Ist Biotech die richtige Branche für Venture Capital

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Ist Biotech die richtige Branche für Venture Capital
 Analyse
Ist Biotech die richtige Branche
für Venture Capital Investments?
von Dr. Jürgen Conrad, ConsulTech GmbH, Berlin
Von Mitte bis Ende der neunziger Jahre schossen Biotechnologie-Unternehmen und
-Fonds in Deutschland wie Pilze aus dem
Boden [1]. Mehrere hundert Millionen Euro
wurden in 332 Biotechfirmen investiert [2].
Jetzt beginnt jedoch der Optimismus
auch in der Biotechnologie-Branche zu brökkeln (siehe transkript 11/2001, S. 25 ff.). Wie
geht es weiter mit der jungen Biotechindustrie in Deutschland und ihren Investoren?
Erste Biotechnologie-Unternehmen sind inzwischen von der Bildfläche verschwunden
(transkript 1-10/2002, Rubrik „Letzte Seite“)
und auch einige Investoren dieser Unternehmen haben Insolvenz angemeldet , zum
Beispiel die GUB AG oder die Knorr Capital
AG. Können Investoren in Biotech überhaupt
die Rendite erzielen können, die sie erwarten? Hierzu werden in diesem Beitrag einige
Thesen aufgestellt.
Für Biotech-Investments
muß ein Fonds ein großes
Volumen haben
Biotechnologie-Unternehmen, die pharmazeutische Produkte entwickeln, benötigen von
ihrer Gründung bis zum Schreiben schwarzer Zahlen (Break-even) mehr als zehn Jahre,
das heißt, sie benötigen mehr Zeit als Unternehmen anderer Branchen – und sie verbrauchen dabei deutlich mehr Kapital. Um solche
Unternehmen zu finanzieren, sind nach unseren Modellrechnungen mehr als 100 Mio. a
an Kapital notwendig.
Von 20 Unternehmen erreichen laut der US
Venture Capital-Firma Forward Ventures (San
Diego) nur 5 bis 10 % das Ziel. Für einen
Biotechnologiefonds bedeutet dies, daß dieser mindestens 20 Unternehmen in seinem
Portfolio haben muß, um erfolgreich zu sein.
In einem Modellportfolio von 20 Unternehmen, von denen eines nach acht Jahren an die
Börse gebracht wird und drei in einem Trade
Sale veräußert werden, erwirtschaftet ein
Fonds bei einem Investment von 100 Mio. a
ein Return on investment (Roi) von 120 bis
270 Mio. a (Modellrechnung ConsulTech
GmbH). Dies entspricht Bruttorenditen von 2
bis 13 %. Beim IPO ist hierbei eine Börsenbewertung von 300 bis 432 Mio. a angesetzt, die
sehr deutlich über den heutigen Börsenbewertungen liegt, die zwischen 1,3 Mio. a
(Co.don AG) und 56 Mio. (Lion bioscience
AG) liegen (HANDELSblatt 10.10.2002). Diese
Überlegungen legen nahe, daß Fonds, die ein
Volumen von weniger als 100 Mio. a in Biotechnologie-Unternehmen investieren, ihr Kapital besser in Aktien börsennotierter Biotechnologieunternehmen anlegen sollten.
Branchenerfahrenes
Management wird benötigt
Die meisten deutschen Biotechnologie-Fonds
(siehe www.bvk-ev.de), die Mitte der neunziger Jahre gestartet wurden, versuchten, sich
Technologiekompetenz möglichst kostengünstig durch Hochschulwissenschaftler einzukaufen. Nur wenige Fonds, wie etwa Atlas
Venture oder TVM, haben erfahrene Pharma-Manager angeheuert. Dieser Mangel an
Erfahrung hat zu vielen Investments mit reinem Technologiefokus und in Geschäftsmodelle geführt, die einer genaueren Prüfung
nicht Stand halten.
Um erfolgreiche Biotechnologie-Unternehmen zu entwickeln, müssen
die Fonds ihre Beteiligungsunternehmen intensiv unterstützen und entwickeln, um die
Chancen ihrer Beteiligungen zu verbessern.
Viele Manager lassen mangels Branchenkompetenz nach unserer Erfahrung ihre Beteiligungen laufen und schreiben sie ab, wenn sie
sich nicht nach Plan entwickeln.
Biotechnologie-Fonds sind
meist zu Technologie-fokussiert
Die meisten Fonds, die in Biotechunternehmen investieren, sind nach unseren Erfahrungen zu sehr auf Technologie fixiert.Viele
Firmen (20 % von CosulTech ermittelt aus:
BioTechnologie, Das Jahr- und Adressbuch
2002, BIOCOM AG), die in den vergangenen Jahren finanziert wurden, verfügen
über Technologieplattformen, die darauf
abzielen, schneller zu neuen Wirkstoffen
kommen (z.B. Jerini Biotools AG, AnalytiCon Discovery GmbH). Bisher konnte dies
weltweit von keiner Technologieplattform
wirklich gezeigt werden [3]. Die Entwicklungszeiten für Pharmaprodukte haben
sich nicht wesentlich verringert [3]. Die
Zahl neuer Wirkstoffe, die den Markt erreichen, nimmt sogar ab [3]. Die Technologieplattformen beschäftigen sich meist mit
winzigen Ausschnitten der Entwicklung
neuer Wirkstoffe (wie die kombinatorische
Wirkstoffsynthese
oder Targetvalidierung). Sie fokussieren
auf die ersten vier Jahre einer 8 bis 12 Jahre
dauernden [3] Entwicklung von Pharmaka.
Dies bedeutet, daß die Unternehmen, die
solche Plattformen haben (vermarkten), 9
bis 13 Jahre darauf warten werden, bis sie
über Royalties die Früchte ihrer Arbeit ernten. Viele Investoren lassen diesen Zeithorizont außer Betracht, offenbar in der Hoffnung auf den schnellen Börsengang.
Biotechnologie-Fonds benötigen
einen langen Atem
Biotechnologie-Fonds benötigen einen deutlich längeren Atem als Fonds, die in IT, Maschinenbau oder andere Branchen investieren. Damit ist ein Exit der Investoren in den
ersten fünf bis sieben Jahren schwierig. Viele
Fonds haben bei der Akquisition ihren Investoren schnellere Erfolge versprochen (siehe
Emissionsprospekte diverser Fonds), die jedoch im Unterschied zu IT-Investments einfach nicht eintreten können, da die Biotechnologie-Unternehmen nur in Ausnahmefällen innerhalb dieses Zeitraums schwarze Zahlen schreiben oder klinische Entwicklungsphasen erreichen.
Biotechnologie-Fonds haben
nur in Start-up-Unternehmen
investiert
Deutsche Biotechnologie-Fonds haben in den
Jahren 1995 bis 2000 in der Regel in Start-upUnternehmen investiert (BVK Jahrbuch 1999,
2000), also in frühe Phasen der Unternehmensund Produktentwicklung. Damit ist ein hohes
Risiko verbunden [4] und ein Erfolg der Fonds
nur sehr schwer erreichbar.
Im Zeitraum von1995 bis 2000 boten sich den
Fonds in Deutschland hierzu kaum Alternativen, da es nur Biotechunternehmen in frühen
Phasen gab. Inzwischen haben die Fonds die
Möglichkeit, auch in Unternehmen zu investieren, die zumindest einige Jahre in ihrer
Entwicklung fortgeschritten sind. Aber zur
Zeit scheuen viele wiederum Investments in
diese Unternehmen, da hier die Risiken klarer
erkennbar und konkreter sind (BVK-Jahresstatistik 2001). Die meisten Fonds weisen daher ein ungünstiges Risikoprofil auf.
Biotechnologie-Fonds müssen
eine Investmentstrategie haben
Ist die Konsequenz, daß Biotechnologie-Fonds
keine Chance haben, profitabel zu sein? Wenn
die Fonds die Spielregeln der Pharma- und
Biotechnologie-Industrie kennen, dann können sie durchaus erfolgreich sein. Dazu müssen sie aber eine klare eigene Strategie entwickeln.
Nr. 11 | 8. Jahrgang 2002 | 21
Biotechfonds benötigen ein Finanzvolumen
deutlich mehr als 100 Mio. a, sie müssen in
unterschiedliche Stadien investieren, sie müssen ihre Beteiligungen aktiver managen, eine
M&A-Strategie haben, und dafür brauchen
sie erfahrene Pharmamanager.
In jedem Fall ist für viele deutsche Biotechnologie-Fonds schnelles Handeln angesagt, bevor bei vielen Unternehmen die Lichter ausgehen – ein Schicksal, das dann auch einige
Biotechnologie-Fonds ereilen könnte.
Literatur
[1] vgl. BioTechnologie - Das Jahr und Adressbuch,
Jg.1995, Polycom Verlagsgesellschaft, Berlin; Jg.1999,
BIOCOM AG, Berlin
[2] Ernst & Young Deutscher Biotechnologie-Report
2002
[3] GLOBAL COMPETITIVENESS IN PHARMACEUTICALS
- A EUROPEAN PERSPECTIVE, 2000, Report prepared
for the Enterprise, Directorate-General of the European
Commission
[4] Dr. Werner Schauerte, Die Entwicklung und die
Situation im Early stage-Geschäft in Deutschland, BVK
Jahrbuch 1999
Kontakt
Dr. Jürgen Conrad
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Anhaltinerstraße 22
D-14163 Berlin
Tel: 030-80 19 71 11
Fax 030-80 19 71 20
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22 | Nr. 11 | 8. Jahrgang 2002
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