Erfolgreiche Zusammenarbeit

Transcription

Erfolgreiche Zusammenarbeit
Personal
Erfolgreiche Zusammenarbeit
Zusammenarbeit
mit dem Betriebsrat
Andrea Veerkamp-Walz
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1. Der Nutzen einer konstruktiven Zusammenarbeit
3
2. Voraussetzungen einer guten Zusammenarbeit aus Sicht des Betriebsrats
und der Personalleitung
4
Vertrauen
4
Klare Absprachen und Ziele
4
Wertschätzung
5
Partnerschaftlicher Verhandlungsstil
5
Der Kontext der Unternehmenskultur
7
3. Die besondere Situation des Betriebsrats oder „Gute Leute in den Betriebsrat“
8
Einsicht in wirtschaftliche Zusammenhänge
8
„Auswahl“ des Betriebsrats
8
4. Wirksame Maßnahmen in der Praxis
9
Regelmäßige Gespräche
9
Workshops
9
Gemeinsame Workshops Betriebsrat/Personalleitung
9
Umgang des Betriebsrats untereinander
10
Wie oft sollte ein Betriebsratsgremium kommunizieren? – Beispiel Trumpf
10
5. Die Psychologie der Kommunikation
11
Basiswissen für den allgemeinen Umgang miteinander
11
Transaktionsanalyse
11
Was tun, wenn das Nicht-Funktionieren gut eingespielt ist?
12
Der Nutzen externer Unterstützung
15
Fazit und „Das Suchen nach Schuldigen“
16
2
ERFOLGREICHE ZUSAMMENARBEIT MIT DEM BETRIEBSRAT
Erfolgreiche Zusammenarbeit mit
dem Betriebsrat
Die Grundlagen für diese Broschüre wurden
im Zentralen Arbeitskreis Personal des VDMA
erarbeitet. Die Arbeit an dem Thema hat großen
Spaß gemacht und war für die teilnehmenden
Personalleiter sehr fruchtbar. Ganz besonders
danken möchten wir den tragenden Säulen
dieses Projekts:
Gregor Burchard, Personalleiter bei der
Polysius AG, Beckum (www.polysius.com)
Gerd Duffke, Gesamt- und Konzernbetriebsratsvorsitzender der TRUMPF Werkzeugmaschinen
GmbH + Co. KG, Ditzingen (www.trumpf.com)
Rudolf Munde, Führungskräfte- und Teamentwickler bei Munde und Lanz, Frankfurt
(www.team-ambulanz.de)
Frankfurt im Juli 2007
ERFOLGREICHE ZUSAMMENARBEIT MIT DEM BETRIEBSRAT
1. Der Nutzen einer
konstruktiven Zusammenarbeit
Es gibt viele Unternehmen, in denen die
Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und
Geschäftsleitung als fruchtbar bezeichnet
werden kann, bis hin zu der Situation, dass
die Unternehmensleitung den Betriebsrat als
Multiplikator und Überzeuger nicht missen
möchte. Ein konstruktiver Betriebsrat kann für
ein Unternehmen Gold wert sein. Maßnahmen
zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit, wie
z. B. eine Arbeitszeiterhöhung, sind schneller
und leichter zu erreichen. Aber auch das
normale Tagesgeschäft kostet bei einem guten
Verhältnis sehr viel weniger Zeit und Nerven.
In anderen Unternehmen dagegen empfindet
die Geschäftsleitung den Betriebsrat als Hemmschuh, der nicht in der Lage oder nicht willens
ist, die langfristigen Ziele des Unternehmens zu
verstehen und notwendige bzw. sinnvolle
Maßnahmen mitzutragen. Dann kann es für
das Unternehmen sehr mühsam bis unmöglich
sein, wichtige Änderungen zu erreichen. Wenn
das Verhältnis erst einmal gestört ist, hat der
Betriebsrat durch das Betriebsverfassungsgesetz
viele Möglichkeiten, die Arbeit von Personal- und
Geschäftsleitung zu erschweren. Freilich kann
man in der Regel dann, wenn ein (realistisches)
Bedrohungsszenario besteht, auch viel erreichen,
doch nachhaltiger ist der Erfolg auf Basis eines
kooperativen Verhältnisses.
Für den Erfolg eines Unternehmens ist es daher
Voraussetzung, dass der Betriebsrat mit guten
Personen besetzt ist, die ihre Aufgabe darin
sehen, mit den Arbeitgebern „zum Wohl der
Arbeitnehmer und des Betriebs zusammenzuarbeiten“ (Zitat der Geschäftsleitung von Trumpf).
Auch wenn beide Seiten das Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs wollen, darf das Verhältnis
von Personalleitung bzw. Geschäftsleitung und
Betriebsrat in vielen Fällen als schwierig bezeichnet werden. Um nur zwei Beispiele zu nennen:
Da werden Betriebsvereinbarungen zu einem
schon geklärten Thema vom Betriebsrat nicht
unterzeichnet, weil er dieses Thema als Druckmittel für ein anderes Thema benötigt. Da wird von
Seiten der Geschäftsführung keine Transparenz zu
wirtschaftlichen Zahlen geschaffen, obwohl sie
gegen Erfolgsbeteiligung die Arbeitszeit (ohne
Lohnausgleich) erhöhen will.
Die Einstellung der Geschäftsführung gegenüber
der Mitbestimmung ist häufig negativ gefärbt
(„Mitbestimmung kostet nur Geld“), was sich auf
das Verhältnis zum Betriebsrat und die Kommunikation mit ihm nicht günstig auswirken dürfte.
Auch gibt es mitunter unterschiedliche Meinungen in der Geschäftsleitung zum Umgang mit
dem Betriebsrat.
Auch die Situation zwischen Personalleitung und
Betriebsrat ist manchmal verfahren. Im Extremfall
übergehen oder überrumpeln Personaler den
Betriebsrat, und Betriebsräte mauern und stellen
sich dumm. Vergangene Erfahrungen berechtigen
vermeintlich dazu, den anderen in eine bestimmte
Schublade zu stecken und den „Rollladen runter
zu lassen“.
Aber auch innerhalb des Betriebsrats gibt es
Konflikte und Machtkämpfe, ebenso wie das
innerhalb der Geschäftsleitung vorkommt.
Ein unterschiedlicher Wissensstand von Betriebsratsleitung und dem Betriebsratsgremium führt
zu unterschiedlichen Ansichten. Der Betriebsrat
selbst kann in verschiedene Lager gespalten sein,
z. B. in gewerbliche und angestellte Belegschaftsvertreter oder in mit der Geschäftsleitung kooperierende und auf Kampf eingestellte Mitglieder.
Dazu kommen die Persönlichkeiten, der Wunsch
nach Selbstdarstellung und persönlicher Profilierung z. B. machen die Zusammenarbeit schwierig.
3
4
ERFOLGREICHE ZUSAMMENARBEIT MIT DEM BETRIEBSRAT
2. Voraussetzungen einer guten Zusammenarbeit
aus Sicht des Betriebsrats und der Personalleitung
Aus praktischer Sicht haben beide Seiten
folgende Voraussetzungen einer guten Zusammenarbeit genannt:
Reaktionskette
von Missverständnissen
Missverständnis
Vertrauen
Es liegt auf der Hand, dass man sich in Verhandlungen weiter entgegenkommen kann, wenn
man weiß bzw. vertrauen darf, dass der Andere
einen nicht über den Tisch ziehen will. Vertrauen
bekommt man aber nicht von Anfang an geschenkt, man muss es sich erwerben. Vertrauen
erwerben und schenken ist wie Zähneputzen,
man muss es jeden Tag tun. Und Vertrauen
wächst nicht von heute auf morgen, weshalb
man den Faktor Zeit einkalkulieren muss. Besonders, wenn in der Vergangenheit eine Kultur des
Austricksens oder Verhinderns vorherrschte, ist
Geduld notwendig.
Eine der Grundlagen von Vertrauen ist, dass gegebene Zusagen eingehalten werden. Dafür braucht
der Personalleiter wiederum die Unterstützung
der Geschäftsleitung. Die Geschäftsleitung muss
also der Personalleitung vertrauen und ihr einen
definierten Verhandlungsspielraum geben.
Vertrauen entsteht nicht dadurch, dass man
Konflikte unter den Teppich kehrt, sondern indem
man Konflikte offen und fair diskutiert und löst.
„Hart und klar in der Sache, aber weich in der
Form“, könnte ein Motto sein, das man sich vor
Augen hält. Die Anerkennung und Wertschätzung
der Person schafft die Basis für eine gesunde
Streitkultur.
Auch kann Misstrauen durch Missverständnisse,
also durch eine unklare, nicht rückfragende
Kommunikation entstehen. Die folgende Abbildung zeigt eine typische Reaktionskette von
Missverständnissen:
Unsicherheit
Misstrauen
Kampf
Angst
Flucht
Klare Absprachen und Ziele
Klare Absprachen und Signale helfen Konflikte zu
vermeiden. Denn häufige Ursache von Konflikten
sind Erwartungen, die jemand aufgrund missverständlicher Kommunikation aufgebaut hat.
(Erwartungen an den Gesprächspartner wiederum
können ein Kommunikationshemmnis sein und
ebenfalls Konflikte hervorrufen.)
Man könnte es auch anders sagen: lieber in einem
frühzeitigen Stadium einen Interessenskonflikt
bearbeiten, auch wenn das unangenehm ist, als
ihn durch Verschleppen größer zu machen.
Wenn man sich über die Ziele geeinigt hat, ist der
Weg relativ einfach. Schwierig wird es immer
dann, wenn allgemeine oder gesamtpolitische
Zielsetzungen in das Thema mit hineinspielen.
Es erfordert einige Souveränität der Geschäftsleitung, sich auf so ein Thema einzulassen, was
sich aber für die weitere konstruktive Diskussion
lohnen kann.
ERFOLGREICHE ZUSAMMENARBEIT MIT DEM BETRIEBSRAT
Beispiel: Der Betriebsrat bringt das Argument
„die Mitarbeiter brauchen auch Kaufkraft, um
Produkte zu kaufen“. Die Geschäftsleitung kann
dieses Argument nun annehmen und antworten
„was bedeutet das für uns? – Es stärkt vielleicht
die Region, aber wir verlieren Kunden und
Marktposition an Wettbewerber X usw.“ Man
kann also beide Argumente stehen lassen und
damit dem Betriebsrat signalisieren, dass man
seine Belange ernst nimmt. Wenn man stattdessen antwortet: „Das ist hier nicht unser Thema“,
dann fühlt sich der Betriebsrat zurückgewiesen,
nicht wertgeschätzt usw. und produziert
Widerstand.
Die Kommunikation sollte – wo passend –
immer in konkrete Vereinbarungen münden.
Auch hilft es, Besprochenes zu visualisieren.
Wertschätzung
These: Menschen, die ihr Gegenüber wertschätzen, sind in Verhandlungen erfolgreicher. Besonders gilt dies für das sensible Gleichgewicht
zwischen Betriebsrat und der (Vertretung der)
Geschäftsleitung. Da die Hierarchien auch hier
wirken, muss insbesondere von oben nach unten
auf die eigene Einstellung und das Verhalten
geachtet werden. Wenn man zu der strukturellen
Macht auch noch arrogant auftritt, produziert
man Widerstand. Es gibt aber auch bei den
Beteiligten ein feines Gespür für gespieltes
Wohlwollen oder gespielte Wertschätzung.
Bekanntlich sind es Emotionen, die einen
Großteil unseres Verhaltens steuern, obwohl
wir oft das Gegenteil glauben. Auf der Beziehungsebene müssen sich Menschen anerkannt
und wertgeschätzt fühlen, damit nicht negative
Emotionen das Sachthema blockieren.
(Ab Seite 11 gehen wir detaillierter auf das
Thema Psychologie der Kommunikation ein.)
5
Sach- und Beziehungsebene
Was
Sachebene
BeziehungsEbene
Wie
Ein konkretes Verhalten, das zeigt, dass man den
Betriebsrat wertschätzt, ist zum Beispiel, wenn
man ihn an seinem Arbeitsplatz besucht. Oder,
wie es einmal als Wunsch in einem Workshop
mit Betriebsräten formuliert wurde „immer
wieder einfach mal nur so miteinander redet,
ohne konkreten Anlass“. Wenn ein Personalleiter
immer nur über Probleme mit dem Betriebsrat
spricht, entsteht eine negative Verknüpfung mit
ihm.
These: Auf Basis von Wertschätzung kann auch ein sachlich
bestehendes Bedrohungsszenario (typisch: Verlagerung ins
Ausland) emotionsverträglich dargestellt werden.
Partnerschaftlicher Verhandlungsstil
Wenn man den Betriebsrat als gleichwertigen
Partner und nicht als Gegner ansieht, ist eine
konstruktivere Kommunikation wahrscheinlich.
Mit einer Behandlung von oben herab wird
man bei Menschen generell, bei denen, die als
Betriebsrat gewählt sind ganz besonders,
wenig Erfolg haben.
6
ERFOLGREICHE ZUSAMMENARBEIT MIT DEM BETRIEBSRAT
Auch funktioniert der kurze Weg von der
Information zur Kooperation nicht. Vielmehr
muss man den Umweg über die wechselseitige,
offene Kommunikation gehen, bei der man
notwendigerweise den Ausgang nicht kennt.
Und man muss Problemdiskussionen gezielt vorbereiten und eine Gleitzone zur Problemlösung
durchfahren. Die investierte Zeit sollte der
Relevanz des Problems angemessen sein.
Zu einem fairen Verhandlungsstil gehört auch,
dass man die Position des anderen versteht,
versteht, was er meint und sich in ihn hineinversetzt. Beispiel: Der Betriebsrat will für die
Mitarbeiter Sicherheit, z. B. Kündigungsschutz
bis 20XX als Gegenleistung für eine Arbeitszeiterhöhung. Das Unternehmen braucht aber
neben der Kostenreduzierung Flexibilität. Damit
stehen die beiden Werte Sicherheit und Flexibilität erst einmal gleichberechtigt nebeneinander.
Nun kann man sich auf die Suche nach einer
Lösung machen, bei der man beide Werte halbwegs unter einen Hut bringt, zum Beispiel
Zeitkonten und/oder eine Absicherung für einen
Großteil der Belegschaft.
These: Diese Lösung zu finden, ist nicht einfach,
aber bei entsprechendem Einsatz immer möglich.
Eine Drohung („Wenn Du nicht..., dann verlagern
wir“) ist ein Einstieg in ein Machtspiel und damit
ist eine optimale Lösung nicht mehr möglich.
Eine solche Drohkulisse widerspricht jeder Art
von partnerschaftlichem Verhandlungsstil.
Etwas anderes ist es, Optionen aufzuzeigen:
Wenn der Betriebsrat also sagt „wir wollen den
Besitzstand wahren“, kann man zum Beispiel
sagen: Wir haben mehrere Möglichkeiten, mit
dem Problem der Kostenreduzierung umzugehen:
1. Wir lassen alles, wie es ist, damit büßen wir
langfristig an Wettbewerbsfähigkeit ein und
können Kunden verlieren,
2. wir können auslagern,
3. wir könnten die Arbeitszeit erhöhen oder
4. das Gehaltssystem anpassen, ...
Damit zeigt man die eigene Sicht der Dinge,
die eigene Analyse der Situation und kann dann
den Betriebsrat auffordern, seine Ideen zu
äußern, wie man das Gehaltsniveau halten
kann. Wenn man übrigens den Betriebsrat auch
um Rat fragt – „wir haben folgendes Thema,
was meinst Du denn dazu, welche Ideen hast
Du dazu?“ zeigt das wiederum Wertschätzung
und der Betriebsrat fühlt sich von Anfang an
eingebunden.
Bei einer solchen Diskussion kann man dann
durchaus auch einbeziehen, was die IG Metall zu
dem Thema sagt und prüfen, „was heißt dies in
unserem Unternehmen, welche Relevanz hat
dies für uns?“
ERFOLGREICHE ZUSAMMENARBEIT MIT DEM BETRIEBSRAT
Die Ebenen der Persönlichkeit
Sinn
Aufgabe
Außerdem gehört zu einem fairen Verhandlungsstil, dass man beim Thema bleibt, und es nicht
mit sachfremden Themen verknüpft. Ganz generell sollte man persönliche Angriffe vermeiden.
Spiritualität
Religion
Quelle
Quelle der
Motivation
Ich „glaube, dass...“
Das„ kann ich...“
„Das kann ich nicht...“
Kompetenzen
Argumente
Werte
Einstellungen
Worauf ich Wert lege
Was mir wichtig ist
hinderliche/förderliche. E.
steuern mein Verhalten
Überzeugungen
Wissen
Fähigkeiten
Strategien
Verhalten
Umfeld
Kontext
Auch die Werte oder der Sinn spielen in Verhandlungen bzw. beim Werben für Akzeptanz
eine große Rolle. Bei dem Thema ERA ist es zum
Beispiel hilfreich zu betonen, warum dieser
Tarifvertrag gemacht wurde. Das Ziel war
größere Gerechtigkeit, es sollte nicht mehr nur
die Ausbildung zählen, sondern das, was der
Mitarbeiter an seinem Arbeitsplatz leistet (dass
damit bei vielen Mitarbeitern eine zu hohe
Eingruppierung festgestellt wurde, war so nicht
absehbar und zumindest von der IG Metall nicht
beabsichtigt).
Die Werteebene ist bei Verhandlungen also
relativ unproblematisch, wenn man sie offen
ansprechen kann. Im Tagesgeschäft bedeutet
das, dass man die Werte des anderen akzeptiert
(= Respekt) und wie oben beschrieben nach einer
Lösung sucht, wo beide Werte nebeneinander
bestehen bleiben können.
Der Kontext der
Unternehmenskultur
Die Unternehmenskultur bildet mit ihren
expliziten und unausgesprochenen Spielregeln,
Prioritäten und kollektiven Einstellungen den
Rahmen für die Zusammenarbeit zwischen
Betriebsrat und Personalleitung und innerhalb
des Betriebsrats. Wenn der Umgang im Restunternehmen von sehr mangelhafter Kommunikation geprägt ist, ist es unwahrscheinlich, dass
zwischen Betriebsrat und Personalleitung eine
Insel der guten Kommunikation und Kooperation
entstehen kann. Bekanntermaßen hat die
Geschäftsleitung einen großen Einfluss auf den
Stil des Unternehmens, so dass letztlich auch die
Geschäftsführung eine entscheidende Rolle spielt,
wie der Betriebsrat sich verhält.
7
8
ERFOLGREICHE ZUSAMMENARBEIT MIT DEM BETRIEBSRAT
3. Die besondere Situation des Betriebsrats
oder „Gute Leute in den Betriebsrat“
Der Betriebsratsvorsitzende muss nur mit seiner
Persönlichkeit führen. Weder hat er ein besonderes
Stimmrecht, noch hat er eine Führungsautorität
qua Organigramm. Deshalb braucht das Unternehmen hierfür fähige Leute. Die bekommt man
wiederum nur dafür, wenn man die Betriebsratstätigkeit nicht mit einem Malus versieht und
wenn die Mitarbeiter sich beruflich nicht in eine
Sackgasse manövrieren. Wenn jemand als Mitarbeiter geeignet ist, sollte er also z. B. ganz normal
befördert werden, die Betriebsratstätigkeit darf
kein Karrierehemmnis sein. Da das Thema Vergütung des Betriebsrats heikel sein kann, sollte man
es transparent handhaben. Wenn jemand den Status „Abteilungsleiter“ bekommt oder bekommen
hätte ist klar, dass ein entsprechender Verdienst
damit verbunden ist. Ein Betriebsrat dazu: „Entweder man wird gewählt oder nicht“, Geheimniskrämerei wird gemerkt und schadet nur.
Den Betriebsrat professioneller machen heißt also
nicht, dass man Gesinnungsleute kauft. Indem
man die Kompetenz der Betriebsräte steigert,
macht man sie arbeitsfähig und professionell und
kauft ihnen nicht ihre Kritikfähigkeit ab. Die jüngsten Fälle, die durch die Presse gingen, scheinen so
gelaufen zu sein, dass man eher ein Schweigegeld
bezahlt hat. Neben den moralischen und rechtlichen Aspekten ist ein solches Vorgehen mutmaßlich langfristig zum Scheitern verurteilt. Denn die
Mitarbeiter merken es, die Betriebsräte werden
abgewählt und dann hat die Geschäftsleitung
sicher über Jahre hinaus noch viel mehr zu kämpfen, da dieses vergangene Verhalten in Erinnerung
bleibt.
Entscheidungen treffen. Einerseits ist ein Stil, in dem
der Betriebsrat alle nötigen Informationen kennt,
noch nicht überall selbstverständlich. Andererseits ist
nicht immer der Betriebsrat qualifiziert genug, was
mit dem Thema „wie komme ich zu einem guten
Betriebsrat“ zu tun hat.
Daneben gibt es natürlich noch den Fall des stark
politisierten Betriebsrats, der die unternehmensinternen Zusammenhänge so nicht akzeptieren will bzw.
sie sich von der Gewerkschaft interpretieren lässt.
Andererseits gibt es ja den Spruch: „jedes Unternehmen hat den Betriebsrat, den es verdient“, der laut
Meinung des Zentralen Arbeitskreises mindestens
einen wahren Kern hat. Wenn der Zusammenhang
stimmt, muss die Geschäftsleitungsseite durch
geduldiges geändertes Verhalten den Rahmen schaffen, dass in Situationen, wo jemand auch auf geändertes Verhalten nicht mehr reagiert, andere Belegschaftsvertreter gewählt werden.
„Auswahl“ des Betriebsrats
Der Betriebsrat sollte also stark sein, damit er selbstbewusst mit der Unternehmensleitung verhandeln
kann (und nicht zum Beispiel aus einem Unterlegenheitsgefühl heraus mauert oder sich zum verlängerten Arm der Gewerkschaft macht). Deshalb stellt sich
die Frage, ob man von Unternehmensseite die Zusammensetzung des Betriebsrats beeinflussen kann.
Einsicht in wirtschaftliche
Zusammenhänge
So hat es sich bewährt, dass die Geschäftsleitung
geeignete Mitarbeiter anspricht und zur Betriebsratstätigkeit motiviert. Auch die Führungskräfte sollten
für dieses Thema sensibilisiert werden und die Suche
nach potentiellen Betriebsratsmitgliedern zur Aufgabe bekommen. Die Wahlfreiheit der Arbeitnehmer
bleibt davon unberührt.
Nur wenn der Betriebsrat die Zusammenhänge im
Unternehmen und die guten Gründe der
Geschäftsleitung kennt und nachvollziehen kann,
kann er auf der Ebene der Vernunft die richtigen
Weil die Arbeit insbesondere des Betriebsratsvorsitzenden nicht einfach ist, sollte man ihn und das
gesamte Gremium bei ihren Aufgaben mit geeigneten Maßnahmen unterstützen:
ERFOLGREICHE ZUSAMMENARBEIT MIT DEM BETRIEBSRAT
4. Wirksame Maßnahmen in der Praxis
Regelmäßige Gespräche
Die Wichtigkeit von institutionalisierten Gesprächen betonen sowohl die Personal- als auch die
Betriebsratsseite. Die meisten Personalleiter sind
sich einig, dass man pro Woche ein Gespräch mit
dem oder den Betriebsratsvorsitzenden führen
sollte. In einem Unternehmen mit einem sehr
gelungenen Verhältnis zum Betriebsrat sieht das
so aus: einen Vormittag pro Woche findet ein
Gespräch von 3 – 4 Stunden statt, bei dem nur
20 bis 30 Minuten für ein sachliches Thema
reserviert ist. Der Rest dient dem allgemeinen
Gespräch, vor allem über aktuelle politische Entwicklungen. Hier kann der Personalleiter auch
schon die Stimmung zu Themen wie z. B. Arbeitszeiterhöhung abschätzen oder persönliche Einstellungen des Betriebsrats erfahren. Auch kann
man in diesem Gespräch neue Themen, die das
Unternehmen bearbeiten will, frühzeitig einfließen lassen, ohne dass bereits Handlungsdruck
besteht. So kann der Personalleiter seine Maxime
umsetzen: „ich überrasche meinen Betriebsrat
nie“. – Ein unserer Ansicht nach nachahmenswerter Ansatz.
Neben den regelmäßigen Gesprächen sollte man
auch unter vier oder sechs Augen perspektivische
Themen diskutieren. Dies kann zur Lösung
zukünftiger Probleme sehr hilfreich sein. Wenn
man sich vom ersten Tag an zusammensetzt und
die Themen bespricht (z. B. Kostenstruktur, Auslagerung...), fühlt sich der Betriebsrat nicht am
Ende der ganzen Entwicklung überrollt und an
die Wand gedrückt, der dann als letzter im Glied
nur noch ja sagen darf. In frühen Phasen kann
man auch Ideen auf Vorrat produzieren: „Jeder
Mensch weiß, dass auf einen Aufschwung ein
Abschwung folgen wird. Was machen wir heute,
um nach 7 fetten Jahren 7 magere Jahre überstehen zu können?“ In einer solch frühen Phase sind
noch keine Emotionen im Spiel und die Gespräche können ideen- und erfolgreicher verlaufen als
in Krisensituationen. Die Diskussion könnte dann
sogar in die Gewerkschaft hineingetragen werden.
– „Heute sind die 4% Gehaltssteigerung gut, aber
was machen wir, wenn es wieder runter geht?“
Auch regelmäßige Abstimmgespräche zwischen
Geschäftsleitung, Personalleitung und Betriebsrat
haben sich bewährt. Knackpunkte aus zuvor
stattgefundenen Verhandlungsrunden können
im kleineren Kreise, mit einem entsprechenden
Abstand und ohne politischen Druck (Vermeidung
des Gesichtsverlusts), oft besser gelöst werden.
Aber auch wichtige Terminabsprachen, wie z. B.
Projektpläne für Betriebsvereinbarungen, die in
naher Zukunft abgeschlossen werden sollten, oder
auch unkritische Themen wie z. B.: wann und
wo das nächste firmeninterne Fußballturnier stattfinden soll, sind in kleineren Gruppen effizienter
zu besprechen.
Workshops
Wie oben schon erwähnt, ist das Betriebsratsgremium nicht einfach zu führen, es gibt Konflikte
und Machtkämpfe. Deshalb hat es sich bewährt,
dem Betriebsrat einmal pro Jahr einen Workshop
(oder Coaching-Tage) zu genehmigen. Diese zwei
bis drei Tage dienen dazu, eine Gruppe harmonischer zu machen, Konflikte zu klären und sich über
Ziele und Erwartungen an die (weitere) Betriebsratsarbeit klar zu werden. Besonders notwendig ist
ein solcher Workshop, wenn neue Betriebsratsmitglieder dazugekommen sind.
Gemeinsame Workshops Betriebsrat/
Personalleitung
In einem Unternehmen werden schwierige und
umfangreiche Themenfelder meistens außer Haus,
losgelöst vom Alltagsstress bzw. der Alltagsumgebung in Workshopatmosphäre in 1 – 2 Tagen bearbeitet. Damit kann die Tragweite und Auswirkung
eines wichtigen Problems angemessen aufberei-
9
10
ERFOLGREICHE ZUSAMMENARBEIT MIT DEM BETRIEBSRAT
tet werden, und der Zeiteinsatz verdeutlicht die
Notwendigkeit, eine gemeinsame Lösung zu
finden. Seit dies so ist, muss die Drohkeule, die
manchmal ja durchaus nützlich sein kann, fast
nicht mehr ausgepackt werden bzw. wenn, dann
wird sie nur noch in homöopathischer Dosierung
verabreicht.
lichen Themenfeldern turnusmäßige Termine zu
BR-Sitzungen bzw. BR-Treffen z. T. auch mit der
Geschäftsleitung statt.
Umgang des Betriebsrats
untereinander
•
•
Gesamtbetriebsrat (intern) 1 mal monatlich
alle Betriebsräte des Gesamtbetriebsrates mit
der Geschäftsleitung einmal jährlich
•
•
Konzernbetriebsrat (intern)1 mal im Quartal
alle Betriebsräte des Konzerns mit der
Geschäftsleitung alle 2 Jahre
an den jeweiligen Standorten finden 2– 3
Betriebsversammlungen pro Jahr statt
Wenn es zwei Betriebsratsvorsitzende (Gesamtbetriebsrat und Standortbetriebsrat) gibt, sollten
diese daran arbeiten, dass sie Schulterschluss
zeigen können, was bei dieser Konstellation mit
Konfliktpotential sicher nicht selbstverständlich
ist. Generell sollten die Betriebsratsvorsitzenden
die Betriebsratsmitglieder zeitnah über neue
Entwicklungen informieren und offen miteinander umgehen.
•
•
•
•
•
zu Beginn einer BR-Periode 2-tägige Workshops
weitere Workshops werden nach Bedarf eingeplant und durchgeführt, meist zu umfangreichen und größeren Themenfelder, z. B.
ERA-Einführung, Bündnisverhandlungen……
•
je nachdem auf welcher Ebene verhandelt
wird (auf Standort-BR, GBR- oder KBR-Ebene),
werden diese Workshops mit unterschiedlichen Zusammensetzungen der Betriebsratsgremien durchgeführt, z. T. auch mit externer
Unterstützung wie z. B. der IG Metall und/oder
externen Beratern.
Es versteht sich von selbst, dass auch das
Betriebsratsgremium untereinander an einer
guten Basis der Kommunikation arbeiten muss.
Wie oft sollte ein Betriebsratsgremium kommunizieren? –
Beispiel Trumpf
Wo und wie oft und in welcher Zusammensetzung ein Betriebsratsgremium kommunizieren
sollte, hängt davon ab, wer mit wem zu welchen
Themen verhandelt und wie groß das Unternehmen ist. Am folgenden Beispiel TRUMPF
betrachten wir die Standort-, die Gesamtbetriebsrats- und die Konzernbetriebsratsebene.
Bei kleineren Unternehmen mit nur einem
Standort findet die Kommunikation vielleicht
ähnlich statt, aber eben nur auf Standortebene.
Entsprechend der Betriebsratsstruktur (vorgegeben durch das BetrVG), finden zu unterschied-
Standort-Betriebsratsgremium (intern) trifft
sich alle 14 Tage
alle Betriebsräte eines Standortes mit der
Geschäftsleitung einmal jährlich
Ein Betriebsratsvorsitzender sollte und muss auch
loslassen können, damit auch andere Betriebsratsmitglieder sich führend mit bestimmten
Themenfeldern befassen und sich dadurch auch
profilieren können. Unter anderem lernen diese
Betriebsratsmitglieder damit auch, dass auch sie
Verantwortung übernehmen sollen und müssen.
So können aus „Quertreibern“ konstruktive
Betriebsratsmitglieder werden.
ERFOLGREICHE ZUSAMMENARBEIT MIT DEM BETRIEBSRAT
5. Die Psychologie der Kommunikation
Basiswissen für den allgemeinen
Umgang miteinander
These: Eine gute Zusammenarbeit findet auf der
Beziehungsebene statt.
Es ist inzwischen Allgemeingut, dass Verhalten
zu 70 – 80 Prozent von Emotionen gesteuert
wird. Emotionen beeinflussen die Art, wie wir
Informationen und Argumente aufnehmen,
bewerten und uns dementsprechend verhalten.
Wenn jemand sich gerade über eine abschätzige
Mimik, mangelndes Zuhören oder über eine
Bemerkung geärgert hat, ist es wahrscheinlich,
dass er im nächsten Moment bei passender
Gelegenheit unter „Sachargumenten“ wenig
kooperativ reagiert.
Basiswissen allgemeiner Umgang
Was
Argumente
Sachthemen z.B.
Arbeitszeit, ERA,
Personalentwicklung
BeziehungsEbene
Anerkennung
Selbstwertgefühl
Respekt
Wie
Basiskompetenzen sind Zuhören, Zusammenfassen oder die Aussagen des Gesprächspartners
durch Wiederholung rückmelden. Aber auch
durch Fragen stellen und ausreden lassen zeigt
man, dass man den anderen wertschätzt.
Wichtig ist auch, dass man die Argumente des
Gegenüber gelten lässt, also nicht durch „ja, aber“
zu entkräften versucht und gar nicht erst
annimmt. Ein innerlich nachvollzogenes „ja,
(das ist seine Sicht...) und – (das ist meine Sicht)“
gibt dem anderen das Gefühl, dass seine Sicht
auf jeden Fall auch eine Berechtigung hat.
Transaktionsanalyse
Auch die Transaktionsanalyse bietet Ansatzpunkte, wie man seinen Kommunikationsstil verbessern kann. So ist anzustreben, dass man nicht aus
dem sogenannten „lehrhaften Ich“ (siehe Abbildung, = ich weiß etwas, ich weiß es besser)
mit dem Betriebsrat spricht, sondern aus dem
„reflektierenden Ich“ (= die Realität erfassen,
Fakten prüfen und Folgen bedenken). Ziel ist, die
sogenannten gekreuzten Transaktionen zu
vermeiden. Wenn ein Verhandlungspartner z. B.
im reflektierenden Ich ist und Argumente bringt,
der andere aber im lehrhaften Ich ist und zum
Beispiel die Aussagen des Anderen abwertet („die
Lösung taugt nichts“, „ich weiß besser, was das
Unternehmen braucht“) oder die Hierarchie herauskehrt, sind Konflikte die Folge. Wenn jemand
im lehrhaften Ich ist, will er den Anderen ins KindIch drücken, was der Andere unter Umständen
mit dem gleichen Verhalten quittiert. Aber auch
ein aus dem „Kind-Ich“ agierender Verhandlungspartner ist nicht leichter zu handhaben. Wenn der
Betriebsrat zum Beispiel im Schmollwinkel sitzt
(„ich will aber den Besitzstand wahren“), wird
man ihn kaum zu konstruktiver Zusammenarbeit
motivieren können.
11
12
ERFOLGREICHE ZUSAMMENARBEIT MIT DEM BETRIEBSRAT
Transaktionsanalyse
Wissen
Werten
Wiegen
Lehrhaftes Ich
Reflektierendes
Ich
Realität erfassen
Fakten prüfen
Der Betriebsrat könnte statt aus dem Schmollwinkel heraus zu argumentieren zum Beispiel sagen:
„OK, die Realität ist, dass wir ein Kostenproblem
und damit ein Wettbewerbsproblem haben. Und
die Mitarbeiter und damit der Betriebsrat wünschen sich, dass ihr Besitzstand gewahrt bleibt,
aber wir haben noch keine Vorschläge dafür (oder
wir haben folgende Ideen dazu)“. Wenn man
einen Schuldigen sucht („das Management ist
schuld, Ihr hättet früher etwas unternehmen
müssen“ oder „der Staat muss subventionieren“)
ist man häufig im Kind-Ich.
Mit der Beachtung der Erkenntnisse aus der
Transaktionsanalyse kann man vor allem ZweierGesprächssituationen oder das Gespräch in sehr
kleinen Gruppen positiv beeinflussen.
Was tun, wenn das NichtFunktionieren gut eingespielt ist?
Folgen bedenken
Kindhaftes Element
Leiden
Spielen
Genießen
Jeder dürfte die Situation kennen: mit bestimmten Menschen tauchen immer wieder ähnliche
Kommunikationsstörungen auf. Woran liegt das?
Oft liegt dann ein Kreislauf bzw. ein wiederkehrendes Muster an Verhalten aller Beteiligter vor.
In diesem Fall ist mit den oben erwähnten Basiskompetenzen keine Verbesserung dieser nicht
funktionierenden Zusammenarbeit zu erzielen.
Es bedarf dann einer deutlichen, drastischen
Verhaltensänderung, die das Muster unterbricht.
ERFOLGREICHE ZUSAMMENARBEIT MIT DEM BETRIEBSRAT
Ein solcher Kreislauf hat folgende Elemente:
Die Elemente
Bemerkung
Das Spielfeld –
der konkrete Kontext
z. B. Unternehmenskulturelle
Gewohnheiten, wo findet das
Geschehen statt, um welches
Thema geht es, welche Vorgeschichte gibt es, usw.
Die Mitspieler – jeder,
der auf ein (positives/
negatives) Resultat
Einfluss hat
Welche Persönlichkeiten* sind
Geschäftsführer, Personalleiter,
Betriebsrat und andere Beteiligte
Die (meist verdeckten)
Regeln des Spiels, die
Wahrnehmung und
Verhalten steuern
Diese Regeln zu entdecken, ist
manchmal schwierig und bedarf
deshalb gelegentlich einer externen
Unterstützung
Das Spiel mit seinen
typischen Verhaltensmustern und Abläufen
Was wiederholt sich, wenn man
tiefer blickt
Wenn die Einstellung von Unternehmensseite
lautet „der Betriebsrat ist nicht kompetent“, dann
merkt der Betriebsrat „ich werde nicht wichtig
genommen“, er fühlt sich missachtet, geht auf
Konfrontation und fährt eine Blockadepolitik
(„Wenn ich schon nicht bestimmen kann, will
ich wenigstens blockieren, auch wenn es zu
meinem Schaden ist, weil ich dann gar nichts
mehr beeinflussen kann“ – hier zeigt sich übrigens die recht hohe Stufe der Konflikteskalation).
Es geht also nicht mehr um Sachthemen,
sondern um Respekt und Anerkennung.
Wie kann man aus einem
ungünstigen Kreislauf aussteigen?
Zunächst gilt es, die Einstellung zu verändern
und anders an den wiederkehrenden Konflikt
heranzugehen:
•
Es ist ein Spiel, kein Drama und damit
veränderbar. Mit Humor und Lachen über
sich selbst kann man eher mit Veränderung
beginnen.
•
Auch muss man sich die eigene Beteiligung
eingestehen, es gibt keinen Schuldigen, wenn
der Kreislauf einmal angefangen hat. Wie es
einmal angefangen hat, ist nicht wichtig.
•
Da jeder beteiligt ist, hat auch jeder die
Möglichkeit, das Spiel zu verändern.
Argumente wie Abhängigkeit und (fehlende)
Stärke gelten also nicht.
* siehe Abb. Ebenen der Persönlichkeit, S. 7
Beispiel: Die Personalleitung gibt ein Papier mit
einem Konzept für ein Personalentwicklungswerkzeug (hier: Bindung und Förderung von
Schlüsselpersonen) an den Betriebsrat, mit der
Bitte um Feedback und Verbesserungsvorschläge.
Dieser lässt erst einmal gar nichts von sich
hören, hat dann keine Zeit und beteiligt sich
in keiner Weise konstruktiv. Dann wird das
Konzept von Seiten des Unternehmens ausgefeilt und zum „Abnicken“ dem Betriebsrat
vorgelegt. – Mit dem Ergebnis eines kompletten
Neins des Betriebsrats und dem Projekt vor der
Einigungsstelle.
13
14
ERFOLGREICHE ZUSAMMENARBEIT MIT DEM BETRIEBSRAT
Mit einer deutlichen, drastischen Verhaltensänderung kann man eingefahrene Muster
unterbrechen. Um im Beispiel zu bleiben, statt
einen schriftlichen Vorschlag weiterzugeben,
könnte die Personalleitung einen Workshop
organisieren oder den Betriebsrat dazu einladen,
dass er selbst ein Konzept erstellt.
Bildlich gesprochen, kann man durch diese
deutliche Verhaltensänderung „die Kugel aus der
Rille schubsen“.
Die Kugel aus der Rille schubsen
Einen Kreislauf kann man
a) mit der Einstellung oder
b) mit dem Verhalten ändern.
Wenn es sich um tief eingefahrene Problemrillen
handelt, muss man sich drastisch anders verhalten, um eine Veränderung zu erreichen. Eine
Änderung der inneren Einstellung wird beim
Anderen dann gar nicht ankommen. Nur wenn
etwas drastisch anders ist, verhält sich auch der
Konfliktpartner anders. (Das Programm im Kopf
bekommt einen Schlag ab und funktioniert nicht
mehr, und man muss sich umorientieren).
Konkretes Vorgehen
In der Rolle als unbeteiligter Beobachter:
•
•
•
•
•
Durch ein unerwartetes Verhalten – Tun oder
nicht-Tun kann folgendes passieren:
•
•
•
•
•
•
•
•
Es entsteht eine neue, ungewohnte Situation
mit einem anderen Verhalten.
Damit bekommt man ein anderes Feedback,
macht andere Erfahrungen,
woraus sich andere Glaubenssätze ergeben.
Daraus wiederum entsteht
ein anderes Verhalten.
Energie zur Veränderung = Unzufriedenheit
und Leidensdruck feststellen
Spiel analysieren
Muster (z. B. wer sagt was zuerst
[Vorschlag, keine Antwort,
2. Vorschlag – Blockade – Einigungsstelle])
Spieler (wer ist beteiligt?)
Regeln (z. B. wer fängt an, wie antwortet man,
nach Schuldigen suchen, beleidigt sein)
Glaubenssätze (z. B. „mit dem kann man nicht
reden, das ist ein Betonkopf, mit dem kann
man nicht“)
Vorschlag zur Intervention – Musterunterbrechung
ERFOLGREICHE ZUSAMMENARBEIT MIT DEM BETRIEBSRAT
Ein unbeteiligter Beobachter kann mit einem
oder beiden Beteiligten ein neues Verhalten vereinbaren. Beispiel: In der Abteilung A existieren
Konflikte. Die Mitarbeiter aus Abteilung A
jammern sich jeweils in Abteilung B aus. Das Sich
Ausjammern hat zur Folge, dass der Konflikt
weiter unter der Decke gehalten werden kann,
er ist eine Wunde, die sich nicht schließt. Die
Intervention: die Konfliktpartner A dürfen nicht
mehr mit B reden. B wiederum hat die Pflicht,
A rauszuschmeißen, wenn sie zum Jammern
kommen. Die Folge ist, dass der Druck zur
Konfliktlösung ansteigt, da kein Dampf mehr
abgelassen werden kann. (Gleichzeitig sollte
man natürlich eine Hilfestellung zur Lösung des
Konflikts anbieten).
In diesem Beispiel sind beide Beteiligte
(die Abteilungen A und B) einverstanden mit
der Veränderung. Wenn die andere Seite kein
Interesse an Veränderung hat, kann auch mit
einer einseitigen drastischen Verhaltensänderung etwas erreicht werden. – Irgendetwas
wird passieren.
In der Rolle als beteiligter Mitspieler:
•
•
•
•
•
•
„Ja“-Sagen zur eigenen Beteiligung. Wenn
diese Einsicht vorhanden ist, ist schon ein
guter Schritt getan. Meist ist dies schon eine
dramatische Veränderung, die nicht ohne
Spuren bleibt.
Lächeln
Den eigenen Beitrag erkennen, wo schiebe ich
die Kugel weiter?
Will ich ein anderes Resultat haben, bin ich
bereit zu verändern?
An welcher Stelle kann ich mein Muster
deutlich unterbrechen?
Fertigdenken und ausprobieren! Es handelt
sich hier also immer um eine bewusste Entscheidung und Planung des eigenen neuen
Verhaltens.
Bei tief eingefahrenen Problemrillen, bedarf es
also einer sogenannten „systemischen Musterunterbrechung“.
Der Nutzen externer Unterstützung
Durch eine Verhaltensänderung kann sich die
zugrundeliegende Einstellung ändern.
Zum Beispiel: eine Führungskraft geht immer
wieder bei der Arbeitsausführung ihrer Mitarbeiter dazwischen, weil sie die Einstellung hat
„die können das nicht“. Dies wird ihr „verboten“,
wenn sie es trotzdem tut, darf sie von den
Mitarbeitern gebremst werden. Danach erfährt
sie „meine Mitarbeiter können das“, was die
Einstellung ändert, Vertrauen schafft und damit
automatisch das weitere Verhalten ändert.
Insbesondere bei der Musterunterbrechung
wird in vielen Fällen eine externe Unterstützung
sinnvoll sein. Die Vorteile einer Beratung in
solchen Fällen sind:
Fachkompetenz
Ein Berater mit dem entsprechenden Know-how
ist schnell in der Lage, Muster zu erkennen.
Die Selbsterkenntnis dauert demgegenüber oft
sehr lange.
Neutralität
Ein Externer kann schneller auf beide Seiten zugehen und beiden Seiten eine Verhaltensvorschrift
geben. Damit ist die Legitimität geschaffen,
sich anders zu verhalten – bei Hierarchien noch
wichtiger – und eine Veränderung ist möglich.
15
16
ERFOLGREICHE ZUSAMMENARBEIT MIT DEM BETRIEBSRAT
Fazit und „Das Suchen
nach Schuldigen“
Eine wirkliche Veränderung wird also erreicht,
wenn die Beteiligten den Übergang von der
Schuldzuweisung an den Anderen hin zur
Anerkennung einer gleichmäßigen Beteiligung
aller schaffen. Wo es keine Schuldigen gibt,
gibt es keine Rechtfertigung, und damit ist der
Weg frei für neue Lösungen.
Wir haben uns gefragt, woran es liegt, dass
dieses systemische Denken nicht schon weiter
verbreitet ist. Dazu muss man historisch/
kulturell ausholen: Seit Aristoteles und später
Descartes ist das Ursache-Wirkungsdenken eine
Grundlage unseres Denkens. Das Christentum
mit dem Schuld/Unschuld-Prinzip kam als
Ergänzung dazu. (Dies ist hier nicht als Abwertung gemeint, dieses Prinzip hat vielmehr
bestimmt viele gute Auswirkungen.) Beides
zusammen führt aber dazu, dass wir uns in
unserer Kultur mit dem Eingestehen von Fehlern
schwer tun. Das Denken in Schuld-Kategorien
gehört dahin, wo es Gewicht hat. Im Alltag ist
das Denken in Fehlern näher an der Sache. Einen
Fehler kann man eingestehen, ohne sich Asche
auf sein Haupt zu streuen. – Die Japaner kennen
übrigens das Wort Schuld nicht, so ist es sicher
kein Zufall, dass von dort der Kontinuierliche
Verbesserungsprozess kam. Aber auch wir in
Deutschland sind schon ein großes Stück des
Weges gegangen. Der konstruktive Umgang
mit Fehlern wird ja zumindest auf der sachlichen
Ebene in Unternehmen schon eine ganze Weile
geübt. Wir hoffen, dass diese Broschüre einen
kleinen Beitrag zur weiteren Entwicklung der
Beziehungen und der Zusammenarbeit leisten
wird.
VDMA
Personal
Lyoner Straße 18
60528 Frankfurt am Main
www.vdma.org
VDMA, DesignStudio
Fachliche Auskünfte
Andrea Veerkamp-Walz
Telefon +49 69 6603-1488
Fax
+49 69 6603-2488
E-Mail [email protected]