Joachim Jahnke (jjahnke.net)

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Joachim Jahnke (jjahnke.net)
Offener Brief an
Egon W. Kreutzer
Joachim Jahnke (jjahnke.net)
Elsendorf, 15. März 2015
Sehr geehrter Herr Jahnke,
„Fatma“ ist ein weiblicher Vorname.
„Fatwa“ hingegen ist das Rechtsgutachten eines islamischen Gelehrten, das alle
möglichen Inhalte haben kann, auch wenn hierzulande die „Fatwa“ gerne als
Synonym für eine Hetzjagd auf Ungläubige verwendet wird.
Ihr Vorwurf, ich hätte eine „Fatma“ gegen Sie angezettelt, ist daher ungewollt
amüsant. Doch auch wenn Sie von „Fatwa“ geschrieben hätten, wäre das nicht
minder amüsant gewesen – es sei denn, Sie unterstellen mir zugleich,
fanatischer Islamist zu sein, während Sie selbst als aufrechter Kämpfer gegen
die Islamisierung des Abendlandes bei PEGIDA marschieren.
Wie ich Sie einschätze, werden Sie diese Erläuterungen jedoch als „intime
Kenntnis islamischer Sitten und Gebräuche“ interpretieren und mich damit
künftig als radikalen Islamisten anprangern, doch, glauben Sie mir, auch das
wird mich, wie so manche andere persönliche Diffamierung, nicht treffen
können.
Mir geht es weiterhin um die Sache.
In der Sache stimme ich mit Flassbeck überein, wenn er erklärt, dass der
dauerhafte – und noch dazu hohe – Exportüberschuss einer Volkswirtschaft,
wie ihn Deutschland seit Jahrzehnten ausweist, zwangsläufig dazu führt, dass
andere Volkswirtschaften sich verschulden müssen.
Diesem abstrakten Gedanken werden auch Sie sich nicht verschließen können,
wenn Sie glaubhaft bleiben wollen.
Flassbeck folgert, dass die Lohn- und Arbeitsmarktpolitik Deutschlands als
Hauptursache für dieses Ungleichgewicht im Außenhandel anzusehen ist, und
er folgert weiter, dass dieses (staatliche geförderte) Lohndumping auch für die
wachsenden Spannungen im Euro-System verantwortlich sei.
Dieses Argument wischen Sie mit der oberflächlichen Entgegnung vom Tisch,
Deutschland stünde auf den Weltmärkten mit Griechenlang überhaupt nicht in
Konkurrenz, weil Deutschland ganz andere Waren anbietet als Griechenland.
Das von Ihnen in die Diskussion geworfene Faktum ist korrekt, Ihre darauf
aufgebaute Schlussfolgerung hingegen ist kurzsichtig, falsch und irreführend.
Kurzsichtig, weil diese Argumentation die Fessel der gemeinsamen Währung
vollständig ausblendet. Selbstverständlich wäre Griechenland mit allen seinen
für den Export bestimmten Gütern und im Tourismusgeschäft erfolgreicher,
könnte es den Kurs seiner Währung im Außenverhältnis seinen Bedürfnissen
anpassen. Der vor allem im Interesse Deutschlands hoch gehaltene Euro-Kurs
ermöglichte Deutschland, wegen des über mindestens 20 Jahre
durchgehaltenen extremen Lohndumpings, auf den Weltmärkten erfolgreich zu
bleiben, während Griechenland und die anderen Krisenländer durch das
Währungsverhältnis Exportchancen nicht wahrnehmen konnten.
Falsch, weil Flassbecks Aussage nicht auf Griechenland beschränkt bleibt,
sondern selbstverständlich auch die ebenfalls problembehafteten großen
Volkswirtschaften Italien und Frankreich einschließt. Volkswirtschaften, bei
denen die Überschneidungen in der industriellen Erzeugung weitaus größer
sind. Wo italienische oder französische Unternehmen mit deutschen
Unternehmen zu konkurrieren haben, treffen Konkurrenten mit
unterschiedlichen Personalkostenanteilen (Lohn-Stückkosten) aufeinander, die
sich durchaus im direkten Wettbewerb auf den jeweiligen Binnenmärkten als
auch im internationalen Markt außerhalb der EU gegeneinander zu
positionieren haben. Der Vorteil der deutschen Industrie wurde aber nicht
zuletzt erst mit Schröders Agenda 2010 und den Hartz-Gesetzen geschaffen, die
in Deutschland, das nach wie vor ein Hochpreisland ist, einen gigantischen
Niedriglohnsektor mit allen seinen negativen Folgen hervorgebracht haben.
Irreführend, weil Flassbeck nicht neoliberalen Fantasien anhängt und daher in
einem immer weiter gesteigerten Wettbewerb nicht die Lösung aller Probleme
sehen kann, weil ein solcher „endloser“ Wettbewerb am Ende nur dazu führen
kann, dass alle abhängig Beschäftigten dieser Welt in Slums wohnen und sich
von Abfällen ernähren, während die von Ihnen produzierten Erzeugnisse mit
Raumschiffen zu den Abnehmern in fernen Galaxien transportiert werden.
Die Lösung der europäischen Wettbewerbsverzerrungen kann nun einmal nicht
darin liegen, dass sich die EU-Staaten zu Gunsten unbekannter Dritter in Grund
und Boden konkurrieren, sondern nur darin, dass Leistung und Gegenleistung
(national, EU-weit und global) zeitnah einen Ausgleich finden. Dies kann – im
konkreten Szenario der Euro-Zone - entweder durch Lohnsteigerungen in
Deutschland, oder durch den Euro-Ausstieg der Schwachen (oder der Starken)
bewerkstelligt werden. Die bisherige Austeritätspolitik war und ist ein Irrweg,
was inzwischen nicht nur theoretisch, sondern auch empirisch belegt werden
kann.
Mit Ihrem Text: „Flassbeck versteht die Euro-Welt nicht mehr“, haben Sie an
Flassbecks Argumenten zielstrebig vorbei argumentiert und im Grunde nur eine
Nebelbombe geworfen. Das veranlasste mich zu der Frage, ob ein
wissenschaftlich gebildeter Mensch mit reicher Berufserfahrung, wie Sie es
sind, tatsächlich zu solch oberflächlichen und persönlich diffamierenden
Seitenhieben fähig sein kann, oder ob Sie nur Ihren Namen für eine Schar
beflissener Lohnschreiber hergegeben haben.
Nun, Sie ziehen es vor, selbst die Verantwortung für die Texte auf jjahnke.net
zu übernehmen. Das enttäuscht mich.
Mit freundlichen Grüßen
Egon W. Kreutzer
P.S.: Sollten Sie die „Fatma“ nachträglich in eine Fatwa umwandeln, dann
entfernen Sie doch bitte auch das überflüssige „f“ bei Prof. Haferkampf…

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