Jyväskylä 2014/15 (Germanistik)
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Jyväskylä 2014/15 (Germanistik)
Bericht über mein Auslandssemester in Jyväskylä, Finnland Wintersemester 2014 5. Fachsemester (beurlaubt) Mein Auslandssemester in Finnland Ich verbrachte das Wintersemester 2014 in Jyväskylä, Finnland. Es ist eine Stadt mit über 135.000 Einwohnern, die aber hauptsächlich von Studenten bewohnt wird und liegt am zweitgrößten See Finnlands, dem Päijänne- See. Schon seit vielen Jahren begeisterte mich die Landschaft des Landes und ich wusste, dass ich dort gerne etwas länger Zeit verbringen möchte. Meine Wahl lag also bei Finnland, aber auch Irland reizte mich sehr. Letztendlich wurde es Finnland, da mein Entschluss, ins Ausland zu gehen, doch recht spontan war, und Jyväskylä dann eben mit einem freien Platz aufwartete. Also ging es für mich am 27. August los und ich verbrachte die ersten Tage in der Hauptstadt des Landes. Am 30. August fuhr ich dann mit dem Zug viereinhalb Stunden nach Jyväskylä, wo mich meine Tutorin empfing und mich zu meiner neuen Wohnung begleitete. Diese lag in einem Studentenwohnheim und ich teilte mir die Wohnung mit einer weiteren Deutschen und einer Studentin aus China. Letztere erwies sich leider jedoch als weniger gesprächige Mitbewohnerin, für sie war die WG wohl eher eine „Zweck- WG“, als eine Möglichkeit, Menschen aus einem anderen Land, mit einer anderen Kultur, und auch mit einem anderen oder eventuell auch mit dem gleichen Hintergrund, kennenzulernen. Am 02. September begannen dann die Orientierungstage, die ich jedem Studenten, der ins Ausland geht, ans Herz lege. Zum einen, weil man diese Zeit zu Beginn mit der Tutorengruppe verbringt und dadurch gleich neue Leute kennenlernt, zum anderen auch weil die Veranstaltungen helfen, sich in dem neuen Land und der neuen Umgebung zurecht zu finden und es einen erleichtert, sich einzuleben. Dadurch war man nicht so sehr allein, wenn ich Fragen hatte, stand meine Tutorin immer mit einer Antwort bereit, oder falls sie mir nicht helfen konnte, wusste sie, wer mir helfen könnte. Durch all das war der Einstieg und das Eingewöhnen in meinen neuen Alltag und mein neues Umfeld recht einfach. Schon bevor ich Deutschland verließ, stand für mich fest, dass ich meine Zeit im Ausland auch dafür nutzen möchte, in so viele Länder wie möglich zu reisen, und vor allem: so viel wie möglich von Finnland zu sehen. Dank der Studentenorganisation ESN (Erasmus Student Network), waren Trips in andere Länder möglich und vor allem mit vielen Freunden und damit mit viel Spaß verbunden. Mein erster Trip mit ESN startete am 23. Oktober und ging nach St. Petersburg. Hierfür ging es zuerst mit dem Bus nach Helsinki, und von dort mit der Fähre weiter zu unserem Ziel, das wir dann am nächsten Morgen erreichten. Den Anblick der aufgehenden Sonne hinter dem Hafen werde ich so schnell wohl nicht vergessen. In der russischen Metropole verbrachten wir dann 48 Stunden, da man für diese Zeit kein Visum braucht, und dadurch einiges an Geld und Organisation im Voraus sparen kann. In St. Petersburg machten wir dann eine Bootstour auf der Newa, besuchten das Hermitage Museum und liesen uns natürlich auch die sehenswerten Kirchen der Stadt nicht entgehen. Die Stadt ist richtig schön, aber man muss ich auch dessen bewusst sein, dass es wohl nicht das „wahre“ Russland zeigt, da es sehr für Touristen ausgelegt ist. Von Deutschland aus hätte ich diese Stadt wohl erst recht spät auf meinen Reisezielen gesetzt, doch da ich von Finnland aus die Möglichkeit hatte, wollte ich mir diese natürlich nicht entgehen lassen. Ein weiterer Trip nach Stockholm, mit Freunden ein Trip nach Turku und nach Tallinn, sowie auch eine fünftägige Fahrt ins Lappland, den Norden Finnlands, rundeten meinen starken Reisewillen ab. Vor allem das Lappland hat mich beeindruckt, da diese Landschaft genau der Vorstellung entspricht, die entsteht, sobald man über Finnland redet: weites Land, Schnee, Natur, Stille und noch mehr Stille. Auf unserem Weg in den hohen Norden stoppten wir im Ranua Zoo, wo wir einige nordische Tiere anschauen durften. Weiter ging es danach nach Rovaniemi, das Santa Village, in dem man den wahren Weihnachtsmann besuchen kann. Nach diesem Zwischenstopp ging es dann zu unserer Jugendherberge, in der wir nächtigten. Freunde von mir schliefen in einem Cottage, während ich mit anderen Freunden in einem Schlafsaal war. Das Cottage war in dem Sinne gut, als das man abends zusammen sitzen konnte und einfach Zeit und Platz für sich hatte. Zu der Jugendherberge gehörte auch eine Sauna, die direkt an einem See lag. Wir ließen es uns abends natürlich nicht nehmen, von der heißen Sauna direkt ins Eisloch zu steigen, das mit einer Wassertemperatur von -3 Grad° auf uns wartete. An einem Tag fuhren wir nach Norwegen, wo wir im Arktischen Ozean schwammen, am nächsten Tag auf eine Rentierfarm, auf der uns samische Finnen etwas von ihrer Kultur näher brachten, und am letzten Tag besuchten wir noch eine Huskyfarm, bei der wir eine Huskysafari machten und mit den Welpen spielten. Die Woche war perfekt, außer dass wir leider keine Nordlichter sahen. Diese waren aufgrund hohen Schneefalls während der ganzen Tage für uns unsichtbar. Aber natürlich habe ich meine Zeit im Ausland nicht nur mit Reisen verbracht. Die Universität dort ist recht modern und hat interessante Kurse anzubieten. Sie erstreckt sich über verschiedene Gebiete der Stadt, die aber gut und vor allem schnell mit dem Fahrrad zu erreichen sind. Meine Kurse fanden alle im Hauptcampus statt, wodurch ich zwischen Veranstaltungen keine weiten Wege zurücklegen musste. Ich selbst besuchte einen Finnischkurs, der für Anfänger ausgelegt war. Dieser war sehr arbeitsintensiv und man musste einige Zeit aufwenden, um Vokabeln zu lernen. Das Finnische hat keinerlei Ähnlichkeiten mit Englisch, sodass es auch schwierig ist, sich Eselsbrücken zu bauen. Da hilft es nur, auswendig zu lernen. Das klappte dann mal mehr, mal weniger. Ich für meinen Teil finde jedoch, dass es die Mühe wert ist, die Landessprache zu lernen. Selbst wenn man in anderen Ländern kaum etwas mit Finnisch „anfangen“ kann, so gehört die Sprache doch auch zur Kultur eines Landes und man bekommt auch ein besseres Gefühl für die finnische Denk- und Lebensweise. Viele meiner Freunde brachen den Kurs ab, da ihnen der Aufwand nicht die Mühe wert war. Zum einen konnte ich das nachvollziehen, zum anderen bin ich mittlerweile stolz darauf, dass ich die Durststrecken durchgehalten habe, und am Ende mit einer guten Note den Kurs abschließen konnte. Die Universität selbst bot auch viele Sportkurse an, die man besuchen konnte. Ganz kostenfrei war es zwar nicht, doch mit 35 Euro für einen Sticker, der das ganze Semester galt, lag man sehr günstig. Unter der Woche wurden täglich 5-6 verschiedene Kurse angeboten, sodass für jeden etwas dabei war. Sport half vor allem, als es anfing, früh dunkel zu werden. In den letzten Wochen meines Aufenthalts hatten wir 4 Stunden Tageslicht. Es war nicht so schlimm, wie man sich das vorher ausgemalt hatte, doch es drückte schon aufs Gemüt und auf die Stimmung. Vitamin D schuf Abhilfe, doch es ist nichts, gegen tatsächliche Sonne. Ich werde es wohl nie vergessen: wir sahen über 4 Wochen keine Sonne, da es nur bewölkt war und regnete oder schneite. Eines morgens stand dann plötzlich die Sonne am Himmel und wir stellten uns völlig geblendet und fassungslos ins Licht und genossen die Strahlen auf unserer Haut. Mir ist aufgefallen, dass mir nie so bewusst war, wie in diesem Moment, wie sehr man doch die Sonne braucht und vor allem das warme Gefühl im Gesicht und auf der Haut. Während der Reise ins Lappland, die ich oben bereits erwähnte, hatten wir sogar nur zwei Stunden Tageslicht – je weiter nördlich man kommt, desto weniger Sonnenstunden hat man im Monat. Doch diese Zeit der Dämmerung und Dunkelheit war auf jeden Fall eine Erfahrung wert, doch ich bin jetzt auch froh, wenn ich die Sonne etwas öfter zu Gesicht bekomme. Nach meiner Rückkehr fragten mich viele, wie denn meine Zeit in Finnland war, und wie es mir gefallen hat. Diese Frage stellt mich immer wieder vor Herausforderungen, denn es ist kaum möglich, so viele Erfahrungen, Eindrücke und Erlebnisse, in einem „Small-Talk-Gespräch“ wiederzugeben und zu erzählen. Doch da eine Antwort erwartet wird, lautet sie immer: „Super, aber die Zeit ging zu schnell vorüber!“ Letzteres ist genau der Punkt, der es schwierig macht, die Zeit in Worte zu fassen. Man sieht so viel, erlebt so viel, lernt so viele Menschen kennen, dass die Zeit nur so vor sich hin fliegt. Und während die Daheimgebliebenen die Wochen zählen, bis man zurückkommt, versucht man selbst einfach jeden Moment zu genießen und sich bewusst zu werden, dass all das so nicht mehr wieder kommt. Schon ab Mitte November beim Telefonieren sagen Freunde und Verwandte dann: „Nur noch 6 Wochen, dann bist du wieder zurück“ - Obwohl man selbst gar nicht zurück kommen möchte. So ging es zumindest mir. Dank der vielen Menschen, die ich dort kennengelernt habe, habe ich vier unvergessliche Monate erlebt und Erfahrungen gemacht, die mir keiner mehr nehmen wird. Es ist letzten Endes egal, ob man einen Erasmus Austausch in einer großen Stadt, in einer Hauptstadt oder in einer eher kleineren Stadt macht: Es ist immer unvergesslich. Man nabelt sich von seiner gewohnten Umgebung ab und lernt Menschen kennen, die genau in der gleichen Situation sind. Das macht das Freundschaften schließen leichter, weil man gemeinsam wächst, aber es macht auch den Abschied umso schwerer, wenn es heißt, zurück in die Heimat zu gehen. Ich kann solch ein Erasmus Jahr Jedem empfehlen. Mein Aufenthalt war gut organisiert, ich wurde rechtzeitig über alles informiert und wurde gut betreut – ob von meiner Gastuniversität oder meiner Heimat Universität. Zweifel, überhaupt erst aus dem Heimatland Abzureisen hat man am Anfang öfter. Es gibt dann auch eine Phase vor dem Abflug, in der man sich fragt, warum man das Komfortable gegen etwas Ungewisses eintauscht, doch am Ende ist solch eine Auslandszeit eine Bereicherung für einen selbst.