20130919 Bankregulation Sinn und Unsinn mExkurs

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20130919 Bankregulation Sinn und Unsinn mExkurs
Kommentar vom 11. Oktober 2013
Bankenregulation – Sinn und Unsinn «Vereinfache das Komplizierte und kompliziere nicht das Einfache1.»
Die bange Frage, ob sich eine Finanzkrise wiederholen könne, soll
bekanntlich durch neue Vorschriften für Banken beantwortet werden.
Ob das genügt und welche Auswirkungen sie haben, wird je nach
Interessenlage unterschiedlich beantwortet. Der Versuch einer
Auslegordnung.
Es ist wieder etwas Ruhe eingekehrt, nachdem in den vergangenen Wochen ein wahres
Publikationsgewitter auf uns niedergeprasselt ist. Von der Regierung über Parteivertreter zu Kolumnisten und Interessenvertreter haben sich so ziemlich alle zur
Bankenregulierung geäussert. Kein Wunder bei der wirtschaftlichen Bedeutung2 und
den allseitigen Versprechen nach der letzten Finanzkrise. Ein guter Zeitpunkt für einen
Versuch, den Wald vor lauter Bäumen (wieder) sichtbar zu machen. Wie gerufen für
dieses Unterfangen hat der „Economist“ letzte Woche einen Artikel mit dem Titel
„Making banks safe“ publiziert, auf welchen ich mich teilweise abstütze.
Im Bankgeschäft geht es im Kern um das Spannungsmanagement zwischen Stabilität
und Profitabilität. Eine Bank ist je sicherer, je höher der Anteil an liquiden Aktiven und
je höher der Anteil der Eigenmittel an der Bilanzsumme ist. Je weniger, desto höher
wird das Risiko der Bank. Weil eine Bank naturgemäss über relativ wenige Eigenmittel
verfügt, spielt die Rendite des Eigenkapitals eine besondere Rolle bei der Steuerung
einer Bank. Der „Return on Equity (RoE)“, resp. dessen angestrebte Veränderung wirkt
wie eine Daumenschraube: Je stärker angezogen, desto schmerzlicher für die Sicherheit
der Bank. So liegt es auf der Hand, dass RoE-Ziele für Bankmanager starke Anreize
beinhalten. Um so sorgfältiger sollten Verwaltungsräte die Ziele für ihre Geschäftsleitungen setzen. (Siehe dazu den Exkurs am Ende dieses Kommentars.)
Das gilt auch nach Umsetzung der verschärften internationalen Regulationen (sog.
Basel-III-Vorschriften, umzusetzen bis Ende 2018). Mit diesen Vorschriften zu mehr
Eigenkapital und Liquidität sowie einer Leverage3-Beschränkung und weniger
1
Johannes XXIII. (1881 - 1963), eigentlich Angelo Giuseppe Roncalli, Papst von 1958-1963
Gemäss SwissBanking beträgt die Wertschöpfung der Banken am Bruttoinlandprodukt (BIP) fast CHF
35 Mrd. Rechnet man die Versicherungen dazu ergibt sind ein Anteil von über 10 % am BIP.
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Faktorverhältnis der Eigenmittel zur Bilanzsumme
2
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kurzfristigen Kundengeldern wird zwar ein engerer Rahmen für die RoE-Maximierung
geschaffen. Ein Bankkolapps kann aber damit nicht verhindert werden. Deshalb
ertönen auch zusätzliche Forderungen (a) zur Aufspaltung der grossen Banken4 (sog.
Trennbankeninitiative) oder (b) dem Verbot von Eigenhandel (Investitionen in
Kapitalmärkte mit Kundengeldern) oder (c) der beschränkten Verwendung von
Kundengeldern (sog. „ring-fencing“), damit bei einem allfälligen Untergang das
Einschreiten des Staates nicht (mehr) notwendig ist. Ob das reicht ist fraglich, wie uns
die immer wieder mal überbordenden Immobilienfinanzierungen in der Vergangenheit
vor Augen geführt haben. Deshalb auch die Forderung nach noch mehr Eigenkapital5
als Basel III vorsieht.
Naturgemäss sind die Bankmanager mit den Regulatoren wegen der RoE-Anreize über
die maximale Höhe des Eigenkapitals uneinig. Die Banker fürchten unproduktives
Kapital auf der Bilanz, was schliesslich zu einer Verteuerung der Kreditvergabe führe –
mit einem ungewissen volkswirtschaftlichen Schaden, wie sie sagen. Demgegenüber
steht die Erfahrung von langen Phasen mit tieferen Leverage-Zahlen und gleichzeitig
starkem Kreditwachstum. Wo die optimale Höhe des Leverages liegt, kann kaum
abschliessend bestimmt werden. Ein Papier der Bank von England behauptet, dass
Kosten und Nutzen bei 16-20 %6 Eigenmittel ausgeglichen sind.
Dass eine Verschärfung von Spielregeln für grössere Banken auch positiv sein kann,
wird hingegen selten kommentiert. Erstens erhöht Regulation die Markteintrittshürden, resp. schliesst kleinere Marktteilnehmer aus. Zweitens wirkt Regulation
fast gezwungenermassen innovationsfördernd. Drittens übernimmt der Staat eine
Mitverantwortung – auch bei Nicht-Regulation. So zum Beispiel wenn offenkundig ist,
dass er Banken, die das Finanzsystem in seinen Grundfesten erschüttern können, retten
würde. Notfallpläne zur staatlichen Aufspaltung in derartigen Situationen wirken nicht
unbedingt beruhigend. Dasselbe gilt bei politischen Äusserungen, dass Sparer ihr Geld
zurückerhalten werden7, komme was wolle. Die Finanzmärkte bewerten unmerklich alle
staatlichen Versprechungen und Subventionen, was den davon profitierenden Banken
erlaubt, sich günstiger zu finanzieren.
Bei aller Kritik muss man den internationalen Regulationsbemühungen attestieren, dass
sie die Lehren aus der Finanzkrise zu berücksichtigen versuchen. Eine weltweite
Umsetzung der gleichen Spielregeln ist aber illusorisch, denn staatliche Interessenpolitik
wird weiterhin auch vor diesem Bereich nicht halt machen. Einerseits gilt es
4
Diese Massnahme hat einen besonderen zusätzlichen Reiz. Da der Markt für Übernahmen bei sehr
grossen Banken praktisch inexistent ist, fehlt ein wichtiges Disziplinierungselement bei „bad governance“.
5
Die SNB hat durch die Schaffung eines sog. antizyklischen Kapitalpuffers bereits gehandelt, und die
Banken müssen seit September 2013 mehr Eigenkapital auf Hypothekarkrediten halten.
6
Bezieht sich auf sog. Risiko-adjustierte Aktiven und wäre höher als der neue Basel-III-Standard,
entspricht aber ungefähr dem „Swiss Finish“.
7
Siehe Garantie der Spareinlagen durch Angela Merkel und Peer Steinbrück im Herbst 2008
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Steuereinnahmen zu sichern und andererseits sind Regierungen auf die Banken (und
Versicherungen) zur Finanzierung der Staatsdefizite angewiesen. Nicht umsonst fehlen
drei elementare Regulierungsbausteine: (a) Verzicht auf explizite und implizite
Branchensubventionen, (b) keine Verpflichtung oder Anreize zur Verwendung von
Staatsanleihen für die Liquiditätshaltung und (c) wirkungsvolle Sanktionen bei
verspäteter und verwässernder nationaler Umsetzung. Bleibt zu hoffen, dass der
Entscheid für einen „Swiss Finish“ die Umsetzung der Eigenkapitalvorschriften8 nicht
kompliziert und die Schweizer Banken benachteiligt. Glaubt man der Schweizer
Aufsichtsbehörde FINMA soll der „Swiss Finish“ ja das Komplizierte vereinfachen9.
Lohnt sich für einmal das Verhalten als Musterknabe unter Verzicht auf gleich lange
Spiesse im Kampf der Finanzplätze? Wir werden sehen.
Exkurs:
Zur Darstellung der „Return on Equity (RoE)“-Problematik verwende ich eine
vereinfachte Bankbilanz. Die Ausleihungen – Aktiven – erfolgen je zu einem Viertel an
Banken, Staaten, Hausbesitzer und Unternehmen. Die Finanzierung dieser
Ausleihungen – Passiven – erfolgt zur Hälfte durch Sparer und zu 40% durch die
Ausgabe von Obligationen und zu 10%10 durch Eigenmittel/Aktionäre. Die
Prozentangaben bei den Bilanzpositionen sind die Zinssätze für die Ausleihungen und
Einlagen. Die Dezimalzahlen neben den Bilanzpositionen sind die Zinssätze im
Verhältnis zum Bilanzgewicht. Der Text neben der Bilanz beschreibt den Zielkonflikt
anhand der Renditemaximierung – ohne Berücksichtigung der operationellen Kosten.
Aus der Renditedifferenz (RoA) der Aktiven
(3.5 %) und Passiven (2.1%) ergibt sich mit
dem sog. Leverage-Faktora eine Eigenkapitalrendite (RoE) von 10 x 1.4 % = 14 %b.
Vereinfacht ausgedrückt, steigt der Gewinn
eines Bankaktionärs also kurzfristig, wenn die
Rendite der Aktiven steigt. Den RoE zu
maximieren bedeutet also weniger sicher
bewertete Aktiven zu halten, oder den Leverage durch weitere Annahme von Kundengeldern oder Ausgabe von Obligationen zu
erhöhen.
a
Faktorverhältnis der Eigenmittel zur Bilanzsumme
RoE = RoA x Leverage: .14 = (.035 - .021) x 10.
b
8
Siehe dazu den NZZ-Artikel „Schwer verdaulicher Eigenkapitalquoten-Salat“ vom 8. Feb. 2013
Siehe dazu den NZZ-Artikel „Zunehmende Globalisierung der Regulierung“ vom 3. Oktober 2013
10
Tatsächlich liegt der Anteil der Eigenmittel bei Grossbanken tiefer.
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