«Es braucht einen guten Mittelweg zwischen Nähe und Distanz»
Transcription
«Es braucht einen guten Mittelweg zwischen Nähe und Distanz»
Männer in der Kinderbetreuung «Es braucht einen guten Mittelweg zwischen Nähe und Distanz» Vom Drucktechnologen zum Fachmann Betreuung Fachrichtung Kinderbetreuung: Manuel Boss hat sich mit 25 Jahren für eine berufliche Neuausrichtung entschieden. In seinem neuen Berufsfeld fühlt er sich sehr wohl. Er schätzt die Vielseitigkeit und die Intensität seines Arbeitsalltags. Peter Brand Herr Boss, Sie haben eine Erstausbildung als Drucktechnologe absolviert. Nun sind Sie auf dem Weg in die Kinderbetreuung. Was hat Sie zu diesem Schritt motiviert? Nach der Lehre arbeitete ich dreieinhalb Jahre auf meinem angestammten Beruf. Ich spürte, dass die Branche stark im Umbruch ist. Es wird Personal abgebaut und zunehmend im Ausland produziert. Das schien mir für meine Zukunft zu wenig attraktiv. Parallel dazu trainierte ich eine Jugendmannschaft im Volleyball. Der Umgang mit Jugendlichen gefiel mir so gut, dass ich über einen Umstieg nachzudenken begann. Ich ging schnuppern und entschied mich für einen Neuanfang. Ist im richtigen Berufsfeld gelandet: Manuel Boss. Sie absolvieren eine zweijährige Ausbildung für Erwachsene. Wie ist sie strukturiert? Jeden Montag besuche ich den Unterricht an der Berufs-, Fach- und Fortbildungsschule BFF Bern. Die restlichen vier Wochentage arbeite ich in einer Tagesschule der Stadt Biel. Zusätzlich besuche ich die überbetrieblichen Kurse. Die Schule bietet zudem das Modul «Animation» an, das wir über die gesamten zwei Jahre hinweg belegen. Darin lernen wir, wie wir die Kinder motivieren und begeistern können. Welche Inhalte werden Ihnen an der Schule vermittelt? An der BFF Bern lerne ich die theore tischen Grundlagen meines Berufes. Es geht um die Entwicklung der Kinder, um ihre Betreuung, aber auch um Kommunikation und Organisation. Der Stoff wird uns sehr praxisnah vermittelt. Wir reflektieren in der Schule sozusagen den praktischen Alltag und können unsere Arbeitssituationen in den Unterricht einbringen. Umgekehrt kann ich bei der Arbeit mutig etwas ausprobieren, das ich im Unterricht kennen gelernt habe. Wie erleben Sie die praktische Arbeit an der Tagesschule? Das ist mein eigentliches Kerngeschäft. Die Aufgaben sind sehr vielseitig: Mal bin ich Gesprächspartner für ein Kind, mal Aufgabenhilfe, Animator, Turnlehrer oder auch Küchenhilfe. Ich beobachte die Kinder in ihrem Tun, sodass ich ihre Fähigkeiten einschätzen und ihnen einen möglichst optimalen Impuls geben kann. Ich muss bei der Arbeit flexibel und trotzdem genau sein. Männer in der Kinderbetreuung sind nach wie vor Mangelware. Wie lebt es sich als Mann in diesem Berufsfeld? Gut, aber auch speziell. Die Kinder kommen mit anderen Anliegen auf mich zu. Einfach weil ich ein Mann bin. Sie stellen viele Fragen – angefangen vom Sport bis hin zur Religion. Es interessiert sie einfach zu hören, was ein Mann dazu meint. Da entstehen ganz andere Diskussionen als mit Frauen. Die Jungs wollen mit mir auch eher Fussball spielen, während sie mit meiner Kollegin vielleicht basteln. Alleine fühle ich mich unter so vielen Frauen nie, denn wir haben ein gutes Team. Das hilft, sich als Mann in einem frauendominierten Umfeld wohlzufühlen. Für die Kinder sind Sie eine willkommene Bereicherung. Wie begegnet Ihnen das Umfeld – sind Sie mitunter auch Vorurteilen oder Misstrauen ausgesetzt? Als Mann mit Kindern zu arbeiten, ist immer noch etwas Aussergewöhnliches. Man steht zwar nicht gerade unter Generalverdacht, ein Belästiger zu sein, aber es gibt schon Vorurteile. Wir arbeiten daher so transparent wie möglich. Alle sollen sehen, was wir genau machen, nichts soll versteckt sein. Gehen wir beispielsweise baden, achten wir auf eine strikte Trennung der Geschlechter. Werden Sie als Mann in der Ausbildung speziell begleitet? Die Schule legt grossen Wert auf das Thema und unterstützt uns Männer dabei, wach und offen zu sein. Es braucht einen guten Mittelweg zwischen Nähe und Distanz. Kommt mir eine Situation zu nahe, muss ich dies im Team anmelden können, damit eine andere Person die Aufgabe übernehmen kann. Welches sind die Highlights Ihres Schulund Arbeitsalltags? Ich schätze es ausserordentlich, dass jeder Tag wieder anders ist. Die Abwechslung ist gross, der Alltag spannend und herausfordernd. Ich arbeite mit Menschen – da muss ich flexibel sein und immer einen klaren Kopf haben, um adäquat reagieren zu können. Ich staune jeden Tag aufs Neue über das, was im Alltag alles auf mich zukommt – was die Kinder erzählen, wie schnell die Zeit verfliegt. Diese Intensität kannte ich in diesem Ausmass nicht. Im Sommer schliessen Sie Ihre Ausbildung ab. Wie sehen Ihre beruflichen Zukunftspläne aus? Nach dem Lehrabschluss möchte ich auf dem Beruf arbeiten und Geld verdienen. Später kann ich mir gut vorstellen, das Studium zum Sozialpädagogen zu absolvieren. So gesehen wird es auch darum gehen, einen Arbeitgeber zu finden, der diese Pläne unterstützt. [email protected] Quereinstieg in die Betreuungsarbeit Dieses Projekt ist Teil des nationalen Projektes «MaKi – Mehr Männer in die Kinderbetreuung», welches vom Dachverband der Schweizer Männer- und Väterorganisationen lanciert wurde, um den Männeranteil in der Kinder betreuung zu erhöhen. Es begleitet Männer, die sich beruflich neu ausrichten möchten auf dem Weg zum Fachmann Betreuung EFZ oder zu einem entsprechenden Abschluss auf der Tertiärstufe. Mehr zum Projekt: www.quereinstieg-betreuung.ch Kontakt: Schweizerisches Institut für Männeru. Geschlechterfragen, Andreas Borter, [email protected], 079 746 39 62 «espace einsteiger» ist eine Dienstleistung der Espace Media AG und des Mittelschul- und Berufsbildungsamtes des Kantons Bern und wird in Zusammenarbeit mit folgenden Partnern realisiert: BEKB | BCBE (www.bekb.ch) • Die Schweizerische Post, Berufsbildung (www.post.ch/lehrstellen oder 0848 85 8000) • Berufsbildung Bundesverwaltung (www.epa.admin.ch/dienstleistungen/lehrstellenangebote) • Meyer Burger AG (www.meyerburger.com)