Wie Anleger ganz naiv in Medienbrief

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Wie Anleger ganz naiv in Medienbrief
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Ausgabe: Neue Osnabrücker Zeitung
Veröffentlicht am: 23.05.2016
Osnabrücker Sonntagszeitung
Wie Anleger ganz naiv in Medienbrief-Falle tappten
von Wilfried Hinrichs
Osnabrück. Sie waren ahnungslos, naiv, gutgläubig -und leichtsinnig: Medienbrief-Inhaber
haben im Prozess um die Pleite der "Osnabrücker Sonntagszeitung" berichtet, wie sie ihr
Geld verloren.
Ein heute 61-jährige Krankenschwester hat ein Teil ihres Erbes als stille Gesellschafterin der Enorm
Verlagsgesellschaft mbH versenkt, ohne zu ahnen, dass sie Teilhaberin des Verlages war. 40000
Euro sind weg. Sie sei der Empfehlung ihres Mannes gefolgt und mit ihm "und unserem Hund"
zum etwa viertelstündigen Gespräch bei Verlagsgeschäftsführer Norbert Fuhs gewesen. Selbst als
die Filialleiterin ihrer Bank vor der Überweisung skeptisch nachhakte, seien ihr keine Zweifel
gekommen, sagte die Krankenschwester am zweiten Prozesstag als Zeugin aus. Sie habe "volles
Vertrauen "zu Herrn Fuhs gehabt, der ihr "sehr sympathisch" erschienen war. Den Vertrag über
den Kauf der insgesamt acht Medienbriefe habe sie nicht gelesen. "Ich dachte nur, das ist
irgendwie eine gute Sache." Gut waren auch die versprochenen Zinsen: 5,25 Prozent pro Jahr.
Schneeballsystem
Der Ex-Verleger Norbert Fuhs muss sich vor der 2. Wirtschaftstrafkammer des Landgerichts Osnabrück wegen
Betruges und Insolvenzverschleppung verantworten. (http://www.noz.de/lokales/osnabrueck/artikeI1714735
/pleite-verleger-norbert-fuhs-schweigt-vor-gericht) Im wird zur Last gelegt, ein sittenwidriges
Schneeballsystem mit Medienbreifes betrieben und damit mindestens 171 Anleger betrogen zu
haben. Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft konnte Fuhs den Betrieb der defizitären
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"Osnabrücker Sonntagszeitung" nur aufrecht erhalten, indem er die finanziellen Lücken mit der
Herausgabe immer neuer Medienbriefe stopfte. Über 500 Anleger haben nach Ermittlungen der
Polizei seit 1996 Medienbriefe im Gesamtwert von über acht Millionen Euro gezeichnet. Zur
Anklage kommen 171 Fälle.
Eine der entscheidenden Fragen, die das Gericht zu klären hat, ist: Hat Fuhs den Anlegern beim
Verkauf der Medienbriefe die ganze Wahrheit über die Art der Beteiligung und die Risiken (bis
zum Totalverlaust) gesagt oder ihnen vorgegaukelt, es handele sich um eine risikofreie,
festverzinsliche Geldanlage?
Nicht zu Ende gelesen
Die Aussagen der ersten fünfvon 130 Zeugen, die bis Ende desjahres angehört werden sollen,
legen den Schluss nahe: Viele haben einen Vertrag unterschrieben, dessen Inhalt sie nicht
verstanden oder den sie gar nicht zu Ende gelesen hatten. Erst zu Hause habe er sich den
einseitigen Vertrag in Ruhe angesehen, berichtete etwa ein 70-jähriger Rentner aus Tecklenburg.
Mit dem Begriff des stillen Gesellschafters habe er nichts anfangen können, aber auch keine
weiteren Erkundigungen eingezogen. Der Tecklenburger hatte im April 2013 zwei Medienbriefe für
zusammen 10000 Euro gezeichnet. Einen Monat später brach das Unternehmen zusammen.
Auf Empfehlung
Ein 50-jähriger Polizeibeamter aus Köln war nach eigenen Angaben "nur zehn Minuten drin" im
Büro von Norbert Fuhs, da war der Vertrag unterschrieben. Das Papier habe er "nur überflogen"
und ansonsten seinem Vater vertraut, der selbst Medienbriefe besaß. Auf Empfehlung eines
Freundes legte auch ein heute 68-jähriger Rentner aus Siegen Ersparnisse von 10000 Euro in
Medienbriefen an. Mit dem Verleger habe er nie gesprochen, die Verträge im Wohnzimmer seines
Freundes unterzeichnet. Als 2013 die versprochene Rendite von 5,2 Prozent ausgeblieben sei,
habe er gekündigt. Zu spät: Die 10000 Euro sind weg.
"Nicht seriös zu erwirtschaften"
Der Verkauf der Medienbriefe war offenbar allein Sache von Ex-Verleger Norbert Fuhs. So
berichtete es ein früherer Mitarbeiter, der von 2011 bis 2012 als "Assisstent der Geschäftsleitung"
für die Enorm Verlagsgesellschaft arbeitete. Dass es sich bei den Medienbriefen um eine
Teilhaberschaft gehandelt habe, sei ihm klar gewesen, sagte der Betriebsfachwirt. "Es war mir aber
schleierhaft, wie man so hohe Zinsen zahlen konnte." Das Anzeigengeschäft hatte nach seiner
Einschätzung durchaus Geld abgeworfen, aber eine Rendite von über fünf Prozent sei mit dem
Geschäft "nicht dauerhaft seriös zu erwirtschaften" gewesen. Seine Erklärung: "Ein Loch wurde mit
dem nächsten gestopft."
Der Prozess wird am Freitag, 26. Mai, fortgesetzt. Landgericht, 9 Uhr, Saal 6.
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