Rede zur Ausstellung – Es ist an der Zeit – 4D Projektort des BBKL
Transcription
Rede zur Ausstellung – Es ist an der Zeit – 4D Projektort des BBKL
Rede zur Ausstellung – Es ist an der Zeit – 4D Projektort des BBKL – 25.10.-30.11.2013 Eröffnung am Do, 24. Oktober 2013, um 19 Uhr, gehalten von Sabine Aichele-Elsner Sehr geehrte Kunstfreunde, liebe Künstler, sehr geehrte Damen und Herren, ich freue mich, dass ich Sie zur Eröffnung der Ausstellung „Es ist an der Zeit“ mit einer Laudatio begrüßen darf. Die Idee dieser Ausstellung stammt von Sebastian Kiss, ein junger und neuer Mitarbeiter des BBKL. Er sagt, der Titel „Es ist an der Zeit“ für den er sich gemeinsam mit Dr. Stefan Schulze entschieden hat, vermittle, dass der Projektraum des BBKL auch eine Plattform für junge Künstler sein soll und dies zu zeigen an der Zeit wäre. Man kann daraus hören, dass sich der Leipziger Berufsverband für Bildende Künstler nicht nur öffnet und verjüngt, sondern auch wandelt. Wir können also auf weitere spannende Ausstellungen und Aktivitäten des Verbandes gespannt sein. Doch nun zu dieser Ausstellung: Richard Paul Meszaros - Nein, es sind keine Druckplatten von Holzschnitten, die wir hier sehen, sondern feinste Lindenholz-platten, die, wie der Künstler sagt „nach jedem Schnitt einer der schönsten Düfte die er je riechen durfte, ausströmen“. Bei genauerem Betrachten sieht man die Spuren des Heraus-Schneidens. Nicht die komplette Platte wurde bedruckt, sondern es bleibt immer ein Teil als unbedrucktes Roh-Material stehen. So ergeben sich z.B. reale Schatten an den Rändern der Kunstobjekte. Innerhalb der erzählten Geschichten lassen sich weitere Schatten finden, die den Unterschied und die Doppelbödigkeit seiner Kunst verraten. Meszaros gelingt es, die Motive sensibel, klassisch, und doch ausdrucksstark umzusetzen. Ein Mann unter einem Tisch sitzend, dessen Schatten über die eng angezogenen Knie und der Wand hinter ihm fällt oder ein Hulla-Hupp-Reif um die Hüften eines Jungen, deren Schatten auf dem Boden als Kreis wiederkehrt. Interessant ist, dass der Künstler hier mit gekonnt illusionistischen Mitteln spielt und den Betrachter bereits durch die Oberfläche irritiert. In dem Bild „Fremdkörper Freude“ ist zum Beispiel der weiße Luftballon des Mädchens direkt aus dem Holz geschneidert und, um dem schwarzen und harten Motiv der Pistole im Schoße des Mädchens einen Kontrast zu geben, wurde das Holz erstmalig mit weißen ornamentalen, feingeschwungenen Jugendstil-Kacheln geschmückt. Richard Paul Meszaros Arbeiten sind alles Unikate, die auf ein Lindenholz-Relief gedruckt werden und gehören zu einer Serie die sich mit den radikalen Politischen Wandlungen in Ungarn beschäftigt und entstand zwischen 2009 und 2010. Meszaros gelingt es, die inneren Zustände der Bevölkerung, besser gesagt der kritischen Bevölkerung, mit ihrer Hilflosigkeit, Verzweiflung, Zerrissenheit und unterschwelligen Aggression symbolisch darzustellen und sich damit auseinander zu setzten. Sebastian Pless Die bildhauerische Position in dieser Ausstellung nimmt der Künstler Sebastian Pless ein. Eigentlich ist er für seine figürlichen, erzählerischen und klassischen Pappel-Holzskulpturen bekannt. Doch hier sehen wir seine aktuellen Werke, welche nicht mehr aus einem Stück herausgearbeitet, sondern additiv zusammengesetzt wurden, und damit Kombinationen aus diversen Stahlstücken und Holzrohlingen sind. Die Arbeiten „Architekt“ und „Kanibale“ weisen bereits durch ihre Titel wiederum auf Figuren hin, sind doch vergleichsweise sehr viel abstrakter als seine vorherigen Plastiken. Zumeist wird ein grober Eichen-Holzkanten, also ein besonders langsam gewachsenes, stabiles und schwer zu bearbeitendes Holz als Halterung, Basis bzw. Sockel und einem geschweißten Stahlaufsatz brachial kombiniert. Die geschweißten Stahlstücke setzen sich aus kleinen und größeren Stahlrohren, Klappen zusammen, deren Schweißnähte sichtbar bleiben. An manchen Stellen blitzen Spuren von Lackfarben auf und lassen den ursprünglichen Nutzen des Materials erahnen. Dennoch bleibt der Charakter des Fundstückes, des Schrottplatzes, von Weggeworfenem bzw. Überholtem, das die Gesellschaft nicht mehr benötigt. Oliver Stäudlin Ein weiterer Spezialist in punkto Kombination von diversen künstlerischen Herangehensweisen ist Oliver Stäudlin. Er verbindet klassische Acryl- und Ölmalerei mit Tusche und Holzdrucken auf Leinwand. Seine Motive stammen aus dem Bereich der Industriearchitektur, die oftmals sehr raumgreifend, bedrohlich und dennoch ästhetisch wirkt. In „Ein Heulen kommt über den Himmel“ liegen undefinierbare Fässer im Vordergrund des Bildes, die sowohl alte Salzfässer als auch ausrangierte Atommüllbehälter sein könnten. Sie führen den Blick auf eine Hochhaussilhouette, die urbane Fremdheit versinnbildlichen. Im Zentrum des Bildes stehen graue, fein gemalte Wolken, die einerseits etwas Drückendes haben und andererseits einen abstrakten Freiraum geben. Im rechten oberen Teil leuchtet ein Holzschnitt durch, der auf eine eigentümliche Art und Weise sowohl an apokalyptische Szenen und zugleich an christliche Darstellungen von Heilsversprechungen erinnert und somit diametral als positives oder negatives Bildsymbol verstanden werden kann. Jörn Lies zeigt uns Fotografien, die, wie man sofort vermutet, nicht von ihm selbst erstellt wurden. Das Grundmaterial seiner Kunst stammt aus den Jahren 1900 bis 1960. Seine künstlerische Arbeit sind das Recherchieren in diversen Archiven und im Internet, das Konservieren dieser von ihm gefundenen Fotos, das Kombinieren und letztendlich das Präsentieren dieser Fotos, was eine Verdichtung wahrnehmungspsychologischer Erinnerung zur Folge hat. Ein sowohl gemeinschaftliches als auch subjektives Bildgedächtnis wird aktiviert und/oder reaktiviert, freigesetzt und zugleich in Frage gestellt. Ins Herz der Arbeit von Jörn Lies treffen die Schlagworte: „Erinnerung, Vergangenheit, Bedeutungsschwere und Rätsel“. Es geht darum, wie wir Vergangenheit, Geschichte und die damit verbundenen Bilder im gesellschaftlichen und auch persönlichen Bereich wahrnehmen, ständig uminterpretieren und immer wieder zu einer stringenten Geschichte neu zusammensetzten. Es geht ihm um Macht und Ohnmacht und Scheitern. Was sehen wir auf diesen Fotos?: Eine Vermessung von Proportionen einer Hand mittels einer sehr feinen weißen Linie. Die Ansicht eines an einen Korbstuhl gefesselten Mannes und seine Befreiung. Vermessung des Bauchumfanges eines Mannes. Zwei klar gespreizte Finger auf der Handfläche als Geste und Zeichen. Es geht um den Drang des Menschen, Unfassbares zu Erobern, zu Erforschen. Es ergeben sich Fragen wie: Inwieweit sind Mensch und Welt überhaupt zu vermessen? Haben wir hier nicht doch unsere Grenzen? Durch die Überarbeitung mit Kugelschreiber, was ein ausgesprochenes Wesensmerkmal in Jörn Lies Arbeit ist, wird etwas versteckt, weggenommen und zugleich wieder in den Fokus gestellt. Was wurde da übermalt, wie reagiert die neue Fläche und Form auf den Rest des Bildes? Eine zusätzliche Ebene wird aufgetan, die dem jeweiligen Bild einen weiteren Charakter verleiht. Kay Zimmermann zeigt uns in seinen Fotografien Landschaften. Doch nicht im herkömmlichen Sinne, sondern in mannigfaltigen Details. Wasserströme, Windbewegungen, Steinformationen werden so festgehalten, dass sie lebendig erscheinen. Der Entstehungsprozess dieser norwegischen Landschaften über Jahrmillionen scheint in seinen Fotografien greifbar zu werden. Und dahinter steckt wiederum sein unabdingbarer Blick auf das Innere, dem System hinter etwas. Abbild, Oberfläche und Ästhetik werden zu einem Konglomerat, das uns als Betrachter den Blick öffnet und nachdenken lässt. Allen gemeinsam ist der Blick nach draußen. Es ist nicht die Haltung eines In-sich-hinein-horchens, sondern vielmehr ein durch den gewagten und offenen Blick in die Welt und Geschichte umgesetztes künstlerisches Handeln. Seien es die kritischen Beträge zum politischen Wandel Ungarns von Richard Meszanos, die Ansichten von Auseinandersetzungen mit Industriearchitektur und wie wir mit der Geschichte dieser Architektur umgehen, oder auch Fragen, Vergänglichkeiten, die mit der Frage nach Zukunft zu tun haben von Oliver Stäudlin, oder den historischen Bildern von Jörn Lies, die über die Dokumentation hinaus gehen, beim Betrachter auf subtile Art und Weise ein Unbehagen und Fragen auslösen: Der Blick geht hinaus. Auf Schrottplätze, Industrie, Geschichte, Landschaft und stellt zugleich die Frage nach der heutigen Verantwortung, die im Zeitalter der Massenmedien und der sozialen Netzwerke natürlich fundamental ist. Der Titel „ Es ist an der Zeit“ impliziert ein momenthaftes Jetzt, das sich jedoch immer wieder aus der Vergangenheit speist. Doch die Fragen der hier ausgestellten Künstler scheinen mir nicht nur um das Jetzt zu kreisen, sondern auch um Zukunft und die Möglichkeit menschlichen Handelns zu gehen. Damit ist nun doch eine Schleife zum Titel der Ausstellung „Es ist an der Zeit“ und zum Aspekt der Zeit gelungen, die hiermit von mir eröffnet wird. Ich wünsche Ihnen einen anregenden Abend mit vielen Fragen, Gesprächen und Diskussionen. Den Künstlern wünsche ich weiterhin viel Erfolg und vor allem ein Bewahren des sensiblen Blickes nach außen. Ich bedanke mich bei den Künstlern fürs Vertrauen und bei Ihnen fürs Zuhören. Vielen Dank. Sabine Aichele-Elsner M. A., Kunsthistorikerin, Leipzig