaltung im Zoo Heidelberg
67 Bullen in Kenia
68 Betrachtungen zu Bullengruppen in Europa
72 Umstellung von „FC“ auf „PC“
76 Elefantenhaltung in San Diego
78 Maesa Camp in Thailand
80 Happy End für Circuselefanten?
Aktuelle Situation
im EEP der Afrikaner
anhand der Zuchtmatrix
Am 01.05.2010 lebten in 54 Zoos und Safa­
riparks des EEP­Einzugsgebietes 213 Afrika­
nische Steppenelefanten (50,163). Zweifels­
frei als Wald­ oder Rundohrelefant identi­
fizierte Afrikaner werden zurzeit nicht mehr in
Europa gehalten.
Der Gesamtbestand setzt sich aktuell aus 63
zoogeborenen (29,34) und noch 150 aus den
natürlichen Vorkommensgebieten importierten
Elefanten (21,129) zusammen.
Um diese Tiere gemäß ihres biologischen
Fortpflanzungspotenzials einteilen zu können,
unterscheiden wir Elefanten, die sich wahr­
scheinlich nicht mehr vermehren können, Ele­
fanten, die zum Zeitpunkt der Bestands­
aufnahme biologisch zur Fortpflanzung in der
Lage sind sowie Jungtiere unterhalb des Pu­
bertätsalters.
Elefanten mit momentanem Zuchtpotenzial
Mit 102 Tieren kann momentan weniger als
die Hälfte aller in europäischen Zoos gehalte­
nen Steppenelefanten aus fortpflanzungsbio­
logischer Sicht als zuchtfähig betrachtet
werden.
Um die Haltungsqualität bzw. die Zucht­
aussichten der gesamten Afrikanerpopulation
im EEP­Einzugsbereich besser beurteilen zu
können, haben wir zunächst die Haltungssi­
tuation für jeden einzelnen dieser 102 zuchtfä­
higen Zooelefanten eingeschätzt.
Wir unterteilen gemäß der züchterischen
Situation in „geeignet“, „bedingt ge­
eignet“, „ungünstig“ und „ohne Partner
gehalten“.
2
Als wirklich geeignet kann eine Zuchtsitua­
tion für Elefanten aus unserer Sicht heutzu­
tage nur noch beurteilt werden, wenn
folgende Kriterien erfüllt sind:
● Geschlechtspartner müssen vorhanden und
sowohl vom züchterischen Potenzial als auch
im sozialen Status (dem natürlichen Verhalten
entsprechend) zueinander passen. Sie müs­
sen sich gegenseitig akzeptieren.
● Geschlechtspartner dürfen nicht verwandt
sein.
● Der Aufbau eines Familienverbandes darf
nicht behindert werden: Töchter müssen in ih­
rer Geburtsherde verbleiben können.
● Zuchtpartner müssen dauerhaft oder zumin­
dest zeitweise Zugang zueinander haben. Die
Anlagensituation muss derartige Verhältnisse
ermöglichen: Grundflächen, Anlagenaufteilung
bzw. ­verbindungen müssen entsprechend ge­
eignet sein.
Bedingt geeignet zur Zucht ist eine Haltungs­
situation, wenn zwar die Voraussetzungen zur
Fortpflanzung gegeben sind, aber andere
Rahmenbedingungen (etwa die Vorausset­
zungen zum Familienaufbau) ungünstig er­
scheinen.
Ungeeignet ist schließlich eine Haltungssitua­
tion, in der bei zuchtfähigen Tieren Ge­
schlechtspartner stehen, die entweder selbst
nicht zuchtfähig sind oder solche, die keine
soziale Akzeptanz zueinander aufbauen, was
Voraussetzung für die Zucht wäre. Auch das
Vorhandensein verwandter fruchtbarer Elefan­
ten und besonders bereits erfolgte Verwandt­
schaftszucht bedingen ungeeignete Zuchtsi­
tuationen.
Haltung ohne Geschlechtspartner bzw. in
dauerhafter Trennung lassen schließlich jede
Zuchtaussicht zunichte werden. Hierunter fal­
len auch Elefanten, die ihre Gene nur durch
künstliche Besamung weitergeben können.
Perspektiven zur Zucht Afrikanischer Elefanten in Zoos Europas
Bullen (50 Tiere)
re sechs Bullen wird dieser Zustand innerhalb
der nächsten fünf Jahre eintreten (Ursache:
gleichfalls heranwachsende Töchter).
Unter diesen Vorzeichen sind für 11 der 12
Zuchtbullen und somit auch für die Weibchen­
gruppen, bei denen sie momentan leben, Ver­
änderungen mehr oder weniger dringlich
( Tab. 1).
Derzeit befindet sich mit „Pambo“ nur ein
Zuchtbulle im gesamten EEP­Raum in einer
Zuchtbullen
(12 Tiere)
Zwölf Afrikanische Elefantenbullen im EEP­
Raum haben bereits Nachwuchs gezeugt.
Fast die Hälfte der Vatertiere befindet sich
schon jetzt in ungünstiger Zuchtsituation, etwa
durch fortpflanzungsfähige Töchter im Be­
stand oder bereits erfolgte Inzucht. Für weite­
rundum idealen Haltung für die Zucht (Tab. 2).
Er sowie „Kibo“ in Boras und der momentan
ohne Zuchtmöglichkeit gehaltene „Yossi“ in
Ramat Gan sind bisher die einzigen in Men­
schenhand geborenen Zuchtbullen.
Der siebenfache Vater „Tembo“, Tierpark
Berlin und „Tonga“, Hodenhagen (zwei
Zeugungen) leben in Zoos, die nicht am EEP
teilnehmen.
Tabelle 1: Zuchtbullen (Stand: 01.05.2010)
Beschreibung
Zuchtsituation günstig
Zuchtsituation bedingt geeignet
Zuchtsituation ungeeignet
Anzahl
1
6
5
12
Tabelle 2: Zuchtsituation des Bullen "Pambo" in Cabarceno (Stand: 01.05.2010)
Partnerinnen
Zoo
Cabarceno, ESP
Name (Alter)
geeignet
Fruchtbare
Juvenile
Kühe
Kühe
„Pambo“ (18)
„N´Dume“ (27 J.). Der dreifache Vater lebt im
französischen Sigean auf 1 Hektar nur mit seinen
Töchtern (9­ und 7jährig) zusammen.
Weitere Bullen über 20 Jahre
(7 Tiere)
Fünf adulte und gesunde Bullen in Menschen­
hand haben bisher noch nicht gezüchtet. Alle
fünf sind Wildfänge, drei sind ehemalige Cir­
custiere. Nur „Carl“ lebt seit seinem Import im
Zoo von Tallin.
Von ihnen hat sich bisher nur der 29jährige
„Ben“, Thoiry, trotz geeigneter Zuchtpartnerin­
nen in zwei Zoos nicht bewährt. Die übrigen ha­
ben sich bisher nie in einer durchgehend guten
Zuchtsituation befunden. „Java“ in Fasano
wird einzeln gehalten. „Thai“ lebt mit über 30
Jahre alten Kühen zusammen. Die Halter bei­
der sind nicht im EEP vertreten.
6
ungeeignet
Nicht mehr
Verwandte Kühe
züchtende Kühe
3
1
0
Bemerkung
Ideal durch Bullentausch
Die Töchter des 18jährigen „Tusker“ hätten in
Wuppertal keine Zuchtperspektive, falls man sich
dort nicht zum Bullentausch entschließen sollte.
„Tembo“ (27 J.) hat in Colchester keine Kuh, die
auf natürlichem Weg von ihm trächtig werden
kann. Er dient dem IZW nur als Samenspender.
Fotos: Archiv EEG
In am Zuchtprogramm teilnehmenden Zoos le­
ben dagegen „Afrique“, Safaripark Monde
Sauvage und „Carl“ im Zoo Tallin. Beide zei­
gen Deckbereitschaft bei ihren zur Zucht zu
alten Gefährtinnen. Doch nur in Tallin sind
Haus und Anlage zur Übernahme junger
Weibchen geeignet.
Bullen über 20 Jahre sollten von Alter und
Größe her keine Probleme auch mit dominan­
ten Kühen haben, der Nachweis einer Zeu­
gungsfähigkeit ist bei diesen sieben Tieren
allerdings noch nicht erbracht. Solche Bullen,
die bisher keine Gelegenheit zur Zucht hatten,
könnten ihre Zuchteignung bei Muttertieren –
deren Fruchtbarkeit ja bereits erwiesen ist –
und deren Familiengruppen beweisen. Sie
wären also gut als Austauschtiere im Zuge ei­
nes Bullenwechsels geeignet.
Die Bullen „Shorty“, Peaugres, und „Max“,
La Teste, zuvor ebenfalls Circus, sind chro­
nisch erkrankt und fallen für das Zuchtgesche­
hen aus.
3
Perspektiven zur Zucht Afrikanischer Elefanten in Zoos Europas
Bullen zwischen 8 und20Jahren
(16 Tiere)
Elf der 16 juvenilen bis subadulten Bullen sind
zoogeborene Tiere. Fünf Jungbullen haben
Geschlechtspartnerinnen, die entweder be­
reits zu alt zur Zucht sind bzw. sich von einem
nicht ausgewachsenen, wenig dominanten
Bullen wahrscheinlich nicht decken lassen
(siehe Tab. 3). Zwei haben verwandte Elefan­
tinnen zur Gesellschaft bzw. leben noch in ih­
rer Geburtsherde. „Jack“, West Midlands
(Importbulle), wird mit 17 Jahren immer noch
von Menschen im Direkten Kontakt dominiert.
Angesichts der gegenwärtig geringen Zahl an
Zuchtbullen, des zukünftig notwendigen Aus­
tauschs von Vatertieren in sich entwickelnden
Familiengruppen und der Anzahl junger Kühe,
die ohne Bullen gehalten werden, kann momen­
tan keinesfalls von einem Bullenüberschuss in
dieser Altersgruppe gesprochen werden!
„Jassa“ wurde 8jährig mit seinem Halbbruder in
einer Junggesellenhaltung (El Vergel) eingestellt.
Er ist mittlerweile 13 Jahre alt; Eltern: „Jums“ +
„Masa“. Foto: N. Keese
„Limbo“ in Beauval wird von den Kühen, mit denen er zusammen aufgewachsen ist, auch mit 19 Jahren
noch nicht als Paarungspartner akzeptiert; Eltern: „Yossi“ + „Lara“ (†). Foto: N. Keese
Hoffnungsvoller Nachwuchs: Der 10jährige „Co­
co“ in Cabarceno lebt noch in seiner Geburtsher­
de – leider auch mit Halbschwestern; Eltern:
„Chisco“ (†) + „Laura“. Foto: N. Keese
Die Halbbrüder „Pembe“ (9 J., links) und „Akili“
(8 J.) in der Junggesellenhaltung des Zoos La
Flèche sind Söhne von „Yossi“. Foto: N. Keese
Tabelle 3: Bullen zwischen 8 und 20 Jahren (Stand 01.05.2010)
Beschreibung
Züchterische Situation erscheint geeignet
Züchterische Situation ist ungeeignet
Junggesellenhaltung
Jungbullen unter 8 Jahren
(15 Tiere)
„Izik“ (geb. 06.05.2004) lebt in Posnan mit
Halbbruder und drei Kühen über 20 Jahren.
Foto: Archiv EEG
Anzahl
4
8
4
Zu den noch nicht geschlechtsreifen Jungtieren
zählen wir Bullenkälber unter acht Jahren. Die
jüngsten Bullen, die in Menschenobhut erfolg­
reich selbst Nachwuchs zeugten, waren bisher
neunjährig („Tantor“, Toronto, CAN, sowie
„Rip“, Safaripark Jackson, USA, und „Pambo“,
Wien­Schönbrunn). In Europa zeugte „Vauka“
in Kronberg seine erste Nachzucht mit etwa 10
Jahren.
In dieser Altersgruppe befinden sich ge­
genwärtig ausschließlich Zoonachzuchten. Nur
neun davon leben noch altersentsprechend bei
ihren Müttern. Junge Bullen werden für das
Zuchtpotenzial der Zukunft genauso ent­
scheidend sein wie junge Weibchen.
4
„Jambo“ (Bildmitte), heute in Valencia lebend,
wurde am 15.03.2004 in Colchester geboren.
Foto: N. Keese
Perspektiven zur Zucht Afrikanischer Elefanten in Zoos Europas
Weibchen (163 Tiere)
Zuchtkühe (41 Tiere)
41 von 163 Afrikanerinnen im EEP­Raum sind
Zuchtkühe. Davon ist jedoch nicht mehr bei al­
len mit weiterem Nachwuchs zu rechnen,
denn von 12 dieser Weibchen sind weitere
Geburten sehr unwahrscheinlich. Die Zuchtsi­
tuationen der Übrigen fasst Tab. 4 zusammen.
24 von den übrigen 29 Tieren sind Importtiere.
Sechs der Mütter mit weiterem züchterischen
Potenzial befinden sich in keiner als günstig zu
bewertenden Zuchtsituation: „Bibi“ in Halle
und die drei Zuchtkühe in Knowsley haben nur
einen noch jugendlichen Partner, der
wahrscheinlich nicht innerhalb der nächsten
Jahre als Deckbulle akzeptiert werden wird.
„Umna“ in Howletts züchtet mit dem eigenen
Vater und „Tanya“, Colchester, hat Angst vor
„Tembo“ und ist – unter den gegenwärtigen
Haltungsvoraussetzungen – nur durch künstli­
che Besamung zur Fortpflanzung zu bringen.
Vier der 29 fruchtbaren Zuchtkühe – ca. 14 %
dieser Gruppe – haben keinen Zugang zu ei­
nem Geschlechtspartner
Es bleiben insgesamt 19 Muttertiere, die sich
in einer zumindest zur Reproduktion geeigne­
ten Haltung befinden.
Doch wenn kein Familienaufbau möglich wird,
können unabhängig von der Zuchtsituation die
Haltungsumstände nicht als komplett verhal­
tensgerecht und somit geeignet eingestuft
werden. Für acht Kühe ist nicht abzusehen,
ob ihnen bei wenig Platz oder bisheriger
Abnahme der Töchter je ein Familienaufbau
ermöglicht wird (Tab. 5).
Für nur elf Mütter des EEP­Bereiches beste­
hen günstige Voraussetzungen, einen eige­
nen Familienverband aufzubauen (Tab. 6).
Bezeichnenderweise finden sich unter ihnen
vier der fünf in Menschenhand geborenen
Muttertiere wieder, die in der Familiengruppe
züchten, in der sie aufgewachsen sind: „Ki­
ra“ in Cabarceno sowie „Swana“, „Tammi“
und „Stavit“ in Howletts.
Tabelle 4: Zuchtkühe, die Potenzial zur weiteren Fortpflanzung haben (Stand 01.05.2010)
Beschreibung
Anzahl
Zur Zucht geeignete Situation
Zur Zucht ungeeignete Situation
Keine Gelegenheit zur Fortpflanzung
19
6
4
Eignung der
Zuchtsituation
19
Tabelle 5: Zuchtkühe mit Zuchtmöglichkeiten, aber nur bedingt möglichem Familienaufbau
Zoo
Name (Alter)
Berlin Tierpark
„Pori“ (30)
„Sabah“ (25)
„Punda“ (18)
„Sabie“ (18)
„Sweni“ (18)
„Jane“ (21)
„Nina“ (19)
„Luna“ (19)
Wuppertal
Lissabon/POR
letzte Geburt
vor
3 J.
4,5 J.
5 J.
3J.
2 J.
6 J.
5 J.
3 J.
Summe
29
10
(Stand 01.05.2010, vgl. ZOO Aktuell)
Familienentwicklung
Bullentausch
Abgabe von Töchtern wird praktiziert
Abgabe von Töchtern wird praktiziert
mit Tochter, tragend?
mit Tochter, tragend?
Nicht praktiziert, da nicht im EEP
Nicht praktiziert, da nicht im EEP
Mittelfristig notwendig
Mittelfristig notwendig
mit Tochter
mit Tochter
Mittelfristig notwendig
Mittelfristig notwendig
Fläche für 0,1 mit
Nachzucht
ca. 3.600 m²
ca. 2.300 m²
ca. 850 m²
Tabelle 6: Zuchtkühe in momentan geeigneter Haltung für Zucht und Familienaufbau (Stand 01.05.2010)
Zoo
Name (Alter)
Familienentwicklung
Bullentausch
„Veri“ (25)
letzte Geburt
vor
0,5 J.
Hodenhagen
mit Tochter
Mittelfristig notwendig
Beekse Bergen/NL
„Sabi“ (24)
9 J.
Nach Transfer 2009 aus Halle
Zunächst nicht erforderlich
Boras/SWE
Cabarceno/ESP
„Dudu“ (19)
„Zambi“ (29)
„Laura“ (27)
„Gustl“ (20)
„Kira“ (15)
1,5 J.
5 J.
6 J.
7 J.
3 J.
mit 2 Töchtern
mit 2 Töchtern
Kurzfristig notwendig (Töchter)
Bereits erfolgt
Bereits erfolgt
Bereits erfolgt
Bereits erfolgt
„Masa“ (41)
„Swana“ (25)
„Tammi“ (23)
„Stavit“ (23)
3 J.
1,5 J.
2 J.
4 J.
Howletts/UK
mit Tochter
mit Mutter und Tochter (nicht
angenommen)
mit 2 Töchtern
mit Mutter und Tochter
mit 2 Töchtern
mit Tochter
5
Kurzfristig notwendig (Töchter)
Kurzfristig notwendig (Töchter)
Kurzfristig notwendig (Töchter)
Kurzfristig notwendig (Töchter)
Fläche für 0,1 mit
Nachzucht
ca. 0,5 Hektar
(erweiterbar)
ca. 0,5 Hektar
(erweiterbar)
ca. 1,5 Hektar
ca. 20 Hektar
ca. 1,5 Hektar
Perspektiven zur Zucht Afrikanischer Elefanten in Zoos Europas
Kühe zwischen 7 und 20 Jahren
(40 Tiere)
Das Verhältnis der Zoonachzuchten zu Wild­
fängen lautet bei den im Alter für die Erstzucht
geeigneten 40 Weibchen 11 zu 29. Nur wenig
mehr als ein Viertel davon befindet sich in ei­
ner günstigen Ausgangssituation für die erste
Trächtigkeit. Dagegen haben namentlich die
fünf Jungkühe, die in ihren Geburtsherden
bzw. mit ihren Müttern heranwachsen, beste
Zuchtaussichten in den Zoos von Cabarceno,
Howletts, Port Lympne und Knowsley.
Zählt man Weibchen mit schlechten Zucht­
aussichten und solche, die ohne Bullen gehal­
ten werden, zusammen, stehen die Chancen
für fast drei Viertel dieser so wesentlichen Al­
tersgruppe schlecht, überhaupt noch Mutter
zu werden (Tab. 7). Fünf dieser Tiere (ein Ach­
tel) sind im Jahr 2010 bereits 20 Jahre alt und
somit wahrscheinlich schon zu alt für eine ers­
te Schwangerschaft.
Bild rechts: Kein Bulle, keine Chance auf Zucht:
„Sawu“ (15 Jahre) lebt im am EEP teilnehmenden
Zoo Dresden. Foto: Archiv EEG
Tabelle 7: Kühe im Erstzuchtalter zwischen 7 und 20 Jahren (Stand 01.05.2010)
JungeWeibchenunter7Jahren
(18 Tiere)
Im EEP: „Panzi“ (geb. 05.05.2005, vorne links) mit
Mutter „Dudu und Bruder „M´Changa“ in Borås.
Foto: Archiv EEG
Beschreibung
Züchterische Situation erscheint geeignet
Züchterische Situation ist ungeeignet
Haltung ohne Geschlechtspartner
Für das zukünftige Fortpflanzungsgeschehen
sind Jungtiere vor Pubertätsbeginn von ent­
scheidender Bedeutung. Von den Weibchen
werden solche unter sieben Jahren (Alter für
erste nachgewiesene Geschlechtszyklen in
Menschenhand) hier eingeordnet. 11 % aller
Afrikanerkühe in europäischen Zoos gehören
dieser Gruppe an.
Da für die weitere Entwicklung gerade junger
Weibchen deren Sozialisation entscheidend
ist, wird diese Altersgruppe nochmals unter­
teilt (Tab. 8). Erfreulicherweise sind nur zwei
Tiere Wildfänge – die heute ca. 5jährigen ju­
venilen Kühe „Maja“ und „Manti“, die vom
Bioparc Valencia aus Namibia importiert wur­
den. Sie wachsen ebenso ohne Mutterfamilie
auf wie die Zoonachzuchten „Chupa“, Si­
gean (Tod der Mutter), und „Christina“ in Ca­
barceno (Handaufzucht).
Tabelle 8: Junge Weibchen vor Beginn des Pubertätsalters (Stand 01.05.2010)
Anzahl
11
17
12
Nicht im EEP: „Kariba“ (geb. 17.03.2006) im
Tierpark Berlin. Foto: Archiv EEG
Beschreibung
Kuhkälber bis zu sieben Jahren, die im Familienverband aufwachsen
14
Kuhkälber bis zu sieben Jahren, die nicht im Familienverband aufwachsen
4
Weibchen ohne
zukünftiges Zuchtpotenzial
(76 Tiere)
Von den 163 in Zoos und Safariparks des
EEP­Einzugsbereiches gehaltenen Afrikaner­
kühen werden sich 76 Tiere aller Wahrschein­
lichkeit nach nicht mehr fortpflanzen. Diese
Gruppe umfasst nahezu die Hälfte aller gehal­
tenen Weibchen.
74 davon sind Wildfänge. Zusammengefasst
sind Kühe im Alter von über 20 Jahren, die
aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr
züchten werden (Tab. 9). Die Zuordnung er­
folgt unabhängig davon, ob eine Kuh noch
Geschlechtszyklen aufweist und auch unab­
hängig davon, ob sich ein zuchtfähiger Bulle
im Bestand befindet. Von den ehemaligen
Zuchtkühen ist nur „Lara“ in Menschenhand
Anzahl
18
zur Welt gekommen, sie hatte in Ramat Gan
zuvor selbst drei Kälber geboren. Die übrigen
11 Weibchen, die seit über 10 Jahren keine
Geburt mehr hatten, sind Importtiere. Zu den
überhaupt nicht züchtenden Kühen gehört mit
„Josepha“ (geb. in Ramat Gan, 21 J., heute
Peaugres) leider bereits eine erste in Europa
nachgezogene Kuh.
Tabelle 9: Weibchen ohne zukünftiges Zuchtpotenzial (Stand 01.05.2010)
Beschreibung
Zuchtkühe mit Fortpflanzungspause über 10 Jahren
Nicht züchtende Kühe über 20 Jahre, die im Erstzuchtalter eine Chance zur Fortpflanzung hatten
Nicht züchtende Kühe über 20 Jahre, die im Erstzuchtalter gar keine Chance zur Fortpflanzung hatten
6
Anzahl
12
29
35
76
Perspektiven zur Zucht Afrikanischer Elefanten in Zoos Europas
Das Zuchtmanagement
und seine Folgen –
Auswertung der Zuchtmatrix
Die Anzahl der momentan fruchtbaren Step­
penelefanten im EEP­Bereich, bestehend aus
Zuchttieren und weiteren, für den Zuchtbeginn
geeigneten Elefanten, beträgt am 01.05.2010
102 Tiere. Sie setzt sich zusammen aus 33
Bullen zwischen neun und 36 Jahren (zwei
Drittel aller Männchen) und 69 Kühen (60 v.
H. aller Weibchen) im Alter von sieben bis 49
Jahren. Von diesen haben bisher 53 Tiere ge­
züchtet – etwa die Hälfte. Von den noch le­
benden 150 Wildfängen pflanzt sich momen­
tan weniger als ein Viertel, nämlich nur 34
Tiere (10,24) fort. Auch von den heute leben­
den, im Zoo geborenen Elefanten (63 Tiere)
nehmen bisher nur acht an der Reproduktion
teil (2,6). 61 Elefanten im gegenwärtig zucht­
fähigen Alter haben sich noch nicht fortpflan­
zen können. Diese Zahl entspricht knapp
30 % des Gesamtbestandes und sogar mehr
als der Hälfte aller zuchtfähigen Afrikaner im
EEP­Raum. Davon sind 22 (11,11) selbst in
Menschenobhut zur Welt gekommen. Von den
Wildfängen hat nur noch ein Viertel (10,29
Elefanten) eine Chance zur Erstzucht.
Betrachtet man oberflächlich nur die steigende
Anzahl von Zuchttieren innerhalb der letzten
zwei Jahrzehnte, scheint sich alles bestens ent­
wickelt zu haben:
1990 kamen auf 100 Afrikaner hochgerechnet
nur 5 Elterntiere (konkret 1,8 Zuchttiere von 178
Afrikanern in Europa gesamt). Im Jahr 2000 wa­
ren es bereits 11 von Hundert (5,18 von 205).
Mitte des Jahres 2010 ist der Bestand auf 213
Individuen gewachsen, von denen knapp 20
Prozent am Fortpflanzungsgeschehen teilneh­
men (12, 29).
Steht also alles zum Besten beim Vorhaben,
eine sich selbst erhaltende Afrikanerpopula­
tion in Europa aufzubauen?
Mitnichten: Mehrere Anhaltspunkte relativieren
die scheinbar so günstige Entwicklungsten­
denz:
1. Für den Aufbau einer sich
selbst erhaltenden Population
sind die Fortpflanzungsraten
nach wie vor zu gering – mit
fallender Tendenz
Die Fortpflanzungsleistung der Afrikanerpopu­
lation im EEP­Einzugsgebiet kann mit Hilfe
des Fekunditätsindex (FI) nach Sukumar et.
al. errechnet werden (vgl. Kurt 2009).
In den letzten 12 Jahren fanden 68 Geburten
statt, im Schnitt also 5,67 Geburten pro Jahr.
Im fortpflanzungsfähigen Alter zwischen sie­
ben und ca. 50 Jahren sind aktuell 144 Ele­
fantinnen. Dies entspricht einem FI von 0,04.
Für Populationen wildlebender Afrikaner be­
schreibt Kurt FI­Werte zwischen 0,11 und 0,26
(Kurt 2009).
Um Werte wie im Freiland zu erreichen,
hätten in den letzten 12 Jahren also in Eu­
ropa drei­ bis sechsmal so viele Kälber ge­
boren werden müssen.
Indices, die für einen sich selbst erhaltenden
und verjüngenden Bestand typisch sind, wer­
den gegenwärtig nur in sechs von 54 Haltun­
gen Afrikanischer Elefanten erreicht.
Nur vier davon gehören dem EEP an.
Eine von vielen Importkühen, die nie Mutter
werden durfte: „Sabi“ (25 J., Zoo Augsburg)
wurde dem EEP nie zur Verfügung gestellt.
Fotos: Archiv EEG
Die Geburtenzahlen, die sich seit Mitte der
1990er Jahre zunächst kontinuierlich steiger­
ten, erreichten ihre bisherigen Spitzenwerte in
den Jahren 2001 bis 2006. In diesen sechs
Jahren wurden 41 Geburten vermerkt, im
Schnitt also fast sieben Neugeborene in je­
dem Jahr. Doch seither ist die Tendenz wieder
rückläufig. Im Jahr 2009 sind europaweit so­
gar nur 2 Kälber geboren worden, wovon ei­
nes die erste Woche nicht überlebte.
Unter Obhut des Europäischen Erhaltungs­
zuchtprogramms ist 2009 nicht ein aufgezo­
gener Afrikanischer Elefant zu verzeichnen.
Doch woran liegt das?
2. „Nonbreeder“ und Mütter ,
die sich nicht mehr fortpflanzen
– zwei Indikatoren für Versäum­
nisse aus Vergangenheit und
Gegenwart
Einen ersten Anhaltspunkt liefern Elefanten,
die ins Zuchtgeschehen überhaupt nicht mehr
eingreifen können. Elefantenkühe, die nicht
zeitnah nach Eintritt der Pubertät erstmals
Mutter werden können, verlieren anscheinend
spätestens um das 20. Lebensjahr ihre
Fruchtbarkeit (Hildebrand & Göritz, 1995 und
2000).
Freilandforscher beschreiben unisono fast
ausnahmslos adulte Weibchen, die auch Müt­
ter sind (Douglas – Hamilton 1975, Moss
1988).
7
Zur europäischen Zoopopulation Afrikanischer
Elefanten dagegen gehören momentan 66
„Nonbreeder“; 64 davon sind Kühe über 20
Jahre, denen ihr Leben in Zoos des EEPs kei­
ne zur Zucht geeigneten Voraussetzungen
bieten konnte.
Diese Tiere zeigen massive Versäumnisse
bei den Bemühungen zur Arterhaltung des
Steppenelefanten in europäischen Zoos
auf. Hiermit ist explizit auch die jüngere
Vergangenheit gemeint, denn 41 dieser Kü­
he haben erst innerhalb der letzten zehn
Jahre das Erstzuchtalter überschritten, 17
sind gar erst zwischen 21 und 25 Jahre alt
und somit gerade innerhalb der letzten fünf
Jahre zuchtunfähig geworden.
Ein Bestand mit naturähnlicher Demographie
würde erwarten lassen, dass junge Tiere den
größten Anteil ausmachen. Den 64 nie
züchtenden Weibchen stehen aber nur 33
Nachwuchstiere unterhalb des Erstzuchtalters
gegenüber, die in den nächsten ein bis zwei
Jahrzehnten ins Fortpflanzungsgeschehen der
europäischen Afrikanerpopulation eingreifen
könnten.
„Josepha“, geb. in Ramat Gan, in Peaugres
lebend, gehört mit zu den ersten weiblichen
Afrikanernachzuchten im EEP­Raum, mit 21 J.
leider auch schon zu den „Nonbreedern“.
Ähnlich ist zu werten, dass 12 von 41 Muttertie­
ren sehr wahrscheinlich keinen weiteren Nach­
wuchs mehr zur Welt bringen werden, weil ihre
Zuchtpause inzwischen zu lang ist.
Der Grund: Entweder verschlechterte der
Mensch ihre züchterische Situation durch Ab­
gabe an weniger geeigneten Haltungen (z.B.
für sämtliche aus Ramat Gan abgegebenen
Zuchtkühe) oder die Erstzucht wurde erst sehr
spät möglich. Dies betrifft etwa Mütter von Tot­
geburten in Colchester oder Beekse Bergen.
In keinem der 12 Fälle sorgte der Mensch
für jene Mütter von Pubertätsbeginn an bis
heute für eine durchgehend günstige
Zuchtsituation.
Weshalb so viele Afrikanerinnen nicht züchten
können, hat eine wesentliche Ursache:
Perspektiven zur Zucht Afrikanischer Elefanten in Zoos Europas
3. Zu viele zuchtfähige Elefanten
werden ohne Geschlechtspart­
ner gehalten
Mutter im EEP ohne Zuchtchance: „Drumbo“
(20J.), Zoo Dresden. Foto: Archiv EEG
Vier fruchtbare Zuchtkühe im EEP­Raum sind
momentan ganz ohne Partner züchterisch
„kaltgestellt“. Doch nur wenige Mütter brach­
ten nach mehr als zehn Jahren ohne Gebur­
ten weitere Kälber zur Welt.
Deshalb gilt als oberste Priorität:
Zuchtkühe, die vom bisherigen Bullen ge­
trennt wurden, müssen baldmöglichst wie­
der mit einem neuen Zuchtpartner verge­
sellschaftet werden.
Dies betrifft z.B. die 24jährige „Tonga“ im
Tiergarten Wien­Schönbrunn. Nach Geburt ih­
rer einzigen Tochter beträgt „Tongas“
Zuchtpause jetzt bereits sieben Jahre. Seit
2009 ist für „Tonga“, für ihre Tochter und auch
für die aus Wuppertal eingestellte „Numbi“
kein adulter Bulle mehr im Bestand.
„Drumbo“ in Dresden ist durch künstliche Be­
samung in einem Zoo, der keinen adulten Bul­
len halten kann, zur Mutter eines Bullenkalbes
geworden. Weitere Versuche zur künstlichen
Besamung sind in der Elbestadt zurzeit nicht
vorgesehen, eine Abgabe der Elefantin in eine
zur Zucht geeignete Einrichtung wird von den
Verantwortlichen abgelehnt.
„Kaltgestellt“ wäre bezogen auf die kinderlo­
sen elf Kühe zwischen 14 und 20 Jahren,
die ohne Bullen gehalten werden, der falsche
Begriff, denn er suggeriert die Konservierung
und Verlängerung eines Zustandes. Doch ge­
nau das Gegenteil ist für junge Weibchen der
Fall, denn der Lebensabschnitt, in dem eine
Erstzucht erfolgen müsste, nähert sich für
diese Tiere unaufhaltsam dem Ende.
Die Kuh „Tembo“ (= „Franzi“) wurde 1992 aus
Namibia importiert und ist jetzt etwa 20 Jahre alt.
Sie lebt seit 18 Jahren in Augsburg. Einen Bullen
kann der dortige Zoo nicht halten. „Tembo“ hat
dort also die zehn, vielleicht zwölf Jahre zwi­
schen Pubertätsbeginn und Verlust ihrer Frucht­
barkeit ohne jede Chance auf Mutterschaft
verbracht. Der Zoo Augsburg arbeitet beständig
an der Verbesserung der Haltungsbedingungen
seiner Elefanten, erweiterte die Anlage, plant
noch einen Ausbau und bemüht sich, durch Be­
schäftigung bei seinen vier Elefanten (je zwei
Afrikanische und Asiatische Kühe) keine Lange­
weile aufkommen zu lassen. Dass es für weibli­
che Elefanten keine bessere Beschäftigung
geben kann, als sich um eigene Kälber zu
kümmern bzw. dass Elefantenkühe ohne die­
se Möglichkeit nie umfassend verhaltensge­
recht gepflegt werden können, wird aber in
Augsburg und leider auch anderswo trotz wie­
derholtem Nachfragen nicht zur Kenntnis ge­
nommen. Aus diesem Grund ist mit „Sabi“
(25 J.) in Augsburg innerhalb der letzten Jahre
bereits eine Kuh für das europäische Afrikan­
erzuchtprogramm verloren gegangen, ohne
ihre Gene weitergeben zu können. „Tembo“
wird ihr folgen.
Neben Augsburg importierten in den letzten
zwei Jahrzehnten auch der tschechische Zoo in
Zlin Lesna, der Naturtierpark Ströhen sowie die
EAZA­ und EEP­Mitglieder Erfurt und Dresden
junge Elefantinnen aus dem südlichen Afrika,
ohne überhaupt über Voraussetzungen zur Bul­
lenhaltung zu verfügen.
In Ströhen, einer Einrichtung ohne EAZA­Status,
werden die drei jungen Weibchen als Publikums­
attraktion zum Elefantenreiten genutzt. Natur­
schutz und Umweltbildung sind etwas anderes
als Vertreter einer bedrohten Art anzuschaffen,
sie für Showzwecke einzusetzen und dabei dem
Erhaltungszuchtprogramm vorzuenthalten.
Der Zoo von Zlin Lesna ist EAZA­Mitglied und
präsentiert sich als modernes Naturschutzzen­
trum. Dort hat man eine knapp mittelgroße,
wenngleich ordentlich strukturierte Elefantenan­
lage geschaffen, gebaut jedoch nur für Kühe. Am
EEP nimmt der Zoo nicht teil. Interesse an einer
eigenen Elefantenzucht schien bisher nicht vor­
handen – die eigenen Tiere sind ja auch noch
jung genug, um für 30 oder mehr Jahre Elefan­
ten zeigen zu können.
Angeblich möchte man in Eigenregie in den
nächsten Jahren umbauen und eine Bullenhal­
tung nachrüsten. Für „Zola“, „Kali“ und „Ulu“
EAZA – ja, EEP – nein: die noch fruchtbaren
Elefantinnen im Zoo von Zlin Lesna.
Foto: S. Thielemann
8
wird dieser Ausbau zu spät kommen. Die gegen­
wärtig schon 14 bis 16 Jahre alten Kühe im Aus­
tausch gegen „Nonbreeder“ einem Zoo mit
Zuchtmöglichkeit zu übergeben, wird nicht in Er­
wägung gezogen.
Dresden holte bereits 1992 zwei junge Elefan­
tenkühe aus Afrika nach Deutschland und
schloss sich 1999 zusammen mit Erfurt und
Basel einem weiteren Importvorhaben an, das
als „Tuli­Debakel“ (A. Haufellner 1999) un­
rühmlichen Eingang in die Geschichte von
Tiergärtnerei, Tier­ und Naturschutz fand. We­
der Dresden noch Erfurt konnten damals
einen Elefantenbullen sicher unterbringen und
können dies auch heute noch nicht.
Alle diese jungen Weibchen wurden aus dem
südlichen Afrika importiert, um europäischen Zoos
die Elefantenzucht zu ermöglichen. Die Gefahr,
dass innerhalb weniger Jahre etliche zu „Non­
breedern“, aber nur noch die wenigsten zu erfolg­
reichen Müttern werden, ist groß.
Dass mit „Josepha“ in Peaugres auch eine erste
in Menschenhand geborene Kuh nie eine wirkli­
che Chance bekommen hat, selbst Mutter zu wer­
den, ist vor diesem Hintergrund ein Warnzeichen
ersten Ranges!
Der massige „Carl“ (28 J.) im Zoo Tallin hat bis
heute keine Chance, sich fortzupflanzen.
Foto: S. Thielemann
Zuchtbullen sind im EEP­Raum sogar noch
seltener als Zuchtkühe.
Nur 12 der 50 heute lebenden Männchen haben
ihre Gene bisher weitergeben können, während
andererseits 16 von 69 fruchtbaren Weibchen oh­
ne geeigneten Bullen stehen.
Vier der gesunden adulten Bullen, davon zwei
Vatertiere, stehen dem EEP nicht zur Verfügung.
Zuchtkooperationen solcher Halter mit EEP­Zoos,
bei denen die Entscheidungsvollmacht bzgl. ge­
zeugter Kälber nicht an das Erhaltungszuchtpro­
gramm übergehen würde, wären zudem höchst
problematisch. Deshalb sollte man eigentlich er­
warten können, dass vom Zuchtprogramm bzw.
den Elefantenhaltern mit fortpflanzungsfähigen
Weibchen jegliche Anstrengungen unternommen
werden, zumindest die anderen beiden geeigne­
ten Elefantenbullen in eine Zuchtsituation zu brin­
gen.So empfiehlt schon die Expertenkommission
der EAZA Elephant Taxon Advisory Group (TAG):
„Place all potential breeding bulls in a breeding si­
tuation.“ (EAZA 2004). Doch das ist leider nicht
Perspektiven zur Zucht Afrikanischer Elefanten in Zoos Europas
der Fall. Dies dürfte zu einem wesentlichen
Teil daran liegen, dass derart wertvolle Tiere
von ihren Besitzern nicht ohne weiteres zum
Austausch freigegeben werden.Einem zumin­
dest zeitweiligen Austausch zuzustimmen, wä­
re unter den Umständen, unter denen „Carl“
und „Afrique“ zurzeit gehalten werden, wohl
das Vernünftigste. Aber die Hoffnung, auch
von Kühen über 30 vielleicht doch noch ein
besucherattraktives Kälbchen geschenkt zu
bekommen, trübt bei deren Besitzern wohl die
Sicht auf die wissenschaftlichen Fakten und
lässt die zweifellos wertvollen Bullen zu „totem
Kapital“ werden.
Während man von den genannten Elefanten­
bullen noch nicht weiß, ob sie fortpflanzungs­
fähig sind, haben 12 andere Männchen dies
bereits bewiesen. Sie wären besonders geeig­
net, um Kühen im Teenageralter eine letzte
Chance zum Fortpflanzungseinstieg zu bieten.
Unverständlich bleibt darum, weshalb im EEP
so wenige Bemühungen erkennbar sind, den
erfolgreichsten Afrikanerzuchtbullen in Men­
schenobhut, den 36jährigen „Yossi“, Ramat
Gan, hierfür zu gewinnen.
Ein Grund ist sicher in den gigantischen Ma­
ßen „Yossis“ zu suchen, der ca. 3,70 m
Schulterhöhe aufweist. Etliche Zoos, die gern
Afrikaner züchten würden, haben aber beim
Bau ihrer Anlagen nicht berechnet, wie groß
ein normalwüchsiger Afrikanerbulle werden
kann. Einige haben zwar Bullenställe und
­anlagen geschaffen, könnten aber einen
adulten Bullen weder sicher noch tierge­
recht unterbringen.
„Yossi“ ist derzeit der älteste in Menschen­
hand geborene Afrikanerbulle und aufgrund
des lange anhaltenden Wachstums der Tier­
riesen auch der größte. Doch in den nächsten
ein bis zwei Jahrzehnten werden etliche Bul­
len die 30 überschreiten und vergleichbar
groß werden, darunter auch Söhne „Yossis“.
Wer Afrikaner züchten will, sollte sich also dar­
auf einstellen, einen solchen Prachtkerl sicher
unterbringen zu können.
Zudem ist solch ein Bulle in Europa noch nie
lebend transportiert worden. Sollte es den
Zoos aber Ernst sein mit einem regulären
Genaustausch durch Bullenrotation wird man
sich etwas einfallen lassen müssen, um auch
Bullen mit 3 ½ Metern Schulterhöhe sicher
von A nach B transferieren zu können. Tech­
nisch sollte dies heute machbar sein.
Zu wenige Zuchttiere, zu viele zuchtfähige
Elefanten ohne passenden Geschlechtspart­
ner – viel ist im letzten Jahrzehnt nicht ge­
schehen, um die Zuchtsituation der ein­
zelnen Afrikaner zu verbessern.
4. Zu wenige Bemühungen,
um Elefanten in eine Zucht­
situation zu bringen
Ein Blick auf die Transfers Afrikanischer Elefan­
ten unterstreicht, dass entsprechende Anstren­
gungen in den letzten zehn Jahren nach­
gelassen haben. Zwischen 1990 und dem Jahr
2000 fanden 79 Transporte statt, von denen 41 –
also mehr als die Hälfte – konkret eine Verbes­
serung der züchterischen Situation zur Folge ha­
ben sollten. Im folgenden Jahrzehnt sind sogar
96 Transporte registriert. Doch nur 29 davon –
also kein Drittel der Gesamtzahl in diesem Jahr­
zehnt – brachten Elefanten in eine geeignete
Zuchtsituation. Allerdings muss insoweit relati­
viert werden, als dass manche Transfers indirekt
zur Verbesserung beitrugen, da nicht züchtende
Elefanten gegen fruchtbare Tiere ausgetauscht
wurden, so z.B. in Beekse Bergen. In den Jah­
ren 2008 bis 2010 fanden z.B. 20 Transporte
Afrikanischer Elefanten in Europa statt. Davon
sind nur vier aus züchterischer Sicht sinnvoll ge­
wesen. Doch für alle davon betroffenen Tiere
war die züchterisch prekäre Situation, in der sie
sich befanden, seit Jahren bekannt und hätte
deutlich eher verändert werden können, wenn
nicht müssen:
• Der Transfer „Pambos“ nach Cabarceno stellt
für die dortige Kuhgruppe (zuvor über vier
Jahre ohne zuchterfahrenen Bullen) und den
vorher auf 500 m² gehaltenen Zuchtbullen
(ohne Weibchenzugang seit über sieben Jah­
ren) sinnvolle Verbesserungen ihrer Situatio­
nen dar.
• „Goni“ und „Dzomba“ wurden in Amneville
bzw. Beekse Bergen zur Zucht eingestellt. Al­
lerdings waren beide zu diesem Zeitpunkt be­
reits 15 bzw. 16 Jahre alt und haben für einen
Zuchtbeginn wertvolle Zeit verloren.
• Die in Wien zuvor nur durch künstliche
Besamung zur Mutter gewordene 24jährige
„Sabi“ erhält in Beekse Bergen durch Gesell­
schaft eines Zuchtbullen erstmals Gelegenheit
zur natürlichen Fortpflanzung. Doch ihre
Zuchtpause hat sich um drei Jahre auf inzwi­
schen neun Jahre verlängert, während sie von
2006 bis 2009 ohne Zuchtmöglichkeit mit ih­
rem Sohn „Abu“ als Erstbesatz im neuen
Hallenser Elefantenhaus eingestellt war – oh­
ne Haltung eines adulten Bullen.
Diesen positiven Beispielen stehen andere
Transfers entgegen, die nicht zur Herstellung ei­
ner Zuchtsituation geeignet sind. Zwei über
20jährige Weibchen als gedachte „Zuchtpartne­
rinnen“ zu einem 11jährigen Jungbullen zu stel­
len, wie jüngst durch den Transfer von „Kinga“
und „Kitzi“ aus Katowice nach Posnan gesche­
hen, hat mit Bemühungen zur Elefantenzucht
nichts zu tun. Beide Weibchen zählen zu den 17
Afrikanerkühen in europäischen Zoos, die zwi­
schen 21 und 25 Jahre alt sind und innerhalb der
9
letzten fünf Jahre von Hoffnungsträgerinnen der
Erhaltungszucht zu „Nonbreedern“ geworden
sind.
Dies droht nun auch „Numbi“ (zuvor Wuppertal)
und „Bibi“ (zuvor Berlin). Beide wurden jeweils
aus einer zur Vermehrung geeigneten in eine
bullenlose Haltung abgegeben und somit „se­
henden Auges“ aus einer Zuchtsituation „hinaus­
befördert“. Die Zoos von Halle, Wuppertal und
Wien sind dabei auch noch EEP­Teilnehmer.
Die meisten subadulten Weibchen, die heute
ohne Zuchtmöglichkeit gehalten werden,
wurden von ihren Haltern im Alter von weni­
gen Jahren importiert. Wären Diskussionen
um deren Abgabe nicht überflüssig, hätten die
entsprechenden, oft wissenschaftlich gelei­
teten Zoos ihre Häuser und Anlagen einfach
nur rechtzeitig ausgebaut?
5. Fehlender Ausbau
von Elefantenanlagen,
aber keine Konsequenzen
Für „Tembo“ (= „Franzi“), Zoo Augsburg, kommt
ein Ausbau der dortigen Elefantenanlage zu spät.
Foto: Archiv EEG
Gerade der Zeitpunkt, zu dem sich das Zeit­
fenster für den Zuchtbeginn jeder einzelnen
Kuh geschlossen haben wird, ist ein Faktor,
der praktisch seit deren Import vor einem bis
zwei Jahrzehnten bekannt ist. Trotzdem hat
dies aber bisher in nahezu keiner Haltung zu
geeigneten Baumaßnahmen geführt.
Dresden und Erfurt hatten vor zwei Jahrzehnten
weder die Möglichkeit zur Bullenhaltung noch
überhaupt elefantengeeignete Haltungseinrich­
tungen vorzuweisen, Dresden weniger als 2.000
m², Erfurt ca. 800 m². Beide Zoos pflegten alle
ihre Elefanten im Direkten Kontakt. Dass mit
überalterten homogenen Weibchengruppen ein
dauerhafter Elefantenbestand nicht zu sichern
ist, versteht sich.
Dresden importierte also 1992 zwei aus ihren
Familien herausgefangene Kuhkälber. Im Jahr
1999 nutzte man gemeinsam mit Erfurt und
Basel die Chance, das Importverbot für
Perspektiven zur Zucht Afrikanischer Elefanten in Zoos Europas
Elefanten zu umgehen und weitere juvenile
Waisen (Stichwort „Tuli­Debakel“) – je 0,2
nach Sachsen und Thüringen sowie 1,2 in die
Schweiz – zu holen. Beide deutschen Zoos
kündigten seit den 1990er Jahren vollmundig
den zeitnahen Ausbau ihrer Haltungen an.
Selbstverständlich sollte mit den Importtieren
gezüchtet werden, Zoos seien ja schließlich
dem „Arche­Noah­Prinzip“ verpflichtet.
Dresden hat sich nach eigenen Angaben an den
modernsten Elefantenhaltungen orientiert, bevor
dort vor 12 Jahren das neue Afrikahaus erbaut
wurde. Dass man diese „modernsten“ Haltungen
ausgerechnet in den USA zu finden glaubte, ist
dagegen unverständlich, wenn man die schon
damals miserablen Zuchtmethoden und ­ge­
schichte der Elefanten Nordamerikas kennt. Und
tatsächlich: Für viel Geld wurde in Dresden ein
sehr besucherattraktiver, heller Neubau erstellt,
der nur leider nicht zur Bullenhaltung und somit
Elefantenzucht geeignet ist und auch sonst in
Funktionalität sowie Pflegersicherheit stark zu
wünschen übrig lässt. Die Kühe notfalls im Ge­
schützten Kontakt zu betreuen, ist in Dresden
nicht möglich.
Heute – 11 bzw. 18 Jahre nach ihrem Import –
stehen die Kühe im Teenageralter immer noch
auf Anlagen unterhalb der EAZA­Empfehlungen.
Immer noch wird in beiden Zoos angekündigt,
dass nun endlich zeitnah ausgebaut würde, so­
dass die Zucht alsbald beginnen könne. Die An­
kündigungen tönen, als wäre keinerlei Zeit
vergangen. Doch tatsächlich ist inzwischen viel
Zeit ver­ und an den ehemaligen Kuhkälbern
auch nicht spurlos vorübergegangen. Alle begin­
nen bereits die zweite Hälfte ihres zweiten Le­
bensjahrzehnts – ein Alter, in dem mindestens
die Hälfte gleichaltriger Zuchtkühe schon ein­ bis
zweimal gekalbt haben und beginnen, sich ihre
eigenen Familien aufzubauen. In Dresden hat
man sich – statt auszubauen – entschlossen,
zigtausend Euro in die künstliche Besamung zu
investieren. Zur Mutter gemacht hat dies nur ei­
nes der drei Weibchen, doch auch die steht, wie
beschrieben, inzwischen ohne Zuchtchance und
ohne Familie in Dresden.
Auch in Erfurt werden seit Jahr und Tag Aus­
baupläne für großzügige Elefantenzuchtanlagen
angekündigt, abgeändert, dann revidiert und
schließlich neu veröffentlicht. Im gleichen Zeit­
raum wechselte die behördliche Zuständigkeit
bzgl. der Haltungsgenehmigung für die Kühe
zwischen der oberen und der unteren Natur­
schutzbehörde. Das änderte aber nichts daran,
dass die Genehmigung für eine derart unbiologi­
sche Haltung allein durch die Aussicht auf ein
nahes Bauvorhaben ein ums andere Mal verlän­
gert wurde. Gegenwärtig ist bis zum Jahr 2012
eine Zuchtmöglichkeit in Erfurt zu schaffen, die
Kühe wären dann bereits 16 Jahre alt. Kürzlich
wurde publik, dass im Fall einer nur „geringfügi­
gen“ Bauverzögerung eventuell eine nochmalige
Verlängerung möglich werden könnte… Immer­
hin hat man inzwischen die Möglichkeit geschaf­
fen, die Elefanten ohne Direkten Kontakt zu
halten, doch ein geeigneter Bulle für „Csami“
und „Seronga“ lässt sich auf der selbst für Kühe
untragbar kleinen Anlage natürlich nicht unter­
bringen.
2010 soll nun endlich die Ausschreibung für die
geplante Erweiterung erfolgen – die Ausschrei­
bung wohlgemerkt, nicht der Baubeginn. Doch
wer hofft, in vielleicht zwei oder drei Jahren die
ersten Kälbchen feiern oder sich doch wenigs­
tens über die Ankunft eines geeigneten Bullen
freuen zu können, macht die berühmte Milch­
mädchenrechnung auf, ohne zuvor auf die biolo­
gische Uhr von „Csami“ und „Seronga“ geschaut
zu haben.
„Seronga“ (links) und „Csami“ in Erfurt.
Foto: M. Hachenberg
Ein solches Bauvorhaben ist sicher nicht vor Ab­
lauf von zwei Jahren zu realisieren, zumal aktuell
weder der Grundstein gelegt wurde noch zumin­
dest konkrete Planungen bestehen. Hinzu
kommt die Zyklussensibilität speziell Afrikani­
scher Elefanten. Allein durch das Bauvorhaben
könnten die Geschlechtszyklen der beiden mög­
licherweise empfindlich und anhaltend gestört
werden. Steht der Neubau, wäre ein Zuchtpart­
ner für „Csami“ und „Seronga“ zu finden. Erinnert
man sich aber an die sozialen Voraussetzungen,
die ein Bulle erfüllen muss, um von nahezu adul­
ten Kühen als Geschlechtspartner akzeptiert zu
werden, zeigt der Blick auf den Bullenbestand in
Europa eines deutlich: Erfurt würde wohl keines
der wenigen geeigneten Männchen zeitnah von
deren eher restriktiv handelnden Besitzern aus­
lösen und bei sich einstellen können. Einen un­
erfahrenen Bullen unter 15 Jahren zu
übernehmen, würde die Kühe einer Mutter­
schaft wohl genauso wenig näher bringen wie
weiter bullenlos zu leben. Doch selbst wenn sich
all diese Probleme zeitnah – also vielleicht inner­
halb der nächsten drei bis vier Jahre – lösen lie­
ßen, wären die Kühe dann mit 17 oder 18
Jahren in einem sehr fortgeschrittenen Alter für
erste erfolgreiche Paarungen. Objektiv betrach­
tet sind sie das auch heute mit 14 Jahren schon.
In der Summe aller Einflussfaktoren wird
wahscheinlich keine der bisher ungekalbten Kü­
10
he an ihren derzeitigen Haltungsorten zur Erst­
zucht zu bringen sein, weder in Dresden noch in
Erfurt. Das Schicksal, zur „alten Jungfer“ zu wer­
den, ist für alle vier Afrikanerkühe vorprogram­
miert. Abgesehen vom Trauma ihre Familien zu
verlieren, werden sie auch selbst keine eigene
Familiengruppe aufbauen können.
Den genetisch im Zuchtgeschehen noch
nicht vertretenen Hoffnungsträgerinnen der
Erhaltungszucht wird kein verhaltensgerech­
tes Leben beschieden sein, sofern sie noch
länger in ihren jetzigen Zoos verbleiben. Bei­
de Zoos sind, man wagt es kaum zu schrei­
ben, Mitglied von EAZA und Afrikaner­EEP
und bekennen sich offiziell zu deren Zielen
und Prinzipien.
Für diese jungen „Tuli­Importe“ ist es auf ihrer
biologischen Uhr heute schon fünf vor zwölf.
Die einzige verbliebene Chance, wenigstens mit
einigen dieser Tiere noch den Genpool des euro­
päischen Afrikanerbestandes aufzustocken, be­
stünde in einer sofortigen Abgabe aller Kühe an
einen Zoo, der neben geeigneten Haltungsein­
richtungen auch einen geeigneten adulten Bullen
bereit hält. Doch nach eigener Angabe der jetzi­
gen Halter sind bisher weder Anfragen anderer
Zoos noch entsprechende Abgabeempfehlungen
seitens des EEPs gestellt worden.
Doch auch in anderen Zoologischen Gärten wä­
ren Um­ und Ausbauten dringend erforderlich,
wenn man dort unter zeitgemäßen Vorausset­
zungen Elefanten züchten wollte.
Der Zoo Lissabon hielt bis vor wenigen Jahren
beide Elefantenarten. Nach Abgabe der Asiaten
wird deren kleine Anlage für den Afrikanischen
Zuchtbullen „John“ genutzt. Er lebt damit dau­
erhaft auf 650 m². Seinen drei Weibchen samt
Nachwuchs steht auf einer ebenfalls wenig ge­
eigneten Anlage mit 850 m² kaum mehr Fläche
zur Verfügung.
Auf 1.500 m² kann man keine verhaltens­
gerechte Elefantenhaltung etablieren, der Auf­
bau einer Mutterfamilie gemäß den Forderun­
gen des EAZA Elephant TAG ist hier nicht
möglich (siehe auch ZOO AKTUELL).
Kleinflächig sind die Haltungsmöglichkeiten für
die Afrikaner im Zoo Basel, wo den fünf Kühen –
darunter zwei, von denen man auf Nachwuchs
hofft – wenig mehr als 1.000 m², dem Bullen so­
gar nur ca. 300 m² zugedacht sind.
Im Tiergarten Wien­Schönbrunn wird ge­
genwärtig das Europäische Erhaltungszuchtpro­
gramm für Afrikanische Elefanten koordiniert. Die
lang gestreckte, ca.3.000 m² große Herdenanla­
ge ist für einen großen Bullen angeblich nicht
ausbruchssicher. Die 2003 Mutter gewordene
„Tonga“ hätte zur Paarung zum Bullen gestellt
werden müssen, weigerte sich aber, das Gelass
von Zuchtbulle „Pambo“ zu betreten. Über sie­
Perspektiven zur Zucht Afrikanischer Elefanten in Zoos Europas
ben Jahre lang standen somit Zuchttiere beider­
lei Geschlechts ohne Chance auf Fortpflanzung
in Wien, weil in dieser Zeit kein Interesse be­
stand, die Herdenanlage bullensicher nachzu­
rüsten und „Pambo“ Zugang zu „Tonga“ zu
gewähren.
Nach Abgabe des Bullen und der sinnlosen
Übernahme der Zuchtkuh „Numbi“ aus Wupper­
tal sind in diesem finanziell gut ausgestatteten
Traditionszoo keine Bemühungen erkennbar,
dies zu ändern.
Zuchtkuh „Tonga“, 24 Jahre (rechts), mit Tochter
„Mongu“ in Wien, hatte nach ihrer Erstgeburt
keine reelle Chance zur Weiterzucht.
Foto: N.Keese
Der Zoo Osnabrück gliederte seiner Herdenan­
lage 2006 ein Bullenaußengehege samt Bullen­
haus an. Die Stärke der Zaunelemente von
Haupt­ und Bullenanlage sowie die Ausführung
der Tore machen die sichere Haltung eines nor­
malwüchsigen adulten Bullen aber praktisch un­
möglich.
In der ebenfalls 2006 geschaffenen neuen Hal­
tung des Bergzoos Halle soll ebenfalls Elefan­
tenzucht möglich werden. Obwohl für die
gesamte Außenanlage keine 3.000 m² zur Verfü­
gung standen, hat man an der Rückseite noch
eine so genannte Bullenanlage abgeteilt. Dieser
Kraal ist zwar 50 Meter lang, weist aber nur an 2
Stellen eine Breite von 10 Metern auf, während
die schmaleren Bereiche zwischen etwa acht
und weniger als sechs (!) Metern variieren.
Wenn man bedenkt, dass sehr große Afrikaner­
bullen eine Kopf­Rumpf­Länge von bis zu sie­
beneinhalb Metern erreichen, könnte sich ein
solches Tier in diesem Betongang an mehreren
Stellen nicht einmal problemlos umdrehen.
Einen adulten Bullen in diesem Gelass verhal­
tensgerecht zu pflegen ist nicht denkbar.
Sanktionen oder Abzug zuchtfähiger Tiere sei­
tens des EEP stehen aber nicht zur Diskussion.
Die Konsequenzen unzureichender Haltungsvor­
aussetzungen in diesen Zoos bekommen somit
einzig deren Elefanten und dadurch die gesam­
ten Bemühungen zur Arterhaltung in Menschen­
obhut zu spüren.
Sanktionen, Abzug noch fruchtbarer Elefanten
und Vorschläge für Bestandsveränderungen sind
im Erhaltungszuchtprogramm für den Asiati­
schen Elefanten dagegen nicht nur Worthülsen,
sondern bei Bedarf konkrete Praxis.
GuteKontakteundharteArbeit,
VertrauenundKooperations­
bereitschaft–Basisfüreinfunk­
tionierendesZuchtprogramm
Ein Koordinator ist zwar vordergründig für die
Entwicklung des europäischen Gesamtbestan­
des zuständig. Will er Kooperation von den Mit­
gliedszoos erreichen, muss sein Augenmerk
aber auch auf eine möglichst positive Entwick­
lung jeder einzelnen Einrichtung gerichtet sein.
Dieser Balanceakt erfordert, über die jeweiligen
Gegebenheiten, Bedürfnisse und Veränderun­
gen eines jeden Halters genau Bescheid zu wis­
sen.
Dies bedeutet für den Verantwortlichen, in­
tensive Kontakte zu allen beteiligten Zoos zu
pflegen und ist mit einem enormen Arbeits­
aufkommen und Zeitaufwand verbunden.
Notwendige Transfers werden vom zuständi­
gen Koordinator vorrausschauend und z.T.
auf Jahre im Voraus geplant.
Die Teilnahme am EEP hilft konkret auch dem
einzelnen Halter. Ihm werden etliche Sorgen und
Mühen bei der Vermittlung eigener Nachzuchten
abgenommen. Zoos mit guten Haltungsstan­
dards können darauf bauen, dass die Koordinati­
on ihnen beim Erhalt von Zuchttieren oder beim
Austausch von Bullen behilflich ist. Dies erspart
jedem Kurator neben hohem Arbeits­ auch den
damit verbundenen Zeitaufwand, abgesehen
von der Tatsache, dass zuchtfähige Elefanten
kaum auf andere Weise erhältlich wären.
Den Aufforderungen des EEPs nachzukom­
men, hilft somit nicht nur den Bemühungen
zur Arterhaltung in Menschenhand. Es stabi­
lisiert langfristig das Wohlergehen der einzel­
nen Einrichtung.
Koordination wird nur durch Kooperation mög­
lich, Kooperation wiederum erfordert Vertrauen
zwischen den Beteiligten.
Ein Populationsmanagement funktioniert nur,
wenn die teilnehmenden Zoos bereit sind,
einen Teil der eigenen Verfügungsgewalt an
den Koordinator zu delegieren. Hierzu zählt,
Tiere auf Anfrage hin frei­ bzw. abzugeben,
auch wenn dies im Einzelfall den persönli­
chen Vorlieben einer Zooleitung nicht gefal­
len mag.
Veränderungsbedürftig sind neben den Tierbe­
ständen aber oft auch Anlagen und Häuser. Der
Koordinator kann und muss deshalb auch for­
dern, noch unzureichende Haltungsvorausset­
zungen zeitnah abzuändern. Ein Um­ bzw.
Ausbau kann zwar betriebswirtschaftliche Um­
planungen im betroffenen Zoo erfordern. Aber
anders lässt sich eine stetige Verbesserung der
Haltungsqualität oft nicht erreichen.
11
Bessere Haltungsumstände dienen aber letzt­
lich dem Wohlbefinden der gehaltenen Elefan­
ten und dem Ansehen der Tiergärtnerei. Kommt
der Zoo den Aufforderungen des Koordina­
tors nicht nach, drohen Sanktionen und ggf.
auch der Abzug zuchtfähiger Tiere durch das
EEP, wie aktuell für die jüngeren Asiatischen Ele­
fanten in Münster diskutiert wird.
Eine Teilnahme am Zuchtprogramm bedingt für
den einzelnen Zoo, die Forderungen der EAZA­
Expertenkommission des Elephant TAG anzuer­
kennen. Wenn die Führungskräfte eines Zoos
sich mit den vom eigenen Dachverband entwi­
ckelten Standards offensichtlich nicht identifizie­
ren können, kann deren Zoo nicht im
Zuchtprogramm verbleiben (ähnliche Überlegun­
gen zur Mitgliedschaft in der EAZA sollten ge­
führt werden). Dies schafft diverse Nachteile, die
die Vorteile der „freien Verfügung“ über „eigene“
Tiere deutlich mindern. Hierzu zählen auch Pro­
bleme, die im eigenen Bestand überzähligen
Elefanten abzugeben, da andere EEP–Mitglie­
der solche Tiere im Regelfall nicht aufnehmen
sollen, sofern die Verfügungsgewalt nicht auf das
Zuchtprogramm übergeht.
Da die Entwicklungen im Erhaltungszuchtpro­
gramm für Asiatische Elefanten für sich spre­
chen, ist die Bereitschaft, den Aufforderungen
des Koordinators nachzukommen, unter den
Mitgliedern offenbar hoch. Nur Einrichtungen
mit rückwärts gewandter tiergärtnerischer Auffas­
sung, vor allem in Osteuropa, Italien und Berlin,
nehmen nicht teil.
Bei ohnehin nur 213 im EEP­Einzugsbereich
lebenden Afrikanern ist die Zuchtbasis mit 12
Zuchtbullen und 29 sicher fruchtbaren Müt­
tern keineswegs solide zu nennen.
Für das Zuchtprogramm des Afrikanischen Ele­
fanten wären unter Schirmherrschaft der EAZA
ähnliche Vorgehensweisen wie bei den Asiaten
denkbar. Doch bestehen hier etwas abweichen­
de Rahmenbedingungen und auch Handhabun­
gen.
Von 54 Haltern Afrikanischer Elefanten sind acht
nicht Mitglied der EAZA. Insgesamt zehn Ein­
richtungen nehmen nicht am Zuchtprogramm
teil. Dies entspricht 18 % aller Halter.
Leider gehören hierzu auch zwei EAZA­
Mitgliedszoos (Tierpark Berlin und Zlin Lesna). In
den Zoos von Halle und Osnabrück sind zudem
noch Elefanten aus dem Bestand des Tierparks
Berlin eingestellt, über die weiter dessen Direktor
verfügen kann.
Auf 8,15 Afrikanische Elefanten kann das
EEP somit keinen Einfluss nehmen. Deren
Anteil an den 213 Tieren im gesamten EEP­
Raum liegt bei knapp 11 %. Etliche dieser Ele­
fanten sind keine „Nonbreeder“, sondern wären
für das instabile Zuchtprogramm sehr wichtig.
Perspektiven zur Zucht Afrikanischer Elefanten in Zoos Europas
Dies betrifft zwei von 12 Zuchtbullen in Europa
(Tierpark Berlin, Hodenhagen) sowie zwei adulte
Bullen in Fasano und Stukenbrock. Von 29
Zuchtkühen mit weiterem Fortpflanzungspotenzi­
al werden vier in Zoos ohne EEP­Koordination
gehalten (Tierpark Berlin, Halle und Hodenha­
gen) und von den für den Zuchteintritt geeigne­
ten jungen Kühen sogar ein Fünftel (acht von 40
Tieren).
Erschwerend kommt hinzu, dass die Be­
reitschaft zur Zusammenarbeit auch bei et­
lichen als EEP­Mitglieder geführten Haltern
nur ungenügend ausgeprägt ist.
Die WAZA, der Dachverband der wissenschaft­
lich geleiteten Zoos, schreibt hierzu in ihrer
Welt­Naturschutz­Strategie:
„Ein Zoo oder Aquarium kann nicht alleine alle
Aufgaben zum Schutz der biolgischen Vielfalt
wahrnehmen…“
Weiter heißt es: „Berufsverbände haben sich
als äußerst wirkungsvolle Instrumente gezeigt,
Verbesserungen in Zoos und Aquarien herbei­
zuführen. Zooverbände müssen ein „Natur­
schutzgewissen“ entwickeln, das die Aktivitäten
ihrer Mitglieder in einen gemeinsamen ethi­
schen und technischen Rahmen einbindet.“
(WAZA 2006).
Aber die Zoos selbst verhalten sich gegenüber
den Theorien ihres Dachverbandes recht unter­
schiedlich. Einige befinden sich in der Entwick­
lung vom althergebrachten Zoo zum Natur­
schutzzentrum auf einem guten Weg, andere
stecken bildlich gesprochen dabei eher noch in
den Kinderschuhen, wieder andere – um bei
dem gewählten Bild zu bleiben – sogar noch in
der „Trotzphase“. Dies betrifft gerade auch eini­
ge Zoos, die über Tiere verfügen, die für das
Zuchtprogramm von großer Bedeutung wären,
so Augsburg, Dresden und Erfurt mit zusam­
men fünf Teenagerkühen und einem Muttertier
sowie Sigean und Howletts vorrangig bzgl. ihrer
Zuchtbullen. Längst überfällige Ausbaumaß­
nahmen werden wie beschrieben in Lissabon,
Dresden und Erfurt kontinuierlich verzögert. Für
Sanktionen gegenüber unkooperativen Mitglie­
dern gibt es aber anders als im Asiaten­EEP
keinerlei Anhalt.
Insgesamt können ein Drittel aller zuchtfähi­
gen jungen Kühe (13 Tiere), ebenfalls ein
Drittel aller Zuchtbullen (4 Tiere) sowie 17 %
der Zuchtkühe nicht in konkrete Planungen
eines koordinierten Zuchtmanagements ein­
bezogen werden, rechnet man die Bestände
von Nicht­EEP­Teilnehmern und nicht zur
Zusammenarbeit gewillten Mitgliedern zu­
sammen.
Vor diesem Hintergrund ist das Europäische Er­
haltungszuchtprogramm für Afrikanische Ele­
fanten momentan kaum handlungsfähig.
Zuchtabsprachen zwischen einzelnen Zoos
scheinen ein europaweit koordiniertes Zuchtma­
nagement nicht ersetzen zu können. Stattdessen
erschweren sie dessen Arbeit mitunter nicht un­
erheblich.
Private Absprachen sind
Folgen ungenügender Zucht­
erfolge, behindern aber koor­
dinierte Zuchtbemühungen
Schon aus Gründen der Planungssicherheit
müssen beim Zuchtprogramm für Asiaten
Teilnehmer, die nicht zum EEP gehörende Tiere
aufnehmen, selbst mit Konsequenzen bis hin
zum Verlust der eigenen EEP­Zugehörigkeit
rechnen. Zuchtfähige Elefanten beziehen enga­
gierte Zoos deshalb tunlichst aus den Reihen
des eigenen Zuchtprogramms – und sie erhal­
ten solche Tiere auch aufgrund eines guten
Managements. Gegenseitiges Vertrauen be­
währt sich hier. Für Zoos, die nicht am Zucht­
programm für Asiatische Elefanten teilnehmen,
bleiben als mögliche Abgabezoos deshalb nur
andere Nichtmitglieder. Aufgrund der geringen
Auswahl sind dies oft Zoos mit geringeren Hal­
tungsstandards.
Die eigenen Nachzuchten außerhalb des EEPs
in gute Haltungen zu vermitteln, ist deshalb nicht
zu gewährleisten.
Im Afrikanerzuchtprogramm gibt es keine
Spur von derartiger Konsequenz. Aktuell
bestes Beispiel: Die Abgabepolitik des nicht
im EEP mitarbeitenden Berliner Tierparkdi­
rektors, von der auch am EEP beteiligte
Zoos betroffen sind:
Zwei zur Fortpflanzung geeignete junge Nach­
zuchtweibchen, eine Zuchtkuh mit dreijähriger
Tochter und einen subadulten Nachzuchtbullen
hat Berlin gegenwärtig in den Zoos von Osna­
brück und Halle eingestellt.
Sowohl Osnabrück als auch Halle nehmen
zwar am EEP teil, haben aber durch das
Zuchtprogramm selbst bisher keine Elefan­
ten erhalten, die ihnen ein eigenes Zuchtge­
schehen ermöglicht hätten.
So sind gegenwärtig beide Parks auf die Tier­
parkelefanten angewiesen, wenn sie ihre Nach­
wuchshoffnungen nicht aufgeben wollen. Doch
selbst wenn sich mit Hilfe eines vom EEP zur
Verfügung gestellten Bullen dort ein Zuchtge­
schehen entwickeln würde – das weitere
Schicksal aller dortigen Elefanten wäre unklar.
Entscheidet nämlich weiter nur Berlins Direktor
über die Zukunft „seiner“ Tiere, können diese
nicht regulär in die Planungen des EEPs einbe­
zogen werden. Für entstehende Nachzuchten
würde gleiches gelten – durch Absprachen et­
wa, nach denen jedes 2. Jungtier nicht dem
EEP, sondern Berlin gehören würde. Ein hoher
Unsicherheitsfaktor, fehlende Möglichkeiten zu
künftigen Planungen und ein Verlust an Zucht­
kapazitäten wären die Folgen für das Erhal­
tungszuchtprogramm.
12
Zuchtkuh „Bibi“ (25 J., hinten) 2006 mit ihrer
ersten Tochter „Matibi“. Die Erstgeborene wurde
ihr wenige Wochen nach dieser Aufnahme
weggenommen. Foto: Archiv EEG
Auch ob wenigstens Mutter „Bibi“ mit Tochter
„Panya“ lebenslang zusammenbleiben und
sich eine eigene Familie aufbauen darf, ist un­
gewiss. Da beide noch Berlin gehören, können
„Freundschaftsdienste“ des dortigen Direktors
gegenüber befreundeten Kollegen bewirken,
dass „Panya“ auf Verlangen einem anderen
Zoo zur Verfügung gestellt werden muss. So
wurde vom Opel­Zoo Kronberg schon 2009 der
Presse gegenüber verkündet, dass nach Fertig­
stellung der neuen Anlage zwei noch juvenile
Afrikanerkühe aus dem Tierpark Berlin das
Zuchtgeschehen ermöglichen würden.
Später wurde für Posnan gleiches angekündigt.
Auch Kronberg und Posnan nehmen offiziell
am Erhaltungszuchtprogramm für Afrikanische
Elefanten teil.
Kontinuierliche Erfolge, die allein auf das
Konto koordinierten Zuchtmanagements ge­
hen, hat das Afrikaner­EEP noch nicht vorzu­
weisen. Zuchtfähige Tiere sind innerhalb Eu­
ropas nicht ohne weiteres erhältlich. Nachzuch­
ten aus Einrichtungen, die nicht dem Erhaltungs­
zuchtprogramm angehören, sind deshalb ein
verlockender Anreiz, zuzugreifen – besser so ein
Tier als gar keines. Es mag auch verständlich
klingen, wenn EEP­Mitglieder mit gefragten
zuchtfähigen Tieren ihre Elefanten nicht ohne
weiteres zum Austausch freigeben. Einen zucht­
fähigen Bullen z.B. abzugeben, ohne zu wissen,
ob von Seiten des EEPs in angemessener Zeit
für adäquaten Ersatz gesorgt wird bzw. ob auf­
grund fehlender Kooperationsbereitschaft ande­
rer Mitglieder überhaupt dafür gesorgt werden
kann, wird sich jeder Halter gut überlegen.
Deshalb klagen beispielsweise Zoos, die sich
um einen Familienaufbau durch ihre Zuchtkü­
he mit Töchtern bemühen, über massive Pro­
bleme, den Zuchtbullen zu tauschen.
Besinnt man sich jedoch auf die Feststellungen
der WAZA, wird klar, dass einzelne Zoos mit ih­
ren isolierten Zuchtgruppen den Afrikanischen
Elefanten keinesfalls allein für die Zoowelt be­
wahren können.
Perspektiven zur Zucht Afrikanischer Elefanten in Zoos Europas
Neuimporte aus Afrika –
eine Hintertür?
Bis zum Einfuhrverbot für die Rüsseltiere war
ein Nachschub durch Wildfangimporte einfa­
cher, als Voraussetzungen zur Elefantenzucht
zu schaffen. Seit 1989 sind Importe Afrikani­
scher Elefanten durch Artenschutzbestimmun­
gen kaum noch möglich. Die rüsselschwen­
kenden Flaggschiffe weiter präsentieren zu
können, erfordert folglich eigene Nachzuchten
zum Aufbau einer sich selbst erhaltenden Po­
pulation – eigentlich eine simple Schlussfolge­
rung.
Einundzwanzig Jahre nach Inkrafttreten des
Importverbots sind züchtende Elefanten in Eu­
ropa immer noch selten. Zoos mit Zuchtambi­
tionen haben Probleme, fortpflanzungsfähige
Tiere zu erhalten. Trotz der Artenschutzbe­
stimmungen wurden allein seit dem Jahr 1990
weitere 53 Afrikaner importiert.
Aufgabe, sich um ihren Nachwuchs kümmern
zu dürfen, kann man in Menschhand aber kein
wirklich verhaltensgerechtes Leben bieten.
Den seit 1990 aus Afrika nach Europa
geholten Dickhäutern wird es nur wenig
besser ergehen. Von den davon noch leben­
den Tieren sind 33 Weibchen im Alter zwi­
schen 13 und 20 Jahren. Aber mindestens 20
davon werden nach Stand der Dinge keinen
Nachwuchs mehr bekommen. Ein Drittel der
33 jungen Importweibchen wird ohne Bullen
gehalten. Neun weitere Kühe verbringen die­
sen wesentlichen Lebensabschnitt mit einem
Männchen, von dem sie wahrscheinlich nicht
mehr trächtig werden.
Kaum ein Drittel der importierten Kühe zur
Fortpflanzung zu bringen, reicht nicht aus, um
einen zur Selbsterhaltung fähigen Zoobestand
an Afrikanischen Elefanten aufzubauen.
Import, dann 2 ½ Jahrzehnte Ausstellung auf 700
m²: keine Chance für „Mwana“, Zoo Magdeburg,
auf Nachzucht. Fotos: Archiv EEG
Import, dann 2 ½ Jahrzehnte Stillstand ohne Bullen­
tausch: die Weibchen aus Dvur Kralove sind Ende
20 und zu alt zur Erstzucht.
Unsere Zoopopulation besteht immer noch zu
70 % aus Importtieren. Dabei gelingt es seit
Mitte der 1970er Jahre und den Erfolgen in
Ramat Gan mehr oder weniger regelmäßig,
Afrikaner in Menschenhand nachzuziehen.
Trotzdem bilden auch im Jahr 2010 immer
noch Wildfänge die Basis des europäischen
Zuchtgeschehens, nicht die bereits im Zoo zur
Welt gekommenen Steppenelefanten.
Ihr Anteil an den gegenwärtig fruchtbaren
Zooafrikanern liegt bei über 70 % (73 Im­
porttiere gegenüber 29 Zoonachzuchten).
Doch was nun?
Der Grund, weshalb Europas Zoos ihren
Bedarf an Afrikanischen Elefanten nicht
selbst decken können ist nicht darin zu se­
hen, dass es zu wenig zuchtgeeignete Tie­
re gab bzw. gibt. Grund ist einzig, dass die
Zoos ihre „tierischen Ressourcen“ für die
Zucht weder in der Vergangenheit noch
heute ausreichend nutzen.
Die Schicksale der aus dem Freiland impor­
tierten Wildfänge geben Zeugnis davon: 66 in
Menschenobhut unfruchtbar gewordene
Afrikaner leben gegenwärtig in europäischen
Tiergärten und weisen diese Defizite nach.
Elefantenkühen ohne eigene Familie und die
Der Afrikanische Elefant gehört zu den vom
Aussterben bedrohten Tierarten, wie 2010 auf
der CITES­Konferenz nochmals bestätigt wur­
de. Gemäß dem Selbstverständnis zeitgemä­
ßer Tiergärtnerei sollen Exemplare solcher
Arten nicht importiert werden. Akzeptiert wird
eine Einfuhr von der EAZA allenfalls, sofern
dies zur Erhaltung der Zoobestände un­
umgänglich ist.
Mögliche zu importierende Afrikanerkälber aus
den natürlichen Vorkommensgebieten sind
fast ausnahmslos Waisen aus Abschüssen zur
Bestandsregulierung und damit extrem trau­
matisiert (Garaï 2001). Viele überleben die
erste Zeit in Gefangenschaft nicht. Alle Wild­
fänge in europäischen Zoos (und Circussen)
haben dieses Schicksal durchleben müssen.
Wollen Zoos ihren selbst formulierten An­
sprüchen gerecht werden, ist schon aus
Tierschutzgründen ein Import weiterer
derart vom Menschen geschädigter Wai­
senkälber nicht vertretbar.
13
Gleiches gilt für den Artenschutzaspekt im Frei­
land sowie den Anspruch an die „Arche­Noah­
Funktion“ von Zoos.
Auf das Dilemma des sogenannten „culling“
und die oft lebenslangen schwerwiegenden
psychischen, oft auch körperlichen Folgen für
die betroffenen Elefanten (PTSD, Stereotypi­
en, Minderwuchs etc.) hinzuweisen, gehört
zum Naturschutz­ und Bildungsauftrag zeit­
gemäßer Tiergärtnerei.
In diesem Zusammenhang ist eine Einfuhr
und Ausstellung solcher schwer traumatisier­
ter Tiere der Öffentlichkeit nicht zu vermitteln,
insbesondere nicht vor dem Hintergrund der
selbstdefinierten Ansprüche.
Die vorliegenden Daten weisen zudem nach,
dass der Aufbau eines selbsterhaltenden Be­
standes Afrikanischer Elefanten in Europa oh­
ne weitere Importe möglich ist. Ausreichend
(noch) zuchtfähige, unverwandte Tiere sind im
Jahr 2010 im EEP ­ Raum vorhanden.
Wesentliches Ziel muss es deshalb sein,
alle Tiere, die noch über biologisches Fort­
pflanzungspotenzial verfügen, zur Zucht zu
bringen. Dies betrifft neben den im EEP
bereits erzielten Nachzuchttieren mög­
lichst alle 41 fruchtbaren Wildfänge, die
bisher nicht züchten konnten. Hier schlum­
mern ungenutzte Kapazitäten. Sollte diese
Aufgabe jedoch misslingen, darf dies um­
gekehrt kein Freibrief für neuerliche Impor­
te junger Wildelefanten sein.
Traumatisiert nach Abschuss ihrer Familien: ob
die sechs nach Valencia importierten Jungkühe
je züchten werden, ist ungewiss.
Foto: N. Keese
Über die Folgen der „Culling“­Bestandsab­
schüsse für die überlebenden Waisenkälber in­
formieren wir Sie in den Artikeln von Dr. Marion
Garaϊ in diesem und im folgenden Elefanten­
Magazin.
Perspektiven zur Zucht Afrikanischer Elefanten in Zoos Europas
Uns gehört die Zukunft –
Die Situation Afrikanischer
Elefanten in Nordamerika als
mahnendes Beispiel
Was passieren könnte, wenn die Verantwortli­
chen auf Zoo­, EEP­ und EAZA­Ebene nicht
bzw. nicht schnell genug handeln, lässt sich an­
hand der Bestandssituation Afrikanischer Ele­
fanten in Nordamerika erahnen. Der Blick auf
die Entwicklungen jenseits des „großen Tei­
ches“ kann eine Form von „worst case“­ Szena­
rio ermöglichen. Die Zustände im Einfluss­
bereich von AZA und SSP führen dem Betrach­
ter vor Augen, was bei ungünstiger Weichen­
stellung auch in Europa innerhalb von zwei
Jahrzehnten passieren könnte.
Wissenschaftler wie Janine Brown sagen
voraus, dass die bisher zu geringen Fort­
pflanzungsraten zum Zusammenbruch des
Afrikanerbestandes in Nordamerika führen
werden. Dies wird es für die dortigen Zoos
erforderlich machen, Elefanten aus Afrika zu
importieren (Brown et al. 2004).
Von 55 Zoos und Privathaltern züchten gegen­
wärtig nur drei Zoos ausschließlich auf natürli­
chem Weg (Montgomery, Pittsburgh, San Diego
WAP). Hinzu kommt das Disney Animal King­
dom mit Zucht nach natürlicher und künstlicher
Befruchtung. Bei vier anderen Haltern wäre
theoretisch noch Nachwuchs möglich, doch ent­
weder haben die Bullen sich bisher nicht be­
währt oder sind für die Zuchtkühe noch zu jung.
In sieben weiteren Zoos haben insgesamt acht
Kühe nach künstlicher Besamung Kälber zur
Welt gebracht. In deren Haltungen ist an natürli­
che Fortpflanzung nicht zu denken: Bei den
zwei Zuchtkühen in Indianapolis steht ein zu
junger Bulle und in Toledo nur der 8jährige
Sohn der Zuchtkuh. Nach Bullenabgabe hält
Tampa gegenwärtig kein Männchen und in vier
weiteren Zoos ist gar keine Bullenhaltung mög­
lich. Zusätzliches züchterisches Potenzial bö­
ten sieben adulte Bullen, die bei ungeeigneten
Kühen „kaltgestellt“ sind. Drei davon sind Zucht­
bullen.
Insgesamt sind von 186 Afrikanern nur 11,16
Tiere (14 v. H.) in einer günstigen Zuchtsitua­
tion.
Positive Ausnahme in Nordamerika ist der San
Diego WAP mit seinen zwei adulten Bullen und
sechs zur Zucht geeigneten Kühen. Ohne die­
sen Halter leben sogar nur 9,10 Tiere in guter
Situation zur Fortpflanzung – 11 v. H. insge­
samt und sogar weniger als sieben v. H. der
Weibchen! Eine zukünftige Verbesserung der
Situation durch Zoonachzuchten steht nicht zu
erwarten:
In ganz Nordamerika leben gegenwärtig nur
vier (!) junge Kühe im fruchtbaren Alter zwi­
schen acht und 20 Jahren.
Davon ist nur eine – bezeichnenderweise wieder­
um im Wild Animal Park – in zur Zucht aussichts­
reicher Position. Die 11 weiblichen Kälber unter
acht Jahren werden den Negativtrend nicht auf­
halten können.
Zu Beginn des Jahres 2010 macht der Anteil
in Nordamerika geborener Zooafrikaner nur
16 % aus (30 Tiere), davon sind 16 weiblichen
Geschlechts. Von diesen haben sich aber nur
zwei Tiere, „Asali“ und „Moja“ (= „Margo“)
fortgepflanzt, erstere nur nach künstlicher Be­
samung.
Dem gegenüber hatten 81 Kühe, die jetzt bereits
über 20 Jahre alt sind, nie Gelegenheit, sich zu
paaren. Zusammen mit den 23 Kühen, die sich
nicht fortgepflanzt haben, weil sie zu spät oder
bei ungeeigneten männlichen Partnern zu Zucht­
zwecken eingestellt wurden, sind dies 104 Ein­
zelnachweise (56% des Bestandes) für eine nicht
funktionierende Zuchtkoordination in Nordameri­
ka.
In Menschenhand geboren und nur durch Men­
schenhand trächtig geworden: „Asali“ (25 J., Zoo
Memphis). Foto: T. Dornbusch
Dass an einigen dieser zur Zucht zu alten Ele­
fantinnen noch Versuche der künstlichen Besa­
mung angestellt werden, wird an der
aussichtslosen Gesamtsituation nichts ändern.
Insgesamt also keine guten Aussichten für die
nächste Generation, deren Wohl und Wehe von
einem menschlichen Management abhängt, das
in der Vergangenheit – vorsichtig ausgedrückt –
wenig Gespür für die tatsächlichen Erfordernisse
der Elefantenzucht bewiesen hat.
Doch wie kommt solch ein Dilemma zustande,
vorzugsweise in einem Land der westlichen
Welt, das marktwirtschaftlich durchorganisiert,
dem Fortschritt zugewandt und besser techni­
siert ist, als so viele andere? War die Ausgangs­
situation von vornherein ausweglos?
Nein, das war sie nicht!
Vor knapp 1 ½ Jahrzehnten im Jahr 1996 sind
bei Zoos und Privathaltern exakt genauso viele
Afrikaelefanten gelistet wie heute, nämlich 186
(24,162).
Doch war vor 14 Jahren ein deutlich höherer An­
teil dieser Tiere noch fruchtbar.
Damals züchtete nur der Zoo Oakland. Zusam­
men mit dessen Zuchttieren lebten zu diesem
Zeitpunkt 3,7 Steppenelefanten in ganz Nord­
14
amerika, die sich überhaupt je fortgepflanzt hat­
ten. Bei neun weiteren Haltern konnte aber mit
Nachwuchs gerechnet werden. In guter Zuchtsi­
tuation befanden sich somit 16,22 Elefanten
(zwei Drittel der Bullen und immerhin 13 v. H.
Kühen). Weitere 15 Bullen im Alter ab acht Jah­
ren sowie 79 zur Zucht geeignete Jungkühe zwi­
schen acht und 20 Jahren wurden bei weiteren
Haltern im Bestand geführt.
Dies waren zwanzigmal mehr Jungkühe, als
2010 vorhanden sind! Somit schien demogra­
phisch die Ausgangsbasis vorhanden zu sein, ei­
ne sich selbst erhaltende Population in
Nordamerika aufzubauen. Allerdings lebten 59
der 79 Jungkühe ganz ohne Partner, drei ehe­
malige Zuchtkühe hatten keinen Zugang zum
Zuchtbullen.
Bei gutem Populationsmanagement wäre bei
einem ehemals so jungen Ausgangsbestand
zu erwarten gewesen, dass aus der Gruppe
der acht­ bis 20jährigen Jungkühe zum über­
wiegenden Teil Zuchtkühe hervorgehen, aber
kaum „Nonbreeder“.
Deren Zahl hätte sich somit bzgl. der natürlichen
demografischen Entwicklung reduzieren, die Ge­
samtpopulation dagegen vergrößern müssen.
Zu wenig Zoos mit Möglichkeit zur Bullenhal­
tung und nur wenige fruchtbare Weibchen, die
auch noch überwiegend ohne Männchen ge­
halten werden, bedeuten massive Probleme auf
dem Weg zum Erhalt der Zoobestände.
Der Weltzooverband hat den Anspruch, in sei­
nen Mitgliedszoos Wildtiere verhaltensgerecht zu
pflegen und zu züchten. Einzige logische Konse­
quenz wäre die zügige Schaffung geeigneter
Haltungseinrichtungen in allen an Zucht interes­
sierten Einrichtungen gewesen. Zudem hätten
eigentlich „nur“ möglichst alle fruchtbaren Elefan­
ten in solchen Zuchtzentren die Chance zur na­
türlichen Vermehrung erhalten müssen.
Eigentlich.
Unter Schirmherrschaft von AZA und SSP
war und ist dies nicht umsetzbar.
Über Jahrzehnte sind in Nordamerika prak­
tisch keinerlei Veränderungen in der Hal­
tung Afrikanischer Elefanten vorgenom­
men worden, die ein kontinuierliches
Zuchtgeschehen ins Leben gerufen hätten.
Geld – oder vielmehr Interesse – für einen ele­
fantengerechten Ausbau ihrer Haltungseinrich­
tungen schien im SSP­Bereich kaum vorhanden
zu sein. Nur wenige Halter schufen großzügige
Anlagen mit Eignung zu Bullenhaltung und
Zucht.
Auch von der hohen Anzahl fruchtbarer junger
Steppenelefanten, die ohne geeignete Ge­
schlechtspartner gehalten wurden, hat man viel
zu wenige in zur Zucht geeignete Zoos über­
stellt. So wurden viel zu viele der ehemals aus­
sichtsreichen Jungkühe stillschweigend älter und
älter und irgendwann zu alt zur Zucht.
Perspektiven zur Zucht Afrikanischer Elefanten in Zoos Europas
Ein Blick auf das Transportgeschehen im
SSP­Raum bestätigt dies. Ende der 90er Jah­
re wurden rund 60 zuchtfähige Afrikaner bei­
derlei Geschlechts ohne geeignete Zuchtpart­
ner gehalten. In den letzten zehn Jahren
fanden zwar 89 Transporte Afrikanischer Ele­
fanten zwischen den Zoos statt. Von diesen
89 Transporten hatten aber nur 19 (etwa ein
Fünftel) eine konkrete Verbesserung der züch­
terischen Situation für die betreffenden Tiere
zum Ziel. Besser für die Harmonie innerhalb
des Verbandes ist es offensichtlich, Forderun­
gen nach Umbauten oder Abgabe zuchtfähi­
ger Tiere erst gar nicht zu stellen. Da scheint
es einfacher zu sein, den Mythos der schwe­
ren Züchtbarkeit des Elefanten aufrecht zu er­
halten. Kunststück, möchte man anfügen.
Die zwangsläufige Folge: viel zu wenige
Geburten, um eine sich selbst erhaltende
Population des Steppenelefanten in Nord­
amerika aufzubauen.
14 Jahre nach der Bestandsaufnahme von
1996 hat sich zwar die Zahl der Muttertiere
von sieben auf 43 erhöht. Von diesen ist je­
doch nur bei 15 Weibchen weiterer Nach­
wuchs auf natürlichem Weg zu erwarten und
von den Zuchtkühen der 90er Jahre hat nur
noch „Lisa“ in Oakland geringe Chancen, zu­
künftig weiter zu züchten.
Bezeichnenderweise erhöhte sich aber auch
die Anzahl der „Nonbreeder“ unter den Kühen
– von 75 im Jahr 1996 um ein gutes Drittel auf
die beschriebenen 104 Tiere.
Über Jahre schien das sich anbahnende
Dilemma niemandem aufgefallen zu sein,
auch dem nordamerikanischen SSP nicht.
Zumindest bis kurz vor der Jahrtausendwen­
de. Dann erkannte man auch im SSP­Raum,
dass der Erhalt ihrer eigenen Afrikanerpopula­
tion wohl doch verstärkte Anstrengungen er­
fordern würde. Doch die Schlussfolgerungen,
die daraus gezogen wurden, mündeten nicht
in besserer Koordination zwischen den einzel­
nen Haltern mit dem Ziel, Voraussetzungen
zur natürlichen Fortpflanzung zu schaffen.
Der alternative „American way“, um we­
nigstens die eine oder andere Geburt zu
erzielen, scheint künstliche Besamung vor
Ort und bei praktisch allem, was sich be­
wegt, zu sein.
Ob die Haltungseinrichtungen im Einzelfall tier­
und verhaltensgerecht ausgestattet sind, ist
dabei Nebensache. Statt vermehrt Erkenntnis­
se zum Freilandverhalten der Dickhäuter in die
tiergärtnerische Praxis zu übernehmen, wurde
nahezu jede Kuh mit Geschlechtszyklus in den
letzten zehn Jahren auf eventuelle Tauglichkeit
zur künstlichen Besamung überprüft, sei sie
nun diesseits oder jenseits der 20. Etliche wur­
den dem hierfür nötigen Training unterzogen.
Nicht wenige wurden bzw. werden oft mehr­
mals, chirurgisch oder nichtinvasiv, mit Sper­
ma amerikanischer oder wilder Bullen ver­
sorgt.
Alle Anstrengungen scheint man in diesem,
doch eigentlich nur als Ergänzung zum Na­
tursprung gedachten, Verfahren zu bündeln.
Ob die Erfahrungen mit Erstgebärenden jen­
seits des 25., oft sogar schon jenseits des 20.
Lebensjahrs nun dagegensprechen oder
nicht: Im Land der unbegrenzten Möglichkei­
ten scheint Arterhaltung in Menschenobhut ei­
ne Aufgabe sein zu müssen, die bestenfalls
technisch zu lösen ist – und dieser Fortschritt
kann sich doch nicht von einer Nebensäch­
lichkeit wie der „biologischen Uhr“ eines Ele­
fanten aufhalten lassen…
Ihr wurde mit 24 Jahren zur
Mutterschaft, einer Totgeburt und
dem eigenen Ableben verholfen
Vallejo, Kalifornien, bei der
Besamung.
Foto: Archiv: EEG
1. späten
nachfolgend
– „Tika“(†),
künstlichen
Offensichtlich ist in den US­amerikanischen
Zoos genügend Geld im Umlauf, um Elefantin­
nen bis zu siebenmal und öfter dieser Proze­
dur zu unterziehen. Dabei existieren Angaben,
nach denen der erste Eingriff zwar eine fünf­
stellige Summe kosten, man die nächsten bei­
den Versuche nach Nichterfolg allerdings „for
free“ bekommen soll. Derartige Summen
scheinen zunächst deutlich geringer als die
Kosten, um Elefantenställe und ­gehege zu
erweitern. Doch die Bilanz dieser Strategie
der letzten 1 ½ Jahrzehnte ist ungünstig und
die Rufe nach neuen Importen aus der Wild­
bahn werden immer lauter.
15
Der Versuch, kurzfristig die Kosten für
Baumaßnahmen zu sparen und fruchtbare
Elefanten nicht zur Zucht an andere Zoos
abzugeben, wird in Nordamerika langfristig
scheitern.
Für den Autor sprechen das Ausmaß der
künstlichen Besamungen in den USA so­
wie das nahezu vollständig fehlende Enga­
gement zum Aufbau verhaltensgerechter
Elefantenzuchtanlagen in diesem Land für
ein generelles Versagen der Strukturen
von AZA und SSP.
Deren Strukturen werden gebildet von der
Führungsebene einzelner amerikanischer
Zoos. Doch eben jene Führungspersonen der
Zoos sind offenbar nicht gewillt, die sinnvollen
Grundsätze der eigenen Verbände zu assimi­
lieren und umzusetzen.
Die in der Theorie sehr wertvollen Erkennt­
nisse zur Neudefinition bzw. ­gewichtung
der Aufgaben moderner Tiergärtnerei
scheinen nichts als Lippenbekenntnisse zu
sein, die sich nur zur Darstellung nach au­
ßen, nicht aber zur Koordination innerhalb
von AZA und SSP eignen.
Elefantenhaltung ist teuer, selbst schlechte.
Aufrufe zu Verbesserungen, die zusätzlichen
Geldeinsatz (wie etwa größere Baumaßnah­
men) oder die Abgabe tierischen Kapitals er­
fordern, werden fast vollständig ignoriert,
sofern sich kurzfristig preiswertere Alternati­
ven als Ausweg anzubieten scheinen. Funktio­
niert dieses Prinzip nicht, wird in Kreisen der
AZA nicht das zugrunde liegende System in
Frage gestellt. Es wird einzig nach besserer
Technik Ausschau gehalten, um weiterarbei­
ten zu können wie bisher.
Doch der scheinbar kostengünstigere Weg,
die künstliche Besamung auf Kosten natür­
licher Fortpflanzung auszuweiten, wird die
nordamerikanischen Zoos aber auf Dauer
teuer zu stehen kommen, denn er entpuppt
sich bereits heute als Sackgasse.
Verhaltensgerechte Elefantenhaltung und
Zucht, Verantwortung für die betroffenen Tiere
und deren Wohlergehen oder auch die selbst­
definierten Ziele moderner Tiergärtnerei wer­
den hier zweit­ und drittrangig. Erfolgreiche
Appelle an das Verantwortungsbewusstsein
der einzelnen Zoos zugunsten gemeinsamer
Ziele können somit – von wenigen Ausnah­
men abgesehen – getrost ins Reich der Fabel
verwiesen werden. Hier fehlt es an der Fähig­
keit des Einzelnen, für das Wohl der Gemein­
schaft die eigenen Interessen zwischenzeitlich
hintanzustellen.
Perspektiven zur Zucht Afrikanischer Elefanten in Zoos Europas
Die Einsicht, dass Delegieren von Entschei­
dungsbefugnissen an einen Koordinator
kein wirtschaftlicher Selbstmord wäre, son­
dern durch die Entwicklung stabiler Zoobe­
stände an Afrikaelefanten langfristig auch
dem eigenen Zoo zugute kommen würde,
ist nicht erkennbar.
Für das Ergebnis ist es dabei unwesentlich, ob
dies nun an ungeeigneten ökonomischen Vor­
aussetzungen oder an der fehlenden persönli­
chen Einsicht der Verantwortlichen liegt.
Die erforderlichen strukturellen Anpassun­
gen innerhalb des Zuchtprogramms auf Ba­
sis der Freiwilligkeit von den US­Zoos selbst
in Eigenregie zu erwarten, ist also geschei­
tert.
Der AZA­Verband weiß wohl um diese Situati­
on. Will man es sich mit den eigenen Mitglie­
dern, die aufgrund der historischen, gesell­
schaftlichen und finanziellen Strukturen viel
Wert auf autarke Entscheidungsgewalt legen,
nicht verderben, tut man im „Land of the Free“
gut daran, auch nicht zu stark regulieren zu
wollen – die erforderlichen Veränderungen von
Verbandsebene und SSP gesteuert einzufor­
dern und ggf. mit Sanktionen durchzusetzen,
ist somit ebenfalls zum Scheitern verurteilt.
„Born in the USA“ wird deshalb auf Afrika­
nische Elefanten auch zukünftig nur aus­
nahmsweise zutreffen.
Vor diesem Hintergrund zeichnen sich die
Grenzen moderner Tiergärtnerei so deut­
lich wie selten ab. Die grundsätzlichen Pro­
bleme Zoologischer Gärten sollten deshalb
von allen Beteiligten selbstkritisch hinter­
fragt werden.
Alles im Lot am seidenen Faden? Nicht nur der
Transportvorgang jedes einzelnen Elefanten
erfordert Planung, Umsicht und Koordination.
Foto: Archiv EEG
Fazit
Die Frage, ob in Europa mehr Eigeninitiative
der einzelnen Halter, deutlichere Hilfen und
mehr Engagement seitens des Zuchtbuchfüh­
rers oder eine koordinierte Mischung aus bei­
dem noch zum Aufbau eines nachhaltig
züchtenden Bestandes an Afrikanischen Ele­
fanten führen kann, ist im Ergebnis für die be­
troffenen Elefanten ohne Bedeutung.
Wesentlich für die Tiere selbst ist einzig,
ob der Mensch, der die Verantwortung für
ihr Wohlergehen trägt, ihre körperlichen
und vom natürlichen Verhalten bedingten
Bedürfnisse erfüllen kann. Bezüglich ihrer
Fortpflanzung sind diese Bedürfnisse zu­
mindest bei den Weibchen in einen engen
zeitlichen Rahmen eingepasst.
Gutes, schnelles und konsequentes Zucht­
management wird folglich die Weichen da­
für stellen, ob der Afrikanische Elefant in
Menschenobhut zu erhalten ist.
Sollte das Vorhaben misslingen, liegt dies si­
cher nicht daran, dass zu wenig über die Be­
dürfnisse der populärsten Zoobewohner für
erfolgreiche Nachzucht bekannt ist oder dass
es nicht möglich wäre, diesen Bedürfnissen in
Menschenhand nachzukommen.
Hauptursache der gegenwärtigen Situation
ist, dass in den vergangenen ein bis zwei
Jahrzehnten zu wenig dafür getan wurde,
das Zuchtpotenzial eines damals noch jun­
gen Afrikanerbestandes in Europa zu nut­
zen. Deshalb müssen Versuche, eine
Wende zum Besseren einzuleiten, genau
hier ansetzen.
Doch die Aufgabe ist schwer: Fehlende Sensi­
bilität in diesen verlorenen Jahren für voraus­
schauendes, mittel­ und langfristiges Manage­
ment der Gesamtpopulation machen nun ver­
stärkte kurzfristige Veränderungen erfor­
derlich. Zu wenig Bewegung in der Ver­
gangenheit müsste durch einen auch bei
bestem Willen nur schwer zu leistenden
Transferaufwand in der Gegenwart und nächs­
ten Zukunft ausgeglichen werden. Es wird dar­
auf ankommen, ob die Strukturen inter­
nationaler Zooverbände und die hierfür
verantwortlichen Personen in der Lage sind,
entsprechend schnell und flexibel zu reagie­
ren.
Die Zoologischen Gärten Europas werden
sich daran messen lassen müssen, ob sie
es schaffen, alle fortpflanzungsfähigen
Afrikanischen Elefanten rechtzeitig in eine
Zuchtsituation zu bringen.
16
Ausblick
Der 2. Teil unserer Betrachtung menschlicher
Anstrengungen, den Afrikanischen Elefanten
in Zoos zu züchten, beschäftigt sich mit Zucht­
problemen in Zoos, die sich von ihren Dick­
häutern Nachwuchs erhoffen. Teil 2 wird
Erklärungsansätze bieten, weshalb in nicht
wenigen Zoos mit Elefanten beiderlei Ge­
schlechts Nachwuchs ausbleibt, weshalb die
Vermehrungsraten auch unter den züchten­
den Zooafrikanern meist eher bescheiden
ausfallen und warum Familiengruppen für den
Fortpflanzungserfolg von ausgesprochen ho­
her Bedeutung sind.
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