Aphrodites Garten

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Aphrodites Garten
AUSSTELLUNG
Schweiz
Aphrodites Garten
Wer in seinem Blumengeschäft eine Ausstellung über „Aphrodisische Pflanzen“ plant,
benötigt schon etwas
Wagemut – nicht nur,
weil die Pflanzen zum
Teil giftig sind …
G
leich zwei Schweizer
Ausstellungen widmeten sich vor kurzem den „Aphrodisischen Pflanzen“:
„Feuerschiff“ hieß eine Sonderschau
der Gartenmesse „Giardina“ in Basel,
„Food Design“ eine Ausstellung im Gewerbemuseum Winterthur. Das Thema
könnte auch für die grüne Branche
spannend sein, doch aus zwei Gründen
ist Vorsicht geboten: Erstens sind
aphrodisische Pflanzen teilweise hoch
giftig und daher für den Konsum ungeeignet. Vor Missbrauch und möglichen Folgeschäden sei gewarnt. Zweitens kann das Thema „Liebe und Erotik“ leicht ins Banale und Geschmacklose entgleisen.
Dieser Beitrag gibt einen Einblick in die
Geschichte und Verwendung der aphrodisischen Pflanzen. Selten zeichnen sie
sich durch auffallende Schönheit aus.
Oft sind sie geradezu unscheinbar. Ihre
Entdeckung war deshalb meist Zufall.
Auf der Suche nach Heil- und Nahrungsmitteln erkannten schon die Naturvölker, dass der Verzehr mancher
Pflanzen nicht nur sättigt, sondern die
Lebens- und Liebesgeister weckt.
Die Welt der aphrodisischen Pflanzen
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Floristik international 6/2003
ist sagenumwoben und beschäftigt die
Menschen seit Urzeiten. Bei näherem
Betrachten fallen drei Kategorien auf:
➜ Pflanzen, die starke Halluzinationen hervorrufen können und in den Bereich der Drogen fallen,
➜ Pflanzen, die als Gewürze in der Küche vieler Kulturen verwendet werden,
➜ Pflanzen, deren aphrodisische Wirkung rein symbolischer Natur ist – aufgrund ihrer Farbe, Gestalt oder mythologischen Bedeutung.
Zur ersten Kategorie zählt die Alraune
(Mandragora officinarum), die als bekanntestes Aphrodisiakum der antiken
Welt gilt. Da die Wurzel in ihrer Form
dem menschlichen Körper ähnelt, wur-
de sie auch Menschenwurzel genannt.
Im alten Ägypten war ein mit Alraune
versetzter Wein besonders beliebt. Im
Mittelalter setzte man die berauschenden und Halluzinationen hervorrufenden Eigenschaften für Hexenkünste und
Beschwörungen ein. Botanisch gehört
die Alraune zu den Nachtschattengewächsen und ist nahe mit Stechapfel
und Tollkirsche verwandt, die ebenfalls
zu den aphrodisischen Pflanzen zählen.
Allen drei gemein ist ihre Gefährlichkeit – bei Überdosierung kann es zu
tödlichen Vergiftungen kommen.
Für die aphrodisische Wirkung werden
Alkaloide verantwortlich gemacht. Diese chemischen Substanzen sind auch im
„Liebesmittel“, Teil der Ausstellung
„Food Design“ im Kornhausforum
Bern – noch bis zum 8. Juni 2003,
Infos unter www.kornhaus.org.
siaka. Im Mittelalter galten Gewürze
als Verbindungsglieder zum Paradies.
Es hieß, dass Paradies- und Liebesgärten mit betäubenden oder anregenden
Düften von Zimt, Muskat, Ingwer und
Nelken erfüllt seien. Schon Hildegard
von Bingen beschrieb im 12. Jahrhundert eine Reihe orientalischer Gewürze, die Sinneslust erregen und daher
schädlich seien. Im christlichen Europa
wurde ein reichlicher Gewürzgenuss
bis ins 19. Jahrhundert hinein als etwas
Verwerfliches angesehen.
Um die aphrodisische Wirkung von Gewürzen wussten auch die Völker Asiens und des Orients. In Rezepten für
die Herstellung anregender Elixiere
ähneln sich die Kombinationen: Zimt,
Nelke, Kardamom, Muskat, Ingwer und
verschiedene Pfefferarten. Von den meisten Gewürzen wird
gesagt, sie besäßen
Hitze und könnten
dadurch den Körper
im wahrsten Sinne des Wortes „in Wallung bringen“. Den Mitgliedern der Familie der Ingwergewächse werden besondere Kräfte nachgesagt: Galgant,
Ingwer, Kurkuma, Kardamom, Galangan und Zitwer. Ingwer und Kurkuma
sind in den meisten orientalischen Gewürzmischungen enthalten und legen
die Vermutung nahe, dass Curry nach
aphrodisischen Gesichtspunkten zusammengestellt wurde.
Die Liebesgöttin Aphrodite besaß einen Zaubergürtel, dessen wundersame
Mittel Liebe und Liebesverlangen entfachen konnten. So zumindest besagt
es der griechische Dichter Homer in
seinem Epos „Illias“. Zu Ehren der antiken Göttin werden Liebesmittel Aphrodisiaka genannt. Eine der Aphrodite
heilige Pflanze ist die Rose. Schon in
der Antike galt sie als Symbol der Liebe und Sinnbild der Frau. Während ihre Wirkung als direktes Aphrodisiakum
bezweifelt wird, trägt ihr Duft zumindest zu einer entspannten, sinnlichen
Atmosphäre bei. Rosenöl wurde erst-
mals für die Hochzeit eines persischen
Königs hergestellt und findet heute
noch in den meisten Parfüms Verwendung. Im Orient und in Südostasien
werden viele Backwaren und Getränke
mit Rosenwasser parfümiert.
Ebenfalls symbolischer Natur ist die
aphrodisische Wirkung des Granatapfels. Die Legende besagt, dass Aphrodite einst den ersten Granatapfelbaum
auf Zypern pflanzte. Er galt als Symbol
des Frühlings, der Verjüngung und der
Fruchtbarkeit der Erde. In der Antike
wurde die Frucht deshalb auch kinderlosen Frauen verschrieben. Noch heute werden in Zypern frisch vermählten
Paaren Granatäpfel vor die Türe gelegt,
um ihnen viele Kinder zu wünschen.
Zum Kreis der symbolträchtigen Früchte zählt auch die
Erdbeere. Mit ihrer
Herzform und verlockend roten Farbe ist
die „Königin der
Früchte“ Symbol der
Sinnlichkeit und Verführung.
Die Suche nach aphrodisischen Wirkstoffen ist kein Phänomen der Neuzeit.
Was sich dagegen im Laufe der Zeit gewandelt hat, ist die Einstellung der
Menschen gegenüber diesen Mitteln.
Dabei spielen kulturelle und religiöse
Wertvorstellungen eine wesentliche
Rolle. So wird der Granatapfel im Alten Testament noch als Aphrodisiakum
gepriesen, gilt später jedoch als Attribut der keuschen Maria.
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„Die Welt der aphrodisischen Pflanzen
ist sagenumwoben“
Opium zu finden, das aus dem eingedickten Saft der angeritzten, noch unreifen Fruchtkapseln des Schlafmohns
(Papaver somniferum) gewonnen wird.
Dabei lassen seine zarten Blüten die gefährlichen Wirkstoffe der Kapseln kaum
erahnen. In China wird Opium seit alters her als Aphrodisiakum gegessen.
Das Opiumrauchen dagegen lernten
die Chinesen erst im 19. Jahrhundert
durch die Engländer kennen. Derivate
des Opiums wie Morphin und Codein
werden in der Medizin als Betäubungsund Schmerzmittel eingesetzt.
Viele Gewürze, die heute in Europa in
keiner Küche fehlen, waren in vergangenen Zeiten hoch geschätzte Aphrodi-
Carmen Hocker, Zürich
Foto: Hocker
Quellen:
– Christian Rätsch, Pflanzen der Liebe,
2001, AT-Verlag, Aarau/CH.
– Ruth Johnson-Illi, Rezepte der Liebe,
1999, AT-Verlag, Aarau/CH.
– Angela, Troni, Im Glas noch deines
Kusses Hauch, 2001, Rütten & Loening.
– „Liebesmittel“, Publikation zur Ausstellung „Food Design“ im Gewerbemuseum Winterthur.
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