- Steirischer Herbst

Transcription

- Steirischer Herbst
hoelb/hoeb
Close Link
27/09 - 12/10
Ex-Zollamt / Halle
Bahnhofgürtel 57
8020 Graz
Close Link
Stationäre Settings
Eröffnung
Das Ausstellungsprojekt „Close Link“ behandelt außergewöhnliche
Do 26/09, 18.00
Beziehungssysteme, die entstehen, wenn sich eine Person krankheitsbedingt
Ex-Zollamt / Halle
in einer isolierten Bewusstseinslage befindet. Erforscht werden die
27/09 - 12/10
räumlichen, kommunikativen und interaktiven Aspekte, die Nahverhältnisse
14.00 - 21.00
Eintritt frei
zu Personen mit geistiger und körperlicher Beeinträchtigung (LISS 1-5),
zu Wachkoma-Patienten (PVS) sowie zu demenzkranken Personen (DLB)
kennzeichnen. Der Mehrheit der Gesellschaft im Normalfall verborgene
Räume und Alltagshandlungen dieser Lebenswelten werden in „Close Link“ aufgespürt und
sichtbar gemacht. Basis und Rückgrat dieses Vorhabens ist ein Kollektiv aus Künstlern, Experten
und Interessenvertretungen. Dieses Netzwerk, das sich über wissenschaftliche, soziale und
künstlerische Bereiche und Disziplinen erstreckt, wird in der Ausstellung vor Ort innerhalb eines
spezifischen Partizipationsmodells in Erscheinung treten.
„Es sind falsche Türen am richtigen Ort, vor denen man
wartet.“ Dieser Kommentar wird in Gebärdensprache in
einem Video gezeigt – das Video läuft auf Endlosschleife und
ist im Eingangsbereich zwischen einigen herumstehenden
medizinischen Apparaturen und Umzugskartons platziert.
In einem neonbeleuchteten Korridor – wo Türen in
verschiedenen Designs, teilweise angelehnt oder einen
Spalt breit geöffnet sind – sieht man vereinzelt Personen,
die sich unterhalten, sich vor Bildschirmen gruppieren oder
konzentriert eine Tätigkeit ausführen – man hört Stimmen,
Arbeits- und Hintergrundgeräusche – Mobiltelefone läuten.
Unerwartet und unangemeldet befindet man sich plötzlich
in einem Vorzimmer, einem Büro, einem Arbeitsraum, einer
Dienststelle oder am Namensschalter. Fenster öffnen sich
auf neue Fenster, Decken und Böden sind versetzt, Stühle,
Tische und Sideboards aneinandergereiht – verschachtelte
Gänge durchziehen die Räumlichkeiten. Zum Teil sind Wände
verdoppelt – eine hermetische Verringerung von Raum
im Raum. Inventarisierte Gegenstände und medizinische
Hilfsmittel stapeln sich auf Arbeits- und Schreibtischflächen
und mittendrin Personen, die ihre gewohnte berufliche
Tätigkeit ausüben. Dokumentiert wird der sich ständig
verändernde Zusammenhang von Raumatmosphären,
abgebildeten Gegenständen, angewendeter Technik
und kontextuellem Wissen. Raumarrangements banaler
Elemente werden zum Refugium und zur kreativen Keimzelle.
Dazwischen immer wieder blanke, doch fremde Alltäglichkeit.
Immer wieder Zwischenräume und der Versuch, die visuelle
wahrnehmbare Realität mehrschichtiger Raumatmosphären
darzustellen. Schächte im Verborgenen, Zwischenund Übergangsräume – man steht vor Glasflächen, die
Laborbänke mit angrenzenden Besprechungszimmern
voneinander trennen, und vor mobilen Küchen, Wohn-, Laborund Hightechelementen, die von Personen abwechselnd
frequentiert und eingesetzt werden. Angedockt an Werk- und
Arbeitsbänken, zwischen zwei Regalen begrenzt, findet man
in einem improvisierten Ablagefach ein überdimensional
großes, eingesperrtes vereinsamtes Stofftier. Am Ende des
Korridors, in Vortragsräumen, die als Rückzugsorte und
Ruheräume genutzt werden, beschäftigt sich eine Gruppe
von Personen mit dem Aufbau einer Intensivstation aus
Pappkarton. Überwachungs- und Behandlungsgeräte der
Intensiv-Medizin werden aus Karton fabriziert – es wird
gesprüht, geklebt und gemessen, Kontrollbildschirme
werden an Simulationsgeräte angeschlossen und überprüft.
Eine Tür weiter, hinter hohen Aktenstapeln versunken, wird
eifrig auf Computertastaturen getippt, Anfragen werden
geschlichtet, Topfpflanzen und Maskottchen säumen die
Arbeitsflächen, an den Wänden kleben bunte Urlaubskarten.
In den gebauten Raumatmosphären und in den dargestellten
Bildschichtungen und Überlagerungen findet man zu einem
neuen, situativen, dritten Abbild – als läge das „wahre Bild“
im nicht fassbaren Raum zwischen den ineinandergreifenden
Motiven. Die Raumarrangements richten den Blick auf
Sicht- und Unsichtbarkeiten in tendenziösen Beziehungen
und die trügerische Sicherheit bestehender Systeme. Wie
gehen wir mit etwas um, wenn etwas anders ist? Wie mit
Irritation und Unsicherheit? Alltagsrealität, soziale Praxis,
Kunst und Wissenschaft werden mittels künstlerischen Bildund Rauminterventionen in Beziehung gesetzt, um Bilder zu
finden, die es erlauben, eine andere Perspektive zu beziehen.
Es gibt innere und äußere Räume und ihre Beziehung
zueinander. Foucault geht davon aus, dass wir in der Epoche
des Raums leben und der Raum nicht homogen, sondern
heterogen zu denken sei; dieser Raum sei mit Qualitäten
aufgeladen: mit Träumen, Phantasien, Materialien und
sozialen Praktiken … Ein Raum, der keine festen Grenzen
habe, der keine festgelegte Ordnung konstruiere, sondern
im Rekurs auf andere Orte Verknüpfungen herstelle: die
gleichzeitige Präsenz von Gleichem und Anderem. Es geht um
den Versuch, die Mehrschichtigkeit und Mehrdeutigkeit des
menschlichen Wahrnehmens, Fühlens, Denkens, Urteilens
und Handelns in Raum-Heterotopien zu übersetzen. Nicht
die Frage „Was wird gezeigt oder gespielt?“, sondern die
Frage „Wo bin ich hier hineingeraten?“ ist wichtig. Der
Betrachter soll abwechselnd in den Sog des Spannungsfelds
zwischen dargestellter Alltagsrealität und dem Spiel mit
dem Staunen, Zweifeln und Betroffensein geraten. Immer
in gedanklicher Bewegung, immer um ein greifbar nahes,
dennoch so unerreichbar scheinendes Zentrum kreisend.
Die Raumatmosphären konstruieren das häusliche und
soziale Umfeld, Ausnahmesituationen und wissenschaftliche
Beschäftigungsfelder. In Form von Displacements –
dem Verlagern des Arbeits- und Tätigkeitsbereichs in die
Ausstellung – und durch Umdeutungen dessen, was wir
im alltäglichen Leben als funktionierende und eindeutige
Gegenstände erfahren, soll ein Vexierspiel von Visualität,
Apparat, Institutionen und Diskurs entstehen. Ein stationäres
Setting, wo Wissenschaftler, Forscher, Künstler, alternative
Arbeitsgruppen und Vertreter sozialer Einrichtungen
zusammentreffen und transdisziplinär forschen, um vor
Ort Stellung zu beziehen. Ein Prozess des Eintauchens,
Hineindenkens, Suchens und Entschlüsselns. In diesem
gegenwärtigen Szenario von Originalschauplätzen, deren
angehäufte Raum- und Material-Settings sich in- und
aneinander drängen, bilden sich Kreuzungspunkte von
Verarbeitungssystemen und Wissensproduktionen, an
denen elementare Prozesse ablaufen und Begegnungen
stattfinden – im Arbeitsraum des Wissenschaftlers wie im
Atelier des Künstlers, im Labor des Forschers wie im Büro des
Sozialarbeiters. Das Zusammentreffen der unterschiedlichen
Wirkungsbereiche und Arbeitsgebiete erzeugt
Möglichkeits- und Kommunikationsräume. In alltagsnaher
Repräsentationsweise werden wissenschaftliche Erkenntnisse
und künstlerische Praktiken in einen installativen
Zusammenhang gesetzt und im Ausstellungsraum
weitergeführt. Ziel ist es, Begegnungen zu schaffen, die
einem gesellschaftspolitisch relevanten Thema einen Raum
inmitten einer Öffentlichkeit geben, in der es größtenteils
unsichtbar ist – Erfahrungs- und Handlungsräume, die
ein Balancieren zwischen Normalität und subjektiver
Besonderheit ermöglichen. holb /hoeb
Alexander, der ältere Sohn von Karin Kruschinski und Christian
Freidorfer-Kruschinski, ist an LISS 1 erkrankt. Karin Kruschinski studierte
Umweltsystemwissenschaften in Graz und arbeitete nach dem Studium
als Trainerin im Erwachsenenbildungsbereich und in der Jugendarbeit.
Christian Freidorfer-Kruschinski arbeitet als Diplomkrankenpfleger in einem
Seniorenheim in Graz. Das Künstlerteam hoelb/hoeb hat Alexander ein Jahr
filmisch begleitet. Der Film „Alexander“ wird in der Ausstellung gezeigt.
betroffenen Eltern für Betroffene gegründet. Burkhard Propf ist erster
Vorsitzender des Vereins Liss e.V und lebt mit seiner Frau Christin und drei
Kindern in Hamburg.
„Close Link“ konfrontiert Besucherinnen und Besucher mit ihren eigenen, ganz persönlichen,
unerforschten Beziehungswelten und stellt darüber hinaus dringliche Fragen zur aktuellen
gesellschaftlichen Befindlichkeit: Was verdrängen wir? Welchen Situationen setzen wir uns aus?
Wie sind wir hier hineingeraten?
Der Lebensraum
Der erste Handlungsraum thematisiert, welche Konsequenzen
die alltäglichen Bedürfnisse wahrnehmungsbeeinträchtigter
Personen für die vorhandene Architektur privater Räume haben.
Die veränderte Raumnutzung, die sich aus einer Notwendigkeit
heraus in solchen Beziehungssystemen einstellt, nimmt in
„Close Link“ die Gestalt einer nachgebauten Intensivstation
an. Medizinisch-technische Versorgungsstationen, die
die Infrastruktur im Klinikbereich bestimmen, treffen auf
nachgebaute Geräte. Auf einer räumlichen Ebene findet
ein Aufeinandertreffen von Alltag und Krankheit statt: ein
heterogener Raum, der sich durch die gleichzeitige Präsenz
von Gleichem und Anderem dem focaultschen Prinzip eines
nicht abgeschlossenen Raums annähert. Dieser „Gegenraum“
gibt die feste Ordnung zugunsten einer Verschiebung und
Überlagerung verschiedener Raumnutzungen auf und wird
zur lokalisierten Utopie. Beobachtungen einer umfangreichen
Recherche verdichten sich in dieser Utopie zu detaillierten
Beschreibungen, die Fragen nach den Symptomen, Trauer-, und
Übergangsräumen in Beziehungssystemen mit LISS 1-5, PVS
oder DLB adressieren.
Das Umfeld
Während sich die erste Ebene mit der Architektur des
veränderten Lebensraums befasst, werden im Handlungsraum
„Umfeld“ die Abhängigkeitsverhältnisse der Beteiligten
und die allgemeine Wahrnehmung solcher Beziehungen
durch die Außenwelt in den Fokus gerückt. Es werden jene
Vereinbarungen und Kompromisse durchleuchtet, die
eingegangen werden, um die Beziehung zu der isolierten Person
aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig wird die Aufmerksamkeit
auf den Blick von außen gelenkt, der solche Beziehungen
begleitet. Welche Empfindungen und welches Maß an Mitleid,
Trauer oder Tragik bestimmen die allgemeine gesellschaftliche
Wahrnehmung?
Fragen dieser Art begegnen hoelb/hoeb mit so genannten
Transmittern/Signalträgern, die die Sicht- und Unsichtbarkeiten
Themenschwerpunkte
27/09 - 29/09
Thomas Macho: „Unruhe bewahren“
Der Kulturwissenschaftler und Philosoph Thomas Macho begleitet
„Close Link“ seit 2010 und beschäftigt sich mit neuen, multiper­spek­
tivischen Forschungsmethoden, um die Wahrnehmung bestimmter
Leiderfahrungen im Spannungsfeld von Beeinträchtigungen
zu untersuchen. Er wird die Ausstellung eröffnen und das erste
Wochenende mit den beteiligten Personen vor Ort in der Installation
arbeiten.
27/09 - 29/09 & 04/10 - 06/10
Chrisdian Wittenburg: „Ute – das Model / meine Freundin“
Ute – das Model / meine Freundin
Von 1994-1999 arbeitete Chrisdian Wittenburg künstlerisch mit der
spastisch gelähmten Ute Lorenz an verschiedenen Bilderserien.
Gespräch: Fr 27/09, Sa 28/09 & So 29/09, 15.30
UTE e.V. – ein gemeinnütziger Verein
Schon zu Utes Lebzeiten gründete Chrisdian Wittenburg den
Verein UTE, um engagierte Projekte im Bereich „Behinderung“
durchzuführen. UTE führt Filmworkshops für Kinder mit Behinderung
und ihren Freunden durch und geht mit Rollstühlen an Grundschulen,
damit Kinder Erfahrungen sammeln können. Chrisdian Wittenburg
wird versuchen, Graz mit dem Schulprojekt zu infizieren.
Vortrag: Sa 05/10, 15.30
27/09 - 29/09 & 04/10 - 06/10
Julius Deutschbauer: „Schule abgewandten Blicks“
Julius Deutschbauer arbeitet in der Ausstellung vor Ort und zeigt
für „Close Link“ die Performance „Meine Schwester – ein zum
Gedankenstrich flachgelegtes Ausrufungszeichen“ mit Ruth Głowacki.
Die Blicke verfehlen sich, treffen auf Unbekannte(s): eine höhere
Schule abgewandten Blicks, eine Akademie abgewandter Kunst. Das
Ausrufungszeichen im Spiegel ist die Schwester. Ihr Blick geht an ihr
vorbei.
Performance: Fr 27/09, 19.00 & Sa 05/10, 21.00
„Meine Schwester – ein zum Gedankenstrich flachgelegtes
Ausrufungszeichen“
27/09 - 12/10
Shared-Inc.: „Inklusion / Exklusion“
Das Künstlerkollektiv Shared-Inc. (Bernd Kräftner, Judith Kröll,
Isabel Warner) beschäftigt sich seit Langem mit (politischen)
Fragen und Methoden des Diagnostizierens. Shared-Inc.
verlegen ihr „Research Centre for Shared Incompetence“ in die
Ausstellung. Vor Ort erarbeiten sie Vorschläge zur Umsetzung der
UN-Menschenrechtskonvention zur Inklusion von Menschen mit
Beeinträchtigungen.
27/09 - 12/10
transparadiso: „Botendienst Unplugged“
„Botendienst unplugged“ befaßt sich mit dem Projektarchiv von
„Close Link“ sowie der Situation des „Sharing Desk“ als künstlerischem
Dispositiv von hoelb / hoeb. Jedes Wochenende produziert das
Kollektiv vor Ort eine Spezialausgabe eines mehrseitigen Flugblattes,
das Inhalte des Archivs mit Beiträgen der an der Ausstellung
Beteiligten mit weiteren Fragestellungen verknüpft.
11/10 - 12/10
David Jagerhofer: „Die Pille, Hostie, in Lutsch-, Kau- oder
Schluckform gebrachte Intervention“
David Jagerhofer lebt und arbeitet als Darsteller, Kameramann und
Cutter in Wien. Am letzten Ausstellungswochenende agiert David
Jagerhofer als unheilkundiger Pillendreher, er wiegt, reibt und mischt,
schüttelt, misst und rührt, stopft, kapselt und verdreht, achtet aber
dabei immer auf die Dosis, denn die macht keinen Unterschied.
Performance: Sa 12/10, 16.00 - 22.00
dieser Beziehungssysteme charakterisieren. In einer museal
anmutenden Sammlung aus verschiedenen Medien
und Versatzstücken werden Interviews, Filmscreenings,
Bildserien und Objekte gezeigt. Im Zentrum der Sammlung
stehen Alltagsgegenstände, die zweckentfremdet bzw.
umfunktioniert wurden und verschiedenste Situationen
dieser Beziehungswelten dokumentieren. Der MiniEinkaufswagen verwandelt sich in einen Buggy und die IkeaAufbewahrungsbox wird mit Kissen und Decken gefüllt, um auf
einer umgedrehten Fußmatte zum Transportmittel innerhalb
des privaten Raums zu mutieren. Lebens- und Schutzraum
verschmelzen in diesen Beispielen mit einem praktischen
Nutzen und transformieren diese Alltagsgegenstände zu
Signalträgern, die dem Betrachter von Ausnahmesituationen
berichten.
Die Interaktionen
Im dritten Handlungsraum verdichten sich die Adressierung
von Raumnutzung und Abhängigkeitsverhältnissen zu
einem Partizipationsmodell, in dem Angehörige, Ärzte,
Pflegepersonal, Wissenschaftler und Künstler in einem
temporären Raumsetting zusammentreffen. Sie begleiten
das Projekt vor Ort nach dem Prinzip des flexiblen
Sharing Desk und gewähren Einblicke in ihre persönlichen
Arbeitsbereiche. Neben dem Displacement von OriginalInventar, das kurzerhand von den realen Arbeitsplätzen
der Beteiligten in die Installation verlegt wird, geht es vor
allem um die Sichtbarmachung von unterschiedlichen
Beschäftigungsfeldern und Experten-Wissen, das der breiten
Öffentlichkeit ähnlich wie der Lebensraum beeinträchtigter
Personen in der Regel verborgen bleibt. Durch die
Bündelungen der Aktivitäten und verschiedenen Engagements
der Beteiligten und den aktiven Dialog mit dem Besucher
entsteht ein öffentlicher Handlungsspielraum, der das
Zusammenspiel der drei Ebenen von „Close Link“ entscheidend
ergänzt.
Beteiligte
Jürgen Bigler, diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger, ist
Geschäftsführer des Pflege- und Betreuungsnetzwerks ICH-BIN-DAHEIM.
AT. Bereits vor 12 Jahren begann er gemeinsam mit der diplomierten
Gesundheits- und Krankenschwester und Kunsttherapeutin Gerlinde
Ofner die Pflege von Wachkomapatienten aufzubauen. Ziel war die
Wiedererlangung und Stabilisierung der Wahrnehmung der Betroffenen,
wobei der Schwerpunkt im Beziehungsaufbau zu diesen lag. Mit der
Gründung des Vereins „Initiative für Menschen im Wachkoma“ ist es
gelungen, mehr öffentliche Aufmerksamkeit für die betroffenen Menschen
im Wachkoma und deren Angehörige zu erlangen.
Julius Deutschbauer, Performer, Plakatkünstler, Filmemacher und Autor,
betreibt seit 1997 die „Bibliothek ungelesener Bücher“. 2008 gründete er die
Performancegruppe „Theater des Verhinderns“. Das Zentrum seiner Arbeit
bilden die inzwischen über 100 Plakate.
Das persönliche Erleben der Sprachlosigkeit im Umfeld von Menschen
mit Demenz war für Alexandra Feichtner und Andreas Kristof von
section.a der Grundstein für die Entwicklung des MEMOBILs. Das MEMOBIL
wurde als Erinnerungs- und Kommunikationsmöbel für Menschen mit
Demenz und deren Umfeld in Pflegeheimen entwickelt. In der Installation
werden nicht nur ihre Erkenntnisse und Ergebnisse als Resultat der
Auseinandersetzung mit dem Thema Demenz gezeigt, sondern auch der
Prozess der Entwicklung bis hin zu den Erfahrungen im alltäglichen Einsatz
in Pflegeheimen.
Kunibert Geiger war in Folge eines schweren Hirnstamminfarkts vollständig
gelähmt. Nach langen Jahren der Rehabilitation hat er zusammen mit
seiner Frau Rosemarie Geiger das Buch „Das Leben neu lernen. Wie mein
Körper Flügel bekam“ herausgegeben. Darin dokumentiert er gemeinsam
mit Wegbegleitern, Ärzten, Therapeuten und Freunden den Verlauf seiner
Krankheit, um sich so für bessere Rehabilitationsangebote in Österreich
zu engagieren. Außerdem ist er aktives Mitglied der „Selbsthilfegruppe für
Schädelhirntrauma und Schlaganfallpatienten/innen und deren Angehörige in
der Steiermark“.
Seit 2000 arbeiten Barbara Hölbling und Mario Höber unter dem
Namen hoelb/hoeb zusammen. Ihre künstlerische Arbeit konzentriert
sich auf inter- und transdisziplinäre Projekte, die das Ziel verfolgen,
Kommunikationsräume zu generieren. Methodisch kommen dabei
unterschiedliche Verfahren zum Einsatz, die künstlerische Ausdrucksmittel
(Film/Video, Installation) und Aufführungspraktiken kombinieren.
Das Team hoelb/hoeb verlegt während der ganzen Ausstellungszeit
ihren Arbeits- und Atelierplatz in die Installation. Im Vorzimmer des
dislozierten Künstlerateliers arbeiten die Kunsthistorikerin/Kuratorin
Tina Lipsky, die sich neben ihrer Tätigkeit als Publikationsmanagerin
der Secession Wien sowohl praktisch als auch theoretisch mit
Gestaltungsprinzipien im Ausstellungsbereich beschäftigt und an der
Kunstuniversität Graz Kunstgeschichte lehrt, sowie Andreas Karl, der
Musikwissenschaft und Publizistik in Wien studiert hat und beim Label
KAIROS arbeitet. Gemeinsam reagieren sie auf die unterschiedlichen
Stimmungen und bilden den logistischen Rahmen für die Umsetzung der
Themenschwerpunkte an den einzelnen Ausstellungswochenenden.
Die Sonderpädagogin und Inklusionsforscherin Nina Hömberg
beschäftigt sich besonders mit den Aspekten und Zugängen zu
veränderten oder erschwerten Kontaktverhältnissen wie im Falle
von Wahrnehmungsbeeinträchtigungen. Von 2000 bis 2006 war sie
wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Rehabilitationspädagogik,
Philosophische Fakultät III – Erziehungswissenschaften, Martin-LutherUniversität Halle-Wittenberg. Von 2006 bis 2012 war sie als Dozentin an
der Freien Universität Bozen, Fakultät für Bildungswissenschaften, tätig. Ihr
Arbeitsschwerpunkt liegt im Bereich Inklusive Bildung.
David Jagerhofer hat an diversen Projekten und Performances von
brut Wien über Kampnagel Hamburg bis zum donaufestival Krems mit
God’s Entertainment / Supernase & Co und dem Theater des Verhinderns
mitgewirkt. Am letzten Festivalabend bereichern Jagerhofer und hoelb/
hoeb das Angebot in der herbst Bar um weitere gefährlich konsumierbare
Substanzen.
Thomas Kasebacher, Performer und Regisseur, studierte Regie am Liverpool
Institute for Performing Arts und Vergleichende Literaturwissenschaften
an der Universität Innsbruck. Seit 2007 arbeitet er mit Laia Fabre unter dem
Namen notfoundyet zusammen. Als Ausgangsmaterial ihrer gemeinsamen
künstlerischen Arbeiten dienen oft Alltagsgeschehen und Alltagsroutinen. In
prozessorientierten Entwicklungsphasen entstehen so durch Improvisation,
Textarbeit, choreografische Elemente und Musik Performances, Tanzstücke
und Installationen.
Eva Kupfner leitet die Beratungsstelle LIFEtool Graz, die über technische
Hilfsmittel und Spezialsoftware für Menschen mit Beeinträchtigungen
informiert. Die wichtigsten Grundlagen über Einsatzmöglichkeiten
des Computers werden von ihr in Infoveranstaltungen und Workshops
an Betreuer, Pädagogen und Therapeuten weitergegeben. Träger der
Beratungsstelle LIFEtool ist das Diakoniewerk, das in Graz unter der Leitung
von Claudia Paulus das Pflegeheim „Haus am Ruckerlberg“ betreibt.
Anna Katharina Laggner gestaltet als freie Radioautorin Features und
Reportagen sowie Film- und Literaturkritiken für ORF, Deutschlandradio
und SWR. Sie war mit Hörstücken und Soundinstallationen beim steirischen
herbst, der europäischen Kulturhauptstadt Linz09 und der Neuen
Gesellschaft für Bildende Kunst in Berlin vertreten. Ihr letztes Feature „Neun
Tage – zwei Zehennägel – nach Hause gehen“ dokumentiert ihren Fußweg
von Wien nach Graz und ist im Rahmen der European Masterschool on Radio
Features entstanden. Sie sucht nach hörbaren Bildern der Sprachlosigkeit.
Thomas Macho, seit 1993 Professor für Kulturgeschichte an der
Humboldt-Universität zu Berlin, wurde 1976 mit einer Dissertation zur
Musikphilosophie an der Universität Wien promoviert. Mit einer Arbeit
über Todesmetaphern habilitierte er sich 1983 für das Fach Philosophie
an der Universität Klagenfurt. Macho war Mitbegründer des Hermann
von Helmholtz-Zentrums für Kulturtechnik, Dekan der Philosophischen
Fakultät III, Fellow am Internationalen Kolleg für Kulturtechnikforschung und
Medienphilosophie an der Bauhaus-Universität Weimar und von 2009 bis
2011 Direktor des Instituts für Kulturwissenschaft.
Thomas Mayr studierte Computermusik an der Universität für Musik und
darstellende Kunst in Wien und Elektrotechnik Toningenieur an der technischen
Universität Wien und Graz sowie der Universität für Musik und darstellende
Kunst Graz. Er arbeitet als Sounddesigner im Bereich experimenteller
Tontechnik mit speziellen Beschallungstechniken und trägt wesentlich zur
Entwicklung von Externals für Max/Msp für Audio- und Licht-Design bei.
Gernot R. Müller-Putz leitet das Institute for Knowledge Discovery –
Laboratory of Brain-Computer Interfaces an der Technischen Universität
Graz und untersucht unter anderem die Gehirn-Computer-Schnittstelle als
Hilfsmittel bei Wachkomapatienten. Brain-Computer-Interface: „A BCI is a
device that does not use the normal neuromuscular output pathways of
the brain, but accepts commands encoded in neurophysiological signals.“
(Jonathan R. Wolpaw, 1991). Gernot R. Müller-Putz und seine Mitarbeiter
Petar Horki, Josef Faller und Andreas Pinegger werden BCI (Brain Computer
Interface) und Forschungsergebnisse in der Installation dokumentieren.
Die Soziologin Claudia Neu sucht abseits eingefahrener Muster nach neuen
Formen der Mitsprache und Partizipation. Ihre Forschungsschwerpunkte
liegen in den Bereichen Agrarsoziologie, Haushaltssoziologie, Sozialstruktur­
analyse und sozialer Wandel. Sie forscht in einer Gesellschaft, die immer
heterogener ist, was zum Beispiel Alter, Migrationshintergrund, Frauen und
Berufstätigkeit betrifft, nach Methoden, um unterschiedliche Positionen
miteinander in Verbindung zu setzen. In der Installation wird Claudia Neu das
Projektarchiv „Close Link“ aus ihrer soziologischen Sichtweise kontextuieren.
Gerald Pichler leitet die Abteilung für Neurologie in der Albert Schweitzer
Klinik in Graz. Er leitet zwei Wachkomastationen, die die abgestufte
Langzeitrehabilitation und den Versuch einer Reintegration von Menschen
im Wachkoma zum Ziel haben. In der Albert Schweitzer Klinik befindet
sich auch die Station Memory, die sich den besonderen Bedürfnissen
demenzkranker Menschen mit neuen Betreuungssystemen widmet.
Die „Initiative für Wachkoma“, ein für „Close Link“ gegründetes Kollektiv,
bestehend aus Ärzten, Neurologen, Pflegern und Therapeuten, wird in
der Installation ihre Sichtweisen und Erfahrungen mitteilen. Beteiligte:
Doris Burgstaller, Ulrike Fabian-Riedler, Hildegard Gotownik, Elisabeth
Haubenwallner, Eva Hesinger, Peter Hosak, Rene Hüttenbrenner, Sylvia
Hütter, Trautgundis Kaiba, Michaela Löschnigg-Tausz, Sabine Paier, Karin
Petersen, Eva Schaller, Gabriele Träxler, Gerda Wernsperger-Petz.
Burkhard Propf ist ein betroffener Angehöriger, dessen Sohn Sebastian
an einer speziellen Form der Lissencephalie (LYS 1-5) erkrankt ist. Mit der
Diagnose, dass das eigene Kind an einer unheilbaren Fehlbildung des
Zentralnervensystems leidet und aufgrund dessen in seiner körperlichen
und geistigen Entwicklung stark retardiert bleiben wird, ändert sich das
Leben der betroffenen Eltern grundlegend. Der Verein Liss e.V. wurde von
Das Künstlerkollektiv Shared-Inc. (Bernd Kräftner, Judith Kröll und Isabel
Warner) setzt sich an der Schnittstelle von Wissenschaft, Gesellschaft und
Kunst mit der Welt von Wachkoma-Patienten und ihren Formen der Interaktion
mit der Umwelt auseinander. Im Projekt „Pillow Research: multiple diagnoses
and hidden talents“ wurde der Polster als Kommunikationsmittel und
sensorischer wie haptischer Impulsgeber für Wachkoma-Patienten behandelt.
Der transdisziplinäre Ansatz verwebt in solchen Projekten Methoden der
Wissenschaft und Technologie mit medizinischen und ethnologischen
Gesichtspunkten und stellt sie in Beziehung zu künstlerischen Strategien.
Thomas Schelischansky leitet als Oberpfleger fünf Intensivstationen im
LKH Univ. Klinikum Graz. Er und die Pflegeteams der Intensivstationen
zeigen Perspektiven der Intensivpflege bei isolierten Bewusstseinslagen
in praxisorientierten Arbeitsstationen. 24 Stunden pflegt engagiertes
Fachpersonal Menschen in Ausnahmesituationen. Hohe technische
Ausstattung, auch Apparatemedizin genannt, prägt das Bild von
Intensivstationen. Ein Pflegeteam steht im ständigen Beziehungsprozess
mit seinen Patientinnen und Patienten. In einem strukturierten Ablauf
werden diese dabei unterstützt, diese Ausnahmesituation in ihrem Leben
zu bewältigen. Das Intensivpflegepersonal begibt sich dabei auf einen
Grenzgang zwischen persönlicher Nähe und Distanz. Beteiligte: Christoph
Kumpitsch, Karoline Riedler, Thomas Schelischansky, Alexandra Schober,
Georg Stiasny, Alexandra Zach.
transparadiso wurde 1999 von Barbara Holub und Paul Rajakovics als
transdisziplinäre Praxis zwischen Kunst, Urbanismus, Architektur und Theorie
gegründet. transparadiso entwickelt unter anderem über künstlerische
Interventionen Tools und Strategien für direkten Urbanismus, der die aktuellen
urbanen Herausforderungen in einem weitergefassten räumlichen und
gesellschaftspolitischen Kontext behandelt. Zu Ihren aktuellen Publikationen
zählt „Direkter Urbanismus“ (Verlag für moderne Kunst Nürnberg). Derzeit
arbeitet transparadiso an „Paradise Enterprise“ in Judenburg.
Der bildende Künstler Chrisdian Wittenburg beschäftigte sich
bereits in mehreren Projekten mit künstlerischen Praktiken im Bereich
Beeinträchtigung. Aus der intensiven persönlichen Zusammenarbeit mit
der spastisch gelähmten Ute Lorenz heraus gründete er den Verein UTE –
Verein für den engagierten Umgang mit Behinderungen, der als Plattform
für Projekte mit gemeinnützigem Charakter dient. Neben Arbeiten mit den
Medien Fotografie und Video nutzte er auch den virtuellen Raum, um auf die
Inklusions-Debatte einzugehen. Er rief in Second Life den rollstuhlfahrenden
Avatar ELAY Egoyan ins Leben und schrieb Texte über dieses Unterfangen.
Franz Vana hat sich seit seiner Jugend der Malerei verschrieben und
arbeitet heute abwechselnd in Wien oder in seinem Atelier in Rauchwart
im südlichen Burgenland. Seine bedeutsamen und bekannten WortBildmontagen, bei denen er sprachliche Begriffe ineinander wirft, um
daraus völlig neue zu kreuzen, werden in der Ausstellung zusehen sein.
Vertreten wird Franz Vana durch die Galerie Winter in Wien.
Im Zentrum der Sharing Desk-Idee steht die Absicht das für „Close Link“
gesammelte Wissen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Zusätzlich werden in Graz ansässige Institutionen (wie zum Beispiel Chance
B, die Kinderfreunde Graz, ISOP Graz, Sozialamt Graz, …) eingeladen dieses
Angebot zu nutzen und vor Ort mit ihren Mitarbeitern in einen lebendigen,
prozesshaften Austausch zu treten. Gesichert wird die Verfügbarkeit
der in „Close Link“ versammelten Erfahrungen in einem umfangreichen
Ausstellungskatalog.
Von hoelb / hoeb (Barbara Hölbling & Mario Höber)
Arbeiten in der Ausstellung Sigrun Appelt, Julius Deutschbauer, Christian
Eisenberger, Katharina Fink, Tone Fink, Barbara Holub, Alexander Kada, Jason
Martin, Arnulf Rainer, Rosemarie Trockel, Franz Vana, Bill Viola, Franz West,
Chrisdian Wittenburg u. a.
Realisierungspartner B. Braun
Partner Albert Schweitzer Klinik Graz, ArjoHuntleigh, bmukk filmkunst,
bmukk interdisziplinäre kulturprojekte, Discovery – Laboratory of BrainComputer Interfaces / Technische Universität Graz, Dräger, Galerie Thaddaeus
Ropac, Konica Minolta, LKH Univ. Klinikum Graz , Institut für elektronische
Musik/Kunstuniversität Graz, Institute for Knowledge, Sammlung Essl,
Sammlung Günther Brodar, Nicholas Berwin Caritable Trust u. a.
Projektsponsor bene & XAL
Motiv Sinsi-Bär mit Michaela Löschnigg-Tausz, Albert Schweitzer Klinik,
Foto: Stephan Friesinger
Fotos hoelb / hoeb, Stephan Friesinger, Shared-Inc., Marco Rossi,
Chrisdian Wittenburg

Documents pareils