Beitrag über lltattoo in der BZ lesen
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«genie-1-tattoo» (Ressort: geniessen / Ausgabe: st) Gedruckt von stefanie.christ am 28.01.2013 16:39:54 Süchtig nach Tintenstichen Tattoos sind beliebt wie nie. Viele belassen es nicht bei einem, wollen immer mehr. Warum? Eine Journalistin begibt sich in einem Berner Studio auf Antwortsuche. M arilyn Monroe blickt von einem Bild auf die Wartenden herab. Jemand blättert im Motivbuch. Und im Hintergrund surrt die Nadel. Wo sich einst Rocker, Seemänner oder Verurteilte tummelten, finden sich längst Menschen verschiedenster Couleur ein, um sich stechen zu lassen: im Tattoostudio. Für keinen der Anwesenden an diesem Winterabend ist es die erste Körperverzierung. Nicht für die Journalistin, nicht für die drei Freundinnen, die auf dem roten Samtsofa Platz genommen haben, nicht für den raunenden Kraftprotz, dem Toni Dedai, Inhaber vom Berner Studio «Lebende Legend», gerade das Wort «Life» tätowiert. Kein Wunder also, wird die Kundenbetreuung grossgeschrieben. Während sich das Muskelpaket kurz die Füsse vertritt, nimmt sich Toni Zeit für die Wartenden und hört sich geduldig die unterschiedlichen Tattoowünsche an. «Vom Chirurgen zur Schülerin, vom internationalen Musikstar über den YB-Spieler bis zum Banker – bei mir lassen sich längst alle Gesellschaftsschichten tätowieren», sagt Toni, während er der Journalistin das geplante Tattoo mit schwarzer Tinte auf dem Handgelenk vorzeichnet. Im Hintergrund flimmern seine Werke im digitalen Fotorahmen: Sterne, Äste, Schriftzüge Blüten, Krähen. Die hochgekrempelten Ärmel des römischen Maestro legen die zahlreichen, sich überlagernden Tätowierungen von Toni frei. Wie viele es sind, weiss er längst nicht mehr. Angefangen hat alles im Alter von 14 Jahren, als er sich einen Skorpion – sein Sternzeichen – stechen liess. «An einer Körperstelle, die meine Mutter nicht zu sehen bekam», fügt er schmunzelnd an. Es war nicht nur sein erstes Tattoo, es war auch eine Weichenstellung: «Von da an wollte ich selbst Tätowierer werden», sagt Toni. Dann begrüsst er eine Mutter und ihr Kind, die das Studio betreten. Die Mutter findet den permanenten Körperschmuck «schön». Wie man eben ein Schmuckstück oder einen Schal besonders schön finden kann. Tattoos als Accessoire – eine mögliche Erklärung für die grassierende Sucht. Tätowieren bedeutet Stress und führt deshalb zu einem Adrenalinkick. Ständig ertönt die Türklingel, und Tätowierwillige treten ein in den klinisch sauberen Raum beim Burgernzielkreisel. Während es im Studio noch eines Termins bedarf und man somit die Möglichkeit hat, eine Tätowierung zu überdenken, bietet Toni auch Schnellentschlossenen eine Gelegenheit. So tritt er etwa morgen im Berner Club Le Ciel auf, wo er Partygäste live tätowiert. Wer jetzt denkt, nur besonders Mutige liessen sich dazu hinreissen, irrt. Die Partygäste würfen sich ihm an solchen Events regelrecht an den Hals, erzählt Toni. Im Studio wird jetzt auch wieder tätowiert: Die Journalistin nimmt auf der Liege Platz, der Geruch von Desinfektionsmittel steigt in ihre Nase. Sie kennt das Prozedere, den kratzenden Schmerz. Es ist ihre sechste Tätowierung. Jede steht für eine besonderen Lebensphase. Tätowierungen als Tagebuchersatz, sozusagen. Toni weiss um einen weiteren Grund fürs Mehrfachtätowieren: «Viele geniessen den Schmerz. Das wollen sie immer wieder erfahren.» Tatsächlich bedeutet ein Studiobesuch Stress für den Körper und führt entsprechend zu einem Adrenalinkick. Noch unter Adrenalineinfluss präsentiert die Journalistin das neue Tattoo Freunden. «Ich will auch wieder eins», heisst es unisono. Weil Tätowierungen einfach «schön» seien. Und etwas ganz Persönliches – nicht so wie ein H & M-Schal. Dass sie die Trägerin ein ganzes Leben lang begleiten werden, stört nicht. Auch im runzligen Zustand werden sie an einen speziellen Moment erinnern. Wie ein Tagebucheintrag eben. Stefanie Christ Studio: «Lebende Legend Tattoo», Bern, www.lltattoo.ch. Termine auf Anmeldung. Live-Tätowieren: morgen, Club Le Ciel, Bern, ab 22.30 Uhr. Tätowieren lassen statt Tagebuch schreiben: Ein möglicher Grund für permanenten Körperschmuck. Bilder Susanne Keller TEMPORÄRE TATTOOS Nicht für immer, aber für die ganze Familie Der Maestro: Toni Dedai tätowiert seit drei Jahren in Bern. Die Vorlage: Mit Tinte auf Papier wird ein Abdruck gemacht. Das neue Tattoo: Man erkennt es an der satten Farbe und der Hautrötung. Wer Angst oder Bedenken hat, sich ein richtiges Tattoo stechen zu lassen, also nicht «forever» tätowiert sein möchte, kann auf temporäre Tattoos ausweichen. In der Schweiz produzieren gleich zwei kleine Unternehmen äusserst erfolgreich solche Tätowierungen, die nicht unter die Haut gehen. Tattyoo aus Genf stellt coole und wieder abwaschbare Tattoos mit individuellen Künstlermotiven wie Anker, Hase oder Eule her. Das Unternehmen arbeitet mit zwanzig internationalen Künstlern aus zehn Län- dern zusammen und bietet saisonale Geschenksets an, zurzeit etwa Tattoos für den Valentinstag (siehte Bild). Die Gründerin von Tattly, Tina Roth Eisenberg, stellte erst für ihre Tochter Aufkleber her. Mittlerweile arbeiten für die Appenzellerin und ihre Firma in New York professionelle Illustratoren. Sie vertreibt ihre 250 Designs (u. a. Herzen, Glaces und VW-Busse!) wie Tattyoo (über 50 Tattoos) weltweit. nk www.tattyoo.com; www.tattly.com Abwaschbar: Tattyoos Tattoos. zvg