Banker Boni im Griff

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Banker Boni im Griff
Banker Boni im Griff
Mehr oder weniger Gehalt?
Die Empörung ist landesweit: Die Banker verdienen zu viel und verdienen es gar nicht. Die
Jungsozialisten wollen gar, dass die überhöhten Boni der letzten Jahre wieder zurückgegeben werden.
Ein paar hochkarätige Wirtschaftsführer sind dem Aufruf gefolgt und haben zweistellige
Millionenbeträge zurückgegeben – primär an die UBS aber gerade eben auch in den Vereinigten
Saaten. Aber ist das richtig? Sollten die Sozialisten nicht viel eher mehr Boni für den Rest der
Arbeitnehmer fordern als weniger für die Banker? Weniger Gehalt ist ja beileibe nicht die
traditionelle Botschaft des Sozialismus. Dabei sind es nicht nur die Linken, welche sich über die
Banker Boni empören. In der Tat tritt das ganze Spektrum der politischen Landschaft plötzlich für
weniger Gehalt im Bankwesen ein. Der Bauch versteht es, der Kopf aber weiss, dass das nicht die
Antwort auf die anstehenden Probleme ist. Weniger Gehalt löst weder die Kreditkrise noch die
drohende Rezession. Eher im Gegenteil.
Der Bauch hat aber sicher auch etwas Recht. Es ärgert, wenn Belohnungen für Leistungen verteilt
werden, die sich im Nachhinein als Bärendienst erweisen. Im Zuge dieses Ärgers jede Belohnung in
Zukunft zu verbieten, oder auf einen Drittel des Jahresgehalts zu beschränken, wie das der
amerikanische Präsident fordert, schüttet aber das Kinde mit dem Bade aus. Denn weniger Gehalt
bedeutet in der Praxis mehr Kompensation durch andere Vorteile. Wir hatten das schon: edle Büros,
lange Mittagessen, grosszügige Einladungen links und rechts. Es gibt Tausend Möglichkeiten, ein
fehlendes Gehalt zu kompensieren. Dann lieber einen finanziellen Anreiz, sich auf die
Gewinnsteigerung zu konzentrieren wie das mir variablen Lohnzahlungen beabsichtigt ist. Bei
variablen Lohnzahlungen wurde in der Vergangenheit aber im Bankensektor viel falsch gemacht.
Jetzt bei der variablen Vergütung nichts zu tun ist genauso falsch wie sie abzuschaffen.
Was alles falsch gemacht werden kann
Bei den Banken wurde in der variablen Vergütung viel falsch gemacht. So wurden variable
Lohnkomponenten verwendet, um zu hohe Lohnunterschiede auszugleichen. Ein langjähriger
Mitarbeiter hatte unter Umständen aus zahlreichen Lohnerhöhungen ein zu hohes Gehalt. Ein
Mitarbeiter mit weniger Dienstjahren, der die gleiche Funktion mit gleicher Qualifikation ausübte,
hatte aus dem gleichen Grund ein viel tieferes Gehalt. Die variable Lohnzahlung am Ende des Jahres
glich solche Ungerechtigkeiten aus: Der langjährige Mitarbeiter kriegte weniger Bonus und damit
hatten beide Mitarbeiter am Ende des Jahres wieder etwa gleichviel. Eine praktische Lösung, die aber
nichts mit Leistung zu tun hat und eigentlich auch keine variable Vergütung darstellt. Diese
Komponente war vielmehr eine verzögerte Fixlohnauszahlung. Dieses Problem ist bei den Banken
weit verbreitet, weil Banken über ein (aus sozialer Sicht sehr erfreuliches) hohes Lohnniveau
verfügen. So erstaunt es nicht, das UBS auch für 2008 über eine Milliarde Zahlungen freiwillig machte.
Sie hätte auch einfach die Fixlöhne anpassen können, aber das ist in der Praxis noch schwieriger
umzusetzen als ausgleichende Gerechtigkeit über Jahresendzahlungen. Der Ruf nach weniger Boni
führt in diesen Fällen nur zu einem: Anpassungen der Fixlöhne nach oben. Also weder weniger
Lohnkosten, noch weniger Löhne – nur weniger Handlungsspielraum. Löst das die Bankenkrise?
Kaum.
Der Hauptgrund der hohen Bankerlöhne ist aber systemimmanent und kann durch Regulierung nicht
gelöst werden. Zum Glück nicht, denn es wäre auch nicht im Interesse der Gesellschaft, dieses
Problem zu lösen. Das Problem ist nämlich Verhandlungsmacht. Bei den Banken sind die Mitarbeiter
für den Erfolg des Unternehmens viel wichtiger als in anderen Branchen. Dies kommt davon, dass die
meisten Funktionen bei Banken weitgehend personengebunden sind. Die Banken bestehen nämlich
zum grossen Teil aus Verkäufern. Privatbankiers, Vermögensverwalter, Asset Manager, Investment
Banker, Kredit- und Kommerzfachleute ja sogar Schalterbeamte betreuen zu guter letzt die Kunden
persönlich und sind damit immer auch in einer Verkaufsfunktion.
Mitarbeiter, die zu Kunden einen direkten Kontakt pflegen, sind viel weniger austauschbar als zum
Beispiel ein Ingenieur, ein Logistiker oder ein Fabrikarbeiter. Deshalb haben die Banker bei
Lohnverhandlungen eine starke Verhandlungsposition. Ein Investment Banker meinte zu mir einmal:
„Bei mir laufen die Assets am Abend zur Tür hinaus und ich hoffe jeden morgen, dass sie wieder
durch diese Tür hereinlaufen.“ Würden Sie Ihren Assets wenig bezahlen? Wohl kaum. Und deshalb
werden die Bankerlöhne auch immer hoch bleiben. Das ist erfreulich, nicht nur für die Banker,
sondern auch für die Gesellschaft als Ganzes, denn hier muss kein Sozialdienst geleistet werden. Im
Gegenteil: Banker zahlen hohe Steuern, geben viel Geld aus und stellen gleichzeitig sicher, dass die
Wirtschaft rund läuft. Man sieht es jetzt was passiert, wenn die Banker versagen. Sie sind also wichtig.
Verhandlungsmacht verteilen
Die zu Gunsten der Mitarbeiter verteilte Verhandlungsmacht im Bankensektor hat dazu geführt, dass
besonders lukrative Vergütungsverträge verhandelt werden konnten. Dies war insbesondere in den
Boomjahren der Fall, als Führungskräfte mit Recht behaupten konnten, dass sie bedeutende
Gewinne für die Bank einfuhren. Dies wird in Zukunft viel schwieriger werden. Denn erstens ist
deutlich geworden, dass hohe Gewinne nicht unbedingt nachhaltig sein müssen und zweitens wird es
viel schwieriger sein, in Zukunft hohe Gewinne zu realisieren, da die Kunden kritischer geworden sind.
Und drittens führt die Schrumpfung des Bankensektors dazu, dass die Verhandlungsmacht der
Arbeitnehmer weiter geschwächt wird, weil es für ein paar Jahre zu viele davon geben wird. Das
Problem der hohen Banker-Gehälter wird sich daher mit Bestimmtheit abschwächen, weil sich die
Verhandlungsmacht bereits zugunsten der Arbeitgeber verschoben hat (eigentlich sollten die
Sozialisten diese Tatsache bedauern und nicht das Umgekehrte). Daher lohnt sich nicht, hier zu viele
Gedanken zu verlieren. Schon gar nicht lohnt sich ein Vergütungsmaximum, das in der Zukunft sicher
zu Problemen aller Art führen wird. Man erinnere sich nur daran, dass ein steuerabzugsfähiges
Vergütungsmaximum in den 90er Jahren in den USA dazu geführt hatte, dass prompt alle Löhne auf
die Höhe des Maximums angehoben wurden. Die Entwicklung stoppte aber dort nicht, wie man
heute weiss.
Was kann man tun, um die Verhandlungsmacht bei Lohnverhandlungen in Zukunft fairer zu verteilen?
Sicher ist auf der Ebene des Verwaltungsrats dafür zu sorgen, dass dieser gegenüber dem
Management und insbesondere gegenüber dem Geschäftsführer möglichst unabhängig ist. Voten für
Konsultativabstimmungen bei Gehaltsfragen gehen sicher in die richtige Richtung. Die zentrale
Machtbasis in Verhandlungen ist aber immer noch die Information. Ein schlecht informierter
Verwaltungsrat wird der Generalversammlung weniger gute Gehaltsvorschläge unterbreiten als ein
gut informierter. Daher ist der Verwaltungsrat in erster Linie mit besseren Informationen
auszustatten. Der traditionelle Informationsnachteil gegenüber der Geschäftsleitung ist zu reduzieren.
Die Geschäftsleitung verfügt nämlich nicht nur über Insider-Informationen, sondern auch über ein
weitaus grösseres Budget für Informationsbeschaffung als der Verwaltungsrat. Es ist sogar so, dass
die meisten Verwaltungsräte gar nicht über spezielle Budgets verfügen. Sie werden an die Sitzungen
eingeladen und müssen mit dem leben, was ihnen – oft reichlich spät und unvollständig – vorgelegt
wird.
Relevante Informationen für den Verwaltungsrat
Über welche Informationen muss der Verwaltungsrat verfügen, damit er Lohnverhandlungen richtig
führen kann? Natürlich spielt die Höhe der Vergütungen von Personen in ähnlichen Funktionen eine
Rolle. Aber diese Informationen geben nur an, was im Durchschnitt verdient wird. Es gibt keine
Hinweise auf die Performance, die dieser durchschnittlichen Vergütung zugrunde liegt. Diese
durchschnittliche Vergütung steigt im Boom und stagniert oder fällt im Bust. Das ist nicht wirklich
hilfreich, um leistungsorientiert vergüten zu können. Es ist erstaunlich, wie viele Verwaltungsräte sich
mit dieser Basisinformation zufrieden geben, die weder die eigentliche Frage beantwortet („was hat
die Person verdient?“), noch leistungsorientiert ist, da der Durchschnitt ja nicht von einer Leistung
abhängt. Viel wichtiger als die Lohnhöhe anderer Führungskräfte ist die Beurteilung der Leistung.
Und diese Beurteilung fällt in Aufschwungphasen gut und in Abschwungphasen weniger gut aus. Ist
das Leistungsbeurteilung? Kaum. Erklärt es die hohen Banker Banker Boni? Ja, sehr wahrscheinlich.
Besser als nackte Zahlen und Plan-Ist-Vergleiche, welche jedem Konjunkturzyklus nur hinterherlaufen,
sind indexierte Zahlen. Indexierte Leistungsmessung vergleicht die aktuelle Unternehmensleistung
einer Kennzahl wie Umsatz oder EBIT mit dem Operativen Index dieser Kennzahl (siehe
www.obermatt.com/operating-index). Dadurch wird ersichtlich, welcher Anteil der Kennzahl durch
die äusseren Umstände, wie Marktentwicklung, Börsenentwicklung und Konjunktureinfluss, zustande
gekommen ist und welcher Anteil wirklich intern geleistet wurde. Dieser interne Anteil der
Unternehmensleistung wird auch Operatives Alpha genannt (siehe www.obermatt.com/operatingalpha). Das Operative Alpha ist das Ausmass der operativ besseren Unternehmensleistung im
Vergleich zum Marktdurchschnitt (dem Operativen Index). In der Aufschwungphase ist dieses
Operative Alpha kleiner als die absolute Kennzahl, im Abschwung ist es grösser als die absolute
Kennzahl. Wenn das Operative Alpha einer Kennzahl positiv ist, dann wurde im Unternehmen mehr
Leistung erbracht als der Marktdurchschnitt, wenn es negativ war, dann wurde weniger geleistet.
Der Verwaltungsrat sollte daher den Operativen Index für die relevanten Führungskennzahlen
aufbereiten lassen. Das hat den Vorteil, dass er viel besser beurteilen kann wie gut die Leistung eines
Führungsgremiums wirklich war. Auf diese Weise wird er im Aufschwung nicht von guten Zahlen
geblendet, die ihn dazu verleiten, überhöhten Lohnforderungen nachzugeben. In schlechten Zeiten
wird er trotz negativen Einflüssen immer noch erkennen können, wenn die operative Leistung besser
war als der Durchschnitt. Hätte das die Exzesse im Bankensektor der vergangenen Jahre verhindern
können? Ich denke ja, denn die hohen Boni wurden immer mit hohen Gewinnen gerechtfertigt.
Wären diese Gewinne indexiert betrachtet worden, dann wären sie zumindest bei der Hälfte aller
Banken unter dem Median gewesen. Kaum eine starke Verhandlungsbasis.
Hermann J. Stern, Dr. oec. HSG, www.obermatt.com/team