Kunden sehen den Unterschied

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Kunden sehen den Unterschied
Kunden sehen den Unterschied
(06.2003) Um von Kunden wahrgenommen zu werden, tut man gut daran, sich klar
von der Konkurrenz zu unterscheiden. „Qualität“ zu liefern, genügt nicht.
Würden Sie „chinesische Stachelbeeren“ kaufen? Vielleicht, wenn Sie mutig sind. Viele
Konsumenten war es nicht, also reagierten die Hersteller, änderten den Namen und siehe da die Nachfrage explodierte. Der neue Name hieß „Kiwi“.
Um bei Honigmelonen eine besondere, große Frucht von anderen zu unterscheiden, griffen die
Produzenten zu einer anderen Differenzierungsidee, sie führten gleich einen neuen
Gattungsbegriff ein: „Crenshaw-Melonen“. Ähnliches geschah bei kleinen Tomaten, heute
bekannt als „Cocktail-Tomaten“.
Diese Beispiele für eine erfolgreiche (Re-)Positionierung - in diesem Fall durch
Namensänderung für einzelne Produkte - stammen vom amerikanischen Berater und
Bestseller-Autor Jack Trout, der sich seit mehr als 30 Jahren ausschließlich dem Thema
Positionierung und Differenzierung verschrieben hat. Auf einer von der Firma „Business
Bestseller“ organisierten Veranstaltung in Wien ging Trout der Frage nach, warum mehr als 40
Jahre nach dem von der amerikanischen Werberlegende Rosser Reeves entwickelten Konzept
der Unique-Selling-Proposition (USP) Unternehmen immer noch so viele Probleme mit der
Erarbeitung einer - in den Augen ihrer Kunden - klaren Positionierung haben.
Vom USP zur Positionierung
Dass es wichtig ist, sich von seinen Wettbewerbern deutlich zu unterscheiden, zählt zu den
Binsenweisheiten bei Strategie- und Marketingüberlegungen. Kein Strategieprozess kommt
ohne die Fragen aus. Was genau macht Ihr Unternehmen, in welchem Feld bewegen Sie sich?
Wer ist hier Ihre Konkurrenz? Wodurch unterscheiden Sie sich von den anderen? Ist diese
differenzierende Idee einmal gefunden, so das Credo, entwickelt man eine Strategie, um
dieser Idee am Markt zum Durchbruch zu verhelfen bzw. sie erfolgreich zu verteidigen und
ergänzt diese um eine Kommunikationsstrategie, die diesen Unterschied entsprechend
dramatisiert und ihn so im Gedächtnis des Kunden verankert.
Klingt logisch und durchdacht, bleibt nur die leidige Frage offen: Warum gibt es in der Realität
so wenige, klar positionierte Unternehmen? Finden sie keine markanten Unterschiede?
Kommunizieren sie den Unterschied nicht ausreichend, wodurch die Zielgruppe gar keine
Kenntnis davon erlangt? Oder wird die herausgestrichene Besonderheit von den Kunden nicht
entsprechend gewürdigt, weil der propagierte Unterschied für die potenziellen Käufer leider
nicht kaufentscheidend ist?
Wie gelingt eine eindeutige Differenzierung?
1. Am Marktumfeld orientieren
Argumente werden nie in einem Vakuum entwickelt. Man ist immer von Wettbewerbern
umgeben, die ihre eigenen Argumente durchzusetzen versuchen. Die eigene Botschaft muss
daher berücksichtigen, was der Markt bereits von der Konkurrenz gehört und registriert hat.
Da Marketing nach der festen Überzeugung von Jack Trout kein Kampf um Produkte ist,
sondern um die Wahrnehmung der Kunden, braucht es eine Art Momentaufnahme dieser
Kundenwahrnehmung, d.h. eine Bestimmung der eigenen Stärken und Schwächen sowie die
der Mitbewerber aus Sicht der Kunden. Eine Möglichkeit dazu ist, die grundsätzlichen
Eigenschaften einer Kategorie aufzulisten und dann die Kunden zu ersuchen, Konkurrent für
Konkurrent Punkte zwischen 1 und 10 zu vergeben, um festzustellen, welcher Konkurrent
bereits welche Ideen und Konzepte besetzt hat. Daraus ergibt sich der Kontext für das
gesuchte Argument. Es macht keinen Sinn, denselben Nutzen oder dasselbe Merkmal zu
besetzen wie die Konkurrenz, außer Sie planen, Gratismarketing für den Wettbewerb zu
betreiben und allenfalls als Nachahmer wahrgenommen zu werden.
2. Das entscheidende Differenzierungsmerkmal identifizieren
Das Geheimnis, so Trout, ist, dass Differenzierung nichts mit dem Produkt zu tun haben muss.
So gibt es in Amerika über 3600 Colleges und Universitäten, die sich zwar in vielfältiger Weise
unterscheiden, jedoch in einem Punkt gleichen: sie alle sind bereit, für Stipendien und
Studentendarlehen Unterstützung von der Regierung anzunehmen. Diese Tatsache machte
sich das Hillsdale College zunutze, indem es sich gegen die staatliche Unterstützung entschied
und dann als jenes College präsentierte, „das nicht unter dem Einfluss der Regierung steht“.
Abgestützt wurde das Konzept, indem man sich das College als „Mekka für konservatives
Denken“ positionierte. Das ist klarerweise nicht jedermanns Sache und soll es auch gar nicht
sein. Auf jeden Fall, so beweist das Spendenaufkommen dieses College, lässt sich das aber in
Amerika gut verkaufen.
Anderes Beispiel: In Amerika gibt es bereits über 500 Mineralwassermarken. Plötzlich taucht
eine neue Marke mit Namen „Keeper Springs Mountain Spring Water“ auf, die sich auf
interessante Weise von anderen unterscheidet. Es ist ein Produkt einer
Umweltschutzorganisation, die auf diesem Weg Mittel beschaffen will, um verschmutzte
Gewässer reinigen zu können. Alle Gewinne dieser NPO fließen in den Umweltschutz.
Vorgestellt wurde das Produkt mit dem Satz: „Nach nur einem Schluck haben Sie mehr für die
Umwelt getan als die meisten Politiker“. Das Unternehmen hebt sich damit deutlich von allen
anderen Konkurrenten ab, zumal aus finanzieller Sicht keiner interessiert sein dürfte, dieses
Konzept zu kopieren.
3. Beweise liefern
Ein behaupteter Unterschied muss durch Beweise abgestützt werden können, um real und
glaubwürdig zu wirken. Die „beliebteste Airline der Welt“ sollte mehr Passagiere befördern als
alle anderen Linien. Als „the real thing“ muss Coca-Cola selbstverständlich das Cola-Getränk
erfunden haben. Als “weltweiter Technologieführer bei Viskosefasern” ist es für Lenzing
hilfreich, auf eine ganze Reihe wichtiger technologischer Neuerungen verweisen zu können.
4. Die Alleinstellung kommunizieren
Alle Unternehmensbereiche und Kommunikationskanäle müssen den Unterschied vermitteln,
auf den es ankommt: die Werbung, die Broschüren, die Webseite, die Verkaufspräsentationen
und idealerweise der Produkt- oder Unternehmensname selber. Vor allem aber muss die
Botschaft den Punkt treffen. Durchaus keine Selbstverständlichkeit. Ein gutes Beispiel für
einen misslungenen Versucht liefert Trout mit folgender Geschichte: „Als wir einmal mit einer
Bank eine Strategie entwickelten, entdeckten wir, dass sie auf dem Gebiet der Kreditvergabe
an Kleinunternehmen die Nummer eins war. Wie sich herausstellte, vergab die Bank die
meisten Kredite an Einwanderer, die in Amerika ein Geschäft aufbauen wollten, Menschen
also, die den amerikanischen Traum verwirklichen wollten. Das Alleinstellungsmerkmal der
Bank lag darin, dass sie „die Heimat des amerikanischen Traums“ war. Die Idee gefiel und
man beauftragte eine Agentur mit der Umsetzung. Als wir das Argument wieder zu Gesicht
bekamen, war „Wir setzen auf Ihre Träume“ daraus geworden. Das differenzierende Merkmal
war durch einen nichtssagenden Slogan unkenntlich gemacht worden.“
Wer glaubt, Reeves´ Grundgedanken - jede Werbung muss dem Kunden ein Versprechen
geben und die folgende Botschaft vermitteln: "Wer dieses Produkt kauft, erwirbt damit diesen
oder jenen Nutzen" - wären von den Unternehmen längst verinnerlich, muss nur den
Fernseher einschalten, um sich eines Besseren belehren zu lassen. Hier wimmelt es von
„cooler, kreativer“ Werbung und Slogans, die in keinem Zusammenhang mit dem beworbenen
Produkt stehen („Start something“, „Fashion for Living“,; „Be inspired“). Das Wichtigste wird
dabei geflissentlich unterlassen: dem Zuschauer einen klaren Grund zu geben, warum er sich
für das gerade beworbene Produkt entscheiden sollte. Die meisten Unternehmensbroschüren
sind da nicht viel besser.
Das tragische ist, viele Firmen verfügen über solche Alleinstellungsmerkmale bzw. das
Potenzial dazu, sind sich dessen aber nicht bewusst.
Autor: Peter Wagner
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