Der netteste Bär der Welt

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Der netteste Bär der Welt
3. Januar 2010 9. Jahrgang Nr. 1
Fr. 4.20 € 3.00
Ein braver Bär
Wie ein Berner Biologe
mit Kodiakbären in
Alaska lebt. Seite 49
Protokoll des Versagens
Der Bomber von Detroit
profitierte von Pannen
der Fahnder. Seite 4
SVP gegen BDP
In Bern, Glarus und
Graubünden kommt es
zum Duell. Seite 5
Der Gletschermacher
Ein Ingenieur lässt
schmelzende Eisflächen
nachwachsen. Seite 48
DAVID BITTNER
Zürich überträgt Bewachung
von Gefangenen an Private
NZZ am Sonntag
Kantonalbank49
liefert Modell
für Lohnsystem
Wissen
3. Januar 2010
FOTOS: DAVID BITTNER / EXPLORA
Die Berner Kantonalbank (BEKB) begrenzt die Löhne ihrer Spitzenkräfte
nach einem System, das in der aktuellen Diskussion um Lohn- und Bonussystem als Vorbild dienen könnte. Für
ihre Verwaltungsräte kennt die BEKB
schon seit einiger Zeit ein Bonus-Malus-System. Die Vergütung ihres obersten Chefs hat die Kantonalbank zudem
auf das 20-Fache des tiefsten Lohns in
der Bank beschränkt. Abgangsentschädigungen zahlt die Bank keine. Die
Löhne von Spitzenmanagern dürften
an den kommenden Generalversammlungen wiederum zu Diskussionen führen. Der Nationalrat wird die sogenannte Abzocker-Initiative wohl in der
Frühjahrssession beraten. (weg.)
Einsatz von Sicherheitsfirma in erstem Schweizer Ausnüchterungsgefängnis
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Lukas Häuptli
Das erste Ausnüchterungsgefängnis
der Schweiz entsteht im Hauptsitz der
Zürcher Stadtpolizei in der Nähe des
Hauptbahnhofs und nimmt seinen Betrieb im nächsten März auf. In der
TV-Chef Haldimann
plant neue Programme
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Das Schweizer Fernsehen SF
bereitet eine neue Serie über
wichtige Schweizer vor. Es plant
zudem eine neue Talkshow und
die Beteiligung am «Tatort».
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Francesco Benini
Ueli Haldimann, seit drei Monaten Interimsdirektor des Schweizer Fernsehens (SF), bereitet eine Reihe von neuen Programmen vor. Die Verhandlungen mit der ARD über einen Einstieg in
die Krimiserie «Tatort» stehen kurz
vor dem Abschluss. Als Schweizer
«Tatort»-Kommissar vorgesehen ist
der 52-jährige Stefan Gubser.
Zudem plant Haldimann eine Serie
über bedeutende Schweizer wie
treuung der Betrunkenen sowie bei
«Sicherheitsmassnahmen wie der Fesselung von Renitenten».
Der Einsatz von privatem Sicherheitspersonal in einer staatlichen Hafteinrichtung ist in der Schweiz ein Novum – und rechtlich umstritten. Experten beurteilen den Einsatz als «heikel»
und «sehr problematisch». «Aufgaben,
bei denen körperlicher Zwang angewendet wird, darf der Staat streng genommen nicht auslagern. Hier werden
Grundrechte wie die persönliche Freiheit und das staatliche Gewaltmonopol
«Zentralen
Ausnüchterungs-Stelle»,
wie die Einrichtung offiziell heisst,
kann die Polizei Betrunkene während
24 Stunden in Gewahrsam nehmen; in
dieser Zeit werden die Festgenommenen medizinisch betreut.
Jetzt sucht die Stadtpolizei für den
Betrieb des Ausnüchterungsgefängnisses privates Sicherheitspersonal, wie
aus einer Ausschreibung im «Schweizerischen Handelsamtsblatt» hervorgeht. Die Privatpersonen sollen die Polizei bei deren Arbeit unterstützen,
etwa bei der Zuführung und der Be-
Zwingli und Dufour. Das Format soll
dokumentarische und fiktionale Elemente mischen. Am Sonntagabend will
Haldimann eine Talkshow mit einem
Gast ins Programm nehmen; die Diskussion würde sich um die Wochenaktualität drehen. SF arbeitet auch an
einem Magazin über Auslandthemen.
In einem Interview mit diesem Blatt
sagt Haldimann, das Schweizer Fernsehen dürfe nicht nur nach hohen Quoten streben; gefragt sei auch Relevanz.
Von der «Arena» erwartet er, dass sie
sich weniger nach der Agenda der SVP
richtet. Haldimann deutet an, dass er
sich für den Posten des Superdirektors
für Radio und Fernsehen bewirbt. Dieser nimmt seine Arbeit 2011 auf.
tangiert», sagt der Berner Staatsrechtsprofessor Andreas Lienhard.
Verschiedene Rechtsexperten und
Polizeivertreter kritisieren zudem,
dass in den letzten Jahren immer mehr
Gemeinden und Kantone Polizeiaufgaben an private Sicherheitsfirmen ausgelagert haben. In mehreren Städten
im Kanton Thurgau zum Beispiel dürfen Private heute bereits Verkehrsbussen ausstellen und sogar Drogendealer
verzeigen.
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Seite 28
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Seite 7
Kommentar Seite 11
Die Schweiz, ein Wintermärchen
ALESSANDRO DELLA BELLA / KEYSTONE
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Die Stadt Zürich sucht private
Sicherheitsleute für ihr neues
Ausnüchterungsgefängnis.
Rechtsexperten halten das für
«sehr problematisch».
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Seite 14
Kodiakbären in Alaska leben im Bärenparadies: Lachse gibt es im Überfluss, und die Büsche hängen voller Beeren.
Der netteste Bär
der Welt
Tourismus-Direktor sieht Rentner
als ideale Feriengäste für die Schweiz
Er wehre sich gegen die Ansicht, dass
ein gesunder Tourismus vor allem junge Gäste brauche, sagt Jürg Schmid,
der abtretende Direktor von Schweiz
Tourismus, im Interview mit der «NZZ
am Sonntag». «Ein älteres Publikum ist
im Tourismus geradezu ideal.» In
vielen westlichen Märkten sei es das
einzige wachsende Segment. Für 2010
prognostiziert Schmid dem Schweizer
Tourismus harte Zeiten, vor allem wegen des Frankenkurses. Nachdem die
Hotelübernachtungen 2009 um 5,5 Prozent zurückgingen, wird für dieses Jahr
ein weiterer Verlust von 2,5 Prozent
veranschlagt. Die Schweiz müsse künftig mehr auf die Sommersaison setzen,
fordert Schmid. (asc.)
Nach einem heftigen Temperatursturz ist
in der Nacht auf Samstag der Winter mit
einem hartnäckigen Dauerfrost in die
Schweiz zurückgekehrt. Auf den Skipisten
von Arosa, wo diese Frau grossen Gefallen
Der Kodiakbär in Alaska ist der grösste und der friedlichste
Seite 6
aller Braunbären. Dem Geheimnis
dieser Friedfertigkeit ist
der
Berner
Biologe David Bittner auf der Spur. Von Andrea Six
Diese
Woche
Sportresultate
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Spitzensportler
Eishockey: Nationalliga A
Freiburg - Rapperswil-Jona
n. V. 3:4
Mit der letzten Eiszeit gelangten
ZSC Lions - Lugano
5:2
Braunbären vom nordamerikanischen
Ambri-Piotta - Davos
5:4
Kontinent über die zugefrorene ScheliKloten Flyers - SCL Tigers
4:1
chow-Strasse auf eine Inselgruppe vor
Zug - Genf/Servette
n. P. 2:3
Alaska. Das Glück der Raubtiere war
Bern - Biel
7:3
am Eis zeigt, sank das Thermometer sogar auf Werte von minus 10 Grad.
Trotz den tiefen Temperaturen vergnügten sich in den Bergen Tausende von
Wintersportlern. Die Hoteliers in den Fe-
rienorten und die Bergbahnunternehmen
zogen eine mehrheitlich positive Bilanz
der Festtage. In den kommenden Tagen
bleibt es winterlich kalt. Die Meteorologen
erwarten weitere Schneefälle.
Unerfüllte Liebe
Peter Sauber
Dem Berner Biologen David Bittner nähern sich Kodiakbären bis auf wenige Meter.
Die Besten trainieren acht Stunden
Die neuseeländische Regisseurin
Den Entscheid, sein Team von
Antikes fürs Loft
REUTERS
GETTY IMAGES
Inhalt
MICHAEL WESCHLER
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In Südkorea
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«Bright Star»
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aus dem
derartiges Forschungsprojekt Gestalt besten Stellen für den Lachsfang alarmieren. Seine Vorräte verschliesst fressen, so Bittner. Noch während der
gilt Computerspielen als Spitzender unerfüllten Liebe zwischen
Bauch heraus. Wie er nach dem
annimmt, beobachtet der Wissenschaf- teilen. «Sie wirken äusserst klug, be- er in einem bärensicheren Container Winterruhe, meist Ende Januar, brinsport.
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Rest der Welt
Seite 59 Jagd und schauen sich auch einmal den kleinen
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Shuyak sind fischreich, und die Asche an ihren Artgenossen auch ausserhalb einen oder anderen Trick ab», so der nem Elektrozaun geschützten 50-Qua- gerade
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Kilogramm
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nachfolder heute noch aktiven Vulkane bot die der Paarungszeit im Frühling, ganz an- Biologe.
Sportresultate
20 ders als andere Braunbären», sagt BittIn den letzten sieben Jahren hat der genden
die Jungen
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Grundlage
für eine üppige Vegetation.
sagtWochen
Sauber werden
im Interview.
Seite
Lottozahlen
7
Forscher
eingezäunt
Biologe über 200 Kodiaks beobachtet gewaltiges Wachstum an den Tag leMittlerweile gilt der Kodiakbär (Ursus ner. Er habe auch im Spätherbst Bären
TV/Radio
44/45
arctos middendorffi) als eigenständige beobachtet, die geradezu zärtlich und Auf seinen Expeditionen kommt Bitt- und zu gut einem Dutzend eine Art Be- gen, um im Frühling mit der Mutter die
Unterart und ist mit über 3 Metern verspielt gewesen seien oder neben- ner bis auf wenige Meter an die Raub- ziehung entwickelt. Diesen Tieren hat Winterhöhle zu verlassen.
NZZ am Sonntag
Und dann will David Bittner wieder
wesentlich
grösser als etwa der Euro- einander geschlafen hätten, was eine tiere heran. Dabei sucht er aber die er Namen gegeben, Balu, Luunie oder
Falkenstr. 11, Postfach, 8021 Zürich, www.nzz.ch/sonntag
Die New
Avantgarde
päische
Braunbär.
Bisher
wurde ange- Ausnahme unter Bären ist.
Bären
nicht,Yorker
sondern
die Kodiaksergötzt
fin- Tschäppi. Er erkennt sie bei jedem dabei sein. Natürlich dürfe man als
Redaktion: Tel.
044 258 11 11,
redaktion.sonntagnzz.ch
sichden
nicht
länger an Prestigemöbeln
Alpennordseite
Alpensüdseite
Aufgrund der günstigen Nahrungs- den
die Reaktionen
der Tiere
nommen,
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der
schiere
Überfluss
Wissenschafter.
Das dauert Aufenthalt in Alaska wieder, am Ausse- Forscher
Abonnements:dass
Tel. 044
15 30,
www.nzz.ch/abo
und Designklassikern.
Max
–2°
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3°der Verromantisch
verklären,
an Nahrungsquellen sei, der die Tiere ressourcen ist das Streifgebiet der meist
nicht lange, weist Sie
die entdeckt
Region hen und am Verhalten. «Wie ein Bauer nicht
Min –6°
Minkann
–3° man
Dennoch
so aussergewöhnlich friedlich mache. Kodiaks vergleichsweise klein. Durch- doch
eine enorme
Bärendichte
von seine Kühe kennt», sagt Bittner. Zwar haltensforscher.
das Inventar
des 19.
Jahrhunderts
Denn anders als der gewöhnliche kämmt ein skandinavischer Braunbär einem
Exemplar
pro zwei
Quadratkilowieder.
Eine junge
Bloggerin
führt gelten Bären als wenig kommunika- einem Bären, der zur Familie der Hungehört, durchaus zutrauen,
Braunbär, der als übellauniger Einzel- bis zu 1500 Quadratkilometer, um satt meter
auf. «Eine gesunde
Angst
die Stilrevolution
an. Seite
64 und tionsfreudige Tiere. Beim Kodiak lasse deartigen
Seite 26
gänger gilt, ist der Kodiak auch einmal zu werden, kann es sich der Kodiak den Respekt darf man nie verlieren, so sich aber an der Mimik und den Gesten dass er einen Menschen nach einem
im Dutzend anzutreffen. «Es liegt aber innerhalb von 20 Quadratkilometern faszinierend die Tiere auch sind», sagt durchaus eine Stimmung und eine Ten- Jahr Abwesenheit wiedererkennt.
denz zu Nervosität oder Entspanntheit
nicht am Luxusleben allein», sagt Daerkennen. Und wenn dann einer «seivid Bittner, Biologe aus Bern. Denn
Veranstaltungs-Tipps
!LASKAS2IESEUNDSEINKLEINER"RUDER
ner» Bären auftaucht, sich wenige Meauch in weniger futterreichen Zeiten
ter entfernt niederlässt und unbeirrt
zeichnen sich die Kodiakbären durch
seinem Bären-Alltag nachgeht, fühlt
ihre soziale Ader aus.
Vergleich Kodiakbär und Europäischer Braunbär
sich der Biologe belohnt für seine Ruhe
Zärtlich und verspielt
Kodiakbär
Europäischer Braunbär
und sein Ausharren.
Bittner reist jedes Jahr zu den Bären
Noch bis zum 10. 1. zeigt das NaturWissenschaftlicher Name
Winzige Neugeborene
Kodiakbär
Ursus arctos middendorffi Ursus arctos arctos
nach Alaska und lebt monatelang abgehistorische Museum Bern Bilder von
Europäischer
schieden in der Wildnis. Dort versucht
Wer neben Bären lebt, muss sich mit
Kodiakbären, Filmdokumente und AusVerbreitung
Braunbär
Insel Kodiak,
Alpen, Pyrenäen,
er, das Rätsel der freundlichen Raubeinem einfachen Lebensstil anfreunrüstungsgegenstände von David Bittner.
Afognak,
Shuyak
Ost-,
Südeuropa,
tiere zu lösen. Als Populationsgeneden. Monatelang versorgt sich der ForDer Biologe ist zudem auf einer Vor(Alaska)
Skandinavien,
scher selbst und lebt von Fischen, Mutiker interessiert er sich dabei besontragsreise in der Deutschschweiz untereurop. Teil Russlands
scheln
und
Beeren.
Der
Mensch
sei
ders für den Verwandtschaftsgrad der
wegs, so am 25. 1. im Zürcher VolksBestand
Tiere. «Es wäre möglich, dass Indivihärter,
als
man
denke,
meint
Bittner.
haus. Termine unter: www.kodiak.ch.
3000
Europa 50 000
duen, die sich freundschaftlich begegAber welch ein Luxus etwa ein Stuhl
Das Buch zum Tier: David Bittner, UrGrösse, stehend
nen, verwandt sind oder gemeinsame
mit einer Lehne sei, merke man deutsula Amstutz, Chlaus Lötscher, Reinhard
3,5 Meter
2,2 Meter
Nachkommen gezeugt haben», sagt
lich bei der Rückkehr in die Schweiz.
Schnidrig: Der Bär. Stämpfli, Bern 2009.
Gewicht
Bittner. Sein Ziel wäre daher, das ErbMomentan halten die Bären Winter240 Seiten, 192 Bilder, Fr. 49.–.
bis 800 kg
bis 350 kg
Quelle:
Pro
Natura
gut der Kodiaks aus Kotproben zu anaruhe. Die einen graben eine Erdhöhle,
Wetter
00
9 771660 085003
Mehr zum Bären