gomune - Showcase Beat Le Mot

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gomune - Showcase Beat Le Mot
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gomune
?On the great way
there is no gate
but a thousand of paths
to choose from.
Find the gate
and you may walk alone
between heaven and earth.?
(Kazuo Koike)
?Schlafend eine Matte, wach eine halbe,
und auch wer das Reich beherrscht kann nicht mehr essen
als zweieinhalb Schalen Reis.?
(Japanisches Sprichwort)
GOMUNE* - Performance
STRATEGIE
Die Performancegruppe Showcase Beat Le Mot ist dabei, ein neues Theater für den
kulturellen Notstand zu entwickeln. Es geht darum, eine Aufführungsstrategie zu erfinden,
die nach dem Konzept einer Band funktioniert, d.h. eine große Flexibilität in Bezug auf
räumliche Gegebenheiten, eine technische und personelle Ökonomisierung, und sehr
kurze Vorbereitungs- und Aufbauzeiten ermöglicht.
Bisher haben solche Theaterkonzeptionen zu einer Trash-Ästhetik geführt, die
unangenehm an Kabarett und Kleinkunst erinnert, und die sich inhaltlich bzw.
erzählerisch immer wieder in denselben Formen von Camp, Ironie und Klamauk
erschöpft. Trash ist zu einem für selbstverständlich erachteten Ritus des Theaters im Off
geworden.
Wir möchten dagegen eine Theaterästhetik entwickeln, deren Ökonomie in einer Strenge,
Reduktion und Standardisierung des visuellen und gestischen Repertoires besteht. Wir
wollen eine Bühnensprache gewinnen, die mit einfachsten technischen Mitteln arbeitet,
die durch ihre Standardisierung den Aufbau- und Probenaufwand minimiert und dabei
trotzdem eine Geschichte weitererzählen kann, von der die Zuschauer gefesselt sind. Die
Ökonomisierung und Reduktion bietet als eine äußere Notwendigkeit in Notzeiten
zugleich die Chance einer neuen Schönheit, die weder mit dem Trash der 90er, noch
dem ?armen Theater? der 60er und 70er Jahre etwas zu tun haben will, sondern deren
Qualität in einer rituellen Strenge liegt.
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MATERIAL
Ausgangsspunkt für die oben beschriebene Strategie ist der japanische Comic KOZURE
OKAMI (engl. > Lone Wolf and Cub) von Kazuo Koike (Autor) und Goseki Kojima
(Zeichner). Der mehr als 8000 Seiten umfassende Manga erzählt die Geschichte des
ehemaligen kogi kaishakunin (= Scharfrichter des Shoguns) Ogami Itto, der durch eine
Intrige des verfeindeten Yagyu- Clans seinen Status und seine Ehre am Hof des Shogun
verliert und nun zusammen mit seinem Sohn Daigoro als Ronin (=herrenloser Samurai)
durch das Japan der Edo-Zeit wandert. Verfolgt von Retsudo Yagyu, verlässt Ogami Itto
den Weg des Samurai/Kriegers - bushido - und macht sich den Weg in die buddhistische
Hölle ? meifumado ? zur neuen Überlebensstrategie. Als Auftragsmörder zieht er durch
die Provinzen Japans, um Geld für einen letzten Kampf gegen den Yagyu-Clan zu
sammeln, in dem er Rache nehmen und die Ehre seiner Familie für seinen Nachkommen
Daigoro wiederherstellen will.
Hierbei bedient sich KAZURE OKAMI der wesentlichen
ästhetischen Prinzipien
asiatischer Kultur ? dem Prizip der Stille und Reduktion, dem Prinzip des Zyklischen (>
Yin-Yang-Prinzip der Natur) und dem Prinzip der Auslassung und Fragmentierung. So ist
der gesamte Comic in schwarzweisser Tusche gezeichnet und einzelne Bilder erinnern in
ihrer Ruhe und Reduziertheit an die ?36 Ansichten des Fuji? von Hokusai, einem Maler
aus den letzten Jahren der Edo-Periode. An der Gestaltung der Panels erkennt man das
Prinzip der Auslassung und Fragmentierung wieder: so wird eine einzige Bewegung, zum
Beispiel ein Schwerthieb, über mehrere Seiten in unterschiedlichen Einstellungen und
Ausschnitten gezeigt, um ein kontinuierliches Erzählen aufzulösen und das Interesse des
Lesers eher auf die Atmosphäre der Bilder zu lenken als auf den Fortgang der
Geschichte. Und das Prinzip des Zyklischen findet man in der Struktur der einzelnen
Folgen wieder, die beinahe immer nach dem gleichen Muster ablaufen: Ogami Itto trifft
seine Auftraggeber, wird mit 500 Goldstücken im voraus bezahlt, möchte als einzige
Bedingung den Grund für den Auftragsmord erfahren, plant sein Vorgehen, trifft auf seine
Opfer, begeht den Mord und zieht mit Daigoro als Assassin Lone Wolf and Cub weiter
durch Japan.
Diese drei Prinzipien, Stille, Zyklus und Fragment, verknüpft mit der inhaltlichen Ebene
von KOZURE OKAMI, die einer Psychologie der Neuzeit in historischen Gewand
entspricht, bilden die Grundlage für die oben beschriebene Strategie unseres Projekts
GOMUNE und das Prinzip und die Ästhetik der Aufführungen.
PRINZIP DER AUFFÜHRUNGEN
Wir planen GOMUNE als eine Performance-Serie, die an verschiedenen Orten (Theater,
Clubs, Bars) stattfinden soll. Das Projekt adaptiert hier die Erzählstruktur und den Inhalt
des Comics, das den Weg Ogami Ittos durch Japan zeigt. Die Länge und der Aufwand
der einzelnen Abende richtet sich nach der Grösse und den finanziellen und technischen
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Möglichkeiten der Veranstalter. Auf diese Weise entstehen zwei Kategorien von
Aufführungen: GOMUNE XXL und GOMUE REGULAR.
GOMUNE XXL ist für Orte wie die Kampnagel Music Hall geplant und bietet ein
abendfüllendes Programm, in dem maximal drei Folgen der Serie (ca. 20-30 Minuten pro
Folge) gezeigt werden, die durch ein Rahmenprogramm wie Vorträge zu Themen wie
Yamamotos ?Hagakure?, Sunzis ?Kunst des Krieges? oder der Zubereitung von Sushi
ergänzt werden. Zusätzlich führen sie durch Erläuterungen japanischer Begriffe weiter in
die Thematik von KAZURE OKAMI ein. GOMUNE REGULAR zeigt maximal zwei Folgen
des Comics und ist für Bars und Clubs konzipiert.
Zwischen zwei GOMUNE XXL-Aufführungen werden an anderen Orten mindestens drei
GOMUNE REGULAR-Aufführungen gezeigt. Auf diesem Weg setzt sich die Serie wie im
Comic in unterschiedlichen Tempi fort. Vor jeder GOMUNE XXL- und GOMUNE
REGULAR-Aufführungen wird es eine inhaltliche Zusammenfassung, kombiniert mit
Performance-Sequenzen der vorangegangenen Folgen geben. Dadurch wird den
Zuschauern ermöglicht, sowohl die Geschichte des Comics weiterzuverfolgen, selbst
wenn sie einen Abend verpasst haben sollten, als auch die ästhetische Entwicklung der
Aufführungen zu analysieren und zu überblicken.
Im günstigsten Fall würde ein Rhythmus von OXXL-OR-OR-OR-OXXL-OR-OR-OR-OXXL
usw. an einem Hauptort und verschiedenen Nebenorten enstehen.
ÄSTHETIK DER AUFFÜHRUNEGN
Neben den bereits beschriebenen ästhetischen Prinzipien der Stille, der Reduktion, dem
Zyklischen, der Auslassung und Fragmentierung werden wir für die Aufführungen von
GOMUNE auch Stilmittel des Noh und Kabuki verwenden.
So wird es zum Beispiel Masken (>Noh) geben, die zum einen durch Form und
Farbsymbolik die einzelnen Charaktere für die Zuschauer wiedererkennbar machen und
zum anderen den Performern eine grössere Flexibilität ermöglichen, weil der Charakter
nicht an das Gesicht/die Person gebunden ist, sondern an die Maske. Um diesen Effekt
zu verstärken, wollen wir, ähnlich wie die im Kabuki verwendeten Mie-Choreographien,
Posen entwickeln, die entpersonalisieren und zugleich Zeichen für eine bestimmte
Handlung oder einen Gefühlszustand sind. Zusätzlich werden alle Texte des Comics den
Zuschauern entweder über bearbeitete Einspielungen oder Projektionen präsentiert.
Auch hierbei geht es uns um Flexibilität, Symbolik und Entpersonalisierung der
Charaktere. Die Kostüme für GOMUNE sollen der Form nach klassischen
Samurai-Kostümen entsprechen, die wir aus verschiedenfarbigem Papier anfertigen,
wobei auch hier Form und Farbe helfen sollen den Charakter zu stilisieren. Weitere
ästhetische Mittel, die wir aus dem japanischen Theater übernehmen wollen, sind die
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Stilisierung und Vereinfachung des Raums und der Einsatz vom Musik. Als Aussenraum
könnte zum Beispiel die Projektion einer Wunderlampe zum Einsatz kommen, die die
Bewegung der Landschaft bzw. das Wandern Ogamis verdeutlicht und durch
Diaprojektionen von abstrakten Bergen oder Wäldern ergänzt wird. Das Zeichen für einen
Innenraum hingegen soll ein einfacher ziehharmonikaartiger Paravant sein, der je nach
Aufstellung die Innenräume vergrössern und verkleinern oder ihnen unterschiedliche
Atmosphäre geben kann. Der Raum zwischen Zuschauern und Bühne soll durch einen
Hana-Michi aus Industrie-Palletten verbunden werden, auf dem alle wichtigen Charaktere
auftreten wie im Kabuki. Um unterschiedliche Atmosphären und eine ästhetische
Fremdheit für GOMUNE zu erzeugen, liegt es nahe, traditionelle japanische Instrumente
wie das Shamisen oder die Odaiko-Trommel zu sampeln.
Letztendlich geht es uns aber in GOMUNE nicht darum, eine Reproduktion japanischer
Theaterstile auf der Basis eines Mangas aus der Edo-Zeit zu präsentieren, sondern einen
Performancestil zu entwickeln, der so weit voranschreitet, dass rote Wollfäden
Blutspritzer sind, dass ein Stroposkop in Zeitlupe die Panels eines Mangas ersetzen
kann, dass der Weg zur Hölle wunderschön ist.
* GOMUNE ist ein Begriff aus der Edo-Zeit für Künstler, Schauspieler und Tänzer, die an
keinem festen Theater engagiert waren und ihr Geld auf der Strasse verdienten.
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