Kreuzbandriss beim Hund

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Kreuzbandriss beim Hund
Kreuzbandriss beim Hund
Der Riss (Ruptur) des vorderen Kreuzbandes (Lig. cruciatum craniale) ist einer der häufigsten orthopädischen Erkrankungen des
Hundes.
Das vordere Kreuzband hat drei wichtige präventive biomechanische Funktionen:
1. Das nach vorne Gleiten des Unterschenkels gegenüber dem Oberschenkel (Schubladenphänomen)
2. Das Überstrecken des Kniegelenkes.
3. Die exzessive Innendrehung (Rotation) des Unterschenkels.
Entstehungsursachen (Pathogenese)
Der Kreuzbandriss kann unterschiedliche und vielgestaltige Ursachen haben.
Einige bekannte Ursachen davon sind folgende:
1. Ein Riss des vorderen, sehr selten auch des hinteren Bandes durch traumatische Einwirkung , wie plötzliches Überstrecken oder
übermäßige innere Rotation des Kniegelenkes. Hierbei entsteht der Riss meistens im Bereich der Ansatzstelle am Schienbein
(Tibia).
2. Traumatische Risse häufig mit Seitenbandrissen (Kollateralband) nach Unfällen.
3. Vorderer Kreuzbandriss in Kombination mit einer Verlagerung der Kniescheibe nach innen (mediale Patellaluxation) bei starker
Einwärtsdrehung (Rotation) des Unterschenkels.
4. Risse (Rupturen) des vorgeschädigten Kreuzbandes im Zusammenhang mit degenerativer Kniegelenkerkrankungen bei älteren
Hunden sind einer der Hauptursachen. Die davon betroffenen Hunde sind meist zwischen fünf unf sieben Jahre alt. Dabei kommt es
häufig zu Elastizitätsverlusten des vorderen Bandes infolge von Durchblutungsstörungen.
Bei dieser Form reisst das Band zuerst unvollständig, um später, nach einem geringfügigen Trauma komplett durchzureissen.
Übergewichtige Labrador und Golden Retriever neigen häufig zu dieser Entstehungsursache.
5. Bei manchen Junghunden großer Rassen mit schon ziemlich fortgeschrittenen arthrotischen Zubildungen kann das vordere
Kreuzband partiell rupturieren.
Davon betroffen sind Rassen wie der Rottweiler, Bull Mastiff, Bernhardiner und der Neufundländer.
Die frühzeitige arthrotische Veränderungen werden mit anatomischen Stellungen des Knie-und des Hüftgelenkes im Zusammenhang
gebracht.
6. Altersabhängige Durchblutungsstörungen.
Untersuchungen haben gezeigt, dass mit zunehmendem Alter die Durchblutung (Vaskularisation) des vorderen Kreuzbandes stetig
abnimmt. Somit besteht ein Zusammenhang zwischen den Vaskularisationsschäden und den degenerativen Bandveränderungen.
7. Rupturen infolge von Entzündungen des Kniegelenkes.
Immunbedingte und infektiöse Entzündungen des Knigelenkes können zu krankhaften Veränderungen des Kreuzbandes führen,
wodurch ein Riss entstehen kann.
8. Eine geringere Weite der Knochenfurche zwischen den beiden Gelenkknorren (Fossa intercondylica) im Bereich der
Ursprungsstelle des vorderen Bandes.
Hunde mit Kreuzbandrissen wiesen nach bestimmten Untersuchungen eine veränderte Distanz zwischen den Gelenkknorren
(Kondylen) des Oberschenkels (Femur) auf.
Durch den engeren Spalt zwischen den Gelenkknorren kann beim Strecken und Beugen des Kniegelenkes zu einem übermäßigem
Kontakt zwischen Kreuzband und äußerem Gelenkknorren kommen, wodurch ein Riss begünstigt wird.
Bei bestimmten Hunderassen, wie Rottweiler und Neufundländer besteht eine angeborene Enge, so dass hier gehäuft
Kreuzbandrisse vorkommen.
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9. Anatomische Prädisposition
Eine übermäßige Verkippung des Unterschenkelplateaus nach hinten führt zum vermehrteren Stress und Zug auf das vordere
Kreuzband, wodurch eine Ruptur entsteht.
Bei den meisten Hunden beträgt der Winkel zwischen Unterschenkelplateau und Schaft des Unterschenkels (Tibia) 69°. Wenn
dieser Winkel weniger als 69° beträgt, ist der Stress und Zug auf das vordere Kreuzband stärker, was zum Riss des Bandes und zu
Osteoarthrosen führen kann.
Dieser abnorme Winkel kommt dann vor, wenn die Wachstumsfuge des hinteren Anteils des Unterschenkelplateaus vorzeitig
schliesst und die Wachstumsfuge des vorderen Anteils weiter offen bleibt. Die Folge davon ist eine Verbiegung nach vorne (kranial)
der oberen Partie des Unterschenkels und ein Riss des Kreuzbandes.
Diese unebene Fläche des Unterschenkelplateaus hat wahrscheinlich traumatische Ursachen, obwohl eine genetische
Prädisposition nicht vollkommen auszuschließen ist.
10. Das Körpergewicht des Hundes sollte als Ursache ebenfalls mitberücksichtigt werden.
Funktion und Biomechanik der Kreuzbänder
Es liegen in jedem Kniegelenk zwei Kreuzbänder vor. Das hintere Kreuzband ist von geringerer Bedeutung als das vordere und
deshalb wird es in diesem Artikel vernachlässigt.
In den meisten Fällen reisst das vordere Kreuzband.
Durch den Riss dieses Bandes wird das Kniegelenk instabil. Dadurch ist die Biomechanik des Gelenkes hochgradig gestört.
Das vordere Kreuzband setzt sich aus zwei Bestandteilen zusammen, die leicht verschlungen verlaufen.
Der kleinere vordere Anteil (kraniomedialer Anteil) bleibt sowohl beim Strecken als auch beim Beugen des Kniegelenkes straff,
während der längere hintere Anteil (kaudolateraler Anteil) beim Beugen des Gelenkes erschlafft.
Stand- und Bewegungswinkel ist bei den einzelnen Rassen unterschiedlich.
Die Kraftübertragung vom Oberschenkel auf den Unterschenkel ist ziemlich kompliziert, weil die verschiedenen Druck- und
Zugkräfte im Kniegelenk in wechselnden Vektoren auftreten.
Während des Streckens des Kniegelenkes, beim Vorwärtsschieben des Körpers treten die unterschiedlichsten Druck- und Zugkräfte
auf.
Das Kniegelenk zeigt in der sagittalen Ebene ein Rollgleitbewegung, die von den Kreuzbändern gesteuert wird.
Die Kontaktfläche der beiden konvexen Gelenkknorren (Kondylen) auf dem Plateau des Unterschenkels ist ziemlich gering. Dadurch
würden die einwirkenden Kräfte schon bei normaler Belastung den physiologischen Druckwiderstand des Gelenkknorpels
überschreiten und diese zerstören, wären die beiden Menisken nicht vorhanden.
Diese vergrößern die Belastungsfläche des Knorpels und durch ihre Bandaufhängung sind sie in der Lage den Rollgleitbewegungen
zu folgen und somit eine Schädigung des Knorpels durch zu hohe Druckkräfte zu verhindern.
Die Menisken sind sehr elastisch und wirken stoßdämpfend. Sie können durch die unterschiedlichen Druckverhältnisse verformt
werden und fangen somit einen großen Teil der auf das Kniegelenk einwirkenden Kräfte auf.
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Klinisches Bild, Diagnose
Hunde mit Kreuzbandriss zeigen häufig eine plötzlich aufgetretene Lahmheit verschiedener Grade.
Die Gliedmaße wird in leichter Beugestellung geführt und die Tiere können aufgrund der Instabilität das Kniegelenk nicht
durchstrecken. Nach kurzer Zeit kommt es zu einer vermehrten Füllung des Gelenkes und zu einer deutlichen Verdickung auf der
Innenseite des Kniegelenkes.
Die Oberschenkelmuskulatur kann sich auch wegen der unvollständigen Belastung etwas zurückbilden (atrophieren).
Es gibt zwei klinisch diagnostische Methoden, mit deren Hilfe ein Kreuzbandriss in der Regel festgestellt werden kann.
1. Das Schubladenphänomen (Schubladen-Test)
2. Der Tibia Kompressionstest
zu 1.
Hierbei umfasst die eine Hand den oberen Teil des Unterschenkels und die andere den unteren Teil des Oberschenkels.
Es wird versucht meist in halbgebeugter Stellung des Kniegelenkes, den Unterschenkel nach vorne gegenüber dem Oberschenkel
zu bewegen. Liegt ein Riss des vorderen Kreuzbandes vor, ist diese Bewegung durchführbar. Allerdings hier müssen einige
anatomische und biomechanische Grundlagen berücksichtigt werden.
Ist nur der vordere Anteil des Kreuzbandes gerissen, was sehr häufig bei Hunden mit partieller Ruptur vorkommt, kann das
sogenannte Schubladenphänomen nur in halbgebeugter Stellung ausgeführt werden. Liegt ein Riss des hinteren Anteiles vor, ist
weder in Streck- noch in Beugestellung ein Schubladenphänomen auslösbar.
Sind beide Anteile gerissen kann man sowohl in Streck- als auch in Beugestellung des Kniegelenkes diesen Test durchführen.
zu2.
Der Tibia Kompressionstest ist am besten geeignet für Hunde mit kompletter Riss des Kreuzbandes.
Das Kniegelenk wird mit einer Hand in Streckstellung gehalten und die andere Hand beugt gleichzeitig das Sprunggelenk Wenn das
Band gerissen ist, fühlt der am oberen Rand des Unterschenkels liegende Zeigefinger das Vorwärtsgleiten des
Unterschenkelplateaus.
Auch wenn die Diagnose klinisch gesichert ist, sollte unbedingt eine Röntgenaufnahme vom Kniegelenk erfolgen.
Für die Routine reicht eine seitliche Aufnahme, die die wichtigsten radiologischen Veränderungen zeigen kann.
Auf einem solchen Röntgenbild werden die sekundären Erscheinungen deutlich sichtbar. Das Kniegelenk weist eine vermehrte
Gelenkfüllung auf. Die osteoarthrotischen Veränderungen sind als knöcherne Zubildungen, Aufrauhungen und Unebenheiten im
Bereich der gelenkbildenden Knochenenden zu sehen. Außerdem kann auf dem Röntgenbild die Instabilität des Kniegelenkes durch
die Verlagerung nach vorne (Subluxation) des Unterschenkels gegenüber dem Oberschenkel festgestellt werden.
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Therapie
Es bestehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten: eine konservative und die chirurgische Therapie.
Die konservative Behandlung beruht auf einer strikten Bewegungseinschränkung des Patienten auf einem Boden, auf dem er nicht
wegrutschen kann. Die zusätliche Gabe von entzündungshemmenden und schmerzlindernden Medikamenten ist notwendig. Diese
Therapieform eignet sich, wenn überhaupt, für Hunde weniger als 15 Kg. Nach 6-8 Wochen kann es bei diesen Patienten zur
Besserung der Lahmheit kommen.
Prinzipell sind Patienten mit Kreuzbandrupturen chirurgische Kandidaten!
Empfehlenswert ist, diese Hunde nach Feststellung der Diagnose so schnell wie möglich zu operieren.
Die Operation sollte nicht nur wegen des gerissenen Kreuzbandes erfolgen, sondern auch wegen eines eventuell angerissenen
Meniskusanteiles.
Untersuchungen haben gezeigt, dass bei etwa 64% der Hunde mit Kreuzbandriss das Hinterhorn des inneren Meniskus mit
abreissen kann.
Ein unerkannt gebliebener angerissener Meniskusanteil ist manchmal sogar schlimmer für den Hund als ein gerissenes Kreuzband!
Deswegen muss bei der Operation immer der Meniskus mitberücksichtigt werden.
Es liegen drei chirurgische Fixationsmaßnahmen vor:
1. Die extraartikuläre Methoden
2. Die intraartikuläre Methoden
3. Die periartikuläre Methoden
Dieser Vielfalt an chirurgischen Maßnahmen hängt mit der Tatsache zusammen, dass es keine absolut sichere Methode gibt, die
sowohl anatomisch als auch biomechanisch das ursprüngliche Kreuzband wiederherstellen kann.
Jede chirurgische Methode hat Vor- und Nachteile.
Die Präferenzen und Erfahrungen unter den Chirurgen im Hinblick auf die verschiedenen Operationsmethoden sind sehr
unterschiedlich.
Bei den sogenannten extrakapsulären (extraartikulären) Methoden wird das Kniegelenk von außen entweder durch Raffnähte oder
durch verschiedene Kunststoffmaterialen sowie Drahtschlingen fixiert. Diese Materialien werden nicht durch das Gelenk hindurch
geführt. Bei manchen Hunden kann es nach dieser Fixationsmaßnahme zu Abstoßungsreaktionen kommen, die mit Fistelbildungen
und Wundheilungsstörungen einhergehen kann.
Bei den intrakapsulären (intraartikulären) Maßnahmen werden Implantate durch das Gelenk hindurch geführt und außerhalb des
Gelenkes fixiert. Diese Implantate sind meistens entweder körpereigene Muskelhautstreifen (Faszienstreifen) oder körpereigene
Sehnenstreifen.
Der Vorteil dieser Methoden liegt darin, dass diese Implantate so gut wie nie Abstoßungsreaktionen hervorrufen.
Die zwei bekanntesten periartikulären Methoden sind die Verlagerung des Wadenbeinköpfchens (Transposition des Fibulakopfes)
nach vorne und das TPLO (Tibia plateau leveling osteotomy).
Bei der Verlagerung des Wadenbeinköpfchens wird der obere Anteil des Wadenbeines zusammem mit dem äußeren Seitenband
etwas nach vorne verlagert, um dadurch eine gewisse Stabilität dem Knigelenk zu geben.
Bei dem TPLO wird ein halbmondförmiger Schnitt (Osteotomie) im oberen Anteil des Unterschenkels gesetzt.
Durch Rotation des Unterschenkelplateaus wird die sich nach hinten neigende unebene Fläche begradigt. Die Fixation erfolgt mit
einer speziellen Metallplatte.
Die Begradigung des Unterschenkelplateaus soll die Biomechanik des Kniegelenkes deutlich verbessern. Im Augenblick ist diese
Methode die meist empfohlene, allerdings auch die komplizierteste und teuerste.
Prognose
Der Verlauf nach einer Kreuzbandoperation ist unterschiedlich. Es gibt sehr viele Faktoren, die die Prognose beeinflußen. Hier
spielen das Gewicht, die Rasse, die Dauer der Erkrankung, die röntgenologische Veränderungen sowie die Erfahrung des Chirurgen
und häufig auch die angewandten chirurgischen Maßnahmen eine erhebliche Rolle. Generell besteht die Rekonvaleszenzzeit nach
Kreuzbanrupturen zwischen 6 Wochen und drei Monaten.
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