Laudatio - Festival des deutschen Films

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Laudatio - Festival des deutschen Films
LUDWIGSHAFENER DREHBUCHPREIS
Martin Rauhaus / Adieu Paris
Laudatio von Dr. Michael Kötz ©
Diese Filmvorführung ist eine besondere. Sie beginnt nämlich mit einer
Preisverleihung, der Verleihung des in diesem Jahr neu eingerichteten
„Ludwigshafener Drehbuchpreises“, und das natürlich mit Bezug auf den Film,
den Sie gleich sehen werden.
Warum noch ein Preis? Und warum ein Drehbuchpreis? Es gibt Dinge, die hätte
man längst tun sollen, und wenn man sie dann realisiert, fragt man sich, warum
man sie nicht immer schon gemacht hat. Das Drehbuch. Jeder weiß doch, was
ein Drehbuch ist oder zumindest, dass es kaum einen Film gibt, der kein
Drehbuch hatte: das Buch, nach dem gedreht wird und um das sich eigentlich
alles dreht, nein eben nicht: drehen müsste, denn so wichtig es ist für das
Gelingen eines Filmes, so wenig ernst genommen wird es oft.
Die Filme, die wir nicht zeigen, weil sie beim Sichten aller neuen deutschen
Filme für die Programmauswahl aussortiert wurden, waren oft nicht so gut
gelungen, weil das Drehbuch schlecht war. So mancher Dialog, der da
gesprochen wird, war offensichtlich schon in der Papierform unglaubwürdig und
er hatte nicht das Glück dann auf einen Schauspieler oder einen Regisseur zu
treffen, der das in letzter Minute korrigiert. Die Aufmerksamkeit ist viel zu
gering, die man dem Drehbuch widmet, der Dramaturgie, der Dialoge,
Monologe, der Informationen zwischen den Zeilen. Jetzt hat man bei der
Vergabe des Deutschen Fernsehpreises sogar gleich ganz darauf verzichtet,
Drehbuchautoren auszuzeichnen. Alles nächstes sind dann die Regisseure dran,
deren Gesicht auch nicht so viel hermacht auf der Bühne wie das der
Schauspieler. Unglaublich aber wahr. Aber wir wussten das gar nicht, als wir
uns entschieden haben, hinfort auf diesem Filmfestival jährlich einen
„Ludwigshafener Drehbuchpreis“ zu verleihen.
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Bewusst verzichten wir dabei darauf, auch diesen Preis wieder an Personen zu
geben, die sehr bekannt sind und, wie man so schön sagt, etwas hermachen, weil
sie schon berühmt sind und mit zahlreichen anderen Preises versorgt.
Uns geht es im Gegenteil darum, auch die deutsche Film- und Fernsehbranche
an die Bedeutung guter Drehbücher zu erinnern. Unspektakulär sind sie, wie es
in der Natur der Sache liegt, daheim am Schreibtisch entstanden, mit einem
Blick aus dem Fenster, dem Lauschen nach Geräuschen, der Frage, ob man jetzt
gleich einen Kaffee trinkt oder erst, wenn diese Dialogstelle vorbei ist. Da gibt
es welche, die haben den fertigen Film als erste vor Augen, einsam für sich
allein und doch für alle. Mit einem nach innen gekehrten Blick sehen, hören,
spüren sie jene Gestimmtheit eines Films, die später der Regisseur erst wieder
finden muss – und manchmal auch nicht findet, weil er es nicht kann oder weil
er eine eigene Stimmung haben will.
Worte, die im Drehbuch nicht zu finden sind, werden später im Film auch nur
sehr selten auftauchen. Hier, beim Schreiben, entsteht die Dramaturgie eines
Filmes, sein Aufbau, seine Erzählstruktur, seine Winkelzüge und Bluffs, seine
Irrwege und Vermutungen, seine Auflösungen und Versprechen.
Manchmal hört der Autor des Drehbuches auch schon die späteren Schauspieler
seiner Rollen im Geiste sprechen, weil er ja weiß, wie sie sonst sprechen.
Manchmal hat er keine Ahnung, mit wem die Produktion und der Regisseur
seine Figuren später besetzen werden. Manchmal wird das Drehbuch so
genommen wie der Autor es verfasst hat, manchmal wird endlos an dem Buch
herum gefummelt.
Ein Drehbuchautor kann sich die Empfindlichkeit eines Romanautors nicht
leisten. Er muss mit einer gewissen Verstümmelung seiner Arbeit rechnen.
Selten dürfte er ihr freiwillig zustimmen. Ein Drehbuchautor ist also immer ein
Mitglied im Team der Herstellung eines Films, im Unterschied zu den anderen
aber arbeitet er mutterseelen alleine.
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Ein seltsamer Beruf also, in jedem Fall aber einer, der entscheidend mitwirkt an
Ihrer täglichen Versorgung nur eben viel zu wenig erkannt und gewürdigt.
Unser neuer „Ludwigshafener Drehbuchpreis“ soll immer an eine
Drehbuchautorin, einen Drehbuchautor gehen, dessen Film bei uns im
Programm läuft und der uns aufgefallen ist während der Filmauswahl.
Nämlich, weil hier offensichtlich keine gewöhnliche, keine durchschnittliche
Qualität des Drehbuches vorlag, sondern eine ganz besondere, ein besonderes
Niveau der Dialoge, der Dramaturgie, der Szenarien, der Themen im
Hintergrund. Wir sind nahezu sicher, dass wir ungerecht sind, dass wir manche
Qualität übersehen haben oder nicht sehen konnten, weil die Regie sie nicht
haben wollte oder umgekehrt manchmal vielleicht die Qualität, die wir dem
Drehbuch zuschreiben, in Wahrheit erst durch die Regie in den Film kam.
Justiziabel ist unsere Entscheidung also nicht. Das ist auch der Grund, warum
wir keine Jury damit belasten wollen, all dies im Detail vorher klären zu müssen
und doch nicht klären zu können. Da nehmen wir es lieber selbst auf die Kappe,
das zu entscheiden. Sicherheitshalber haben wir aber die Verfilmung
literarischer Vorlagen außen vor gelassen, denn da wäre es nahezu unmöglich,
den Anteil des Drehbuchautors herauszulesen.
„Adieu Paris“, Regie Franziska Buch, eine vielfach preisgekrönte Regisseurin,
Produktion Wüste Film, Ralph Schwingel, Stefan Schubert –
Ich war fasziniert beim Sichten dieses Films von der Klugheit der Dramaturgie,
besonders der Klugheit der Dialoge und wie sie beständig sich um eine
Grundidee drehen, die mir die des Kinos überhaupt zu sein scheint: die große
Liebe, die es sozusagen beinah gegeben hätte, wenn es sie denn geben könnte
auf dieser Welt, weshalb es sie früher im Kino dauern gab; heute sind wir klüger
und weiter: wir suchen sie nämlich immer noch.
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Der Autor, der Drehbuchautor hat die Sache ganz offensichtlich studiert,
jedenfalls wäre er alt genug dafür, er kennt das Filmemachen als Aufnahmeleiter
(„Ruhe bitte! Woran hängt es?“) und als Regieassistent, und er ist
Drehbuchautor zahlreicher Kino- und Fernsehfilme,
seit einem Viertel Jahrhundert schreibt er Drehbücher, zu „Loosers“ oder zu
Rainer Kaufmanns „Long hello and short goodbye“, Steinbichlers „Winterreise“
und viele andere.
Der erste „Ludwigshafener Drehbuchpreis“ geht an Sie, an Martin Rauhaus!
Meinen herzlichen Glückwunsch!!
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