Die Pendlerpauschale in Österreich

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Die Pendlerpauschale in Österreich
Die Pendlerpauschale in Österreich
- ungerecht und unökologisch
NR Georg Willi
Verkehrssprecher der Grünen
Jänner 2015
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Die Pendlerpauschale ist ein sog. Freibetrag. Das heißt: der/die Arbeitnehmer_in erhält diesen
Betrag nicht in vollem Umfang, sondern die Lohnsteuerbemessungsgrundlage wird um diesen
Betrag gesenkt. Somit ist auf den Betrag der Pendlerpauschale keine Lohnsteuer zu
entrichten. Je nach Steuerklasse beträgt die tatsächliche Steuerersparnis somit 36,5 bis 50 %
des Betrages der Pendlerpauschale.
1) Allgemeines
Grundsätzlich sind die Fahrtkosten für den Arbeitsweg mit dem Verkehrsabsetzbetrag von
291 Euro abgegolten, der mit der Lohnabrechnung automatisch berücksichtigt wird.
Zusätzlich können Arbeitnehmer_innen unter bestimmten Voraussetzungen die kleine oder
große Pendlerpauschale und seit 2013 auch den Pendlereuro geltend machen.
2) Die kleine Pendlerpauschale
Die kleine Pendlerpauschale steht zu, wenn folgende drei Kriterien erfüllt werden:
 der Arbeitsplatz liegt mindestens 20 km von der Wohnung entfernt (einfache
Wegstrecke)
 an mindestens 11 Tagen im Monat gependelt wird (anders für Teilzeitbeschäftigte)
 die Benützung von Öffis ist an den überwiegenden Tagen und auf der überwiegenden
Strecke möglich und zumutbar
Die Benützung ist dann überwiegend zumutbar, wenn auf mindestens der Hälfte des
Arbeitsweges öffentliche Verkehrsmittel verkehren und die zumutbare Fahrtdauer nicht
überschritten wird.
Die Beträge zur kleinen Pendlerpauschale sind seit 2011 unverändert:
Kilometer
monatlich
jährlich
58 Euro
696 Euro
mehr als 40 bis 60 km
113 Euro
1.356 Euro
mehr als 60 km
168 Euro
2.016 Euro
mindestens 20 bis 40 km
3) Die große Pendlerpauschale
Die große Pendlerpauschale steht zu, wenn folgende drei Kriterien erfüllt werden:
 der Arbeitsplatz liegt mehr als 2 km von der Wohnung entfernt (einfache
Wegstrecke)
 an mindestens 11 Tagen im Monat gependelt wird (anders für Teilzeitbeschäftigte)
 im Lohnzahlungszeitraum ist die Benützung von Öffis an den überwiegenden Tagen
oder auf der überwiegenden Strecke unzumutbar.
Die Benützung ist dann überwiegend unzumutbar, wenn auf der Hälfte des Arbeitsweges kein
öffentliches Verkehrsmittel verkehrt oder die zumutbare Fahrtdauer mit öffentlichen
Verkehrsmitteln überschritten wird. Ebenfalls anspruchsberechtigt sind Personen mit einer
starken Gehbehinderung ab 50%, Blindheit oder einer schweren Sehbehinderung.
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Die Beträge zur großen Pendlerpauschale sind seit 2011 unverändert:
Kilometer
monatlich
jährlich
31 Euro
372 Euro
mehr als 20 bis 40 km
123 Euro
1.476 Euro
mehr als 40 bis 60 km
214 Euro
2.568 Euro
mehr als 60 km
306 Euro
3.672 Euro
mindestens 2 bis 20 km
4) Wann sind öffentliche Verkehrsmittel nicht zumutbar?
Um zu klären, ob öffentliche Verkehrsmittel zumutbar sind oder nicht, ist zuerst die
Fahrtdauer zu ermitteln, die der/die Arbeitnehmer_in mit öffentlichen Verkehrsmitteln
benötigen würde. Die Fahrtdauer errechnet sich aus der Summe der Zeit, die für folgende
Teilstrecken aufgebracht werden muss:
 Wegzeit von der Wohnung bis zur Einstiegsstelle des Öffis (zu Fuß, Rad, oder aber
auch dem PKW)
 Fahrtdauer des öffentlichen Verkehrsmittels (es ist vom schnellsten Verkehrsmittel
auszugehen, z.B. Bahn statt Bus)
 Wartezeit beim Umsteigen
 Wegzeit von der Ausstiegsstelle zum Arbeitsplatz
 Wartezeit auf den Arbeitsbeginn (bei Gleitzeit ist der Arbeitsbeginn bzw. das
Arbeitsende an die Benützungsmöglichkeiten des Massenverkehrsmittels anzupassen)
Bei der Heimfahrt wird in umgekehrter Reihenfolge gerechnet. Seit 2014 gilt als maximal
zumutbare Fahrtdauer für öffentliche Verkehrsmittel folgende Regelung:
Öffentliche Verkehrsmittel sind dann zumutbar:
 wenn für die einfache Wegstrecke mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht mehr als 60
Minuten benötigt werden oder
 wenn die Fahrzeit der einfachen Wegstrecke zwar mehr als 60 Minuten beträgt, jedoch
weniger als 120 Minuten, kommt es darauf an, wie weit Wohn- und Arbeitsadresse
voneinander entfernt liegen: Diese Distanz in km entspricht der Zeit in Minuten, die
zum Ausgangswert von 60 Minuten hinzugezählt wird. Beispiel: Bei einer einfachen
Wegstrecke von 25 km von zu Hause zur Arbeit sind öffentliche Verkehrsmittel dann
zumutbar, wenn man mit ihnen nicht länger als 85 Minuten (25 Minuten + 60 Minuten)
zur Arbeit braucht.
 Wenn die Fahrzeit der einfachen Wegstrecke mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht
mehr als 120 Minuten beträgt.
Wenn öffentliche Verkehrsmittel nach diesen Kriterien zumutbar sind, besteht bei einer
einfachen Wegstrecke bis zu 20 km kein Anspruch auf Pendlerpauschale. Bei einer
einfachen Wegstrecke von mehr als 20 km ist das Kriterium für die kleine Pendlerpauschale
gegeben.
Die Berechnung, ob und welche Pendlerpauschale dem/der Arbeitnehmer_in zusteht, hat seit
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2014 mit dem Pendlerrechner zu erfolgen. Dieser ist auf der Homepage des
Finanzministeriums unter www.bmf.gv.at/pendlerrechner abrufbar. Der Pendlerrechner
berechnet die Pendlerpauschale anhand der oben angeführten Kriterien.
Und da kommt mitunter folgendes heraus :-)
Wird der Arbeitsbeginn um eine halbe Stunde verschoben, kommt plötzlich keine
Pendlerpauschale heraus.
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5) Pendlerzuschlag für Geringverdiener
Wer als Geringverdiener keine Lohnsteuer entrichten muss, kann nicht direkt vom
Pendlerpauschale profitieren. Allerdings besteht ein Anspruch auf den sogenannten
Pendlerzuschlag. Dieser Pendlerzuschlag bewirkt, dass Geringverdiener eine höhere
Negativsteuer vom Finanzamt erhalten können, auch wenn keine Lohnsteuer entrichtet
wurde. Dieser wurde 2013 angehoben und beträgt seitdem 290 Euro, sodass Geringverdiener
als Negativsteuer einen Betrag von maximal 400 Euro rückerstattet bekommen.
6) Pendlereuro
Seit 2013 haben alle, die Anspruch auf eine Pendlerpauschale haben, auch Anspruch auf den
Pendlereuro. Die Höhe des Pendlereuros ist von der Entfernung zwischen Wohnort und
Arbeitsstätte abhängig: Diese Distanz in Kilometer und mit zwei multipliziert (für Hin- und
Rückweg) ergibt den Pendlereuro.
Teilzeitbeschäftigte mit maximal zehn Arbeitstagen pro Monat erhalten ein oder zwei Drittel
des Pendlereuros.
7) Sonstiges
 Verwendung eines Dienstfahrzeuges: Seit 1. Mai 2013 haben
Arbeitnehmer_innen, denen ein Dienstfahrzeug zur Verfügung gestellt wird, keinen
Anspruch auf Pendlerpauschale mehr.
 Werksverkehr: Wenn Arbeitnehmer_innen mit einem Firmenbus befördert werden,
haben sie für diese Strecke keinen Anspruch auf Pendlerpauschale und Pendlereuro.
Wenn der/die Arbeitnehmer_in für den Werksverkehr einen Kostenbeitrag leisten
muss, kann dieser bis zur Höhe der jeweiligen Pendlerpauschale geltend gemacht
werden.
 Feier-, Urlaubs- oder Krankenstandstage: Feier-, Urlaubs- oder
Krankenstandstage vermindern die Pendlerpauschale nicht.
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Was heißt das nun alles in der Praxis? Diese Aufstellung zeigt es:
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In den linken Spalten oben befindet sich eine Übersicht über die Höhe der monatlichen
Lohnsteuer bei fünf verschiedenen Einkommenshöhen unter Einberechnung der
Pendlerpauschale in verschiedenen Kategorien. Als Beispiele wurden 5km, 19km, 30km, 42km
und 65km ausgewählt, wobei es bis 20km keine kleine Pendlerpauschale gibt.
Auf der homepage des BMF gibt es einen Brutto-Rechner, mit dem leicht auch noch andere
Einkommensgruppen berechnet werden können
siehe (http://onlinerechner.haude.at/bmf/brutto-netto-rechner.html)
Rechts davon ergibt sich die jährliche Jahressteuerersparnis, wobei bei einem Bruttolohn bis
ca. 1.200 € monatlich keine Lohnsteuer anfällt und sich die Auswirkung daher nur bei der
Sozialversicherung ergibt (Negativsteuer), die aber maximal 290 € beträgt, bei einem
Einkommen in Höhe von 600 € brutto aber nur mehr ca. 87 €.
Da es bei der Negativsteuer keine Unterscheidung gibt, welche Pendlerpauschale zusteht
(Voraussetzung ist, dass zumindest für einen Monat ein Anspruch auf irgendein Pendlerpauschale besteht), ergibt sich die groteske Situation, dass ein/e Arbeitnehmer_in mit einem
Bruttolohn von 1.200 € (wahrlich kein Großverdiener) eine jährliche Steuerersparnis von ca.
280 € hat, ganz egal, ob der Arbeitsweg 30 km, 42 km oder 65 km beträgt. Bei einem
Bruttolohn von 3.000 € beträgt die jährliche Steuerentlastung bei einem Arbeitsweg von 30
km bei der kleinen PP 360 € und bei der großen PP 696 €. Diese Auseinanderentwicklung
setzt sich fort. Bei einem Bruttolohn von 6.000 € monatlich beträgt die Steuerersparnis dann
bei 30 km schon 408 € (kl. PP) bzw. 792 € (gr. PP), bei 42 km 756 € (1.320 €) und bei 65 km
1.128 € (1.848 €).
In den nächsten beiden Zeilen wurden dann die Kosten für ein VVT-Jahresticket angeführt
und dabei auch die Pendlerförderung des Landes Tirol berücksichtigt.
In den unteren Tabellen ergibt sich dann der tatsächliche Aufwand, den ein/e
Arbeitnehmer_in für seine/ihre Fahrten zur Arbeit hat, wenn er/sie diese mit dem öffentlichen
Verkehr zurücklegt – unter Berücksichtigung der steuerlichen Entlastung
Dabei ist es auf Grund der Unzulänglichkeit des Pendlerrechners durchaus möglich, dass die
große Pendlerpauschale zusteht, obwohl tatsächlich Öffis genutzt werden, was eigentlich ein
Widerspruch ist (das hängt u.a. damit zusammen, dass der Pendlerrechner oft den
Stadtverkehr noch mitberücksichtigt, der tatsächlich gar nicht verwendet wird). Es kann ohne
weiteres sein, dass ein Nachbar für dieselbe Arbeitsstecke lt. Pendlerrechner Anspruch auf die
große Pauschale hat und der andere nur auf die kleine, nur weil der Arbeitsbeginn oder das
Arbeitsende geringfügig abweichen (oft nur im Minutenbereich), obwohl beide die gleiche
Wegstrecke zurückzulegen haben. Es kann daher auch bei Benutzung des Öffis ohne weiteres
auch die untere Tabelle mit der großen Pendlerpauschale zutreffen.
In dieser Tabelle wird die soziale Ungerechtigkeit noch augenscheinlicher:
Während der/die Arbeitnehmer_in mit einem Bruttogehalt von 1.200 € bei einer Entfernung
von 30 km immer einen jährlichen Aufwand von mindestens 503 € hat, um zur Arbeit zu
gelangen, hat der 3.000 € brutto verdienende Kollege einen Aufwand von 433 € oder, wenn
ihm die große PP zusteht, nur von 97 €. Der 6.000 € brutto verdienende Arbeitskollege hat
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nur mehr Kosten von 385 € oder im Falle der großen PP praktisch überhaupt keinen
Eigenaufwand mehr (1 €).
Noch krasser wird die Diskrepanz bei noch größerer Entfernung: Da muss der 1.200 €
verdienende Arbeitnehmer schon ganz schön tief in die Tasche greifen (mindestens 684 € bei
42 km und mind. 852 € bei 65 km), während die besser verdienenden Kollegen nur zwischen
218 und 398 € (bei 42 km) bzw. 14 und 278 € (bei 65 km) selbst zu tragen haben. Steht aber
sogar die große Pendlerpauschale zu, dann ist die steuerliche Entlastung bei diesen
Einkommensgruppen sogar höher als der Aufwand für das VVT-Jahresticket.
Ganz besonders benachteiligt sind generell auch jene, die eine Wegstrecke unter 20km
haben, denn sie fallen im schlechtesten Fall (kein Anspruch auf die große PP) um sämtliche
Begünstigungen um: Kein Pendlerpauschale, keine Förderung des Landes, keine Erhöhung
der Negativsteuer. Man sieht in der Aufstellung der Jahreskosten auch, dass bei dieser
Entfernung tatsächlich höhere Jahreskosten entstehen als bei größeren Entfernungen, vor
allem bei Entfernungen knapp unter der 20 km-Grenze. Immerhin kann da das VVTJahresticket auch schon 606 € (und mehr) kosten, die dann der/die Arbeitnehmer_in zur
Gänze selber tragen muss.
Im krassen Widerspruch dazu erhält ein nichtselbständig Beschäftigter, der in der glücklichen
Lage ist, dass er nur 2,1 km von seiner Arbeitsstelle entfernt wohnt und vergleichsweise
niedrige Kosten hat, eine Pendlerpauschale in Höhe von 372 €, wenn die Benutzung eines
Massenbeförderungsmittels nicht zumutbar ist. Er hat so eine Steuerersparnis von ca. 100 bis
200 €.
Fazit
Die derzeitige Pendlerförderung in Österreich ist unsozial und unökologisch. Sie
bevorzugt Gutverdienende und belohnt Autopendler_innen – was im Lichte des
Klimawandels kontraproduktiv ist. Diese „Fehl-Steuerung“ mit Steuergeld ist
daher dringend reformbedürftig.
Insbesondere krankt die Pendlerpauschale an folgenden Mängeln und Schieflagen:
1. Autofahrer_nnen profitieren weit mehr als Öffi-BenutzerInnen:
- Für Auto-Pendler_innen gibt’s Pauschale ab 2 km Pendeldistanz, für ÖffiPendler_innen erst ab 20 km
- Die Pendlerpauschale für Auto-Pendler_innen ist bei gleicher Distanz ca doppelt so
hoch d.h. für Umwelt und Klima doppelt kontraproduktiv
2. Gutverdienende profitieren weit mehr als Wenigverdienende (v.a .weil steuerrechtliche
Gestaltung als Werbungskosten/Freibetrag statt als Absetzbetrag).
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3. Das Ergebnis ist dementsprechend: Ein Gutteil der Fördermittel/des Steuerausfalls
kommt zugute
a) Autopendler_innen mit Wegen zwischen 2 und 20 km
b) Gut- und Bestverdienern
Daher unsere Forderung
 Schluss mit der finanziellen Benachteiligung von Bus- und Bahnfahrer_innen
sowie Wenigverdienern beim Pendeln
 ökologische und soziale Gerechtigkeit bei der Pendlerförderung
Konkrete Punkte für Reform Pendlerpauschale:
• Absetzbetrag statt Werbungskosten bzw. höhere Negativsteuer für Wenigverdiener_innen
• ein einheitlicher km-Satz für Kfz- und Öffi-Pendeln
• Einkommensobergrenze prüfen – zB ab 70.000 Jahresbrutto
Weiterer Pendler-Reform-Punkt:
Das „Jobticket“, das nach jahrelangen Anregungen 2011 endlich eingeführt wurde, hat in der
derzeitigen Form noch viel zu wenige Pendler_innen überzeugt. Das Jobticket muss daher
weiterentwickelt werden, damit Öffi-Benutzer_innen breit davon profitieren können.
So machen es die Deutschen
Die Pendlerpauschale kann von allen Personen geltend gemacht werden, egal ob Sie mit dem
Fahrrad, zu Fuß, mit der Bahn oder mit dem Mähdrescher zur Arbeit gelangen.
Ø Arbeitstage pro Jahr
Entfernung in km*
als Werbungskosten sind absetzbar in €
230
1
69
230
2
138
230
3
207
230
5
345
230
10
690
230
15
1.035
230
20
1.380
230
25
1.725
230
30
2.070
230
35
2.415
9
230
40
2.760
230
45
3.105
230
50
3.450
230
60
4.140
230
70
4.830
230
80
5.520
230
90
6.210
230
100
6.900
* es gilt die einfache Fahrt vom Wohnort zum Arbeitsplatz
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