BGH – Davidoff Hot Water Markenrechtlicher Auskunftsanspruch
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BGH – Davidoff Hot Water Markenrechtlicher Auskunftsanspruch
IP kompakt Verfahrensrecht BGH – Davidoff Hot Water Markenrechtlicher Auskunftsanspruch trotz Bankgeheimnis? RA Jens Thomas Saatkamp, LL.M., Köln Sachverhalt Die Klägerin produziert und vertreibt Parfums im internationalen Markt und ist Lizenznehmerin der für Parfumeriewaren eingetragenen Gemeinschaftsmarke „Davidoff Hot Water“ (Nr. 0968661). Kraft dieser Lizenz ist die Klägerin auch zur Verteidigung der Markenrechte im eigenen Namen berechtigt. Zu Beginn des Jahres 2011 entdeckte die Klägerin ein Angebot des Parfums „Davidoff Hot Water“ auf einer Internetauktionsplattform. Die Klägerin ersteigerte das Parfum und zahlte den Kaufpreis auf das angegebene Konto, welches bei der Beklagten, der Stadtsparkasse in Magdeburg, geführt wurde. Nach Erhalt der Ware stellte die Klägerin fest, dass es sich bei dem Parfum offensichtlich um eine Fälschung handelte. Dies war auch für einen Laien erkennbar. Die Klägerin kontaktierte daher die Person, die auf der Internetauktionsplattform als Verkäufer benannt wurde. Diese gab jedoch an, tatsächlich nicht die Verkäuferin des Parfums zu sein. Daraufhin forderte die Klägerin im Rahmen weitergehender Ermittlungen die Beklagte auf, den Namen und die Anschrift des Inhabers des bei der Beklagten geführten Kontos anzugeben. Die Beklagte weigerte sich unter Berufung auf das Bankgeheimnis, die Daten herauszugeben. Daher nahm die Klägerin gerichtliche Hilfe in Anspruch. Seite 18 · Ausgabe Dezember 2013 In erster Instanz wurde die Beklagte antragsgemäß zur Auskunft verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. ZPO im Prozess gegen den Verletzer zur Zeugnisverweigerung berechtigt. Zwar lägen die grundlegenden Voraussetzungen des Auskunftsanspruchs nach § 19 MarkenG vor, jedoch könne die Beklagte gem. § 19 Abs. 2 Satz 1 MarkenG i.V.m. § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO die Auskunft verweigern, weil sie als Bankinstitut in einem Zivilprozess zur Zeugnisverweigerung berechtigt wäre. Der markenrechtliche Auskunftsanspruch gem. § 19 MarkenG kann in bestimmten Konstellationen auch gegenüber einem Dritten geltend gemacht werden. Der Auskunftsanspruch besteht jedoch dann nicht, wenn die auf Auskunft in Anspruch genommene Person nach den §§ 383 bis 385 ZPO im Prozess gegen den Verletzer zur Zeugnisverweigerung berechtigt wäre, § 19 Abs. 2 Satz 1 MarkenG. Gegenteiliges folge nach auch nicht aus einer richtlinienkonformen Auslegung dieser Vorschriften anhand der Richtlinie 2004/48/EG vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums. Entscheidung des BGH Der BGH tendiert – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – dazu, die Voraussetzungen des Auskunftsanspruchs der Klägerin nach § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG zu bejahen. Für eine abschließende Beurteilung des Sachverhalts bedürfe es jedoch einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union. Nach der Bestimmung des § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG hat der Markeninhaber in einem Fall offensichtlicher Rechtsverletzung einen Auskunftsanspruch gegen einen Dritten, der im gewerblichen Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbracht hat, es sei denn, der Dritte wäre nach den §§ 383 bis 385 Merke Die Vorschrift des §19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG setzt die in Art. 8 Abs. 1 lit. c der Richtlinie 2004/48/EG geregelte Auskunftspflicht für den Bereich der Markenverletzung um. Über Art. 102 Abs. 2 GMV i.V.m. § 125b Nr. 2 MarkenG ist § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG auch auf eine Gemeinschaftsmarke anwendbar. Merke Der Auskunftsanspruch gegen einen Dritten nach § 19 Abs. 2 MarkenG kann auch bei der Verletzung einer Gemeinschaftsmarke geltend gemacht werden. Der BGH geht hier von einem Fall der offensichtlichen Rechtsverletzung aus, da der Verkäufer des in Rede stehenden Parfums ohne Zustimmung des Markeninhabers im geschäftlichen Verkehr ein mit der Gemeinschaftsmarke IP kompakt identisches Zeichen für Waren benutzt hat, die mit denjenigen identisch sind, für die die Marke eingetragen ist (vgl. Art. 9 Abs. 1 Satz 2 lit. a GMV). Es handele sich um eine offensichtliche Rechtsverletzung, weil die Fälschung vorliegend auch für einen Laien ohne Weiteres erkennbar war. Die Beklagte habe ferner eine für diese rechtsverletzende Tätigkeit genutzte Dienstleistung in gewerblichem Ausmaß – hier in Form der Kontoführung – erbracht. Insoweit sind die Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG mehrheitlich erfüllt. Die abschließende Entscheidung des Rechtsstreits hängt von der Frage ab, ob der Beklagten ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG i.V.m. den §§ 383 bis 385 ZPO zusteht. Nur dann kann der Verletzte nach § 19 Abs. 3 Nr. 1 MarkenG die Nennung des Namens und der Anschrift des Verletzers verlangen. In Betracht zu ziehen ist hier ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO. Hiernach sind Personen, denen kraft ihres Gewerbes Tatsachen anvertraut sind, deren Geheimhaltung durch ihre Natur oder durch gesetzliche Vorschrift geboten ist, im Hinblick auf diese Tatsachen zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt. Nach der Auffassung des BGH erscheint allerdings nicht hinreichend geklärt zu sein, ob ein Bankinstitut, über das die Zahlung des Kaufpreises für eine markenrechtsverletzende Ware abgewickelt wurde und infolgedessen nach § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG auf Auskunft in Anspruch genommen wird, unter Berufung auf das Bankgeheimnis die Angabe von Namen und Anschrift des Inhabers eines Kontos verweigern darf. Die in Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2004/48/EG vorgesehene Auskunfts- pflicht, deren Umsetzung § 19 Abs. 2 und 3 MarkenG dient, wird durch Art. 8 Abs. 3 lit. d und e der Richtlinie 2004/48/EG eingeschränkt. Danach ist die Auskunftspflicht nur unbeschadet anderer gesetzlicher Vorschriften vorgesehen, die die Verweigerung von Auskünften zulassen, mit denen die in Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48/EG genannte Person gezwungen würde, ihre Beteiligung oder die Beteiligung enger Verwandter an einer Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums zuzugeben (Art. 8 Abs. 3 lit. d der Richtlinie), oder die den Schutz der Vertraulichkeit von Informationsquellen oder die Verarbeitung personenbezogener Daten regeln (Art. 8 Abs. 3 lit. e der Richtlinie). Nach Erwägungsgrund 10 der Richtlinie sollen die Rechtsvorschriften zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums einander angenähert werden, um ein hohes, gleichwertiges und homogenes Schutzniveau für geistiges Eigentum im Binnenmarkt zu gewährleisten. Daher ist das nationale Recht im Einklang mit der Richtlinie auszulegen. Eine etwaige Einschränkung des in Art. 8 Abs. 1 lit. c der Richtlinie 2004/48/ EG vorgesehenen Auskunftsanspruchs durch ein im nationalen Recht vorgesehenes Zeugnisverweigerungsrecht muss daher in Übereinstimmung mit dem Unionsrecht stehen. Zur Klärung dieser Konstellation hat der BGH dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Vorlagefrage gestellt: „Ist Art. 8 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie 2004/48/EG dahin auszulegen, dass diese Vorschrift einer nationalen Regelung entgegensteht, die einem Bankinstitut in einem Fall wie dem Ausgangsverfahren gestattet, eine Auskunft nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie über Namen und Anschrift eines Kontoinhabers unter Berufung auf das Bankgeheimnis zu verweigern?“ Zu den Vorschriften i.S.d. Art. 8 Abs. 3 lit. e der Richtlinie 2004/48/EG könnte auch das Bankgeheimnis zählen. Das Bankgeheimnis ist nach deutschem Recht nicht durch eine bestimmte Rechtsnorm geregelt, sondern wird aus der allgemeinen Pflicht der Bank hergeleitet, die Vermögensinteressen des Vertragspartners zu schützen und nicht zu beeinträchtigen. Mittelbar wird das Bankgeheimnis jedoch aus § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO hergeleitet. Zu den der Bank anvertrauten Tatsachen, die wiederum unter das Bankgeheimnis fallen, gehören regelmäßig auch Name und Anschrift des Kontoinhabers. Im vorliegenden Fall könnte die Beklagte daher die Auskunft nach § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG i.V.m. § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO verweigern, wenn die Vorschrift des Art. 8 Abs. 3 lit. e der Richtlinie 2004/48/EG dahin gehend auszulegen ist, dass mit ihr eine nationale Bestimmung in Einklang steht, die einem Bankinstitut gestattet, die Auskunft über Namen und Anschrift eines Kontoinhabers unter Umständen zu verweigern, wie sie im Ausgangsverfahren vorliegen. Das könnte der Fall sein, wenn die in Rede stehende nationale Bestimmung (§ 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO) die Vertraulichkeit von Informationsquellen i.S.d. Art. 8 Abs. 3 lit. e der Richtlinie 2004/48/EG regelt. Zu den Informationsquellen der Bank könnte auch deren Kontoinhaber zu zählen sein, der bei der Eröffnung des Kontos seinen Namen und seine Anschrift angeben muss. Insgesamt könnte die Vorschrift des § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu den gesetzlichen Bestimmungen i.S.d. Art. 8 Abs. 3 lit. e der Richtlinie 2004/48/EG zu zählen sein und ein Bankinstitut zur Verweigerung einer Auskunft i.S.v. Art. 8 Abs. 1 lit. c der Richtlinie berechtigen. Trotz dieser Erwägungen möchte der BGH davon ausgehen, dass im vorliegenden Fall der Auskunftsanspruch der Klägerin besteht. Ausgabe Dezember 2013 · Seite 19 IP kompakt Er gibt zu bedenken, dass gegen dieses Ergebnis sprechen könnte, dass die Instrumente zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums von zentraler Bedeutung für den Erfolg des Binnenmarktes sind. Etwaige Einschränkungen des Auskunftsanspruchs würden daher den Schutz des geistigen Eigentums unterwandern. Mitgliedstaaten müssen bei der Umsetzung der Richtlinie 2004/48/EG darauf achten, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den verschiedenen durch die Unionsordnung geschützten Grundrechten sicherzustellen. Dieses Gleichgewicht haben auch die Gerichte und Behörden bei der Auslegung der Richtlinienbestimmungen zu beachten. Im vorliegenden Fall sind auf Seiten der Klägerin die Grundrechte aus Art. 17 auf Schutz des Eigentums und aus Art. 47 auf einen wirksamen Rechtsbehelf und auf Seiten der Beklagten und ihres Kunden die durch Art. 7 und 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geschützten Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und des Schutzes personenbezogener Daten betroffen. Nach Auffassung des BGH überwiegen im vorliegenden Fall die Interessen der Klägerin am Schutz ihres geistigen Eigentums und an einem effektiven Rechtsbehelf bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche wegen des Vertriebs markenrechtsverletzender Ware die Interessen der Beklagten und ihres Kun- 120x50 Seite 20 · Ausgabe Dezember 2013 den am Schutz der in Rede stehenden Kontostammdaten. Fazit Das in keinem Gesetz ausdrücklich normierte Bankgeheimnis steht aktuell in mehreren Rechtsgebieten – so z.B. auf dem Gebiet des Datenschutzrechts – auf dem Prüfstand. Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage, ob das Bankgeheimnis im Verhältnis zu den Rechten des geistigen Eigentums ein höherwertiges Rechtsgut darstellt. Bedenkt man, dass der Name und die Anschrift des Kontoinhabers im Falle von (Marken-) Rechtsverletzungen durch das Angebot von gefälschten Produkten im Internet häufig der einzige Anhaltspunkt ist, muss diese Frage – so auch der BGH – verneint werden. Aus praktischer Perspektive wäre ansonsten die effektive Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums in Gefahr. Es bleibt abzuwarten, ob der Gerichtshof der Europäischen Union die Gefahr ebenfalls erkennt und der vom BGH geäußerten Ansicht folgt. Quelle BGH, Urteil v.17.10.2013 – I ZR 51/12 IP131206 www.ip-kompakt.de