Irland: Weidemilch und Lammfleisch

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Irland: Weidemilch und Lammfleisch
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Tier
BAUERNBLATT l 12. November 2011 ■
Pflanzenbauexkursion der Universität Kiel – Teil 2
Irland: Weidemilch und Lammfleisch
Im Folgenden ist die Fortsetzung
des Reiseberichtes der Kieler Agrarstudenten zu lesen. Nachdem
wir Nordirland verlassen hatten,
ging es nun weiter durch die Republik Irland: von der Nordostküste
quer durch Irland an die Westküste. Es wurde schnell deutlich, dass
Irland völlig zu Recht den Beinamen „Grüne Insel“ trägt. So weit
das Auge reicht, erstreckten sich
Wiesen und Weiden in den unterschiedlichsten Grüntönen. Während das Grünland im Osten und in
Zentralirland relativ intensiv genutzt und durch Weidelgras (Lolium spp.) bestimmt wird, ist der irische Westen augenscheinlich extensiverer Nutzung gewidmet,
wobei weitverbreitet Sauergräser Irische Milchkuh: Kreuzung zwischen Holstein-Friesian und Jersey, mit der typiund Hahnenfußgewächse ins Au- schen Schwarzfärbung und dem auffällig kleinen Rahmen.
ge stachen.
Schafhaltung in Irland, die vornehm- ausschließlich mit Gras gefüttert. DaMilch-, Rindfleisch- und Schaf- lich auf den Rassen Texel und Suffolk gegen erhielten die Lämmer schon
fleischproduktion prägen das Land- basiert, ohne Fördergelder nicht nach zwei Wochen Kraftfutter, um
schaftsbild und sind die Hauptsäulen möglich ist. Rund 70 % der produ- tägliche Zunahmen von 300 bis
der irischen Landwirtschaft. Auf- zierten Schaffleischmenge werden 350 g zu erreichen. Die Forschungsgrund der klimatischen Verhältnisse exportiert, wobei eine kommerzielle einrichtung Teagasc empfiehlt für
setzen die Iren in erster Linie auf Nutzung der anfallenden Wolle auf- die meisten irischen Standorte hohe
Weidewirtschaft und Grünlandpro- grund der Scherkosten nicht infrage bis sehr hohe Viehbesatzdichten,
duktion. Regional ergeben sich da- komme. Die Leistung der Herde hän- was angesichts des „grünen“ Images
bei aufgrund der Boden- und Klima- ge maßgeblich von der Grünland- von Produkten irischer Landwirtverhältnisse große Unterschiede in qualität ab. Auf qualitativ gering- schaft widersprüchlich erscheint. So
der Tierhaltung. So nimmt die Bo- wertigeren Grünlandstandorten er- ergibt sich zwangsläufig die Frage,
dengüte von Ost nach West ab, wes- folgten gesteigerte Kraftfutterein- wie sich die hohen Viehbesatzdichhalb im Osten vornehmlich Milch- sätze, die wiederum mit höheren ten mit dem so erfolgreichen Marviehbetriebe und im Westen in ers- Kosten und entsprechend monetä- keting der „grünen“ beziehungster Linie Betriebe mit Mutterkuh- rem Minderertrag verbunden seien. weise „artgerechten“ Produktion
und Schafhaltung anzutreffen sind. Im Idealfall werden Mutterschafe vereinbaren lassen. Zumindest in der
Auf unserer Tour quer durch Irland
hatten wir die Möglichkeit, verschiedenste Forschungseinrichtungen zu
besuchen, die sich vornehmlich mit
den Kernsäulen der irischen Landwirtschaft beschäftigen. Neben der
Grünlandproduktivität werden vor
allem landnutzungsbedingte Umweltwirkungen intensiv erforscht.
Lammfleischproduktion scheint der
Begriff extensiver Weidehaltung irreführend, hat die Realität doch wenig mit dem Verbraucherbild idyllischer Weiden zu tun. Die hohen Besatzdichten in Verbindung mit Weidehaltung erhöhen außerdem den
Krankheitsdruck, sodass die irische
Schafhaltung mit großen Problemen
durch die Ausbreitung und Resistenzbildung von Taxoplasmose und
Moderhinke zu kämpfen hat. Sicherlich lässt sich dieser Eindruck nicht
ohne Weiteres auf die gesamte irische Landwirtschaft übertragen,
doch scheint es, als könne man sich
insbesondere in der Lammfleischproduktion vom Bild der extensiven,
idyllischen Weidehaltung verabschieden. Dies umso mehr, als uns
deutlich vor Augen geführt wurde,
dass aufgrund der hohen Flächenpreise in naher Zukunft mit einer
weiteren Intensivierung der Produktion zu rechnen sein dürfte, da der
Agrarsektor nach der Wirtschaftskrise inzwischen wieder zu einem wichtigen Standbein der irischen Wirtschaft geworden ist.
Jersey-Kreuzungen
im Kommen?
Am darauffolgenden Tag ging es
zu einem Teagasc-Versuchsbetrieb,
der Solohead Farm in der Nähe von
Tipperary. Nachdem uns Dr. James
Humphreys im örtlichen Pub bei Kaffee und Kuchen herzlich willkom-
Die Schafhaltung
in Irland
Wir besuchten zunächst die Forschungsanstalt Teagasc in Athenry
(Nahe Galway), in der man sich mit
Fragen der Schafs- und Rindfleischproduktion beschäftigt. Schwerpunkte bilden dort die Tierzucht, die
Ermittlung optimaler Viehbesatzdichten und die Implementierung
nachhaltiger Landnutzungssysteme.
Michael Diskin, Leiter der dortigen Besuch der Teagasc-Forschungseinrichtung „Solohead Farm“, Tipperary, Irland. Dr. James Humphreys stellte den Kieler
Forschungsabteilung, machte uns Studenten das aktuelle Messprogramm zur Ermittlung von Nährstoffverlusten in grünlandbasierten Milchproduktionsgleich zu Beginn deutlich, dass systemen vor.
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Ein typisches Bild der extensiven Weidehaltung in Irland: gemeinsame Beweidung von Schafen und Rindern.
men geheißen hatte, machten wir den: Holstein-Friesians und Jerseyuns auf, den Betrieb und seine Flä- Kreuzungen. Im Rahmen verschiedechen zu erkunden.
ner Versuchsvorhaben werden die
beiden Herden hinsichtlich Produktivität, Fertilität, Gesundheit und
CO2Milchqualität untersucht und vergliFußabdruck
chen.
In Solohead dominiert die Umweltforschung, wobei aktuell besonJersey-Einkreuzungen
deres Augenmerk auf die Klimarelesinnvoll?
vanz irischer Milchproduktion auch
Die neuseeländische Jersey-Einim Hinblick auf die 2013 auslaufende
Milchquote gelegt wird. Man geht kreuzung weist laut Forschungsleiter
danach davon aus, mit einer günsti- Humphreys eine bessere Weidetauggen Klimabilanz der grünlandbasier- lichkeit als die europäische Holsteinten Milchproduktion ein weiteres Friesian-Genetik auf und liefert propositives Attribut mit irischen Milch- teinreichere und fetthaltigere Milch.
produkten assoziieren zu können. Letzteres spielt in Irland eine große
Die dazu notwendigen Daten wer- Rolle, da die Milchvergütung nach Inden in Solohead in umfangreichen haltsstoffen vollzogen wird. Trotz
Messkampagnen
erhoben. schlechterer VerwertungsmöglichBesonders auffallend waren in die- keiten bei den Bullenkälbern sieht
sem Zusammenhang die hohen Humphreys die Jersey-Kreuzungen in
CO2-Speicherpotenziale unter Grün- der Gesamtleistung den Holsteinlandböden, die vor allem durch die Friesian unter irischen Bedingungen
hohen Niederschlagssummen von überlegen. Allerdings verzichten akmehr als 1.400 mm verursacht wer- tuell noch die meisten irischen Milchden. Aktuell stellt die Milchquote den bauern auf die Einkreuzung von Jerlimitierenden Faktor in der Milchpro- sey-Genetik.
duktion Irlands dar. Dies sei, so HumAn unserem letzten Tag in Irland
phreys, auch der Hauptgrund für die standen Besuche irischer Milchviehunterschiedlichen Produktionssyste- betriebe in der Nähe von Cork auf
me in Nordirland (intensiv, hoher dem Programm. Die Betriebe waren
Kraftfuttereinsatz) und Irland (exten- allerdings für irische Verhältnisse mit
siv, weidebasiert). Die irische Milch- deutlich über 50 ha relativ groß. Das
produktion ist größtenteils weideba- Hauptaugenmerk der Betriebsleiter
siert, und die Produktivität der Grün- lag nicht auf der Maximierung der
landbestände ist aufgrund des mari- Milchleistung je Kuh, sondern auf
timen, wintermilden und nieder- der Minimierung der Kosten. Entschlagsreichen Klimas besonders sprechend einfach waren Stallungen
hoch. Derzeit dominiert beim Milch- und Melkstand ausgestattet, und
vieh die Holstein-Friesian-Genetik, entsprechend intensiv wurde das
doch wird in Solohead intensiv daran Weidemanagement
betrieben
geforscht, genetisches Material ab- („Kurzrasenweide“), wobei Kraftseits des europäischen Trends unter futter kaum eine Rolle spielte. Die
irischen Bedingungen zu testen und Masse der Betriebe hatte eine saisozu etablieren. So basiert die Milch- nale Abkalbung, um die hohen Futproduktion in Solohead auf zwei Her- terqualitäten der Frühjahrsaufwüch-
Fotos: Studentengruppe der CAU Kiel
se für höchste Milchleistungen aus- achtliche Streckenleistungen pro
zunutzen. Weide-Nettoerträge von Jahr zustande kommen können. Im
mehr als 12 t TM/ha sind ebenso kei- Winter erfolgt eine rund zweimonane Seltenheit wie acht bis zehn Um- tige Stallhaltung, die mit höheren
triebe pro Jahr. Belastend im Sinne Kosten verbunden ist. Diese Zusatzeiner Vollkostenrechnung sind da- kosten können allerdings teilweise
gegen die hohen Flächennutzungs- durch einen Preisaufschlag für Winkosten. Schon heute geht man da- termilch von 8 ct/l aufgefangen wervon aus, dass die Milchproduktion in den, der allerdings von beiden BeIrland nach Wegfall der Quote um trieben nicht genutzt wurde. Fällt
zirka 40 % ansteigen wird, worauf die Milchquote weg, könnte das
sich die Betriebe bereits einstellen. nach Hargans Meinung zu einer VerVor diesem Hintergrund wurden auf größerung der Milchviehherden
den besuchten Betrieben Vollkosten führen. Angesichts fehlender Fläder Milchproduktion je Kilo ECM chen würde das zwangsläufig steivon 26 bis 28 ct genannt. Anzumer- gende Kraftfuttereinsätze nach sich
ken ist, dass beide besuchten Be- ziehen. Der Trend zu intensivierter
triebe bereits Jersey-Kreuzungen Milchviehhaltung und intensivierten
nutzen. Der BeFutterbausystetrieb von Shane Der Trend zu intensivierter men ist somit
Hargan umfasst
auch in Irland
Milchviehhaltung und
eine Fläche von
spürbar. Beklagt
intensivierten
136 ha, auf der
im Sinne der
240 Kühe gehal- Futterbausystemen ist auch Konkurrenzfähigin Irland spürbar.
ten werden. Wähkeit
irischer
rend der Großteil
Milchprodukte
der Betriebsfläche Grünland ist, wird wurde von beiden Betriebsleitern
ein kleiner Teil ackerbaulich genutzt. die zersplitterte irische MeiereistrukAuf dieser kleinen Fläche wird Mark- tur, die die Exportchancen zukünftig
stammkohl als Winterfutter für das deutlich behindern dürfte. Die bei
Jungvieh angebaut. Die durch- deutschen Verbrauchern so hoch geschnittliche Milchleistung pro Kuh schätzte irische Weidemilch wird
und Jahr beträgt 5.422 kg, wobei die womöglich zukünftig nur noch
Milch einen Proteingehalt von 3,6 % schwer zu finden sein. Schweren
und einen Fettanteil von 4,38 % auf- Herzen verließen wir am Abend des
weist. Shane Hargan betont die bes- 18. Juni die Grüne Insel Irland, um
sere Weidetauglichkeit der Jerseys, uns ackerbaulichen Schwerpunkten
da sie kleinrahmig und daher besser im Süden Englands zu widmen.
an das Futter angepasst seien. Au- Mehr dazu demnächst im Bauernßerdem seien sie aufgrund der ver- blatt.
gleichsweise harten Klauen nicht so
anfällig für Lahmheiten, die in der
Merle Hansen
irischen Milchviehhaltung ein groVera Busse
ßes Problem darstellten. Dies verCord Dreier
wundert nicht, wenn man bedenkt,
Ivo Meckelnburg
dass die Tiere von Februar bis AnAdam Luig
fang November zweimal täglich aufMartin Komainda
und abgetrieben werden und so beCAU, Kiel
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