Die Podcasts werden erwachsen
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Die Podcasts werden erwachsen
Die Podcasts werden erwachsen Vor sechs Jahren erschienen sie erstmals auf der Bildfläche. Das ursprünglich alternative Medium ist inzwischen Mainstream und eine ausgezeichnete Quelle für exklusive Zusatzinformationen aus Wissenschaft, Technologie und Politik. Von Matthias Schüssler und Roger Zedi 2005 stattete Apple ihre Mediothek-Software iTunes mit der Möglichkeit aus, Podcasts zu abonnieren. Beim Start boten 3000 Audio- und Videoproduzenten, unter ihnen viele Unabhängige, ihre Sendungen zum Download an. Das Ganze war unkommerziell ausgerichtet. Das ebnete diesem alternativen Medium auch den Weg in den Mainstream. Heute ist Podcast fast nur noch Mainstream: Die grossen Medienhäuser dominieren das iTunes-Verzeichnis fast komplett mit ihren Radio- und Fernsehsendungen, die als Podcast zweitverwertet werden. Alternative, exklusiv fürs Internet produzierte Sendungen sind rar geworden. Aber es gibt sie noch – wir stellen 12 hörenswerte Vertreter vor. ¬ Not Safe For Work (NSFW) nennt sich das Projekt von Tim Pritlove, einem der erfolgreichsten deutschen Podcaster. Seine Sendung hat kein klar umrissenes Konzept, keinen vorgegebenen Ablauf und kein Zeitlimit – es gab auch schon Folgen von fast 5 Stunden Länge. Die Konstante ist, dass sich Pritlove mit Radiomann Holger Klein in halbprivatem Rahmen über alles Mögliche unterhält. Das Resultat ist das Gegenteil eines Expertengesprächs: eine persönliche Unterhaltung zu Politik, Essen, Konsum und weltanschaulichen Fragen. Pritlove ist Medienkünstler und Mitglied des Chaos Computer Club, weshalb auch die technische Entwicklung und deren gesellschaftlichen Folgen oft thematisiert werden. ¬ Ein vergleichbares Konzept verfolgten anfänglich auch das Podcast-Urgestein Adam Curry und der Tech-Journalist John C. Dvorak mit dem Podcast No Agenda. Dieser hat sich jedoch zu einer Rightwing-Talkshow mit Hang zu Verschwörungstheorien entwickelt. ¬ Wie ein Gegenmittel wirkt Skeptoid, der sich dem Kampf gegen Pseudowissenschaft, Verschwörungstheorien und urbane Legenden verschrieben hat. Der Autor Brian Dunning verficht das kritische Denken. Heilsversprechen von Quacksalbern, Esoterik und abwegige Marketingbehauptungen werden an Daten und Fakten gemessen und mit wissenschaftlichen Methoden zerlegt. Skeptoid erscheint wöchentlich auf Englisch und ist kurz und bündig. Ein weiterer Podcast aus dem Umfeld der Skeptikerbewegung ist Hoaxilla (Deutsch). Ein Blick ins beste Dutzend: Podcastbibliothek auf iTunes. Screen: TA ¬ Raumzeit berichtet seit November 2010 alle zwei Wochen über die Projekte des deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Europäischen Raumfahrtorganisation (ESA). Der Podcast wird von Tim Pritlove im Auftrag dieser Agenturen produziert und beinhaltet pro Ausgabe ein Gespräch von ein bis zwei Stunden mit einem Vertreter der Organisationen. Die Missionsplanung, Astronautenausbildung, Planetenforschung oder das europäische Ortungssystem Galileo waren schon Themen. Der jeweilige Gesprächspartner beantwortet nach der Sendung auch Zuhörerfragen. ¬ Elementarfragen hat es sich zur Aufgabe gemacht, einfache Fragen zu stellen, wobei «Naivität das Grundprinzip» sein soll. Dieser Podcast erscheint äusserst unregelmässig. Im ersten Jahr gab es nur sieben Folgen. Für diese hat sich der Autor Nicolas Semak hochkarätige Gesprächspartner gesucht: den Physiker Dr. Sebastian Pflugbeil, den Astrophysiker und Naturphilosophen Harald Lesch oder den Vulkanologen Donald Dingwell. ¬ Banana Politics ist ein kürzlich gestarteter Schweizer Podcast, der wöchentlich über das Politgeschehen in unserem Land berichtet. Es geht um den anlaufenden Wahlkampf, die Nutzung neuer Technologien wie Twitter und Facebook und modernes Politmarketing. Mitbegründer ist Andreas Amsler von Politnetz.ch. ¬ Das Kürzel TNT steht seit gut einem Jahr für einen der hörenswertesten Podcasts aus der Welt der Technologie. Tech News Today erscheint fünfmal die Woche. Es ist eine der zahlreichen Sendungen, die vom Twit-Netzwerk produziert werden, das von einem Pionier der ame- rikanischen Podcastszene, Leo Laporte, gegründet wurde. Er hat eine Reihe erfahrener Radio- und Fernsehjournalisten angeworben – unter ihnen Tom Merritt – und so ein ebenso professionelles wie unterhaltsames Team um sich geschart. Laporte ist der erfolgreichste unter den unabhängigen Podcastern; sein Netzwerk finanziert er mit Sponsoring und Werbung – Letztere kommt leider relativ penetrant daher. ¬ Fans von Ritter- und Drachengeschichten, Weltraumschlachten und Zukunftsutopien können ebenfalls Tom Merritt lauschen. Mit Veronica Belmont, einer Tech-Journalistin, bespricht er in Sword & Laser Fantasy- und ScienceFiction-Romane und -Fernsehproduktionen. Besonders lohnen sich jene Episoden, in denen sie Autoren wie George R. R. Martin oder Patrick Rothfuss – Superstars der Szene – interviewen. ¬ Wer sich für amerikanische Innenpolitik interessiert, die uns ja – ob es uns gefällt oder nicht – indirekt auch betrifft, findet ein breites Angebot. Unser Favorit wird von drei Autoren des Magazins «Slate» bestritten und nennt sich Slate’s Political Gabfest. Die Mischung aus inhaltlicher Kompetenz und radiohandwerklicher Unvollkommenheit macht den Reiz dieses Podcasts aus. Trotz teils unterschiedlichen politischen Haltungen von konservativ bis progressiv merkt man, dass sich die drei Redaktionskollegen auf der persönlichen Ebene mögen und sich immer wieder auch «finden», was gerade in der amerikanischen Medienwelt Seltenheitswert hat. ¬ Einen eher unkonventionellen Umgang mit Wirtschafts- und Finanznachrichten pflegen der Fondsmanager Andrew Horowitz und der Tech-Journalist John C. Dvorak. Auf dem Blog zu ihrem Podcast DH Unplugged gibt es denn auch einen langen Disclaimer (Haftungsausschluss), in dem fett gedruckt steht: «Dieser Podcast ist NUR als Unterhaltung und für Bildungszwecke zu verwenden.» Gerade weil sich die Macher nicht ernsthaft an Investoren wenden, ist ihr Podcast hörenswert. Die beiden Herren unterhalten sich locker und subjektiv, aber kompetent über aktuelle Entwicklungen der globalen Finanzmärkte – und schweifen nicht selten zu anderen Themen ab, zu Wein oder gutem Essen. ¬ Zuletzt noch ein Podcast, der zwar von einem grossen US-Sender produziert wird, der das Medium aber für mehr als reine Zweitverwertung einsetzt. Jede Woche lädt Bill Maher in seiner einstündigen Polit-Talkshow Realtime auf HBO hochkarätige Politiker, Wissenschaftler, Aktivisten und Leute aus der Unterhaltungsbranche ein. Der zugehörige Podcast liefert nebst der ungekürzten Audio-Spur der TV-Sendung auch Aufnahmen aus den Proben (unter anderem jene Witze, die niemand lustig fand) oder Antworten der Gästerunde auf Fragen, die das Publikum via Internet stellen kann, die am TV nicht zu sehen waren. Alle genannten Podcasts sind kostenlos. Man findet sie in iTunes > Store > Podcasts. Für Android gibt es u. a. die Podcast-Apps DoggCatcher oder BeyondPod. Für Symbian gibt es von Nokia die App Podcasting.