Ausverkauf eines Heiligen? – St. Patrick`s Day in Dublin

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Ausverkauf eines Heiligen? – St. Patrick`s Day in Dublin
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Ausverkauf eines Heiligen? – St. Patrick’s Day in Dublin
Beigesteuert von Rebecca Müller
Friday, 31. August 2007
Im 4. Jahrhundert n. Chr. nehmen Sklavenhändler einen jungen
Mann auf dem Gutshof seiner Eltern gefangen und verkaufen ihn als Hirte nach Irland. Doch er kann fliehen und kehrt
einige Jahre später als
christlicher Missionar auf die Grüne Insel zurück, um die dort lebenden Kelten
von seinem Glauben zu überzeugen. So unwahrscheinlich es auch klingen mag: Das
sind die historischen Wurzeln eines heute die ganze Welt umspannenden
Festivals, das in zahllosen Ländern und auf fast allen Kontinenten gefeiert
wird.
Â
Die Lebensgeschichte des Heiligen Patrick, der wohl
ursprünglich Maewyn hieß, begann auf einem Gutshof in Wales. Als 16-jähriger
änderte sich sein Leben drastisch, als er von einer Bande marodierender
irischer Sklavenhändler gefangen und auf die Nachbarinsel Irland verschleppt
wurde. Sechs Jahre verbrachte er als Tierhirte im County Mayo, weit ab von
anderen Menschen. Es wird angenommen, dass er sich in dieser Zeit der
Einsamkeit dem Christentum zuwandte. Mit 22 gelang Patrick die Flucht aus der
Sklaverei, nachdem ihm, der Sage nach, die Stimme Gottes verkündet hatte, dass
es Zeit sei, Irland zu verlassen. Der junge Mann schlug sich 200 Meilen weit
bis zur irischen Küste durch, wo er ein Schiff nach England bestieg. Dort
teilte ihm ein Engel im Traum mit, dass er die irischen Heiden zum Christentum bekehren
sollte. Deshalb begann Patrick die Ausbildung zum Priester, kehrte 15 Jahre
später nach Irland zurück und begann seine legendäre Missionsarbeit. Nach
seinem Tod am 17. März um das Jahr 430 n. Chr. blühten zahlreiche Legenden über
ihn auf, die später Eingang in die irische Kultur finden sollten.
Mythen und Sagen
So wird berichtet, dass Patrick auf dem Hill of Slane, etwa 70
Kilometer entfernt von Dublin, zum Osterfest im Jahr 433 ein Feuer entzündet
und sich damit den Zorn des irischen Hochkönigs Laoghaire zugezogen habe. Im
keltischen Irland war es nämlich Brauch, dass am Abend der Frühlings-Tagundnachgleiche, die in diesem speziellen
Jahr mit dem Abend vor Ostern zusammenfiel,
der König auf seinem Herrschaftssitz Hill of Tara das erste Feuer im Land
entzünden musste. Der König, erbost über diesen Gesetzesbruch, ritt noch am
selben Abend mit einigen Bewaffneten nach Slane und wollte Patrick und seine
christlichen Gefolgsleute wegen Hochverrats festnehmen lassen. Bischof Patrick
aber pflückte ein dreiblättriges Kleeblatt vom Wegesrand und erläuterte dem
Hochkönig daran die christliche Dreieinigkeit. Der heidnische König war so
beeindruckt, dass er Patrick zwar festnehmen ließ, ihm am nächsten Tag aber die
Freiheit schenkte und ihn zu seinen Soldaten predigen ließ. Das Kleeblatt
(Shamrock) ist auch heute noch eines der zentralen Symbole für die irische
Kultur und Irland im Allgemeinen.
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Eine weitere Sage spricht davon, dass Patrick bei einer
Predigt alle Schlangen von Irland verbannt habe. Fakt ist, dass in Irland keine
Schlangen beheimatet sind, jedoch auch noch nie waren. Dabei wird vermutet,
dass die Schlangen in dieser Geschichte symbolisch für die heidnische Religion
stehen, die Bischof Patrick aus Irland vertrieben habe. Außerdem hat Saint
Patrick nicht nur durch die Gründung zahlloser Klöster und Abteien überall in
Irland seine Spuren hinterlassen. Er war auch derjenige, der das traditionelle
christliche Kreuz mit einem Ring, dem irisch-keltischen Symbol für die Sonne,
zu dem heute bekannten irischen Kreuz kombinierte, um den Ãœbergang zum Christentum
zu erleichtern.
Seit den Tagen des heiligen Patrick wird in Irland seiner am
17. März gedacht. Man ging  zuerst in die
Kirche, um an einer Andacht teilzunehmen und feierte anschließend in eher
bescheidenem Rahmen mit dem traditionellen irischen Gericht „Bacon and Cabbage“.
Sogar Pubs waren an diesem Tag geschlossen, da der Paddy’s Day in der
Fastenzeit liegt.
Nationales Besäufnis
Der heutige St. Patrick’s Day, den das irische
Organisationskomitee 1997 in „St. Patrick’s Festival“ umbenannte, hat nicht
mehr viel gemeinsam mit dem ursprünglichen christlichen Feiertag. Mit
Feuerwerk, Tänzen, Konzerten und natürlich der allseits bekannten Parade durch
das Stadtzentrum sind die Iren bemüht, ein viertägiges Event zu schaffen, dass
ihr kleines Land auf internationaler Bühne möglichst vorteilhaft ins Licht
rückt.
Auch sind zur allgemeinen Belustigung seit einigen Jahren die Pubs
geöffnet. Geschäfte, die alkoholische Getränke verkaufen, berichten davon, dass
der Paddy’s Day gleich nach Weihnachten der umsatzstärkste Tag im Jahr sei.
Bedenkt man die sprichwörtliche Liebe vieler Iren zu alkoholischen Getränken,
kann sich wohl jeder ausmalen, dass die Feiertage rund um den Paddy’s Day heute
mehr ein nationales Besäufnis als eine Zeit des Gedenkens und Innehaltens sind.
Wenn Horden von volltrunkenen jungen Leuten laut grölend durch Dublins
Innenstadt ziehen, ist der St. Patrick’s Day meist nicht weit. Bereits Wochen
vor dem großen Tag beginnen großangelegte Polizeikampagnen zur Minimierung von
Verkehrsunfällen durch Trunkenheit am Steuer am Nationalfeiertag.Â
Dass die Idee, den St. Patrick’s Day als Touristenmagnet zu
verwenden, recht neu ist, zeigt die Tatsache, dass die Feierlichkeiten in
Dublin bis ins Jahr 1995 hinein in ihrer Größe nicht vergleichbar waren mit den
Festlichkeiten in New York und anderen großen amerikanischen Städten. Die
Parade bestand aus einigen wenigen traurigen Wagen und nur wenige Zuschauer
verirrten sich in die Straßen, um die Prozession vorbeiziehen zu sehen.
 Nebenbei bemerkt liegt der Ursprung der St. Patrick’s Day
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Parade nicht wie zu erwarten in Dublin, sondern in den Vereinigten Staaten. Am
17. März 1762 machten sich einige in der englischen Armee dienende irische
Soldaten auf, zu ihrer Musik durch die Straßen von New York zu marschieren, um
das Heimweh zu bekämpfen und andere Iren kennen zu lernen.
Seitdem ist die
Parade aus dem St. Patrick’s Day nicht mehr wegzudenken. Ausgehend von den USA
verbreitete sich die Idee und damit auch der Feiertag in der ganzen Welt: Heute
wird der St. Patrick’s Day in Ländern wie Japan, Russland, Singapur, Kanada,
Australien und auch in Deutschland gefeiert. Fast immer ist auch eine Parade
ein Teil der Festlichkeiten. Ganz gleich, welcher Nationalität man angehört: Am
St. Patrick’s Day ist jeder „Irish for a day“. Der Schwerpunkt des St.
Patrick’s Day liegt seit der touristischen Aufwertung zum St. Patrick’s
Festival in den 90’er Jahren wieder in seinem Ursprungsland Irland und hier
ganz besonders in Dublin. Mit 18 Monaten Vorbereitungszeit und etwa 1,2
Millionen Teilnehmern im Jahr 2001 ist das St. Patrick’s Festival seitdem zum
größten nationalen Event geworden und unzählige Fernsehstationen übertragen es in die ganze Welt.
Dass alle beim Paddy’s Festival angebotenen Vergnügungen und
Aktivitäten eindeutig auf Touristen als Zielgruppe zugeschnitten sind, lässt
sich schwerlich von der Hand weisen. Betrachtet man außerdem sowohl die Absicht
als auch die Durchführung des St. Patrick’s Festival, kann man sagen, dass der
irische Nationalfeiertag zur Geldmaschine instrumentalisiert worden ist und
nahezu alle Bezüge zu seinem Ursprung verloren hat.Â
Und dennoch stimmten in einer Umfrage der Irish Times 83
Prozent der Teilnehmer mit Ja ab, als die Frage gestellt wurde, ob der St.
Patrick’s Day zur Feier des modernen Irland angemessen sei. Die Interpretation
dieser Zahlen deutet darauf hin, dass sich Irland selbst in den letzten
Jahrzehnten stark verändert hat und die jungen Iren sich selbst und ihre Kultur
im St. Patrick’s Festival widergespiegelt sehen. Aber vielleicht steht nur der „Craic“, der Spaß am Feiern und gefeier
werden im Vordergrund, der ein Ausdruck eines
neuen nationalen Selbstbewusstseins ist. Wer weiß, wenn Irland weiterhin kräftig
Werbung für Kleeblätter, Kreuze und Harfen macht, dann ist der 17. März
möglicherweise in einigen Jahren auch in Deutschland ein Feiertag, an dem wir
uns alle mit den irischen Fahnen schmücken und nach zuviel Guinness laut
grölend durch die Straßen der Städte ziehen.
Zum Weiterlesen:
"Shrovetide Football“ – Die etwas andere britische Schlägerei
{slide=Quellen}
Literatur:
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Hauer, Ditmar: Ein fabelhafter Heiliger. In: Berliner Zeitung Online
Links:
History Channel
St. Patricks Festival Homepage
Dublin Tourism
Irish Times
Umfrage Irish Times
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