der Ausgabe - Stiftung Familienunternehmen
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der Ausgabe - Stiftung Familienunternehmen
KINDERLEICHT W E LT A M S O N N TAG , 1 9 . D E Z E M B E R 2 010 8 Seiten Spezial UNTER NEH KINDER MERTUM LEICHT Antwort en die Wirt für alle, verstehe schaft n wollen S E I T E 81 Geht doch! Verena Delius gründete schon mit 20 Jahren ihre erste Firma. Jetzt ist sie 31 und kann sich gar nichts anderes mehr vorstellen, als Chefin zu sein Wer nur aufs Geld aus ist, sagt Verena Delius, sollte es besser gar nicht erst als Unternehmer versuchen. Man muss schon mit Herzblut dabei sein T STEFFEN FRÜNDT W er zu dem Land will, wo die Pandas wohnen, muss nicht bis nach China fliegen. Er betritt einfach ein unscheinbares Bürohaus in der Torstraße in Berlin-Mitte. Treppe hoch, vierter Stock. Jetzt noch durch eine Tür – und schon blickt der Besucher in gutmütige Bärenaugen. Wände, Schreibtische, Fensterbänke – das Büro ist voller putziger Pandas. Und auch die Computerbildschirme, vor denen die 60 Angestellten hocken, sind bevölkert von Eukalyptusfressern. Denn dies ist die Zentrale von Panfu, einem Internetportal für Kinder, in dem sich alles um Pandas dreht. Die Leute, die hier arbeiten, denken sich den ganzen Tag lang Panda-Abenteuer und Lernspiele aus und programmieren sie für den Computer. Dazwischen steht Verena Delius. Stimmt gar nicht. In Wirklichkeit steht die 31-Jährige nicht, sondern flitzt dauernd zwischen den Schreibtischen hin und her. Schaut Grafikerin Monika über die Schulter, die gerade die Szenerie für ein Rätsel um einen goldenen Schlüssel entwirft. Fragt Programmierer Martin, was das Sockenspiel macht. Zwischendurch guckt sie immer wieder auf eine Wand, die von oben bis unten mit gelben, grünen und blauen Haftzetteln beklebt ist, auf denen steht, woran die Panfu-Leute gerade arbeiten. Verena Delius muss den Überblick behalten. Sie ist die geschäftsführende Gesellschafterin. Mit anderen Worten: Sie ist der Boss. „Und das“, sagt sie, „macht großen Spaß!“ Verena Delius hat ihr erstes Unternehmen im Alter von 20 Jahren aufgemacht, gemeinsam mit ihrer kleinen Schwester. Für sie war das damals eine großartige Sache, aber so außergewöhnlich nun doch wieder nicht. Denn Unternehmen zu gründen liegt bei ihr in der Familie. Ihr Vater ist ein Bielefelder Textilunternehmer in der neunten Generation, also genauso wie schon sein Ururururururgroßvater. Ihre Mutter hat sich eine Firma für Inneneinrichtung und Raumausstattung aufgebaut. „Am Abendbrotstisch sprachen meine Eltern immer über offene Rechnungen, Mitarbeitermotivation – mit solchen Themen sind wir aufgewachsen“, erzählt Verena. Ihr Taschengeld verdiente sie sich damit, für Mutters Firma Werbemittel zu verpacken oder andere kleinere Arbeiten zu erledigen. Ansonsten tat sie das Gleiche wie die anderen Kinder in ihrem Alter. Sie ging zur Schule, machte Abi. Und dann schrieb sie sich für ein Studium ein, Betriebswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen in der Schweiz. Gründerin von Papas Gnaden Zur ersten eigenen Firma kam es eigentlich nur wegen des Hauses am Bach. Direkt am Ufer der Lutter, die sich durch die Bielefelder Innenstadt schlängelt, stand seit Urzeiten ein kleines Häuschen, das die Delius-Schwestern schon immer geliebt hatten. Als es eines Tages leer stand, kaufte es ihr Vater. Und sagte: „Ihr könnt es mieten. Aber nur, wenn ihr eine Idee habt, wie man ein Geschäft daraus macht.“ Die Schwestern grübelten eine Weile. Dann beschlossen sie: „Wir machen eine Sushi-Bar auf!“ Sie schrieben auf ein Blatt Papier, wie hoch ihre Ausgaben sein würden und wie viel Geld sie einnehmen könnten. Vater Delius nickte den Businessplan ab. Dann druckten die Jungunternehmerinnen Speisekarten am Computer aus, kauften sich bei Ikea und anderswo eine einfache, aber praktische Einrichtung zusammen. Fisch gab’s beim Großhändler. Am schwierigsten war die Sache mit dem Koch. Wenn sie ernsthaft ein JANNIS CHAVAKIS Viele Menschen würden nie Unternehmer werden wollen. Dabei kann es, bei aller Verantwortung, großen Spaß machen, eine Firma zu leiten T Verena Delius ist 31 Jahre alt und Unternehmerin aus Leidenschaft – schon seit über zehn Jahren über Unternehmertum ist nämlich auch: Jeder, der will, darf in Deutschland eine Firma gründen. Aber er braucht dazu Startkapital, oft sogar sehr viel. Wer keines hat, kann es sich von einer Bank leihen. Aber die Banken häufig keines raus, weil sie Angst haben, es nicht zurückzubekommen, und weil Bankangestellte oft Menschen mit wenig Fantasie sind. „Ich glaube nicht, dass uns Mädels damals irgendeine Bank einen Kredit für das Restaurant und die übrigen Kosten gegeben hätte“, glaubt Verena Delius. Dabei hielt sich ihre SushiBar sechs Jahre lang und brachte genug ein, um den Koch und alle Rechnungen zu bezahlen: „Mehr aber auch nicht. Reich wurden wir nicht damit.“ Verena Delius schloss ihr Studium ab und tingelte erst mal mit Freunden durch „Kinderleicht“: Bald auch im Buchhandel! „Kinderleicht“, die mehrfach preisgekrönte Serie der „Welt am Sonntag“, gibt es demnächst auch in Buchform. Im März erscheinen im Hanser-Verlag die „Kinderleicht“-Folgen über Gerechtigkeit und Globalisierung, weitere Ausgaben sind in Planung. Die Bücher kosten jeweils 12,90 Euro und können schon jetzt unter 0800/066 05 55 vorbestellt werden. Eine Familie von Unternehmern Chef sein – das würden viele gerne. Wer hat als Kind schon davon geträumt, ein kleiner Angestellter zu sein, der die ganze Arbeit macht und trotzdem nichts zu sagen hat? Da hätte doch jeder lieber sein eigenes Unternehmen. Jetzt sollte normalerweise die Stelle kommen, wo steht, dass aber nicht jeder Chef sein kann und man sich das überhaupt bloß nicht so einfach vorstellen soll. Ein Firmeneigentümer hat es nämlich auch schwer mit der ganzen Verantwortung, dem Risiko und so. Doch die Wahrheit ist: Unternehmer sein ist super. Jeder kann es werden – auch wenn es manchmal beschwerlich ist. paar Ostwestfalen dazu bringen wollten, rohen Fisch zu essen, dann musste der schon wirklich lecker zubereitet sein. Am Ende fanden sie in Berlin einen 60 Jahre alten Sushi-Meister, der bereit war, es mit den Mädels zu versuchen. „Der Tag der Eröffnung war das Aufregendste, was ich bis dahin erlebt hatte“, erzählt Verena. Obwohl sie Werbung in der Zeitung gemacht hatten, ließen sich zwar nur acht Kunden blicken, die meisten Tische blieben leer. Aber egal: „Ich war 20, und wir hatten unseren eigenen Laden!“ Natürlich war Verena Delius Unternehmerin von Papas Gnaden. Die Wahrheit Südamerika, drei Monate lang. „Erst mal Luft holen und runterkommen. Das hat gutgetan!“ Was nicht bedeutet, dass ihr auf den Gipfeln der Anden die große Erleuchtung kam, was sie mit ihrem Leben anfangen sollte. Zurück in Deutschland, fing sie bei einer Versicherung an, ausgerechnet. „Ich hatte Finanzen studiert – also fing ich ein Traineeprogramm bei der Münchner Rück an“, erinnert sie sich. Doch die eineinhalbjährige Ausbildung bei dem milliardenschweren Versicherungskonzern wurde zu einem frustrierenden Erlebnis. Fast vom ersten Tag an war Verena ungeduldig, weil sie immer irgend+ welche Ideen hatte und ihr alles nicht schnell genug voranging. Sie war voller Ideen – und lief damit dauernd gegen die Wand. „Ich merkte, dass eigene Ideen in Wirklichkeit gar nicht erwünscht waren.“ In dieses Angestelltendasein passte die Unternehmertochter einfach nicht, sie war zur Selbstständigkeit erzogen worden. „Seither steht für mich fest: Großkonzern – das brauche ich nicht noch mal!“ Scheitern – und dennoch nicht aufgeben Dann schon lieber ein kleiner Laden, aber dafür etwas zu sagen haben. Beziehungsweise: viele kleine Läden. Das war die Idee zu ihrer zweiten Firma. Gemeinsam mit einer Studienfreundin wollte sie in deutschen Innenstädten kleine Salatbars eröffnen, an denen sich die Leute selbst ihren Teller zusammenstellen können. Eine Art gesunde Fast-Food-Kette also. In New York gab es so was damals schon an jeder Ecke, wie Verena auf einer Amerikareise aufgefallen war: „Aber in Deutschland war das vollkommen neu.“ Eine Idee abzukupfern, die bei anderen funktioniert hat, ist nicht die schlechteste Unternehmensstrategie. Einige der reichsten Menschen der Welt sind auf diese Weise zu ihrem Geld gekommen. Verena Delius gründete mit ihrer Freundin also die Yummy Salads AG. Sie hatten vier Investoren gefunden. Vermögende Privatleute, die an die Idee glaubten und den beiden dafür das Startkapital gaben. Solche Beteiligungen sind gerade für junge Gründer oft eine gute Alternative zu den fantasielosen Bankern. Die Idee war da, das Geld auch. Trotzdem gibt es heute überall McDonald’s und Burger King, aber nirgendwo einen Yummy Salads. Die zweite Firma in Verena Delius’ Leben fiel nämlich den ängstlichen Vermietern zum Opfer, sagt sie. Geschäftsmodell, Logo, Ladendesign – alles war fertig. „Aber wir haben in den A-Lagen einfach keine Flächen bekommen. Wir haben es praktisch in jeder deutschen Großstadt probiert. Aber wenn in einer Fußgängerzone etwas frei wurde, vermieteten die Hausbesitzer lieber an Tchibo, Häagen-Dazs oder Kamps.“ Nach einem Jahr gaben die Unternehmerinnen auf und machten Yummy wieder dicht. Das geliehene Geld war futsch. „Es ist wichtig, sich von Fehlschlägen nicht entmutigen zu lassen“, sagt Verena Delius, die schon bei ihren Eltern mitbekommen hatte, dass man als Unternehmer immer wieder Momente erlebt, in denen es nicht so gut läuft. Eine Sushi-Bar, die keine Gewinne abwirft, eine Salatkette, die keiner will. Das alles gehört zum unternehmerischen Risiko: „Wer etwas wagt, verliert auch mal. Auch das kann eine wertvolle Erfahrung sein.“ Gut, dass Verena nicht aufgegeben hat. Denn ab diesem Moment wurde alles, was sie in die Hand nahm, ein Erfolg. Nach dem Salatfiasko erinnerte sie sich ihres Finanzenstudiums und gründete, selbstbewusst nach sich selbst benannt, die Firma Delius Capital. Die Idee der Fondsgesellschaft war, grob gesagt, die: Sie konzipierte sogenannte Fonds und finanzierte damit Großprojekte wie Containerschiffe. Die Gewinne, die die Schiffe einfuhren, gingen zurück an die Investoren. Das funktionierte sehr gut, und Verena Delius verdiente selbst nicht schlecht dabei. Die Firma gibt es immer noch, sie wird heute von Verena Delius’ Mann Lutz geleitet. Die Zukunft liegt im Internet Denn als Delius 25 war, entdeckte sie das Internet für sich. Der Besitzer einer Online-Partnervermittlung überredete sie, in das Geschäft mit einzusteigen. „Da habe ich Online gelernt. Mir war gleich klar, dass im Internet die Zukunft liegt.“ In Hamburg baute sie für einen großen Medienkonzern ein Lernportal im Internet auf, kam später zum Pandaportal. Und dann kamen die Kinder in ihr Leben. „Wenn es um Kinder geht, ändert sich alles. Plötzlich geht es nicht mehr nur ums Geschäft, du wirst viel ethischer und überlegst genau, was du verantworten kannst.“ Heute trägt Verena Delius Verantwortung für viele. Für ihre Söhne John und Henry, die erst drei beziehungsweise ein halbes Jahr alt sind und unter der Woche von einer Kinderfrau großgezogen werden. Für die 60 Mitarbeiter von Panfu, die teils selbst Familien haben und deren Arbeitsplatz davon abhängt, dass Verena Delius keinen Mist baut. Und für die Kunden, Kinder eben, die nicht zu viel Zeit vorm Computer verbringen und ihren Eltern nicht zu viel Geld aus der Tasche ziehen sollen: „Es ist schwierig, immer allen gerecht zu werden.“ Trotzdem will Verena Delius nie mehr etwas anderes sein als Unternehmerin. Ums Geld geht es ihr dabei gar nicht: „Ich will etwas Neues erschaffen. Eine Firma, die das Leben der Menschen bereichert. Einen Arbeitsplatz, zu dem die Mitarbeiter gerne gehen,“ sagt sie. Und sie will besonders jungen Frauen als Vorbild dienen, dass sie von ihrem Leben beides, Kind und Karriere, verlangen können: „Es ist mehr in euch, als ihr denkt!“ INHALT Schule: Deutsche Lehrbücher stellen Unternehmer zu negativ dar Seite 82 Gründer: Unternehmer zu werden wird einfacher Seite 83 Interview: Die erfolgreiche Unternehmerin Nicola Leibinger-Kammüller im Gespräch mit vier Gymnasiastinnen aus Ditzingen bei Stuttgart Seite 84 Familienunternehmen: Das Rückgrat der deutschen Wirtschaft Seite 86 Wohlstand: Warum ein Land ohne Unternehmer scheitern muss – das Beispiel DDR Seite 87 Pleiten: Das Auf und Ab gehört für Unternehmer dazu Seite 88 Die Texte dieses Spezials, eine W PDF-Version von „Kinderleicht Unternehmertum“ sowie ausgewählte Texte der bisherigen Ausgaben ab morgen unter welt.de/kinderleicht 82 KINDERLEICHT W E LT A M S O N N TAG N R . 51 Krupp, Henkel, Quandt: Im Wirtschaftsunterricht bekamen deutsche Schüler lange nur historische Figuren präsentiert Lehrer Lämpel aus Wilhelm Buschs „Max und Moritz“ T CLUB DER VISIONÄRE (1) Ingvar Kamprad hat das Billy-Regal erfunden Was fehlte, sind Vorbilder, die Lust auf Unternehmertum machen: junge Gründer kleiner Firmen. Langsam ändert sich das T 280 Möbelhäuser besitzt Ingvar Kamprad. Der inzwischen 84-jährige IkeaGründer hat die Möbelwelt auf den Kopf gestellt: Günstig wollte er sein, daher kaufte er früh bei Zulieferern in billigen Ländern ein. Daher ließ er Kunden Sofas selbst zusammenbauen: Unmontiert lassen sich die Dinge platzund damit geldsparend lagern. Kamprad selbst brachte seine Idee Reichtum: sein Vermögen wird auf 30 Milliarden Franken geschätzt. TOBIAS KAISER Als im Sommer 2010 die Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika stattfindet, ist das auch in Deutschland unübersehbar: In den Büros laufen die Fernseher, Fußballfans treffen sich zum gemeinsamen Fußballschauen auf Plätzen, und in Parks und viele Autobesitzer haben sich Fähnchen mit den deutschen Nationalfarben in die Autofenster geklemmt. Besonders enthusiastische Fans haben sogar schwarz-rot-goldene Außenspiegel. Das hatte es noch nicht gegeben: Spiegelhüllen in den Farben der Nationalmannschaft. Die schwarz-rot-goldenen Strümpfe sind echte Hingucker, sind schnell ausverkauft und werden von den Fans liebevoll Spiegel-Socke oder Außenkondom genannt. Besonders Marvin Andrä freut sich über den Erfolg der bunten Stoffhüllen. Der 28-Jährige verkauft die Spiegelstrümpfe in Deutschland, für den jungen Unternehmer ein Riesengeschäft. Hätte er allerdings auf seine Lehrer gehört – er wäre nie Unternehmer geworden. „Wir haben in der Schule gelernt, wie man sich um eine Stelle bewirbt und wie man eine Bewerbung schreibt“, erinnert er sich. „Aber selbstständig werden und uns selbst unseren Job schaffen, das schien etwas zu sein, was für uns gar nicht möglich ist.“ ganzes Leben lang in einer Parallelwelt gelebt, die mit dem Wirtschaftssystem nichts zu tun hat.“ Allmählich scheint sich daran etwas zu ändern. Schulbuchforscherin Grindel hat bemerkt, dass Unternehmer heute häufiger in den Schulbüchern auftauchen: „In den vergangenen zehn Jahren haben sich die Schulbücher deutlich verändert. Wirtschaft kommt dort sehr viel häufiger vor.“ Etliche neu erschienene Schulbücher, die heute zum Einsatz kommen, behandeln nicht mehr nur globalisierte Konzerne – sondern zunehmend auch kleinere Firmen. Schulbücher kritisieren das System Besondere Persönlichkeiten Dass Unternehmertum für ihn und seine Mitschüler gar nicht infrage käme – das lasen sie ganz besonders in ihren Schulbüchern. Andrä erinnert sich noch gut daran, dass die Unternehmer, die in den Büchern auftauchten, entschieden anders waren als er und seine Freunde. „Wenn in den Schulbüchern Unternehmer auftauchten, hatten sie viel Geld, trugen Anzüge und fuhren dicke Autos“, sagt er. Gegen schöne Autos hatte er gar nichts einzuwenden, aber die Bücher vermittelten unterschwellig: Unternehmer sein, das könnt ihr nicht. „Unternehmer wurden dargestellt, als seien sie keine normalen Menschen, als sei es etwas Unnatürliches, eine Firma zu gründen“, sagt Andrä. „Da wurde unterschieden: Es gibt normale Menschen und es gibt Unternehmer.“ Das liegt auch an den Beispielen, denen Schüler in den Büchern begegnen. Dort tauchen häufig die historisch bedeutenden Gründer großer Firmen auf: Friedrich-Karl Henkel etwa, der Gründer gleichnamigen Konzerns, der Persil und den Pritt-Klebestift herstellt. Anhand der Lebensläufe solcher Menschen stellen Schulbücher gerne große gesellschaftliche Veränderungen dar, etwa die Ausbreitung der Industrie am Ende des 19. Jahrhunderts oder den Wiederaufbau der zerstörten deutschen Wirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg. Das ist sinnvoll, weil Geschichte so anschaulich beschrieben wird. Aber Kinder und Jugendliche können sich nur schwer vorstellen, einen Großkonzern zu gründen – zumal die Zeiten, die beschrieben werden, weit in der Vergangenheit liegen. Susanne Grindel, die am GeorgEckert-Institut in Braunschweig die Inhalte von Schulbüchern aus verschiedenen Ländern untersucht und vergleicht, kann das bestätigen: „In deutschen Schulbüchern kommen häufiger als in anderen Ländern Großindustrielle vor. Unternehmer zu werden, wird in Deutschland als größerer Schritt dargestellt und als ein Unterfangen, das mit großen Mühen verbunden ist und nur besonderen Persönlichkeiten gelingt.“ Die Folge: Der Unterricht vermittelt, dass Selbstständigkeit mühsam und beschwerlich ist und dass Jugendliche die Finger davon lassen sollten. Bange machen gilt nicht Deutsche Schulbücher und Lehrer schrecken Schüler davon ab, Firmen zu gründen. In anderen Ländern machen sie Mut dazu Autowaschen als Unternehmen So greifen Schulbücher Wirtschaftsthemen auf INTERFOTO Dabei geht es auch anders. Susanne Grindel und ihre Kollegen haben bei Untersuchungen festgestellt, dass es in Schulbüchern aus anderen europäischen Ländern viel selbstverständlicher scheint, ein Unternehmen zu gründen. Etwa in Schweden: „Schwedische Schulbücher animieren geradezu zum Unternehmertum“, sagt Grindel. „In schwedischen Schulbüchern wird der eigene Betrieb als etwas dargestellt, was relativ einfach gegründet werden kann. Jungs, die Autos waschen, um ihr Taschengeld aufzubessern, werden manchmal schon als Unternehmer dargestellt.“ Neben den Büchern ist allerdings auch der Unterricht dafür verantwortlich, dass die Schüler wenig Wirtschafts- 19. D E Z E M B E R 2 010 wissen aus der Schule mitnehmen. In den meisten Schulen unterrichten Lehrer Wirtschaft nämlich nur selten als eigenes Fach. Wirtschaftliche Themen werden vielmehr in Häppchen auf mehrere Fächer verteilt – oft taucht Wirtschaft in Gemeinschaftskunde auf, in der Sachkunde, in Politik, in Erdkunde und in Geschichte. Was unterrichtet wird, entscheiden die Bundesländer. Und selbst wenn Wirtschaft auf dem Lehrplan steht, heißt das nicht, dass auch Wirtschaft unterrichtet wird. So war es bei auch Marvin Andrä: „Immer wenn es eigentlich um wirtschaftliche Themen gehen sollte, haben wir letztlich doch wieder über Politik gesprochen.“ + Marvin Andrä sagt heute, zehn Jahre nach seinem Abitur, dass ihn die Schule zu wenig auf das Leben nach der Schule vorbereitet hat: Steuern, Geldanlage, Alltag im Betrieb – alles kein Thema im Unterricht. Vielleicht, weil die Lehrer bequem waren, vielleicht, weil sie andere Themen wichtiger und interessanter fanden – vielleicht aber auch schlicht, weil sie vom Wirtschaftsleben einfach nicht viel wussten: „Es kann sein, dass ich in der Schule so wenig über Wirtschaft gelernt habe, weil meine Lehrer immer nur in der Schule waren“, überlegt Andrä. „Erst in der Grundschule, dann im Gymnasium, dann auf der Uni und dann gleich wieder zurück an die Schule zum Unterrichten. Die haben ihr Auch der Ton der Autoren hat sich geändert. Vor 15 oder 20 Jahren wurden in pädagogischen Büchern Unternehmen – und Unternehmer – häufig als Ausbeuter und Umweltzerstörer dargestellt. Ein kritischer Grundton gegenüber der Wirtschaft und ihren Vertretern galt als angemessen. So steht in einem 1994 veröffentlichten Politikbuch für das Gymnasium folgender Satz, der gleich das gesamte wirtschaftliche System in Deutschland kritisiert: „Hauptmerkmal des Kapitalismus ist der Besitz der Produktionsmittel durch die Kapitaleigentümer. Ihnen stehen die Arbeitnehmer gegenüber, die ihre Arbeitskraft an die Kapitaleigentümer verkaufen müssen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Hierdurch entwickelt sich eine soziale und materielle Abhängigkeit der Arbeitnehmer von den Kapitalbesitzern.“ Seit dieses Buch erschienen ist, hat sich viel verändert, sagt Forscherin Susanne Grindel: „Deutsche Schulbücher sind nicht einseitig geschrieben. Sie sind nicht wirtschaftsfeindlich, und die Autoren schimpfen auch nicht auf Unternehmer.“ Vielmehr scheinen die Pädagogen heute die Wirtschaft zu respektieren, ohne ihr Handeln zu beschönigen. Denn in den Unterrichtsmaterialien tauchen auch die Schattenseiten der Wirtschaft auf: Ausbeutung von Arbeitskräften, Umweltzerstörung oder Entlassungen. Der europäische Wettbewerb hilft Experten machen für diese Veränderung auch die Europäische Kommission in Brüssel verantwortlich. Sie hat vor einigen Jahren gefordert, dass Schüler im Unterricht mehr darüber lernen sollen, wie sie selbst Unternehmer werden können und wie man sich mit einer Geschäftsidee selbstständig macht. Lehrpläne wurden deshalb geändert, und Schulbuchautoren schreiben heute mehr über Wirtschaft und darüber, wie man unternehmerisch denkt und handelt – nicht nur in Deutschland, sondern auch in unseren Nachbarländern. Denn kein Land will sich vorwerfen lassen, dass es seine Schüler schlechter ausbildet als die übrigen Länder in Europa. Marvin Andrä hatte diesen Anstoß von außen nicht gebraucht. „Ich wollte schon immer Unternehmer werden“, sagt er von sich. Bereits in der Oberstufe machte er sich selbstständig und half Handwerkern bei Computerproblemen. Um seinen Betrieb führen zu können, musste er sich viel selbst beibringen und wälzte abends Bücher über Firmengründungen, Steuern und Buchhaltung. Am Wochenende besuchte er Kurse und Seminare von Wirtschaftsverbänden, um seine Wissenslücken zu füllen. Hätte es ihm damals geholfen, wenn Selbstständigkeit ein Thema in der Schule gewesen wäre? „Ich habe in der Schule nichts darüber gelernt, was Unternehmer tun oder wie man ein Unternehmen gründet“, erinnert sich Marvin Andrä. „Das war gar kein Thema. Vielleicht hätte es sogar geholfen, wenn in der Schule negativ über Unternehmer gesprochen worden wäre – das hätte mich unter Umständen zum Nachdenken angeregt.“ 19. D E Z E M B E R 2 010 W E LT A M S O N N TAG KINDERLEICHT 83 N R . 51 Schneller Chef werden NEUSEELÄNDER HABEN'S LEICHTER: Hürden für Unternehmensgründer Zahl der erforderlichen Verwaltungsakte Mindestdauer der Verwaltungsakte Kosten der Verwaltungsakte (in Prozent des nationalen Pro-Kopf-Einkommen) 4,8 0,4 212 15 Tage 1 Tag Kosten und Zeit spielen bei Gründern die größte Rolle 105 Tage 1 9 leicht mittel Neusseeland Deutschland 212 schwer Haiti QUELLE: WELTBANK THOMAS HEUZEROTH G ünter Faltin macht seinen Studenten Hoffnung, wann immer er nur kann: „Es war noch nie einfacher, ein Unternehmen zu gründen“, sagt der Hochschullehrer von der Freien Universität Berlin, der zahlreiche Existenzgründer beraten hat. „Das kann heute eigentlich jeder, ohne viel Geld und Fachwissen.“ Doch eines braucht es in jedem Fall: eine gute Idee. Am besten eine, die noch niemand vorher hatte. Vor allem das Internet habe die Spielregeln neu geschrieben, sagt der Wissenschaftler, der selbst auch Unternehmensgründer ist. Beispiel Handel: Wer heute im Internet verkauft, kann das weitgehend automatisch mit einer Software machen, einschließlich Abrechnung, Nachbestellung und sonstige Büroarbeiten. Keine teure Büroeinrichtung, keine Personalsuche. Faltin: „Selbst der reine Gründungsakt ist heute ein Kinderspiel. Das war früher alles viel komplizierter und vor allem auch teurer.“ nemark und Slowenien verlangen für die Anmeldung überhaupt kein Geld mehr. In Deutschland immerhin haben „fast alle Kommunen inzwischen Anlaufstellen eingerichtet, die den Gründern die Behördengänge abnehmen“, sagt Johann Eekhoff, Präsident des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) in Bonn. Es wird einfacher Deutschland ein Paradies für Unternehmensgründer? Nicht ganz, heißt es in einer aktuellen Studie, die von der Weltbank, einer internationalen Entwicklungsorganisation aus der amerikanischen Hauptstadt Trotz aller Washington, erarbeitet wurde. Un- Erleichterungen kann die Unternehmenster 183 Ländern schafft es Deutsch- gründung in Deutschland nur in die land immer noch zum Irrlauf werden Mitte, auf Platz 88. Am einfachsten ist es, in Neuseeland eine Firma zu gründen. Auch Australien, Kanada und Singapur gehören zu den Staaten, die ihren Gründern entgegenkommen. Nirgendwo anders geht es so unkompliziert zu. Während Neuseeländer und Kanadier sich nach nur einem Verwaltungsakt „Chef“ nennen können, sind in DeutschIm Grunde rühmen sich heute fast alland im Durchschnitt neun Verwaltungs- le Länder, ihren Unternehmensgründern akte erforderlich. Je nach Gewerbe kann möglichst viele Steine aus dem Weg zu das hierzulande zu einem Irrlauf durch räumen. Tatsächlich haben in den verdie Institutionen werden: Finanzamt, gangenen sieben Jahren drei von vier Gewerbeamt, Kammer, Arbeitsamt, Sozi- Staaten die Gründung erleichtert, im alversicherung, Berufsgenossenschaft, Durchschnitt dauert es heute 34 Tage, Gesundheitsamt. bis eine Firma loslegen kann. 2004 wa- Ein Euro reicht DPA/PATRICK PLEUL Deutschland schafft es im internationalen Vergleich der gründerfreundlichsten Länder nur auf Platz 88 T ren es noch fast 50 Tage. „Ein Unternehmen zu gründen ist in allen Regionen der Erde einfacher geworden“, heißt es daher auch in der Weltbank-Studie. Was natürlich nicht heißt, dass es überall mit rechten Dingen zugeht. Nach wie vor lässt sich in vielen Ländern die Gründung lediglich mit „Speed Money“ – einem ziemlich beschönigendem Begriff für „Bestechungsgeld“ – noch beschleunigen. Weltweit hat sich eine goldene Regel herausgebildet, die es den Politikern einfach macht, Gründer zu unterstützen: Je schneller es geht, und je billiger es wird, desto eher melden sie eine Firma an. Dä- Dass Gründer in Deutschland schneller und günstiger zu Chefs werden, liegt vor allem an Großbritannien. Weil das Land deutsche Gründer mit offenen Armen aufnahm, eilten sich die Politiker hierzulande vor zwei Jahren eine neue Unternehmensform einzuführen, die Bürgern bei der Firmengründung weniger Geld („Stammkapital“) abverlangte. Man einigte sich daher auf die „Unternehmensgesellschaft (haftungsbeschränkt)“, die seit der Einführung Ende 2008 zu einem großen Erfolg wurde. Heute gibt es mehr als 40 000 dieser Gesellschaften, die umgangssprachlich als „Mini-GmbH“ bezeichnet werden. Während Gründer einer GmbH nach wie vor 25 000 Euro Stammkapital nachweisen müssen, gibt es die eigene Unternehmensgesellschaft deutlich billiger: für einen Euro nämlich. ANZEIGE + 85 84 KINDERLEICHT W E LT A M S O N N TAG N R . 51 19. D E Z E M B E R 2 010 WAMS 19. DEZEMBER 2010 WSBE-VP2 BELICHTERFREIGABE: -- ZEIT::: BELICHTER: FARBE: 19. D E Z E M B E R 2 010 W E LT A M S O N N TAG KINDERLEICHT 85 N R . 51 „Disco fand ich blöd und zu laut“ Maschinenbau ist Männersache? Nicht bei Trumpf. Das Unternehmen ist fest in Familienhand – und die Chefin ist eine Frau: Nicola Leibinger-Kammüller Die Firma gehört den Leibingers. Vater Berthold hat das Unternehmen groß gemacht, Sohn Peter und Schwiegersohn Mathias leiten Geschäftsbereiche. Und sie alle hören auf die Tochter MELANIE: Wirkt sich das auf das Leben daheim aus? Schon. Angenommen mein Mann will eine Firma kaufen, zum Beispiel in Spanien, und ich würde sagen: „Komm, Mathias, die Firma passt nicht zu uns, und die Spanier könnten die nächsten sein, die unter den Rettungsschirm der EU müssen“ – da wäre der Abend weniger vergnügt. ANZEIGE LEA: Haben Sie das mit der Kurzarbeit den Mitarbeitern persönlich gesagt? Ja. Und das ist auch ganz wichtig. Wir haben Betriebsversammlungen gemacht. Da kamen 800 bis 1000 Leute zusammen, und wir haben es den Mitarbeitern erklärt. Viele von ihnen kenne ich ja auch persönlich. Und wir haben die Führungskräfte und die Mitarbeiter auch immer wieder in kleinen Gruppen informiert. JANINA: Können Sie bei so was am Abend vorher schlecht einschlafen? Ja, klar. Solche Entscheidungen zu tref- „Ich wünsche mir mehr Zeit“ LISA: Haben Sie einen Privatjet? NICOLA LEIBINGER-KAMMÜLLER: Nein! fen, verursacht schlaflose Nächte. Ich weiß, wie es ist, wenn jemand Kinder hat, die Wohnung abbezahlen muss und so weiter. Man macht sich so eine Entscheidung nicht leicht. Als Unternehmer schläft man so manches Mal schlecht. Wenn die Weltwirtschaft so wackelt wie zuletzt und man keine Aufträge hat, fragt man sich schon, wie es weitergeht. LEA: Warum verkaufen Sie nicht einen Teil der Firma und leisten sich einen? Das könnten wir, wenn wir wollten. Aber ich halte es für wichtig, dass viel Geld in der Firma bleibt, damit wir sie weiterentwickeln und vergrößern können. Abgesehen davon denke ich, dass ich mit Linienflugzeugen auch ans Ziel komme. JANINA: Die Firma gehört ja nicht Ihnen allein, sondern der Familie. Müssen Sie Ihren Vater fragen, bevor Sie etwas entscheiden? Wir haben verschiedene Rollen. Ich bin die Vorsitzende der Geschäftsleitung, mein Vater leitet den Aufsichtsrat. Der ist dazu da, die Geschäftsleitung zu überprüfen und zu kontrollieren – vor allem bei wichtigen Entscheidungen. Wenn wir zum Beispiel eine Firma kaufen wollen, müssen wir dieses Projekt dem Aufsichtsrat vorstellen. Und nur, wenn wir das gut erklären, sagen die Mitglieder Ja. EIT THEODOR BARTH (3), ANETTE DOWID müller er-Kam g h in ib e L stellt sic Nicola , 2.v.l.) o en t in o F h c s es Mas (große d z it s en gen von am Firm umpf den Fra Tr a End, bauers nen: Lis übler in r le ü h aK vier Sc fele, Le Schäuf el (v.l.). Janina ns ger lanie A und Me sse des Ditzin aue la K lems Die 10. in der G äch s m iu s r Gymna as Gesp hatte d t e it e r e (unten) rb sam vo gemein gehen und auf die Lehrer, die Eltern und dann noch auf das Ministerium, da braucht es viel mehr. LISA: Wann ist man ein guter Unternehmer? Man muss unter anderem schnell entscheiden können. Wenn man so veranlagt ist, immer hin und her zu überlegen, dann ist man weniger geeignet. Man muss eine Entscheidung treffen, sie erklären können und dann auch dazu stehen. Auch bei unbequemen Entscheidungen. Und man muss die Kritik aushalten können. MELANIE: Müssen Sie sich denn jetzt besonders beweisen, weil Sie die Chefin geworden sind? Als Tochter eines erfolgreichen Vaters muss man sich immer beweisen. LISA: Sie waren im Rat für Innovation und Wachstum bei Angela Merkel. Waren Sie damals aufgeregt? Beim ersten Mal war ich schon ein bisschen nervös. Ich hatte mich zwar vorbereitet, aber dachte: Um Himmels willen, hoffentlich kommen keine Fragen, die ich nicht beantworten kann! Aber ich habe dann schnell gemerkt, dass sie gut zuhört und ein offenes Wort auch einfordert. LEA: Wir könnten nicht einfach zu Kanzlerin gehen und sagen: Wir wollen kleinere Klassen. Ja. Aber es gibt ja Schülerverbände, Elternräte oder Lehrerverbände, die Zugang zur Politik haben, Eure Belange vertreten und euer Sprachrohr sind. In dem Fall aber wahrscheinlich eher beim badenwürttembergischen Kultusministerium. LISA: Haben Sie die Handynummer von Frau Merkel? Nein. Und ich würde mich auch nicht trauen, da einfach so anzurufen. Wenn es sein muss, kann man kann ja über das Büro um ein Telefonat bitten. „Man muss schnell entscheiden können“ was wir als Unternehmen in so einer Krise tun können, ist, so gute Maschinen wie möglich zu entwickeln, uns in verschiedenen Ländern neue Kunden zu suchen und unsere Mitarbeiter so gut wie möglich auszubilden. Wenn wir das alles tun, dann werden wir diese Krise wohl gut überstehen können. JANINA: Haben Sie Angst, dass Ihre Firma pleitegehen könnte? Im Moment gehen ja ganze Länder bankrott. (seufzt) Nein. Die politische Lage ist schon beunruhigend. Aber wir haben keine Schulden bei Banken und sind deswegen nicht von ihnen abhängig. Und ich kann mir nicht ständig den Kopf über den Euro zerbrechen – den kann ich ohnehin nicht beeinflussen. Das Einzige, MELANIE: Wenn die Firma pleite geht, ist dann Ihr ganzes Geld weg? Ja. Weil wir Gesellschafter sind und unser Geld nun mal in der Firma steckt. Aber noch mal: Es sieht gar nicht danach aus! Im Gegenteil: Zum Glück verkaufen wir unsere Maschinen im Moment sehr gut. LEA: Die meisten, die im Maschinenbau was zu sagen haben, sind Männer? Ja. LISA: Hat sich schon mal jemand über Sie lustig gemacht und Ihnen vorgeworfen, dass Sie als Frau gar keine Ahnung hätten? Lustig gemacht nicht, aber es kamen schon Fragen: Sie sind Sprachwissenschaftlerin, was verstehen Sie vom Maschinenbau? Da halte ich gegen, dass ich mit dem Familienunternehmen aufgewachsen bin. Mein Vater hat schon immer mit uns über die Firma und die Maschinen gesprochen. Außerdem haben wir Frauen den Vorteil, dass wir uns trauen zu fragen. Und das mache ich. Wenn ich etwas nicht verstehe, lasse ich es mir noch mal erklären. Und wenn es sein muss, auch noch mal. LEA: Können Sie sich vorstellen, Angestellte oder Beamtin zu sein? Ich wollte mal Journalistin werden, habe auch ein Praktikum bei einer Zeitung gemacht und fand das ganz toll. Aber dann habe ich festgestellt, dass die selbstständige Tätigkeit viele Freiheiten gibt. Als Unternehmerin kann man viel bestimmen, entscheiden und damit gestalten. LISA: Hat Ihr Vater bestimmt, dass Sie in der Firma anfangen? Er soll sehr streng gewesen sein und Ihnen früher verboten haben, in die Disco zu gehen. Er war tatsächlich streng, aber er hat mir nicht vorgeschrieben, dass ich in der Firma mitarbeiten soll. Und er hat auch nicht verboten, dass wir in die Disco gehen. Ich fand das selber blöd. Zu laut und dieses komische Licht. Ich hab schon ganz früh lieber Bach und Mozart gehört. JANINA: Und wie ist es bei Ihren Kindern? Sind die verwöhnt? Nein. Ich hoffe nicht. Wir bemühen uns jedenfalls, sie so normal wie möglich zu erziehen. Trotzdem erleben sie manchmal Kommentare von Klassenkameraden, die abfällig sagen: Ach, ihr seid ja reich. Das ist wenig angenehm. LEA: Soll eines Ihrer Kinder später einmal Ihr Nachfolger werden? Wenn sie sich für die Arbeit in der Firma entscheiden, würde mich das auf jeden Fall freuen. Der Älteste ist 22 und studiert Betriebswirtschaft, der wäre sicher geeignet. Aber auch den anderen traue ich das zu. Sie sind aber nicht alleine. Nicht nur ich habe vier Kinder, bei meinem Bruder ist es auch so. Meine Schwester hat zudem zwei – das wären schon zehn Chefs. + WAMS/WAMS/WSBE-VP2 19.12.10/1/030 IKNIPP LISA: Ist das komisch, die Chefin Ihres Mannes und Ihres Bruders zu sein? Das ist schon manchmal eigenartig, wenn man mit jemandem verwandt ist und trotzdem führen muss. Man muss ja zwischen Familienbeziehung und Geschäfts- beziehung trennen. Im Zweifelsfall gilt immer: Die Firma geht vor. JANINA: Mussten Sie wegen der Wirtschaftskrise Mitarbeiter entlassen? Nein, wir haben es unter anderem dank der Kurzarbeit ohne Entlassungen in Deutschland geschafft. Von einigen Leiharbeitern mussten wir uns allerdings trennen. Auch das war nicht leicht. eine Frauensache: Beim „Kinderleicht“Interview saß auf der einen Seite des Tisches Nicola Leibinger-Kammüller, Vorstandschefin von Trumpf. Das Unternehmen aus dem schwäbischen Ditzingen ist einer der weltweit führenden Hersteller von Werkzeugmaschinen. Auf der anderen Seite nahmen vier Schülerinnen der 10. Klasse am Ditzinger Gymnasium in der Glemsaue Platz: Melanie Ansel, 15, Janina Schäuffele, 15, Lea Kübler, 15, und Lisa End, 16. Redakteur Carsten Dierig, der die Mädchen zusammen mit seiner Kollegin Anette Dowideit begleitete, war der einzige Mann. Die Schülerinnen sind selbst Unternehmerinnen. Mit ihrer AG entwickeln sie ein Jahr lang ein Produkt, lassen es herstellen und verkaufen es. Ihre Geschäftstüchtigkeit bewiesen die vier beim Fototermin: Beim Posieren vor einer Stanzmaschine gewannen sie LeibingerKammüller, die selbst vier Kinder hat, als Anteilseignerin. MELANIE: Warum hat Ihr Vater vor fünf Jahren entschieden, dass Sie Chefin werden und nicht Ihr Bruder? Oder mein Mann, der ja auch Ingenieur in der Firma ist. Um ein Unternehmen zu führen, braucht es mehr als technisches Wissen. Man muss vor allem gut mit Menschen umgehen können. Nehmt zum Beispiel Eure Lehrer und stellt Euch vor, wer von denen Schulleiter sein könnte. Es gibt sicher viele, die fachlich gut sind. Aber um auf die Schüler einzu- schön, wenn ihr mehr Zeit hättet, auch für euch selbst. Aber größtenteils schätzen sie, was wir machen. Und unsere Tochter, die ist 13, findet es toll, dass ich die Firma leite und nicht mein Mann. Er war Tischlermeister und Spielzeugmacher in Dänemark und hatte eine Idee: Damit die Klötzchen beim Stapeln nicht rutschen, fräste Ole Kirk Kristiansen Noppen hinein. 1949 entstand der erste Legostein aus Kunststoff, 1958 bekam das Familienunternehmen ein Patent darauf. Immer wieder gab es Streit mit anderen Firmen, die die Steinchen nachahmten – das Problem vieler guter Ideen, die relativ einfach auch von anderen herzustellen sind. Lego hat sich früh ganze Spielwelten einfallen lassen, um sich von der Konkurrenz abzusetzen. Die Bausätze aus den bunten Klötzchen gehören bis heute zu den beliebtesten Kinder-Weihnachtsgeschenken, sagt der Fachhandel. Zu den Produkten, von denen Lego nach eigenen Angaben gerade am meisten verkauft, gehören das Harry-Potter-Schloss Hogwarts – und ein Lastwagen mit Kipp-Container. MELANIE: Wie wichtig ist es Ihnen, was die Leute von Ihnen denken? Wenn ich jemanden schätze, ist mir seine Meinung über mich und meine Arbeit schon wichtig. Aber in meiner Position kann ich mich nicht immer danach richten, geliebt zu werden. In der Finanzkrise mussten wir Kurzarbeit anmelden, wir haben vorübergehend die Gehälter gekürzt. Da wusste ich, dass das vielen der 8000 Mitarbeiter nicht gefallen hat. R JANINA: Ist es Ihnen nicht peinlich, zu Ihrem Vater zu gehen und zu sagen: Ich brauche Hilfe? Rat einzuholen heißt nicht, dass man sich hilflos fühlt und etwas nicht kann. Sondern man erkennt an, dass jemand Erfahrung hat. Ob ich den Rat annehme, ist ja noch eine ganz andere Frage. Ihr fragt ja auch eure Freundin: Wie soll ich es machen, ich hab Ärger mit dem Lehrer, oder der junge Mann da gefällt mir besonders gut. Oder? Aber ob ihr dann auch auf den Ratschlag hört, ist eure Entscheidung. Ole Kirk Kristiansen hat die Legosteine erfunden Und das geht natürlich nicht. Deshalb muss man die Besten suchen, also diejenigen, die das erstens können und zweitens wirklich wollen und sich für das Unternehmen einsetzen. Denn unsere Firma ist keine Sozialstation, in der man alle Familienmitglieder unterbringen kann. Die Firmeninteressen gehen vor. Bei uns kann sich keiner tummeln, der meint: Ich heiß doch Leibinger oder Kammüller, also gehöre ich hier rein. T MELANIE: Läuft das dann so, dass Sie beim Sonntagsessen Ihren Vater fragen: Kann ich das so entscheiden? Nein. Aber ich frage ihn schon nach seinem Rat. Er ist ja älter als ich und hat – um bei dem Beispiel zu bleiben – schon einige Firmen gekauft. CLUB DER VISIONÄRE (2) LEA: Wie sieht Ihr Tagesablauf aus? Ich komme zwischen acht und halb neun in die Firma und stimme mich mit meinen Sekretärinnen ab. Dann habe ich Sitzungen und Mitarbeitergespräche, meistens im Halbstundentakt. Ich arbeite so bis abends um acht, und danach habe ich oft auch noch etwas, eine Sitzung unserer Stiftung zum Beispiel. Und wenn ich abends keine Veranstaltung habe, nehme ich mir Unterlagen mit nach Hause und setze mich an den Schreibtisch, gegenüber von meinem Mann. Er leitet bei uns den Werkzeugmaschinenbereich und arbeitet dann auch noch. Manchmal reicht der Tag einfach nicht aus. Dann wünsche ich mir mehr Zeit. JANINA: Sind Ihre Kinder manchmal sauer, weil Sie so wenig zu Hause sind? Sie sagen manchmal schon, es wäre + Abgezeichnet von: Abgezeichnet von: Artdirection Chefredaktion 5% 25% 50% 75% 95% WAMS/WAMS/WSBE-VP2 19.12.10/1/033 IKNIPP INGO RÖHRBEIN 84 WAMS 19. DEZEMBER 2010 WSBE-VP2 BELICHTERFREIGABE: -- ZEIT::: BELICHTER: FARBE: Abgezeichnet von: Abgezeichnet von: Artdirection Chefredaktion 5% 25% 50% 75% 95% 86 KINDERLEICHT W E LT A M S O N N TAG N R . 51 19. D E Z E M B E R 2 010 ert p a k en rin Will m e h m eh n den erna ahr n r J te l ge üb un : Ge nts er im enta n e e li i zern em effl ntin m Fa ßkon anag Scha r Co e h M o Gr igen abet nbau s e ort Eli eif s d aria- en R e d M d 09 20 Chefs mit Ausdauer Neun von zehn deutschen Firmen werden von Familien geführt. Bei ihren Mitarbeitern sind Familienbetriebe beliebt Mehr als die Hälfte aller Beschäftigten im Land arbeiten in einem Familienunternehmen – dort entstehen neue Arbeitsplätze, während Großkonzerne Stellen abbauen T Wer für seine Angestellten verlässlich ist, der kann in Zeiten des Fachkräftemangels punkten: Die Firmen sind begehrte Arbeitgeber T zufolge werden 93 Prozent aller Firmen im Land von Familien kontrolliert – das heißt, sie gehören zu mindestens der Hälfte ein bis drei Familienmitgliedern. Mehr als jeder zweite Beschäftigte (54 Prozent) arbeitet in einem Familienunternehmen. Allein bei den 500 größten Familienunternehmen arbeiteten 2008 gut 2,2 Millionen Menschen. Viele dieser Firmen sind besonders verlässlich für ihre Angestellten. Sie stehen auch Krisenzeiten mit Gewinneinbrüchen durch, ohne sofort viele Mitarbeiter zu entlassen. Ein wichtiger Grund dafür ist der langfristige Blick von Familienunternehmern. Wie der Möbelbauer Hülsta von Herrn Dieks, der jetzt schon in dritter Generation der Familie gehört, sind viele Familienbetriebe in Deutschland langfristig orientiert. Die Eigentümer denken in Jahren, Jahrzehnten und vielleicht sogar Generationen. Bei Konzernen, deren Aktien an der Börse gehandelt werden, ist das anders. Die Manager müssen alle drei Monate Zahlen über Umsätze, Aufträge und Gewinne veröffentlichen. Das zwingt sie zu schnellen Erfolgen. Gehen die Aufträge, müssen sie schnell auch die Kosten senken, damit sie keine Verluste machen. Viele Manager sparen an den Personalkosten, indem sie Mitarbeiter entlassen. Das zeigen die Zahlen der größten Konzerne in Deutschland. Von den 30 Unternehmen, die im Deutschen Aktienindex Dax notiert sind, gehören 26 einer großen Gruppe von Aktionären, also nicht mehrheitlich einer Familie. Sie haben von 2006 bis 2008 die Zahl ihrer Beschäftigten in Deutschland um ein halbes Prozent gesenkt. Im gleichen Zeitraum haben die 500 größten Familienunternehmen ihre Mitarbeiterzahl um vier Prozent erhöht. Wie eine Familie ein Unternehmen ohne Kündigungen durch Jahrzehnte führt, zeigt das Beispiel von Otto Bock im niedersächsischen Duderstadt. Das INGA MICHLER RTR/MC MATZEN/LAIF/HOEHN/BINDRIM/PA/DPA/SCHLESINGER/DDP/KOCH Unternehmerin des Jahres 2010 mit mehr als 100 Angestellten: Alexandra Knauer baut wissenschaftliche Geräte in Berlin Haribo macht Kinder froh. Und den 87jährigen Firmenchef ebenso: Hans Riegel denkt noch nicht ans Aufhören CLUB DER VISIONÄRE (3) Levi Strauss hat die Bluejeans erfunden Die Jeans, 1873 als grobe Arbeitshose patentiert, brachte Levi Strauss endlich Glück. Lange hatte er es hartnäckig gesucht: als Auswanderer aus dem fränkischen Buttenheim, wo er 1829 als Löb Strauß geboren worden war. Dass die Jeans alltagsfein wurde, hat Levi Strauss nicht mehr erlebt: Das geschah erst in den 60er- und 70er-Jahren. Quadratisch, praktisch, gut: Alfred Ritter führt den Schokoladenfabrikanten in dritter Generation ANDREAS ACHMANN L udger Dieks ist Chauffeur. Er holt mich am Flughafen in Düsseldorf ab, um mich zu seinem Chef zu fahren. Galant öffnet er die Tür zu seinem Mercedes der EKlasse. Das ist natürlich nicht sein Mercedes. Er gehört „der Familie“, wie Ludger Dieks sagt. Damit meint er die Familie Hüls, die seit Generationen den bekannten Möbelbauer Hülsta im Münsterland führt. Die mag Ludger Dieks sehr gern. Warum, das erzählt er, während wir durch Westfalen fahren. „Feine Menschen sind das“, sagt Dieks über die Hüls’. Er muss es wissen. Schon seit Jahrzehnten fährt er die Familie, sitzt oft mit bei ihnen am Tisch. Mit 18 Jahren trat er in den Dienst des alten Hüls. Für ihn und seine Mutter war das damals der Rettungsanker. Denn der Vater, der in der Möbelfabrik arbeitete, war tödlich verunglückt. Der alte Hüls kam persönlich zum Trauerbesuch, versprach Ludgers Mutter, dem Sohn Arbeit zu geben – ein Leben lang. Der alte Hüls ist inzwischen tot. Herr Dieks fährt nun dessen Söhne und Gäste der Familie. Die Geschichte von Ludger Dieks zeigt, was oft gut funktioniert in Familienunternehmen. Häufig gibt es eine enge Bindung zwischen Firma und Mitarbeitern. In Deutschland wird die ganz große Mehrzahl der Unternehmen von Familien geführt. Einer neuen Studie im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen + Unternehmen mit über 4200 Mitarbeitern ist Weltmarktführer im Bau von Prothesen. Die elektronisch gesteuerten Arme und Beine „made in Germany“ helfen Kriegsveteranen in aller Welt. Stützapparate aus Duderstadt kommen bei Spätfolgen von Kinderlähmung zum Einsatz. Das Unternehmen ist zudem einer der wichtigsten Sponsoren der Paralympics, der Olympischen Spiele für Sportler mit Behinderung. Der Chef heißt Hans Georg Näder. Er führt die Firma in dritter Generation und hat sie groß gemacht. Ich treffe ihn in seinem Berliner Büro am Potsdamer Platz. Aus großen Fenstern kann man weit über die ganze Stadt schauen. In den ersten Minuten des Gesprächs wirkt der Mann mit dem grauen Wuschelkopf zurückhaltend, beinahe schüchtern. Dann redet er sich warm, lässt sich tragen von seiner Begeisterung für Technik und für Menschen. Er berichtet vom Leichtathleten Heinrich Popow und beginnt zu schwärmen: „Der Mann zeigt: Du kannst alles schaffen, wenn du dich nur anstrengst.“ Popow war gerade neun Jahre alt, als ihm das linke Bein amputiert werden musste. Seinen Traum, Sportler zu werden, gab er trotzdem nicht auf. Bei den Paralympics in Peking gewann er die Silbermedaille im 100-Meter-Lauf – mit einer Prothese, die von Otto Bock gefertigt wurde. Das scheinbar Unmögliche möglich machen, das versprach Näder auch seinen eigenen Mitarbeitern in Deutschland. Während andere Unternehmen einen großen Teil ihrer Produktion ins Ausland verlagerten, sagte Näder im Jahr 2006 zu, seine Werke in Duderstadt und Königsee sogar noch auszubauen. Als Gegenleistung sollten die rund 2000 Beschäftigten künftig 42 statt bisher 40 Stunden in der Woche arbeiten – ohne Lohnausgleich. Der Pakt funktionierte. Näder investierte zweistellige Millionenbeträge und steigerte die Zahl der Mitarbeiter sogar, während andere Firmen Kündigungen schrieben. Verlässlichkeit für seine Beschäftigten ist nicht nur für Hans Georg Näder ein wichtiges Pfund. Spezialisierte Fachkräfte werden in Deutschland immer knapper. Nach Schätzungen des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) fehlen lan- Vater der PlaymobilMännchen: Horst Brandstätter führte die kleinen Plastikfiguren zum Welterfolg desweit allein 66 000 Ingenieure. Es gibt immer mehr Alte und immer weniger Nachwuchs im Land. Schon bald werden sich gut ausgebildete Gesellen und Akademiker ihren Arbeitgeber aussuchen können. Familienunternehmen haben dann einen entscheidenden Vorteil: Anders als große Konzerne sind sie ohne Imageschaden durch die Wirtschaftskrise gekommen. Bei Umfragen in der Bevölkerung gelten sie als krisenfest und als verlässliche Arbeitgeber. Kein Wunder, dass einer Studie der Stiftung Familienunternehmen zufolge immerhin 31 Prozent der Deutschen eine hohe Meinung von Unternehmern haben. Die Manager von Konzernen werden dagegen nur von 17 Prozent geachtet. In der Theorie können sich immerhin 60 Prozent der Erwerbstätigen vorstellen, einmal selbst Unternehmer zu werden, sich also selbstständig zu machen. Nur die wenigsten setzen diesen Wunsch dann aber auch in die Tat um. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes sind nur 9,5 Prozent der Erwerbstätigen ihr eigener Chef. Ein Unternehmen mit eigenen Beschäftigten führen sogar nur 4,3 Prozent der Menschen im Land, also nicht mal jeder Zwanzigste. Da bleibt für findige Gründer mit guten Ideen allemal noch Platz, ihr eigenes Familienunternehmen aufzubauen. Mit Glück und Geschick schaffen sie heute eine Marke von morgen. Schließlich haben auch die Familien Hüls oder Leibinger oder so bekannte Unternehmer wie Haribo-Gründer Hans Riegel oder der Erfinder von Playmobil, Horst Brandstätter, einmal klein angefangen. 19. D E Z E M B E R 2 010 W E LT A M S O N N TAG KINDERLEICHT 87 N R . 51 Weihnachtsmann im Trabi: Heute ist der Wagen nur noch für originelle Auftritte gut DDP IMAGES/DAPD/HARALD TITTEL Wo kommt der Fortschritt her? Technische Entwicklung braucht den Wettbewerb – und den gibt nur, wenn es Unternehmer gibt Der Trabi war ein schlechtes Auto – weil der Hersteller in der DDR nie gezwungen war, ein besseres zu entwickeln T FLORIAN RINKE A ls sich nach dem Mauerfall die Grenze nach Westdeutschland öffnete, knatterten bald die Zweitaktmotoren der ostdeutschen Trabis über die Straßen. Für die Ostdeutschen, die ihr Land jahrelang kaum verlassen konnten, war das eine aufregende Fahrt. Endlich konnten sie wieder Verwandte und Freunde besuchen, endlich Köln, München oder Hamburg besichtigen. Doch viele Westdeutsche lachten über die Trabis, machten Witze und nannten sie „Plastikbomber“, weil ihre Karosserie aus Kunststoff war. In Westdeutschland gab es viel mehr Autohersteller, und die hatten über die Jahre bessere Autos entwickelt. Wenn der eine Autohersteller etwas Neues erfand, dann versuchte der andere, bei seinem nächsten Fahrzeug wieder etwas besser zu machen. In der DDR gab es diese Konkurrenz nicht – und damit auch keinen Antrieb für den Hersteller, das Auto besser zu machen. Der Trabi ist ein Beispiel dafür, was passiert, wenn es keine Unternehmer gibt. Das verlorene Gefühl für Geschmack Für Karl-Heinz Paqué ist das eine schlimme Vorstellung. Er ist Wirtschaftswissenschaftler und leitet das Institut für internationale Wirtschaft an der Universität in Magdeburg. In seinem Buch „Die Bilanz“ hat er die deutsche Einheit untersucht. Das Ziel der sozialistischen Planwirtschaft in Ostdeutschland sei Technik ohne Unternehmertum gewesen, schreibt Paqué. Dadurch sei viel Schaden angerichtet worden, denn das Unternehmertum sei dadurch verschwunden: „Ein Unternehmer setzt neue Ideen in Produkte um, die er dann auf nationalen Märkten anbietet oder international vertreibt.“ Ohne Unternehmertum könne es auf Dauer keinen Fortschritt geben, so seine These. Es heißt ja nicht umsonst „Konkurrenz belebt das Geschäft“. In der DDR war dies jedoch nicht gewollt. Außer dem Trabi gab es nur noch Wartburg. Am Anfang waren die beiden Modelle auch gar nicht schlecht, sie konnten mit den westdeutschen Autos locker mithalten. Doch je länger die Mauer zwischen West- und Ostdeutschland stand, desto größer wurden die Unterschiede. Im Osten wurden die Autos kaum weiterentwickelt. Da es keine Auswahl gab, konnten die Leute ja sowieso nur diese Wagen kaufen. „Und irgendwann verliert die Bevölkerung ihr Gefühl für Geschmack“, sagt Paqué, der von 2002 bis 2006 FDPFinanzminister in Sachsen-Anhalt war. Auch die Unternehmer verlernten ohne Konkurrenzsituation vieles, was sie vorher konnten: „Die Menschen richten sich im System ein, weil der scharfe Wind des Wettbewerbs fehlt. Man vergisst einfach, sich anzustrengen, weil man nicht Teil des marktwirtschaftlichen Lebens ist.“ Talente brauchen Förderung Auch in vielen anderen Ländern gab es sozialistische Planwirtschaft: In Polen, Tschechien oder Ungarn seien ähnliche Entwicklungen zu beobachten. Auch bei der tschechischen Automarke Skoda ver- Das 26-PS-Auto Das DDR-Auto Trabant blieb in den 60er-Jahren stehen ebbten mit dem Einzug der Planwirtschaft Fortschritt und Unternehmergeist. Zwar ist die Marke inzwischen wieder sehr erfolgreich. „Skoda ist heute aber auch VW. Da ist nichts mehr drin von Skoda, obwohl sie jahrzehntelang technisch führend waren“, sagt Paqué. Den Herstellern des Trabis blieb ebenfalls irgendwann nichts anderes übrig, als ihre Motoren auszutauschen und auf die Motoren des VW-Polo zu setzen. Dabei gab es viele gut ausgebildete Ingenieure in der DDR. Doch es fehlten die Unternehmer, die diese Talente weckten. Für Paqué ist dies der Grund, warum die Wirtschaft im Osten zugrunde ging: „Es war das fruchtbare Zusammenspiel zwischen unternehmerischer Initiative und technischem Fortschritt, das uns immer wirtschaftlich vorangebracht hat.“ Dass im Osten nach und nach die breite Produktpalette verschwand, führte zu Problemen, als die Grenzen geöffnet und Deutschland wiedervereinigt wurde. Plötzlich mussten ostdeutsche Produkte wieder mit anderen konkurrieren – mit Waren aus Westdeutschland, Japan, den USA und dem Rest der Welt. „Es fehlte jedoch einfach die Fähigkeit, diese Produkte auf dem Weltmarkt anzubieten. Man lebte ja lange wie unter einer Käseglocke“, sagt Paqué. nur einfach keine konkurrenzfähigen Produkte, die er anbieten konnte.“ Rotkäppchen Sekt gelang es schließlich, sich zu behaupten – dank beherzter Unternehmer: Der angestellte Geschäftsführer stieg als Teilhaber ein, andere folgten. 1959 kommt eine modernere Variante, der Trabant 500 kommt auf den Markt. 1963 erhält der Trabant in der Version 600 mehr Hubraum. Er hat jetzt 23 PS. 1964 folgt der längere, aber zugleich leichtere Trabant 601. 1968 bekommt der Trabi drei PS hinzu. Weitere Verbesserungen scheitern an politischem Widerstand oder wirtschaftlichen Schwierigkeiten. 1991 wird der letzte Trabi produziert. Die Trabi-Modelle P 600 (links, mit Dachzelt) und P 50 Das Schlimmste, was abgeschotteten Märkten passieren kann, sei eine Krise in der benachbarten Marktwirtschaft. In Krisen kommt es nämlich immer zu Neuordnungen. Wie Anfang der 70erJahre, als die westliche Welt eine Ölkrise erlebte, weil die arabischen Staaten weniger Öl lieferten. Plötzlich wurde Benzin knapp und daher teurer. Die Leute wollten aber weiter Auto fahren – und kauften Wagen, die weniger Benzin verbrauchten. „Die Unternehmer haben ihre Produkte systematisch umgestellt“, sagt Paqué: „Diesen Prozess hat der Osten nicht mitgemacht. Er ist einfach auf seiner alten Technik sitzen geblieben.“ Auch Rotkäppchen Sekt hat das erlebt. Plötzlich konnten Kunden wechseln zu Mumm, Henkell Trocken oder Freixenet statt wie bisher immer nur die DDRMarke zu kaufen. Rotkäppchen verkaufte 1990 nur noch knapp sieben Millionen Flaschen. Ein Jahr vorher waren es doppelt so viele. In der DDR war das Unternehmen sicher, nun musste es sich mit den anderen Marken messen. „Der Unternehmer in Ostdeutschland war nach dem Mauerfall ja nicht zu blöd, er hatte CLUB DER VISIONÄRE (4) SCHOELLER&VON REHLINGEN Margarete Steiff hat das Plüschtier erfunden. Es wurde nach einem US-Präsidenten benannt Bär 55PB hieß der erste Stoffbär der Margarete Steiff GmbH – 55 cm groß, aus Plüsch und beweglich. 1902 war das – und der Markt für Stofftiere ein sehr kleiner. Ein amerikanischer Einkäufer aber ist entzückt. Er bestellt 3000 Stück, und so beginnt der weiche Bär mit der Eroberung der Welt. Dass er Teddy heißt, verdankt er dem damaligen US-Präsidenten Theodore Roosevelt. Um sich vor Nachahmern zu schützen, entwickelt die Firma den Kopf im Ohr ihrer Stofftiere, das Markenzeichen bis heute. Margarete Steiff, die Gründerin, hat sich ihren Erfolg hart erkämpft: Seit sie als Mädchen krank war, sind ihre Beine gelähmt, ihren rechten Arm kann sie nur unter Schmerzen bewegen. der Unternehmergeist in den Osten zurückkehrt. „Man merkt, dass heute die Innovationskraft wieder langsam entsteht“, sagt Paqué. Für den Trabi allerdings kam das zu spät. Der letzte rollte am 23. April 1991 vom Band. ANZEIGE Krisen brauchen Unternehmer 1957 läuft der Trabant P50 vom Band. Er ist dank der Karosserie aus Harz und Baumwolle leicht und rostresistent. Zum ersten Mal machte Rotkäppchen Werbung, investierte in neue Produkte, kaufte eine Abfüllanlage für Piccolo-Flaschen. Mit Erfolg: Zehn Jahre später übernahm Rotkäppchen die Konkurrenzmarke Mumm. Das Beispiel zeigt, dass + 88 KINDERLEICHT W E LT A M S O N N TAG N R . 51 19. D E Z E M B E R 2 010 Markenzeichen in Blau-Weiß-Rot: der Bionade-Kronkorken Die Eltern waren erfolgreiche Unternehmer. Doch irgendwann konnte die kleine Brauerei aus der Rhön nicht mehr mithalten mit den großen Braukonzernen und ihrem Millionenmarketing T Peter Kowalsky kennt sowohl Gelingen als auch Scheitern von zu Hause. Und noch eines hat er gelernt: Man muss hart arbeiten – aber ein bisschen Glück gehört auch dazu. Wie bei Bionade T braucht man als guter Unternehmer schon: Zehn Jahre lang zogen sie durch das Land und redeten sich den Mund fusselig. Irgendwann konnten sie den Besitzer einer Hamburger Szenebar überzeugen. Dessen Kunden waren begeistert, erzählten ihren Freunden und Kollegen davon – und die Glückssträhne der Kowalskys begann. Auch dank der Tatsache, dass sich später Rhönsprudel, ein anderer Getränkehersteller aus der Umgebung, an Bionade beteiligte, konnte das Unternehmen in den kommenden Jahren mächtig wachsen. ILEANA GRABITZ E Es gab Zeiten, sagt Peter Kowalsky, da habe er sich jeden Gang ins Dorf gut überlegt: An jeder Ecke in dem 3500-Einwohner-Ort Ostheim vor der Rhön schienen sie ihm, dem Sohn der ortsansässigen Brauereifamilie, aufzulauern: „Egal ob beim Handwerker, beim Bäcker oder beim Tankstellenbesitzer – überall hatten wir Schulden“, erinnert er sich. „Und sobald einer von uns in die Stadt ging, wurden wir angesprochen, wo denn das Geld blieb.“ Wie ein Spießrutenlauf muss es gewesen sein, und am schlimmsten, sagt Kowalsky, war es in der Weihnachtszeit – wenn die Kaufleute ihre Jahresabrechnung machen und wenn jeder selbst Geld brauchte, um Geschenke für die Familie zu kaufen. Da konnte selbst der geduldigste Gläubiger recht ungemütlich werden. Auch jetzt nähert sich Weihnachten, aber mit solchen Sorgen muss sich der Mann mit dem krausen Schopf und den stahlblauen Augen heute nicht mehr herumplagen: 42 Jahre alt ist er inzwischen, verheiratet, Vater einer 13-jährigen Tochter – und in vielen Gegenden Deutschlands bekannt als einer, der trotz vieler Widrigkeiten an eine unternehmerische Idee geglaubt und die Kultbrause Bionade groß gemacht hat. Noch Ende der 90er-Jahre kannte kaum jemand das Erfrischungsgetränk, das wie Bier gebraut wird, aber keinen Alkohol enthält und in Geschmacksrichtungen wie Quitte, Holunder oder Kräuter zu haben ist. Heute kann man die Flaschen mit dem blauweiß-roten Kronkorken in vielen Städten landauf und landab kaufen. Im Jahr 2008 wurden 160 Millionen Flaschen dieses Getränks unter die Leute gebracht. Im Vergleich zum Weltkonzern Coca-Cola, der den deutschen Markt pro Jahr mit Milliarden Pullen flutet, ist das natürlich ein Klacks. Für einen kleinen Betrieb ist das eine beträchtliche Menge. Krise in der Brauerei Dass Kowalsky einmal so erfolgreich sein würde, hätten ihm wohl die wenigsten seiner Schulkameraden zugetraut – zu groß waren die Probleme der Peter-Brauerei, die schon seit mehr als 180 Jahren im Familienbesitz ist und Kowalskys Eltern, seinen Großeltern und sogar schon seinen Urgroßeltern ein gutes Leben ermöglicht hatte. Der Mann, der noch immer sehr jungenhaft aussieht, kann sich noch gut an sorglose Zeiten erinnern, als der elterliche Betrieb gut lief: Als erfolgreiche Unternehmer waren seine Eltern überall gern gesehene Gäste – „daher wurden wir sehr oft zu Festen eingeladen“, erinnert sich Kowalsky, „für mich als Kind war das toll.“ Wer erfolgreich ist, heißt es ja nicht ohne Grund, hat viele Freunde. Dass sich das manchmal schlagartig ändert, wenn das Geschäft mal nicht so gut läuft, mussten auch die Kowalskys erfahren. Denn je älter Peter und sein Bruder wurden, desto größer wurden auch die Probleme der Brauerei. Das hatte auch damit zu tun, dass einige große deutsche Bierhersteller wie etwa Krombacher viel Geld ausgaben, um im Fernsehen Werbung für ihre Produkte zu machen. Die kleine Pe- Arbeiten, wenn die anderen feiern ter-Brauerei konnte da nicht mithalten. Und so verloren viele Kunden der Kowalskys plötzlich das Interesse an dem Bier aus der fränkischen Provinz. Was für die Verbraucher nicht mehr als eine Modeentscheidung war, wurde für Peter Kowalsky und seine Familie schnell zu einer Bedrohung ihrer Existenz. Weil sie immer weniger Bier verkaufen konnten, fehlte ihnen das Geld, um ihre Rechnungen zu bezahlen. Um trotzdem den Alltag zu bestreiten, machten sie Schulden über Schulden und suchten händeringend nach alternativen Verdienstmöglichkeiten, um die finanziellen Löcher zu stopfen – ein täglicher Kampf, der viel Kraft kostete. Dass Kowalsky heute entspannt lächelnd in dem Haus seiner Kindheit sitzen kann und gemeinsam mit seiner Mutter und seinem Bruder Millionen Getränkeflaschen quer durch ganz Deutschland verschickt, zeigt, wie wechselhaft ein Unternehmerleben sein kann. Wie nah Auf und Ab manchmal beieinander liegen. Wie schnell einer aufsteigen kann – und wie schnell einstiger Erfolg auch wieder verfliegt. Das Auf und Ab gehört dazu Peter Kowalsky kommt aus einer Brauerfamilie, die einmal fast pleite war. Da erfand sie ein neues Getränk. Nur wollte das am Anfang niemand haben FRANKA BRUNS/AP; BIONADE Rettung durch Innovation Dass er heute ist, wo er ist, hat Peter Kowalsky vor allem seinem Stiefvater Dieter Leipold zu verdanken: Schon in den 80er-Jahren, als Bioprodukte nur vereinzelt in den Läden zu finden waren, hatte der zweite Mann seiner Mutter die Idee, eine chemiefreie Limonade aus natürlichen Zutaten zu brauen und so der Brauerei eine neue Perspektive zu verschaffen. Mehr als zehn Jahre lang tüftelte der Erfinder an dieser Idee – bis 1996 die erste Bionade in der eigenen Brauerei abgefüllt werden konnte. Der Erfinder hatte seine Arbeit getan, aber nun waren Peter Kowalsky und seine Mutter dran: Ohne Peter Kowalsky mit wirklich genau zu wissen, den Produkten, die wie man ein neues Proihm und seiner Famidukt am besten verkauft, lie den Erfolg zuzogen die beiden los, um rückbrachten ihre neue Ware anzupreisen. Einfach war das nicht gerade: Zu Beginn ernteten sie oft verständnislose Blicke von den Getränkehändlern, als sie ihre Getränke anboten. Eine Biobrause, dachten die wohl, wo es doch Fanta, Sinalco und Sprite gibt – wer braucht das schon? Kowalsky und seine Mutter glaubten trotzdem an die Idee des Mannes/Stiefvaters, und das sollte sich auszahlen. Beharrlichkeit + CLUB DER VISIONÄRE (5) Marc Zuckerberg hat ein soziales Netzwerk erfunden Nun, ob Marc Zuckerberg wirklich Facebook so richtig erfunden hat, ist Ansichtssache. Zumindest hat er sich auch von anderen anregen lassen. Aber er hat das Unternehmen offiziell gegründet. Das war 2004. Zuckerberg war 19 Jahre alt und Student an der amerikanischen Harvard-Universität. Zwei Jahre später brach er sein Studium ab. Anfänglich durften nur Studenten Facebook nutzen. Über eine In- ternetseite tauschten sie Informationen darüber aus, was sie gerade machten und planten. Später öffnete Zuckerberg sein soziales Netzwerk auch für NichtStudenten. Jeder durfte nun mitmachen, Fotos veröffentlichen und Nachrichten an Mitglieder versenden. Die Nutzerzahl wuchs schnell. Heute sind es bereits mehr als eine halbe Milliarde Menschen. Nur Google und Microsoft ziehen weltweit mehr Nutzer an als Facebook. Alle Welt wartet nun auf einen Börsengang des Unternehmens. Denn bisher ist es im Privatbesitz. Deswegen muss Facebook auch nicht veröffentlichen, wie viel Geld es verdient. Schätzungen zufolge wird Zuckerberg in diesem Jahr etwa zwei Milliarden Dollar dafür bekommen, dass er Werbung auf Facebook zulässt. IMPRESSUM Chefredakteur: Jan-Eric Peters Redaktion: Anette Dowideit, Florian Eder, Olaf Gersemann (ViSdP), Daniel Zwick Creative Director: Brian O’Connor Layout: Anika Grebe, Manfred Pollmann, Diemo Schwarzenberg Infografik: Karin Sturm Anzeigen: Philipp Zwez (ViSdP), Stefanie Scheuer ([email protected]) „Zehn Jahre der belächelte Spinner zu sein, der schräge Geschichten erzählt, war nicht schön“, sagt Kowalsky im Rückblick auf die schwierigen Anfangsjahre. Dass er trotzdem weitermachte, habe „auch etwas mit dem Glauben an die eigene Idee und natürlich mit Selbstbewusstsein zu tun“, meint er. Wie viele Unternehmersprösslinge lernte auch er von Kindesbeinen an, dass hartes Arbeiten einfach dazugehört und dass man nicht bei jedem Problem den Kopf in den Sand stecken darf: Kowalskys Eltern waren tagaus, tagein mit der Brauerei beschäftigt, sie ernährte ja die gesamte Familie. Da war es nur selbstverständlich, dass auch Peter und sein drei Jahre jüngerer Bruder Stephan anpackten, wo und wann immer Hilfe benötigt wurde. In den Schulferien, wenn ihre Schulkameraden in den Urlaub fuhren, halfen die Jungs dabei, Flaschen zu sortieren und Kisten zu schleppen. Und als später das Geld in der Familie knapp wurde, verbrachten die beiden Brüder jede freie Minute in der Dorfdisco – aber nicht mit Tanzen: Mutter und Stiefvater hatten das Lokal auf der Suche nach neuen Einkommensquellen gegründet. „Unsere Schulkameraden kamen zum Trinken, wir haben gearbeitet“, sagt Kowalsky. „Für uns war das völlig normal.“ Harte Arbeit gehört genauso dazu wie das Festhalten an einer Idee, resümiert der Mann im gestreiften, sauber gebügelten Hemd. „Aber auch ein bisschen Glück kann sehr hilfreich sein“, sagt er. Keiner hätte voraussehen können, dass der Bioboom gerade dann einsetzte, als er und seine Familie mit Bionade an den Markt gingen. „Wir kamen genau zum richtigen Zeitpunkt, um das Marktpotenzial auszuschöpfen.“ Garantiert ist gar nichts Ein paar Jahre lang ging es für die Kowalskys nur noch bergauf, doch im Alltag muss der junge Unternehmer immer wieder erfahren, dass unternehmerischer Erfolg keine Selbstverständlichkeit ist und jeden Tag aufs Neue verdient werden muss. So versuchen immer mehr Getränkehersteller, den Erfolg von Bionade nachzuahmen. Die Konkurrenz ist also stark gewachsen. Nach einer kräftigen Preiserhöhung im Jahr 2008 wandten sich außerdem etliche ehemalige Bionade-Fans von dem Getränk ab – das alles sind Probleme, die Peter Kowalsky nicht abstreitet. Er will sie allerdings auch nicht überbewertet sehen. „Rückschläge gehören dazu“, sagt er offen. „Wir wussten immer, dass der gigantische Erfolgskurs der vergangenen Jahre nicht der Normalzustand ist.“ Trotz der Widrigkeiten hat sich Kowalsky auch für die nächste Zukunft einiges vorgenommen: Vor einem Jahr holten er und die Bionade-Miteigentümer die viel größere Radeberger Gruppe an Bord, die zum Oetker-Konzern gehört, und gründeten ein Gemeinschaftsunternehmen. Bionade ist darin der kleinere Gesellschafter – hat sich aber zum Ziel gesetzt, das Getränk auch in anderen Ländern zu einem Erfolg zu machen.