Länderfokus Irland: Neue Regierung, alte Probleme
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Länderfokus Irland: Neue Regierung, alte Probleme
Helaba Volkswirtschaft/Research Länderfokus 28. Februar 2011 Irland: Neue Regierung, alte Probleme Autor: Patrick Franke Telefon: 0 69/91 32-47 38 [email protected] Redaktion: Dr. Stefan Mitropoulos Herausgeber: Dr. Gertrud R. Traud Chefvolkswirt/Leitung Research Landesbank Hessen-Thüringen MAIN TOWER Neue Mainzer Str. 52-58 60311 Frankfurt am Main Telefon: 0 69/91 32-20 24 Telefax: 0 69/91 32-22 44 Bei den Parlamentswahlen in Irland hat die bisher regierende Fianna Fáil Partei erwartungsgemäß starke Einbußen erlitten und wurde abgewählt. Die neue Regierung wird voraussichtlich von einer Koalition aus Fine Gael und Labour gestellt. Sie wird versuchen, die Bedingungen des EU-Rettungspakets vom November durch Nachverhandlungen aus irischer Sicht zu verbessern. Insbesondere ist mit einer Initiative zu rechnen, die Halter von SeniorBankanleihen doch durch einen Haircut zu be- und den Steuerzahler zu entlasten. Am grundsätzlichen Sparkurs in der Finanzpolitik wird sich wohl nichts ändern. Wie allgemein erwartet, haben die Iren die lange regierende Fianna Fáil (FF) Partei abgewählt. Sie erzielte das schlechteste Ergebnis seit der Gründung der Partei im Jahr 1926. Die Grünen, die seit 2007 Teil der Regierungskoalition waren, verloren alle Sitze im Unterhaus (Dáil). Die neue Regierung wird voraussichtlich eine Koalition aus Fine Gael (FG), der nunmehr stärksten politischen Kraft, und Labour bilden. Inhaltlich sind FF und FG, die aus dem irischen Bürgerkrieg in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts hervorgegangen sind, etwa in der Mitte des politischen Spektrums anzusiedeln. Der Unterschied zwischen den beiden Parteien ist vorwiegend historisch. Die Labour Party ist sozialdemokratisch. Die neue Mitte-Links-Regierung wird sich auf eine bequeme Stimmenmehrheit im Dáil stützen können. Sie wird also nicht auf einzelne Abgeordnete oder Unabhängige angewiesen sein. Damit ist ziemlich klar, dass der Sparkurs der alten Regierung grundsätzlich fortgesetzt wird. Diejenigen Parteien, die sich wirklich kritisch zum Sparkurs und der Rettungsaktion der EU geäußert haben – die sozialistische Sinn Féin und die United Left Alliance (ULA) – sind auch im neuen Dáil klar in der Minderheit, obwohl es ersterer gelang, genug Proteststimmen auf sich zu vereinen, um die Zahl ihrer Abgeordneten etwa zu verdreifachen. Im Mittelpunkt des Interesses steht daher aus Sicht der Finanzmärkte nicht der Austeritätskurs, sondern die außenpolitische Positionierung der neuen Regierung gegenüber der EU und dem Rettungspaket vom November 2010. Klare Mehrheit für Fine Gael und Labour Anteile an den abgegebenen Erststimmen, % Unabhängige; 15,2 Die Publikation ist mit größter Sorgfalt bearbeitet worden. Sie enthält jedoch lediglich Sitze im Dáil Grüne; 1,8 ULA; 4 Fine Gael; 36,1 Sinn Féin; 9,9 Noch unentschie den; 13 insgesamt: 166 Unabhängige; 13 Fine Gael; 70 Sinn Féin; 13 unverbindliche Analysen und Prognosen zu den gegenwärtigen und zukünftigen Marktverhältnissen. Die Angaben beruhen auf Quellen, die wir für zuverlässig halten, für deren Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität wir aber keine Gewähr übernehmen können. Sämtliche in dieser Publikation getroffenen Angaben dienen der Information. Sie dürfen nicht als Angebot oder Empfehlung für Anlageentscheidungen verstanden werden. Labour; 19,4 Labour; 35 Fianna Fáil; 17,4 Quellen: Irish Times, Helaba Volkswirtschaft/Research Stand: 28. Februar 2011 Fianna Fáil; 18 Länderfokus: Irland Schlechte Karten in Nachverhandlungen EU-Kredite zu teuer Vor den Wahlen haben Vertreter von Fine Gael und Labour angekündigt, die dem Rettungspaket vom November zugrundeliegende Vereinbarung mit der EU und dem IWF nach zu verhandeln. Hierbei geht es vor allem um zwei Punkte: die Höhe der Zinsen, die Irland für die Hilfsgelder zahlen muss und die Frage, ob die Halter von Senior Bankanleihen durch einen Haircut belastet werden sollen. Hintergrund ist eine andauernde Diskussion in Irland über den Charakter des Rettungspakets. Die alte Regierung legte den Grundstein dazu, indem sie zunächst Hilfe von außen kategorisch ablehnte, um sie dann plötzlich doch anzunehmen. Dies erweckte den Eindruck, dass man sich nicht besseren Argumenten oder zwingenden Fakten, sondern nur dem Stärkeren gebeugt hat. So wird das Hilfspaket in Irland zum Teil nicht primär als eine Unterstützung der anderen Länder für Irland gesehen, sondern als Hilfsmaßnahme der anderen für ihre eigenen Bankensysteme – auf Kosten des irischen Steuerzahlers. Der zahlt derzeit für die Kredite des EU-Hilfsfonds EFSM einen Zins von 5,8 % bei fünfjähriger Laufzeit. Dies ist zwar, verglichen mit dem, was Irland derzeit am Kapitalmarkt zahlen müsste (etwa 9 %), äußerst günstig. Es liegt aber deutlich höher als die Finanzierungskosten des irischen Staates Anfang Oktober 2010 – einem Zeitpunkt, seit dem sich die wirklich relevanten Fakten zur Lage des irischen Staatshaushalts nicht mehr spürbar verändert haben. Hinzu kommt, dass die Differenz zwischen dem Zins, den die Iren zahlen müssen und den Refinanzierungskosten des Fonds (2,5 %) sehr hoch scheint. Zudem lässt sich ökonomisch argumentieren, dass ein Zinssatz von 5,8 % zu hoch ist, um Irland eine langfristige Perspektive zu geben, seines Schuldenbergs Herr zu werden. Liegt der Zinssatz über dem nominalen Wachstum, wird eine Schuldenspirale wahrscheinlicher, denn bei Schulden von rund 100 % des Bruttoinlandsproduktes muss der Staat Jahr für Jahr einen Überschuss im Primärhaushalt (d.h. ohne Zinsen) in Höhe der Differenz erwirtschaften, nur um den Schuldenstand zu stabilisieren. Von 5,8 % nominalem Wachstum können die Iren in den kommenden Jahren aber nur träumen. Dennoch sind die Chancen der Iren aus heutiger Sicht eher gering, deutlich niedrigere Zinsen durchzusetzen, auch wenn diese ein langfristiges Bewältigen des Schuldenproblems ohne Umschuldung wahrscheinlicher machen würden. Auch was den Haircut für Halter von Senior Bonds der Banken angeht, sind die Aussichten schlecht. Die Iren müssten sich hier gegen den Widerstand der EZB, der EU-Kommission und der „Geberländer“ durchsetzen. Hintergrund dieser ablehnenden Haltung sind Sorgen um die Stabilität des europäischen Bankensystems, denn Ausländer und nicht zuletzt ausländische Banken halten einen erheblichen Anteil der ausstehenden Anleihen irischer Kreditinstitute. Ein solcher Haircut ist daher wohl nicht durchzusetzen, obwohl er eine gerechtere Lastenverteilung mit sich bringen würde. Teure Kredite Zwei Drittel der Bankanleihen sind im Besitz von Ausländern Rendite/Zinsen für Anleihen mit 5-jähriger Laufzeit, % Halter von irischen Bankanleihen, Mrd. € 10 10 200 200 9 180 180 8 8 7 7 160 6 6 5 5 4 4 3 3 2 2 1 1 0 0 9 Irische Staatsanleihen Rendite Anfang aktuelle Rendite EFSM Refunding Kosten des Okt. 2010 Kosten Kredits für Irland Quellen: EcoWin, Helaba Volkswirtschaft/Research 160 Rest der Welt 140 140 120 120 100 100 80 60 80 Irland Rest der Eurozone 60 40 40 20 20 0 Jan 07 0 Jul 07 Jan 08 Jul 08 Jan 09 Jul 09 Jan 10 Jul 10 Quellen: EcoWin, Helaba Volkswirtschaft/Research Helaba Volkswirtschaft/Research · 28. Februar 2011· © Helaba 2 Länderfokus: Irland Niedrige Steuersätze in der Kritik Wie auch schon die alte Regierung, wird die neue Regierung unter Enda Kenny alles tun, um einen wichtigen Pfeiler des „irischen Modells“ zu verteidigen: die im EU-Vergleich niedrige Unternehmensteuer von 12,5 %. Vor allem von französischer, aber auch von deutscher Seite wurde wiederholt Kritik geäußert. Der Vorwurf, die niedrige Steuer sei schuld an der irischen Krise, ist allerdings verfehlt. Die Immobilien- und Bankenkrise wurde nicht durch zu niedrige Steuersätze ausgelöst. Die schlechte Haushaltslage der öffentlichen Hand geht unter anderem auf zu niedrige Steuereinnahmen insgesamt und nicht in einer bestimmten Steuerkategorie zurück. 1 Im Gegenteil kann eine niedrige Unternehmensteuer ein wichtiger Baustein in einer Wachstumsstrategie sein, die auf die Attraktivität des Landes als Ansiedlungsort für internationale Unternehmen setzt. Risiko einer Umschuldung gilt als hoch Eine solche auf Außenhandel beruhende Wachstumsperspektive ist es auch, die Irland von Griechenland und Portugal unterscheidet. Die Frage der langfristigen Tragfähigkeit der Schulden hängt eng an den Wachstumsaussichten und dem „Geschäftsmodell“ einer Volkswirtschaft. Hier ist der Ausblick für Irland vergleichsweise günstiger als für die Mittelmeerländer. Höhe der Gesamtrechnung noch immer offen Allerdings ist der Gesamtumfang des Problems in Irland noch immer unklar. Die Entwicklung des Immobilienmarktes und des Bankensystems werden ganz entscheidenden Einfluss haben auf die Belastung, die der irische Steuerzahler langfristig zu bewältigen hat. Hier ist die Unsicherheit naturgemäß hoch. Was ist vor diesem Hintergrund ein angemessener Risikoaufschlag? Für einen Anleger aus der Eurozone birgt eine Investition in Irland kein Abwertungsrisiko – die Wahrscheinlichkeit eines Austritts aus der Währungsunion und der Abwertung eines neuen irischen Pfunds geht auch nach den Wahlen gegen Null. Damit besteht das Risiko eigentlich nur in der Gefahr einer Umschuldung. Derzeit wird an den Märkten dieses Risiko offenbar als erheblich betrachtet. Die Rendite für 5jährige irische Staatsanleihen liegt deutlich höher als bei Unternehmensanleihen von Emittenten mit ähnlicher oder sogar etwas schlechterer Bonität als der irische Staat. Am CDS-Markt ist es heute merklich teurer, irische Staatsanleihen gegen Ausfall zu versichern als durchschnittliche Unternehmensanleihen in der hoch riskanten High Yield/Junk-Kategorie. Die fundamentalen Probleme wird auch die neue Regierung nicht auf kurze Sicht lösen. Selbst in einem positiven Wachstumsszenario bleibt daher weiter offen, ob Irland seine Schulden letztlich ohne eine Umschuldung in den Griff bekommen kann. Höhere Zinsen als Unternehmen mit ähnlichem Rating Ausfallprämie höher für Irland als für Junk-Bonds Rendite für Anleihen mit 5-jähriger Laufzeit, % Credit Default Swaps (CDS) auf 5-jährige Anleihen, Basispunkte 10 10 Irische Staatsanleihen 9 9 700 600 700 Irische Staatsanleihen 600 8 8 7 7 500 500 6 6 5 5 400 400 4 4 300 3 3 200 Unternehmensanleihen, BBB Benchmark Eurozone 2 1 0 Jan 10 2 1 0 Mrz 10 Mai 10 Jul 10 Sep 10 Nov 10 Jan 11 Quellen: EcoWin, Helaba Volkswirtschaft/Research 1 iTraxx Crossover Index Europa (High Yield) 300 200 100 100 0 Sep 10 0 Okt 10 Nov 10 Dez 10 Jan 11 Feb 11 Quellen: EcoWin, Bloomberg, Helaba Volkswirtschaft/Research Hier ist eher die persönliche Einkommensteuer zu nennen, deren Steuerbasis vor der Krise viel zu klein war, unabhängig von den konkreten Steuersätzen. Helaba Volkswirtschaft/Research · 28. Februar 2011· © Helaba 3