Mietrenditen Ost West - Eigennutzer

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Mietrenditen Ost West - Eigennutzer
Allianz Dresdner Economic Research
Working Paper
Nr.: 67, 12.6.2006
Autor:
David F. Milleker
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Deutsche Wohnimmobilien:
Preissteigerungen stehen bevor
Einleitung und Zusammenfassung
In puncto Wohnimmobilien hat Deutschland in den letzten Jahren eine Sonderstellung eingenommen. Während im Ausland die Preise in die Höhe schossen, herrschte hierzulande Stagnation. Im
vorliegenden Beitrag analysieren wir die Gründe für diese Entwicklung, die stark mit den im Zuge
der deutschen Wiedervereinigung sowohl im Immobilienbestand als auch in der Bauwirtschaft aufgebauten Überkapazitäten zusammenhängen.
Deutsche Hauspreise: Stagnation im internationalen Boom
Preise für Wohnimmobilien in Relation zum Pro-KopfEinkommen
Index 1991 = 100
220
200
180
Deutschland
Großbritannien
USA
160
140
120
100
80
1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004
Quelle: Nationale Statistiken, eigene Berechnungen
1
Der Blick auf die nationalen Preisaggregate lässt auch zu leicht übersehen, dass Deutschland seit
der Wiedervereinigung eigentlich zwei grundverschiedene Immobilienmärkte aufweist – einen
westdeutschen mit leicht steigenden und einen ostdeutschen mit stark fallenden Preisen. Die Differenzen zwischen beiden ergeben sich insbesondere aus der spezifischen „Lageprämie“ des jeweiligen Immobilienmarktes. Im speziellen Falle Ostdeutschlands belasten insbesondere hohe Leerstandsquoten und eine ungünstige demographische Entwicklung.
Eine genauere Analyse der Preisentwicklung von Wohnimmobilien in der näheren Zukunft kommt
zu sehr interessanten Befunden:
•
Erstens haben unsere Kollegen von der Deutschen Gesellschaft für Immobilienfonds (Degi) auf Basis der geschätzten Quadratmeterpreise der Transaktionen von großen Immobilienpaketen einen klaren Aufwärtstrend bei den Preisen feststellen können.
•
Zweitens zeigt eine Untersuchung der Mietrenditen (Verhältnis von Mietzahlung zu Kaufpreis), dass diese in Deutschland nicht nur klar über dem internationalen Durchschnitt liegen, sondern auch deutlich höher als etwa der Marktzins für eine Festzinshypothek mit
10jähriger Laufzeit. Aufgrund dieser Konstellation ist auch durchaus kritisch zu hinterfragen, ob die Akquisitionen internationaler Investoren auf dem Markt für Mietimmobilien tatsächlich nur so kurzfristiger Natur sein müssen, wie gemeinhin kolportiert.
•
Drittens zeigt sich erstmals nach fast zehnjähriger Stagnationszeit ein Anziehen der Bauaktivität. Aufgrund des engen Zusammenhangs zwischen Baukosten einerseits und Immobilienpreisen andererseits deutet auch dieses Faktum auf anziehende Immobilienpreise
hin.
Determinanten der Immobilienpreisbildung
Das ifo-Institut schrieb in einem Ende 2005 veröffentlichten Gutachten für immobilienwirtschaftliche
Forschung (Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienwirtschaft, Zeitschrift für Immobilienökonomie, Sonderausgabe 2005):
„Immobilien weisen eine Reihe von Charakteristika auf, die bei anderen Gütern nicht oder nicht in
gleich starker Ausprägung anzutreffen sind:
•
Standortgebundenheit und Sichtbarkeit bzw. optische Präsenz,
•
lange Lebensdauer von hochgradig heterogenen Unikaten,
•
auf der Wertbeständigkeit und strengen Formalien basierende Funktionen als Anlageobjekte
und deren Beleihbarkeit,
•
sowie nachhaltige Prägung der Umwelt und der Lebensbedingungen“.
Diese Form der Charakterisierung werden wir im Folgenden unter dem Begriff „Lageprämie“ zusammenfassen. Hierunter verstehen wir den ökonomischen Wert einer Immobilie, der sich etwa
aus der Bevölkerungsdichte oder der regionalen Einkommensentwicklung herleitet. Die Lageprämie ist folglich eng gekoppelt an die Standortqualität einer einzelnen Immobilie.
2
Daneben – und häufig übersehen – gibt es freilich auch die zwischen Regionen „transportierbare“
Komponente der Immobilienpreisentwicklung in Form von Gestehungskosten. Dieser Block ist eng
verbunden mit der Preissetzungsfähigkeit der Bauwirtschaft. Denn für den einzelnen Interessenten
stellt sich stets die Frage, ob er sich ein neues Objekt erbauen lässt oder ein bereits bestehendes
erwirbt. Baufirmen sind beim Angebot ihrer Leistung örtlich fast vollständig flexibel . Eine vollständige Abkopplung der Kaufpreise auf dem Wohnungsmarkt von den Baukosten ist somit kaum vorstellbar.
Deutschlands gespaltener Immobilienmarkt und das Problem der „doppelten
Überkapazität“
Wer sich die national aggregierten Immobilienpreismaße anschaut, kommt schnell zu einem einfachen Befund: In Deutschland stagnieren die Preise für Wohnimmobilien seit zehn Jahren, ebenso
die Baukosten wie sie vom Statistischen Bundesamt ausgewiesen werden. In Relation zu den ProKopf-Einkommen sind sie sogar um 15 % gesunken.
Diese einfache Feststellung verdeckt freilich eine massive Diskrepanz der Wohnimmobilienpreise
zwischen den westlichen und den östlichen Bundesländern, wie sie etwa aus den nach Bundesländern aufgeschlüsselten Indizes des Instituts für Städtebau, Wohnungswirtschaft und Bausparwesen (IFS) abzulesen ist.
Wohnimmobilienpreise: der große West-Ost Unterschied
Preise für Eigenheime
Index 1995 = 100
110
Westdeutschland
105
Ostdeutschland
100
95
90
85
80
1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004
Quelle: Institut für Städtebau, Wohnungswirtschaft und Bausparwesen
Nach den Daten des IFS sind die Preise für Eigentumswohnimmobilien seit 1995 in den westlichen
Bundesländern um gut 4 % angestiegen, in den östlichen dagegen um 17 % gefallen. Diese doch
immense Abweichung zwischen den Landesteilen lässt sich fast vollständig durch den Faktor La3
geprämie erklären. An erster Stelle sind hier die demographischen Trends zu nennen. So verlieren
die neuen Bundesländern seit Jahren aufgrund der schlechteren Aussichten auf dem Arbeitsmarkt
und den noch bestehenden Lohnunterschieden Einwohner und bleiben auch mit den Geburtenzahlen deutlich hinter den Zahlen im Westen zurück. Kristof Dascher von der Universität Frankfurt/Oder (Zum Abriss des Wohnungsleerstands oder: Schilda in ostdeutschen Städten, Jahrbücher
für Nationalökonomie und Statistik, 2005, S. 482-498) weist in diesem Zusammenhang etwa darauf
hin, dass viele ostdeutsche Städte seit 1989 mehr als ein Viertel ihrer Einwohner verloren haben.
Der Ost-West Unterschied: Demographie
Änderung der Bevölkerungszahl 2004
Tausend
Lebendgeburten
pro 1,000 Einwohner
Baden-Württem berg
Ham burg
Bayern
Baden-Württem berg
Hessen
Bremen
Niedersachsen
Bayern
Schlesw ig-Holstein
Niedersachsen
Rheinland-Pfalz
Hessen
Ham burg
Nordrhein-Westfalen
Brem en
Berlin
Berlin
Schlesw ig-Holstein
Nordrhein-Westfalen
Rheinland-Pfalz
Saarland
Saarland
Brandenburg
Mecklenburg-Vorpom m ern
Mecklenburg-Vorpom mern
Sachsen
Thüringen
Thüringen
Sachsen
Brandenburg
Sachsen-Anhalt
-40
Sachsen-Anhalt
-30 -20
-10
0
10
20
30
5
6
7
8
9
10
Quelle: Statistisches Bundesamt
Der zweite zentrale Unterschied zwischen alten und neuen Bundesländern ist an der Schnittstelle
zwischen Lageprämie und Gestehungskosten zu suchen: in gleichzeitig bestehenden Überkapazitäten sowohl in der Bauwirtschaft als auch im Wohnungsbestand. 1991 beginnend zog der enorme
Modernisierungsbedarf im Wohnungsbestand der neuen Bundesländer, gepaart mit üppigen Steuererleichterungen in Form von Abschreibungserleichterungen einen veritablen Investitionsboom
nach sich. Innerhalb von nur vier Jahren verdoppelten sich die realen Wohnungsbauinvestitionen
Ost. Entsprechend auftretende Kapazitätsengpässe im Bausektor zogen erhebliche Kosten und
auch überregional auftretende Steigerungen bei den Gestehungskosten nach sich.
Bevölkerungsschwund einerseits und hohe Bauaktivität und die damit verbundene Bestandsausweitung andererseits zogen in den neuen Bundesländern stark steigende Leerstandsquoten nach
sich. 1995 endete der Bauboom und ein bis 2005 anhaltender Schrumpfungsprozess setzte ein.
Inzwischen liegt das Niveau der realen Bauinvestitionen wieder etwa auf dem Ausgangsniveau des
4
Jahres 1991. Der Schrumpfungsprozess der Bauwirtschaft in den neuen Ländern zog dann entsprechend eine anhaltende Stagnation der Baukosten in ganz Deutschland nach sich. Diese strahlte ebenso wie der Boom der frühen neunziger Jahre auch auf die alten Bundesländer aus und
Der Ost-West Unterschied:
Bauwirtschaft und Leerstandsquoten
Reale Bauinvestitionen
Index 1991 = 100
Leerstandsquoten
18%
225
16%
205
14%
185
12%
165
10%
145
8%
125
6%
105
4%
2%
85
1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003
Ost
West
0%
1994
1996
1998
2000
2002
2004
Quellen: Statistisches Bundesamt, GdW
dämpfte dort – trotz steigender Lageprämie in Folge von Bevölkerungs- und Einkommenszuwachs
– die Preise für Wohnimmobilien .
Bei der Bewertung des Problems der „doppelten Überkapazität“ deuten die letzten verfügbaren
Indikatoren darauf hin, dass Deutschland zumindest auf gutem Wege zu einer nachhaltigen Erholung der Bauwirtschaft ist (siehe unten). Im Zweifelsfall verbliebe somit nur noch das Problem der
Überkapazität im Bestand. Die deutsche Stadtentwicklungspolitik hat zuletzt verstärkt – etwa im
Rahmen des Programms „Stadtumbau Ost“ (geplanter Abriss von 350.000 Wohneinheiten) – darauf gesetzt, durch einen staatlich subventionierten Abriss auch dieses Problem anzugehen. In der
Tat scheinen sich hier erste Erfolge einzustellen. So hatte die Leerstandsquote 2002 16,5 % erreicht und befindet sich seither auf dem Rückzug. Im Zusammenhang mit der Bereinigung der Bestandsüberkapazitäten ist der gezielte Abriss als durchaus sinnvolle Maßnahme zu sehen, auch
wenn sich aus anderen Perspektiven (Ordnungspolitik oder dem nicht immer simultan stattfindenden Rückbau von Infrastruktur – das Paradebeispiel ist hier Leipzig mit seiner Entkernungspolitik)
durchaus kritische Fragen stellen.
5
Preissteigerung durch Auftreten internationaler Investoren
In den vergangenen beiden Jahren ist der deutsche Immobilienmarkt in das Visier ausländischer
Anlagegesellschaften geraten. Überschlagsweise dürften nach Medienberichten in den Jahren
2004 und 2005 Immobilienpakete im Volumen von je rund 250.000 bis 300.000 Wohneinheiten den
Besitzer gewechselt haben. Nach Schätzungen etwa der Eurohyp könnten in den nächsten Jahren
zwischen einem Drittel und der Hälfte der 9,8 Millionen Wohnobjekte, die sich derzeit in kommunalem oder gewerblichem Besitz befinden, den Eigentümer wechseln. Während dabei die Grundintention der Verkäufer relativ klar ist (Heben von Bilanzreserven, Stopfen kommunaler Finanzlöcher), blieben bislang sowohl die Motive der Käufer als auch die Auswirkungen auf die Entwicklung
der Wohnimmobilienpreise weitestgehend im Dunklen. Auf die Kaufmotive werden wir in einer Untersuchung der Mietrenditen im nachfolgenden Abschnitt noch näher eingehen. Inzwischen liegen
jedoch erste Erkenntnisse zu den Auswirkungen auf die Immobilienpreise in Deutschland vor, die
recht hoffnungsvoll stimmen.
Internationale Investoren üben Preisdruck aus
Geschätzter Kaufpreis pro Quadratmeter
900
800
Post-Wohnungen HoechstWohnungen
RWE/ Dt. Annington
Wohnbau Rhein-Main
Hegemag, Südhessen
2
R = 0.3806
GAGFAH/ Fortress
RSE Grundbesitz
700
Bremen
KWG, Kiel
600
Heimstätte
Rheinland-Pfalz
500
Petrusw erk, Berlin
Blackstone/ WCM
Thyssen/ Morgan Stanley
Bau-Verein zu
Bonn
Eisenbahnerw ohnungen
Lübeck
GSW / Cerberus
Opel-Wohnungen
Gehag, Berlin
Wilhelmshaven
GWK, Braunschw eig
400
Salzgitter (Preussag)
300
Mrz
Mar97
97
Jul
98
Jul 98
Dez
99
Dec 99
Apr01
01
Apr
Sep
02
Sep 02
Jan
04
Jan 04
Mai 05
05
May
Okt 06
06
Oct
Quelle: Degi Research
Unsere Kollegen von der Degi Research (Thomas Beyerle: Der deutsche Immobilienmarkt im Visier ausländischer Investmentgesellschaften, Vortrag am 7. Juni 2005, Frankfurt/Main) haben insgesamt 28 Transaktionen von größeren Wohnungsportfolien zwischen Anfang 1997 und Mitte 2005
hinsichtlich des geschätzten Quadratmeterkaufpreises ausgewertet und daraus einen durchschnittlichen Preistrend abgeleitet. Die hohe regionale Streuung der Lageprämien der Objekte führt zwar
zu einer relativ schwachen Korrelation, dennoch zeigt sich recht deutlich, dass sich seit der Jahreswende 2004/05 eine Überwindung der Preisbaisse abzeichnet und ein doch merklicher Aufwärtstrend herauskristallisiert. Dies deckt sich mit den Ergebnissen etwa des Wohnimmobilienindex der BulwienGesa AG (Immobilienindex 1975 bis 2005, Januar 2006), der für 2005 erstmals seit
6
2001 wieder einen leichten Anstieg der Immobilienpreise konstatiert, wobei Wohnimmobilienpreise
einen Anstieg um 0,3 % verzeichnen konnten. Das Auftreten von Großkäufern aus dem Ausland
kann somit als sicherlich eher begünstigend auf die Preisentwicklung angesehen werden.
Standortvorteil Deutschland: Hohe Mietrenditen
In unseren bisherigen Studien (etwa Thomas Beyerle/David F. Milleker: Die private Wohnimmobilie
in 2030: Phoenix aus der Asche?, Allianz Group Economics Working Paper Nr. 40/2005) konnten
wir auf Basis der Mietkomponente im Verbraucherpreisindex und nationalen Indizes zur Preisentwicklung von Wohnimmobilien bereits klar identifizieren, dass Deutschland als einziger Markt im
internationalen Vergleich sogar einen leichten Anstieg der Mietrendite um 2 % gegenüber dem
Ausgangsjahr 1995 aufweist. In Großbritannien erreichte die Mietrendite 2004 dagegen ein Niveau
von nur 40 % gegenüber dem Basisjahr 1995, in Schweden ein Niveau von 56 % und in den USA
lag dieser Wert bei 72 %. Der deutliche Rückgang der Renditen in den Vergleichsländern reflektiert
einen Anstieg der Immobilienpreise, mit dem die Mieten nicht haben Schritt halten können. Das
zunehmende Absinken der Mietrenditen in anderen Industriestaaten erklärt sicherlich zu einem
wesentlichen Teil die steigende Attraktivität des deutschen Wohnimmobilienmarktes.
Auf Basis von Daten des sozio-ökonomischen Panels des DIW (entnommen aus Dascher, a.a.O.),
dem Eigentumsimmobilienindex des IFS und des Pestel-Instituts haben wir für Deutschland eigene
Schätzungen zur absoluten Höhe der Mietrendite vorgenommen. Auf dieser Grundlage kommen
wir zu dem Ergebnis, dass die Mietrendite im gesamtdeutschen Durchschnitt im Jahr 2004 bei
5,4 % lag. Auffällig ist dabei insbesondere, dass die Mietrendite in Ostdeutschland mit 5,9 % deutlich oberhalb der westdeutschen von 5,3 % liegt. Der Grund dafür ist, dass zwar das Mietniveau in
den neuen Bundesländern 6 % unter dem der alten Länder liegt, die Preise für Eigentumswohnungen dagegen um 16 % niedriger liegen. Per saldo ergibt sich somit ein Renditevorsprung Ostdeutschlands gegenüber dem Westen von 11 %. Dies gilt allerdings nur unter der Prämisse, dass
die Wohnung auch tatsächlich vermietet (oder im Sinne von Opportunitätskosten) auch selbst genutzt wird. Wie bereits angeführt kann aber genau diese Bedingung aufgrund der hohen Leerstandsquoten in den neuen Bundesländern nicht als gegeben unterstellt werden.
Wir haben dementsprechend zusätzlich noch eine Bereinigung der Mietrenditen um die Leerstandsquote vorgenommen. Diese ist in einer rein multiplikativen Form vorgenommen worden, was
der stark vereinfachenden Annahme einer Gleichverteilung des Leerstandsrisikos bei allen Wohnimmobilien entspricht. Auf Basis dieser „leerstandsadjustierten Mietrenditen“ ergeben sich Werte
von 5,1 % in Westdeutschland und 5,0 % in Ostdeutschland.
Die Frage, weshalb sich die „leerstandsadjustierten Mietrenditen“ in Ost- und Westdeutschland im
nahezu vollständigen Gleichlauf befinden, wird in der wissenschaftlichen Literatur insbesondere im
Zusammenhang mit dem Stadtumbauprogramm Ost kontrovers diskutiert. Aus der Logik eines
vollständigen Wettbewerbsmodells heraus, ist das Zusammentreffen hoher Leerstandsquoten einerseits und steigender Mieten andererseits kaum zu erklären. Ebenso scheint gerade aufgrund
7
des hochgradig lokalen Charakters von Immobilienmärkten eine renditeausgleichende Arbitrage
zwischen Teilmärkten prima facie nicht unmittelbar einleuchtend. Dennoch legt der empirische
Befund nahe, dass bei annähernd gleicher Mietrendite zwischen alten und neuen Bundesländern,
fallende Preise für Wohneigentum als Ausgleichsmechanismus für deutlich steigende Mieten gewirkt haben. Der verbindende Faktor zwischen den regionalen Mietrenditen ist aber schnell in Form
des (weitgehend) einheitlichen Hypothekenzinses gefunden, dem sich beide Teilmärkte im deutschen Bankensystem gegenübersehen. Denn liegt die Mietrendite ober- oder unterhalb des geltenden Hypothekenzinses, so werden Grenzkäufer entweder in den Markt attrahiert oder werden
eben gerade von der Kaufentscheidung abgehalten. Gerade bei Immobilienindizes, die faktische
Immobilienumsätze und nicht die (Buch-)Bewertung durch den Besitzer zur Grundlage haben (wie
beim Eigentumsimmobilienindex des IFS), wirken sich Änderungen im marginalen Kaufanreiz unmittelbar auch in Preisänderungen aus. Somit ist die Erklärung des Zusammentreffens von hohen
Leerstandsquoten und deutlich steigenden Mieten für die Erklärung der Entwicklung in den neuen
Bundesländern von zentraler Bedeutung. Gegenüber dem reinen Wettbewerbsmodell ist eine solche Parameterkonstellation nur unter Einbeziehung von Marktunvollkommenheiten erklärbar. In
diesem Zusammenhang vertritt etwa Kristof Dascher (a.a.O.) die These eines „strategischen Leerstands“ im Kontext von oligopolistisch organisierten Märkten für Mietobjekte infolge der unzureichenden Wohnungsprivatisierung nach dem Mauerfall in den neuen Bundesländern. Diese oligopolistischen Marktstrukturen ermöglichen es den Vermietungsgesellschaften im Rahmen ihres Gewinnmaximierungs- oder Verlustminimierungskalküls nicht markträumende Mietpreise durchzusetzen. In einer Replik auf den Beitrag von Dascher argumentiert Wolfgang Maenning (im Erscheinen)
von der Universität Hamburg, dass es erstens keine Inzidenz dafür gäbe, dass selbst deutliche
Mietreduktionen zur Leerstandsbeseitigung ausreichen würden, zweitens aufgrund von Reservationsniveaus bei den Mietpreisen (etwa Instandhaltung und Weiterbetrieb) selbst ohne Wettbewerbsbeschränkungen dauerhafte Leerstände auftreten könnten und drittens eine öffentliche Förderung des Abrisses von Leerständen aufgrund von externen Effekten sinnvoll sein könne.
Bei der normativen Bewertung des Stadtumbaus Ost erscheint uns vor dem Hintergrund des demographischen Wandels der von Wolfgang Maenning zurecht angesprochene Faktor externer
Effekte von herausragender Bedeutung. Im Zuge des demographischen Wandels und des bereits
heute in den neuen Bundesländern wie auch im ländlichen Raum zu verzeichnenden absoluten
Rückgangs im Bevölkerungsniveau – zusätzlich zu der Verschiebung in der Altersstruktur – stehen
diese Regionen vor besonderen Herausforderungen. Dazu zählt in besonderem Maße die Entwicklung einer bedarfsgerechten und kostenadäquaten Infrastruktur. Worunter konkret a) der Umbau zu
einer auf eine altersgerechte, b) verminderte und c) auf den Siedlungskern reduzierte Infrastruktur
zu verstehen ist. Dies erfordert den Rückbau von der Peripherie, wo die Immobiliensubstanz meist
jünger ist als im Siedlungskern und gleichzeitig zumeist auch eine heterogenere Eigentümerstruktur anzutreffen ist. Ein solch idealtypischer Rückbau ist freilich politisch wesentlich schwieriger zu
organisieren als eine Stadtentkernung, wie sie etwa gegenwärtig in Leipzig praktiziert wird. Das
„Modell“ Leipzig zeichnet sich freilich dadurch aus, dass eine Besiedlungsverdünnung bei einem
weitgehend unveränderten Infrastrukturbestand (Strom-, Gas- und Wasserleitungen bleiben im
8
Boden) vorgenommen wird. Dies hat zur Folge, dass langfristig enorm steigende Pro-Kopf-Kosten
für Infrastruktur entstehen. Vor diesem Hintergrund geht es um weit mehr, als einfach nur um die
Beseitigung bestehenden Leerstands, um das Mietniveau oder Immobilienpreise zu stabilisieren,
sondern um den Einsatz von Instrumenten zur gezielten längerfristigen Stadtentwicklung in Räumen in der eine Bevölkerungsschrumpfung nicht nur absehbar, sondern bereits Realität ist.
Nach diesem Exkurs zu einigen Besonderheiten des ostdeutschen Immobilienmarktes, kommen
wir wieder zurück zu den Mietrenditen. Wie bereits erwähnt, spielt die Differenz zwischen der Mietrendite und dem aktuellen Hypothekenzins eine wichtige Rolle für die Entwicklung der Immobilienpreise. Ist die Differenz positiv, so werden neue Grenzkäufer in den Markt eintreten, da sich der
Erwerb einer Immobilie neben Überlegungen aufgrund der persönlichen Lebenslage und/oder Vorlieben auch finanziell „rechnet“. Denn faktisch ergibt sich für den Käufer entweder im Falle der Eigennutzung eine Ersparnis oder im Falle der Vermietung ein positiver Ertrag.
Mietrendite West seit 2004 wieder über Hypothekenzins
Prozent
14
3,5
13
Differenz (Prozentpunkte, rechte Achse)
3,0
12
Festzinshypothek mit 10 Jahren Laufzeit
2,5
11
Mietrendite Westdeutschland
2,0
10
1,5
9
1,0
8
0,5
7
0,0
6
-0,5
5
-1,0
4
-1,5
1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005
Quelle: Deutsche Bundesbank, Statistisches Bundesamt, IFS, eigene Berechnungen
Die vorangehende Grafik stellt unsere Berechnungen zur (nichtadjustierten) Mietrendite in den
westdeutschen Bundesländern dem jeweils von der Bundesbank ausgewiesenen Zinssatz für eine
Hypothek mit 10 Jahren Laufzeit gegenüber. Die Balken veranschaulichen dabei nochmals die
Differenz. Augenfällig ist, dass der Immobilienboom der frühen neunziger Jahre ein merkliches
Abschmelzen der Mietrenditen in Relation zum Hypothekenzins nach sich gezogen hat. Zwischen
1995 und 2003 gab es sogar nur zwei Jahre (1998 und 1999) mit einer leicht positiven Differenz.
Die Stagnation der westdeutschen Immobilienpreise dürfte mithin auch dadurch zu erklären sein,
dass der finanzielle Anreiz zum Eigentumserwerb zu gering gewesen ist. In den letzten Jahren
haben jedoch eine Trendwende bei den Mietrenditen ins Positive wie auch ein deutlicher Rückgang
9
bei den Hypothekenzinsen zu einer spürbaren Verbesserung der Kaufanreize geführt. Je nachdem,
ob man leerstandsunbereinigte oder bereinigte Mietrendite zugrundelegt, konnte im vergangenen
Jahr – im Falle einer vollständigen Fremdfinanzierung – ein kalkulatorischer Gewinn von 100 oder
80 Basispunkten erzielt werden. Das ist durchaus vergleichbar mit dem Spread, der sich etwa zwischen Unternehmens- und Staatsanleihen im vergangenen Jahr verdienen ließ.
Vor dem Hintergrund dieser günstigen Finanzierungssituation, in welche noch nicht einmal mögliche zusätzliche Ertragssteigerungen etwa durch ein effizienteres Gebäudemanagement oder mögliche Mietsteigerungen eingerechnet sind, lässt sich die gemeinhin vertretene These eines nur auf
kurze Zeit befristeten Engagements der ausländischen Investmentgesellschaften durchaus kritisch
hinterfragen, zumal sich derartige Transaktionen bislang primär auf „demographiesichere“ große
westdeutsche Ballungszentren konzentriert haben. Unsere Kollegen von der Degi (Neue Perspektiven – Marktreport Deutschland 2006) weisen zudem noch darauf hin, dass private Wohnungsunternehmen im Vergleich zu öffentlichen Gesellschaften ein aktiveres und effizienteres Management
durchführen können. Dabei steigen die Einsparungspotenziale mit der Größe des verwalteten Portfolios („Skaleneffekt“). Diese Kostenersparnis, zu der auch noch ein überdurchschnittliches Knowhow über strukturierte Finanzierungsprozesse kommt, dürfte sich bei einer Anhebung der Mieten
vom unterdurchschnittlichen Niveau, das bei öffentlichen Mietunternehmen als üblich unterstellt
werden kann, auf den Marktdurchschnitt zu einer deutlich überdurchschnittlichen Rendite der ausländischen Investoren kombinieren.
Ein weiterer Zustrom von Käufern in den Markt wird freilich nur dann erfolgen, wenn die Differenz
zwischen Mietrendite und Hypothekenzins nicht schnell wieder durch steigende Immobilienpreise
wegarbitragiert oder anziehende Hypothekenzinsen erodiert wird.
Hinsichtlich der Immobilienpreise spricht zwar gegenwärtig viel für eine Überwindung der Stagnation. Allerdings sollten sowohl die geringe Aktivität bei der Bestandserweiterung (welche auch durch
die Neujustierung der Wohnungsförderung durch die Bundesregierung verstärkt wird) als auch der
bundesweit bis 2020 noch zu erwartende Anstieg der absoluten Anzahl der Haushalte zu einem
weiteren Rückgang der Leerstandsquoten und somit tendenziell zu einer wenigstens konstanten,
wenn nicht sogar leicht steigenden Mietrendite führen. Bei den Marktzinsen ist das Bild dagegen
nicht ganz so ungetrübt. Die für dieses Jahr weiter zu erwartenden Zinsanhebungen der Europäischen Zentralbank dürften das bereits wieder anziehende Zinsniveau auf dem Hypothekenmarkt
weiter in die Höhe treiben. Allerdings ist dabei nicht zu erwarten, dass die Differenz zwischen Mietrendite und Zins sich wieder ins Negative verkehrt.
Deutsche Bauwirtschaft belebt sich wieder
Neben der Lageprämie und der Mietrendite sind die Baukosten eine weitere Determinante der Immobilienpreisentwicklung. Dies liegt daran, dass jeder Neuerwerber vor der Entscheidung steht,
entweder ein Objekt neu zu erstellen oder eines aus dem Bestand heraus zu erwerben. Bis vor
einigen Jahren gab es aus den steuerpolitischen Rahmenbedingungen sogar einen leichten Anreiz
10
zur Bestandsausweitung, da Neubauobjekte stärker gefördert wurden als der Kauf von Bestandsobjekten. Seit Beginn der achtziger Jahre wurden diese Anreize jedoch sukzessive nivelliert (Abschaffung der Steuerbegünstigung des Bauherrenmodells, Umstellung von der degressiven auf die
lineare Absetzung für Abnutzung, Gleichstellung bei der Eigenheimzulage). Mit dem Maßnahmenkatalog des Koalitionsvertrages 2005 ist die Wohnungspolitik nun dazu übergegangen, der Instandhaltung des Bestandes größeres Gewicht als der Erweiterung beizumessen (Abschaffung der
Eigenheimzulage bei Förderung der Renovierung).
Die nachfolgende Grafik veranschaulicht den Zusammenhang zwischen Baukosten und Wohnimmobilienpreis. Die Bauwirtschaft macht knapp über 4 % der deutschen Wirtschaftsleistung aus und
sieht sich einer stark zinssensitiven Nachfrage gegenüber. Kommt es – wie Anfang der neunziger
Jahre – zu einem Bauboom, greifen Kapazitätsrestriktionen und die Preise steigen schnell an. Wie
in den meisten anderen Sektoren bestehen freilich nominale Preisrigiditäten nach unten. Daraus
erklärt sich, dass trotz der Krise der Bauwirtschaft seit 1995 nur ein sehr moderater Preisrückgang
im Bau zu verzeichnen gewesen war . Die Immobilienpreise sind langsam in das Baukostenniveau
„hineingewachsen“. Von besonderem Interesse ist der leichte Anstieg der Baukosten in den vergangenen beiden Jahren. Zwar ist es durchaus möglich, dass ein beträchtlicher Teil dieses Anstiegs die Steigerung der Energiepreise (Beton als zentraler Inputfaktor ist sehr energieintensiv)
reflektiert, aber schon die Möglichkeit zur Preisüberwälzung in diesem Sektor wäre nach zehn Jahren der Schrumpfung eine echte Neuigkeit.
Zusammenhang zwischen Baukosten und Immobilienpreis
Index 1987 = 100
150
150
145
145
140
140
135
135
130
130
125
125
120
120
115
115
Baukosten
110
105
Immobilienpreis (rechte Achse)
105
100
19
88
19
89
19
90
19
91
19
92
19
93
19
94
19
95
19
96
19
97
19
98
19
99
20
00
20
01
20
02
20
03
20
04
20
05
19
87
100
110
Quelle: Statistisches Bundesamt, GesaBulwien
Eine genauere Analyse des Auftragseingangs in der Bauwirtschaft zeigt ebenfalls deutliche Stabilisierungstendenzen. Insbesondere beim gewerblichen Bau gibt es mittlerweile eine deutliche Aufwärtstendenz seit sich der Leerstand stabilisiert und eine Trendwende bei den Spitzenmieten etab11
liert hat. Im Segment des öffentlichen Baus scheint sich zudem langsam die bessere kommunale
Finanzausstattung – aufgrund einer Stabilisierung der Gewerbesteuereinnahmen sowie deutlicher
Kostenentlastungen im Zuge der Arbeitsmarktreformen – positiv bemerkbar zu machen. Einzig der
Wohnungsbau zeigt weiter eine leicht rückläufige Tendenz.
Für die preislichen Perspektiven von Wohnimmobilien ist letzteres freilich ein positives Zeichen.
Denn der bislang zu verzeichnende Rückgang bei den Leerstandsquoten war wesentlich das Ergebnis eines gezielten Abrisses im Zuge des Stadtumbauprogramms. Die Nachfrageentwicklung
im Wohnungsbau wird die Tendenz zu fallendem Leerstand und damit die Höhe der Lageprämie
bei verbesserten Mietpreisperspektiven weiter unterstützen. Steigen aufgrund von stärkerer Nachfrageentwicklung in anderen Immobiliensegmenten gleichzeitig die Baukosten, so sind alle Kernparameter für den Wohnimmobilienmarkt aufwärts gerichtet. Die Weichen für eine positive Deutschland-Story bei Wohnimmobilienpreisen scheinen somit gestellt.
Deutsche Bauwirtschaft: Stabilisierung auf niedrigem Niveau
Auftragseingang nach Gebäudeart
Index Januar 1992 = 100, gleitendes 12-Monatsmittel
200
180
160
140
120
100
80
60
40
Wohnungsbau
20
Öffentlicher Bau
0
1992
1993
1994
1995
Gewerblicher Bau
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
Quelle: Statistisches Bundesamt
12