- Steirischer Herbst
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- Steirischer Herbst
hoelb/hoeb Close Link 27/09 - 12/10 Ex-Zollamt / Halle Bahnhofgürtel 57 8020 Graz Close Link Stationäre Settings Eröffnung Das Ausstellungsprojekt „Close Link“ behandelt außergewöhnliche Do 26/09, 18.00 Beziehungssysteme, die entstehen, wenn sich eine Person krankheitsbedingt Ex-Zollamt / Halle in einer isolierten Bewusstseinslage befindet. Erforscht werden die 27/09 - 12/10 räumlichen, kommunikativen und interaktiven Aspekte, die Nahverhältnisse 14.00 - 21.00 Eintritt frei zu Personen mit geistiger und körperlicher Beeinträchtigung (LISS 1-5), zu Wachkoma-Patienten (PVS) sowie zu demenzkranken Personen (DLB) kennzeichnen. Der Mehrheit der Gesellschaft im Normalfall verborgene Räume und Alltagshandlungen dieser Lebenswelten werden in „Close Link“ aufgespürt und sichtbar gemacht. Basis und Rückgrat dieses Vorhabens ist ein Kollektiv aus Künstlern, Experten und Interessenvertretungen. Dieses Netzwerk, das sich über wissenschaftliche, soziale und künstlerische Bereiche und Disziplinen erstreckt, wird in der Ausstellung vor Ort innerhalb eines spezifischen Partizipationsmodells in Erscheinung treten. „Es sind falsche Türen am richtigen Ort, vor denen man wartet.“ Dieser Kommentar wird in Gebärdensprache in einem Video gezeigt – das Video läuft auf Endlosschleife und ist im Eingangsbereich zwischen einigen herumstehenden medizinischen Apparaturen und Umzugskartons platziert. In einem neonbeleuchteten Korridor – wo Türen in verschiedenen Designs, teilweise angelehnt oder einen Spalt breit geöffnet sind – sieht man vereinzelt Personen, die sich unterhalten, sich vor Bildschirmen gruppieren oder konzentriert eine Tätigkeit ausführen – man hört Stimmen, Arbeits- und Hintergrundgeräusche – Mobiltelefone läuten. Unerwartet und unangemeldet befindet man sich plötzlich in einem Vorzimmer, einem Büro, einem Arbeitsraum, einer Dienststelle oder am Namensschalter. Fenster öffnen sich auf neue Fenster, Decken und Böden sind versetzt, Stühle, Tische und Sideboards aneinandergereiht – verschachtelte Gänge durchziehen die Räumlichkeiten. Zum Teil sind Wände verdoppelt – eine hermetische Verringerung von Raum im Raum. Inventarisierte Gegenstände und medizinische Hilfsmittel stapeln sich auf Arbeits- und Schreibtischflächen und mittendrin Personen, die ihre gewohnte berufliche Tätigkeit ausüben. Dokumentiert wird der sich ständig verändernde Zusammenhang von Raumatmosphären, abgebildeten Gegenständen, angewendeter Technik und kontextuellem Wissen. Raumarrangements banaler Elemente werden zum Refugium und zur kreativen Keimzelle. Dazwischen immer wieder blanke, doch fremde Alltäglichkeit. Immer wieder Zwischenräume und der Versuch, die visuelle wahrnehmbare Realität mehrschichtiger Raumatmosphären darzustellen. Schächte im Verborgenen, Zwischenund Übergangsräume – man steht vor Glasflächen, die Laborbänke mit angrenzenden Besprechungszimmern voneinander trennen, und vor mobilen Küchen, Wohn-, Laborund Hightechelementen, die von Personen abwechselnd frequentiert und eingesetzt werden. Angedockt an Werk- und Arbeitsbänken, zwischen zwei Regalen begrenzt, findet man in einem improvisierten Ablagefach ein überdimensional großes, eingesperrtes vereinsamtes Stofftier. Am Ende des Korridors, in Vortragsräumen, die als Rückzugsorte und Ruheräume genutzt werden, beschäftigt sich eine Gruppe von Personen mit dem Aufbau einer Intensivstation aus Pappkarton. Überwachungs- und Behandlungsgeräte der Intensiv-Medizin werden aus Karton fabriziert – es wird gesprüht, geklebt und gemessen, Kontrollbildschirme werden an Simulationsgeräte angeschlossen und überprüft. Eine Tür weiter, hinter hohen Aktenstapeln versunken, wird eifrig auf Computertastaturen getippt, Anfragen werden geschlichtet, Topfpflanzen und Maskottchen säumen die Arbeitsflächen, an den Wänden kleben bunte Urlaubskarten. In den gebauten Raumatmosphären und in den dargestellten Bildschichtungen und Überlagerungen findet man zu einem neuen, situativen, dritten Abbild – als läge das „wahre Bild“ im nicht fassbaren Raum zwischen den ineinandergreifenden Motiven. Die Raumarrangements richten den Blick auf Sicht- und Unsichtbarkeiten in tendenziösen Beziehungen und die trügerische Sicherheit bestehender Systeme. Wie gehen wir mit etwas um, wenn etwas anders ist? Wie mit Irritation und Unsicherheit? Alltagsrealität, soziale Praxis, Kunst und Wissenschaft werden mittels künstlerischen Bildund Rauminterventionen in Beziehung gesetzt, um Bilder zu finden, die es erlauben, eine andere Perspektive zu beziehen. Es gibt innere und äußere Räume und ihre Beziehung zueinander. Foucault geht davon aus, dass wir in der Epoche des Raums leben und der Raum nicht homogen, sondern heterogen zu denken sei; dieser Raum sei mit Qualitäten aufgeladen: mit Träumen, Phantasien, Materialien und sozialen Praktiken … Ein Raum, der keine festen Grenzen habe, der keine festgelegte Ordnung konstruiere, sondern im Rekurs auf andere Orte Verknüpfungen herstelle: die gleichzeitige Präsenz von Gleichem und Anderem. Es geht um den Versuch, die Mehrschichtigkeit und Mehrdeutigkeit des menschlichen Wahrnehmens, Fühlens, Denkens, Urteilens und Handelns in Raum-Heterotopien zu übersetzen. Nicht die Frage „Was wird gezeigt oder gespielt?“, sondern die Frage „Wo bin ich hier hineingeraten?“ ist wichtig. Der Betrachter soll abwechselnd in den Sog des Spannungsfelds zwischen dargestellter Alltagsrealität und dem Spiel mit dem Staunen, Zweifeln und Betroffensein geraten. Immer in gedanklicher Bewegung, immer um ein greifbar nahes, dennoch so unerreichbar scheinendes Zentrum kreisend. Die Raumatmosphären konstruieren das häusliche und soziale Umfeld, Ausnahmesituationen und wissenschaftliche Beschäftigungsfelder. In Form von Displacements – dem Verlagern des Arbeits- und Tätigkeitsbereichs in die Ausstellung – und durch Umdeutungen dessen, was wir im alltäglichen Leben als funktionierende und eindeutige Gegenstände erfahren, soll ein Vexierspiel von Visualität, Apparat, Institutionen und Diskurs entstehen. Ein stationäres Setting, wo Wissenschaftler, Forscher, Künstler, alternative Arbeitsgruppen und Vertreter sozialer Einrichtungen zusammentreffen und transdisziplinär forschen, um vor Ort Stellung zu beziehen. Ein Prozess des Eintauchens, Hineindenkens, Suchens und Entschlüsselns. In diesem gegenwärtigen Szenario von Originalschauplätzen, deren angehäufte Raum- und Material-Settings sich in- und aneinander drängen, bilden sich Kreuzungspunkte von Verarbeitungssystemen und Wissensproduktionen, an denen elementare Prozesse ablaufen und Begegnungen stattfinden – im Arbeitsraum des Wissenschaftlers wie im Atelier des Künstlers, im Labor des Forschers wie im Büro des Sozialarbeiters. Das Zusammentreffen der unterschiedlichen Wirkungsbereiche und Arbeitsgebiete erzeugt Möglichkeits- und Kommunikationsräume. In alltagsnaher Repräsentationsweise werden wissenschaftliche Erkenntnisse und künstlerische Praktiken in einen installativen Zusammenhang gesetzt und im Ausstellungsraum weitergeführt. Ziel ist es, Begegnungen zu schaffen, die einem gesellschaftspolitisch relevanten Thema einen Raum inmitten einer Öffentlichkeit geben, in der es größtenteils unsichtbar ist – Erfahrungs- und Handlungsräume, die ein Balancieren zwischen Normalität und subjektiver Besonderheit ermöglichen. holb /hoeb Alexander, der ältere Sohn von Karin Kruschinski und Christian Freidorfer-Kruschinski, ist an LISS 1 erkrankt. Karin Kruschinski studierte Umweltsystemwissenschaften in Graz und arbeitete nach dem Studium als Trainerin im Erwachsenenbildungsbereich und in der Jugendarbeit. Christian Freidorfer-Kruschinski arbeitet als Diplomkrankenpfleger in einem Seniorenheim in Graz. Das Künstlerteam hoelb/hoeb hat Alexander ein Jahr filmisch begleitet. Der Film „Alexander“ wird in der Ausstellung gezeigt. betroffenen Eltern für Betroffene gegründet. Burkhard Propf ist erster Vorsitzender des Vereins Liss e.V und lebt mit seiner Frau Christin und drei Kindern in Hamburg. „Close Link“ konfrontiert Besucherinnen und Besucher mit ihren eigenen, ganz persönlichen, unerforschten Beziehungswelten und stellt darüber hinaus dringliche Fragen zur aktuellen gesellschaftlichen Befindlichkeit: Was verdrängen wir? Welchen Situationen setzen wir uns aus? Wie sind wir hier hineingeraten? Der Lebensraum Der erste Handlungsraum thematisiert, welche Konsequenzen die alltäglichen Bedürfnisse wahrnehmungsbeeinträchtigter Personen für die vorhandene Architektur privater Räume haben. Die veränderte Raumnutzung, die sich aus einer Notwendigkeit heraus in solchen Beziehungssystemen einstellt, nimmt in „Close Link“ die Gestalt einer nachgebauten Intensivstation an. Medizinisch-technische Versorgungsstationen, die die Infrastruktur im Klinikbereich bestimmen, treffen auf nachgebaute Geräte. Auf einer räumlichen Ebene findet ein Aufeinandertreffen von Alltag und Krankheit statt: ein heterogener Raum, der sich durch die gleichzeitige Präsenz von Gleichem und Anderem dem focaultschen Prinzip eines nicht abgeschlossenen Raums annähert. Dieser „Gegenraum“ gibt die feste Ordnung zugunsten einer Verschiebung und Überlagerung verschiedener Raumnutzungen auf und wird zur lokalisierten Utopie. Beobachtungen einer umfangreichen Recherche verdichten sich in dieser Utopie zu detaillierten Beschreibungen, die Fragen nach den Symptomen, Trauer-, und Übergangsräumen in Beziehungssystemen mit LISS 1-5, PVS oder DLB adressieren. Das Umfeld Während sich die erste Ebene mit der Architektur des veränderten Lebensraums befasst, werden im Handlungsraum „Umfeld“ die Abhängigkeitsverhältnisse der Beteiligten und die allgemeine Wahrnehmung solcher Beziehungen durch die Außenwelt in den Fokus gerückt. Es werden jene Vereinbarungen und Kompromisse durchleuchtet, die eingegangen werden, um die Beziehung zu der isolierten Person aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig wird die Aufmerksamkeit auf den Blick von außen gelenkt, der solche Beziehungen begleitet. Welche Empfindungen und welches Maß an Mitleid, Trauer oder Tragik bestimmen die allgemeine gesellschaftliche Wahrnehmung? Fragen dieser Art begegnen hoelb/hoeb mit so genannten Transmittern/Signalträgern, die die Sicht- und Unsichtbarkeiten Themenschwerpunkte 27/09 - 29/09 Thomas Macho: „Unruhe bewahren“ Der Kulturwissenschaftler und Philosoph Thomas Macho begleitet „Close Link“ seit 2010 und beschäftigt sich mit neuen, multiperspek tivischen Forschungsmethoden, um die Wahrnehmung bestimmter Leiderfahrungen im Spannungsfeld von Beeinträchtigungen zu untersuchen. Er wird die Ausstellung eröffnen und das erste Wochenende mit den beteiligten Personen vor Ort in der Installation arbeiten. 27/09 - 29/09 & 04/10 - 06/10 Chrisdian Wittenburg: „Ute – das Model / meine Freundin“ Ute – das Model / meine Freundin Von 1994-1999 arbeitete Chrisdian Wittenburg künstlerisch mit der spastisch gelähmten Ute Lorenz an verschiedenen Bilderserien. Gespräch: Fr 27/09, Sa 28/09 & So 29/09, 15.30 UTE e.V. – ein gemeinnütziger Verein Schon zu Utes Lebzeiten gründete Chrisdian Wittenburg den Verein UTE, um engagierte Projekte im Bereich „Behinderung“ durchzuführen. UTE führt Filmworkshops für Kinder mit Behinderung und ihren Freunden durch und geht mit Rollstühlen an Grundschulen, damit Kinder Erfahrungen sammeln können. Chrisdian Wittenburg wird versuchen, Graz mit dem Schulprojekt zu infizieren. Vortrag: Sa 05/10, 15.30 27/09 - 29/09 & 04/10 - 06/10 Julius Deutschbauer: „Schule abgewandten Blicks“ Julius Deutschbauer arbeitet in der Ausstellung vor Ort und zeigt für „Close Link“ die Performance „Meine Schwester – ein zum Gedankenstrich flachgelegtes Ausrufungszeichen“ mit Ruth Głowacki. Die Blicke verfehlen sich, treffen auf Unbekannte(s): eine höhere Schule abgewandten Blicks, eine Akademie abgewandter Kunst. Das Ausrufungszeichen im Spiegel ist die Schwester. Ihr Blick geht an ihr vorbei. Performance: Fr 27/09, 19.00 & Sa 05/10, 21.00 „Meine Schwester – ein zum Gedankenstrich flachgelegtes Ausrufungszeichen“ 27/09 - 12/10 Shared-Inc.: „Inklusion / Exklusion“ Das Künstlerkollektiv Shared-Inc. (Bernd Kräftner, Judith Kröll, Isabel Warner) beschäftigt sich seit Langem mit (politischen) Fragen und Methoden des Diagnostizierens. Shared-Inc. verlegen ihr „Research Centre for Shared Incompetence“ in die Ausstellung. Vor Ort erarbeiten sie Vorschläge zur Umsetzung der UN-Menschenrechtskonvention zur Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigungen. 27/09 - 12/10 transparadiso: „Botendienst Unplugged“ „Botendienst unplugged“ befaßt sich mit dem Projektarchiv von „Close Link“ sowie der Situation des „Sharing Desk“ als künstlerischem Dispositiv von hoelb / hoeb. Jedes Wochenende produziert das Kollektiv vor Ort eine Spezialausgabe eines mehrseitigen Flugblattes, das Inhalte des Archivs mit Beiträgen der an der Ausstellung Beteiligten mit weiteren Fragestellungen verknüpft. 11/10 - 12/10 David Jagerhofer: „Die Pille, Hostie, in Lutsch-, Kau- oder Schluckform gebrachte Intervention“ David Jagerhofer lebt und arbeitet als Darsteller, Kameramann und Cutter in Wien. Am letzten Ausstellungswochenende agiert David Jagerhofer als unheilkundiger Pillendreher, er wiegt, reibt und mischt, schüttelt, misst und rührt, stopft, kapselt und verdreht, achtet aber dabei immer auf die Dosis, denn die macht keinen Unterschied. Performance: Sa 12/10, 16.00 - 22.00 dieser Beziehungssysteme charakterisieren. In einer museal anmutenden Sammlung aus verschiedenen Medien und Versatzstücken werden Interviews, Filmscreenings, Bildserien und Objekte gezeigt. Im Zentrum der Sammlung stehen Alltagsgegenstände, die zweckentfremdet bzw. umfunktioniert wurden und verschiedenste Situationen dieser Beziehungswelten dokumentieren. Der MiniEinkaufswagen verwandelt sich in einen Buggy und die IkeaAufbewahrungsbox wird mit Kissen und Decken gefüllt, um auf einer umgedrehten Fußmatte zum Transportmittel innerhalb des privaten Raums zu mutieren. Lebens- und Schutzraum verschmelzen in diesen Beispielen mit einem praktischen Nutzen und transformieren diese Alltagsgegenstände zu Signalträgern, die dem Betrachter von Ausnahmesituationen berichten. Die Interaktionen Im dritten Handlungsraum verdichten sich die Adressierung von Raumnutzung und Abhängigkeitsverhältnissen zu einem Partizipationsmodell, in dem Angehörige, Ärzte, Pflegepersonal, Wissenschaftler und Künstler in einem temporären Raumsetting zusammentreffen. Sie begleiten das Projekt vor Ort nach dem Prinzip des flexiblen Sharing Desk und gewähren Einblicke in ihre persönlichen Arbeitsbereiche. Neben dem Displacement von OriginalInventar, das kurzerhand von den realen Arbeitsplätzen der Beteiligten in die Installation verlegt wird, geht es vor allem um die Sichtbarmachung von unterschiedlichen Beschäftigungsfeldern und Experten-Wissen, das der breiten Öffentlichkeit ähnlich wie der Lebensraum beeinträchtigter Personen in der Regel verborgen bleibt. Durch die Bündelungen der Aktivitäten und verschiedenen Engagements der Beteiligten und den aktiven Dialog mit dem Besucher entsteht ein öffentlicher Handlungsspielraum, der das Zusammenspiel der drei Ebenen von „Close Link“ entscheidend ergänzt. Beteiligte Jürgen Bigler, diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger, ist Geschäftsführer des Pflege- und Betreuungsnetzwerks ICH-BIN-DAHEIM. AT. Bereits vor 12 Jahren begann er gemeinsam mit der diplomierten Gesundheits- und Krankenschwester und Kunsttherapeutin Gerlinde Ofner die Pflege von Wachkomapatienten aufzubauen. Ziel war die Wiedererlangung und Stabilisierung der Wahrnehmung der Betroffenen, wobei der Schwerpunkt im Beziehungsaufbau zu diesen lag. Mit der Gründung des Vereins „Initiative für Menschen im Wachkoma“ ist es gelungen, mehr öffentliche Aufmerksamkeit für die betroffenen Menschen im Wachkoma und deren Angehörige zu erlangen. Julius Deutschbauer, Performer, Plakatkünstler, Filmemacher und Autor, betreibt seit 1997 die „Bibliothek ungelesener Bücher“. 2008 gründete er die Performancegruppe „Theater des Verhinderns“. Das Zentrum seiner Arbeit bilden die inzwischen über 100 Plakate. Das persönliche Erleben der Sprachlosigkeit im Umfeld von Menschen mit Demenz war für Alexandra Feichtner und Andreas Kristof von section.a der Grundstein für die Entwicklung des MEMOBILs. Das MEMOBIL wurde als Erinnerungs- und Kommunikationsmöbel für Menschen mit Demenz und deren Umfeld in Pflegeheimen entwickelt. In der Installation werden nicht nur ihre Erkenntnisse und Ergebnisse als Resultat der Auseinandersetzung mit dem Thema Demenz gezeigt, sondern auch der Prozess der Entwicklung bis hin zu den Erfahrungen im alltäglichen Einsatz in Pflegeheimen. Kunibert Geiger war in Folge eines schweren Hirnstamminfarkts vollständig gelähmt. Nach langen Jahren der Rehabilitation hat er zusammen mit seiner Frau Rosemarie Geiger das Buch „Das Leben neu lernen. Wie mein Körper Flügel bekam“ herausgegeben. Darin dokumentiert er gemeinsam mit Wegbegleitern, Ärzten, Therapeuten und Freunden den Verlauf seiner Krankheit, um sich so für bessere Rehabilitationsangebote in Österreich zu engagieren. Außerdem ist er aktives Mitglied der „Selbsthilfegruppe für Schädelhirntrauma und Schlaganfallpatienten/innen und deren Angehörige in der Steiermark“. Seit 2000 arbeiten Barbara Hölbling und Mario Höber unter dem Namen hoelb/hoeb zusammen. Ihre künstlerische Arbeit konzentriert sich auf inter- und transdisziplinäre Projekte, die das Ziel verfolgen, Kommunikationsräume zu generieren. Methodisch kommen dabei unterschiedliche Verfahren zum Einsatz, die künstlerische Ausdrucksmittel (Film/Video, Installation) und Aufführungspraktiken kombinieren. Das Team hoelb/hoeb verlegt während der ganzen Ausstellungszeit ihren Arbeits- und Atelierplatz in die Installation. Im Vorzimmer des dislozierten Künstlerateliers arbeiten die Kunsthistorikerin/Kuratorin Tina Lipsky, die sich neben ihrer Tätigkeit als Publikationsmanagerin der Secession Wien sowohl praktisch als auch theoretisch mit Gestaltungsprinzipien im Ausstellungsbereich beschäftigt und an der Kunstuniversität Graz Kunstgeschichte lehrt, sowie Andreas Karl, der Musikwissenschaft und Publizistik in Wien studiert hat und beim Label KAIROS arbeitet. Gemeinsam reagieren sie auf die unterschiedlichen Stimmungen und bilden den logistischen Rahmen für die Umsetzung der Themenschwerpunkte an den einzelnen Ausstellungswochenenden. Die Sonderpädagogin und Inklusionsforscherin Nina Hömberg beschäftigt sich besonders mit den Aspekten und Zugängen zu veränderten oder erschwerten Kontaktverhältnissen wie im Falle von Wahrnehmungsbeeinträchtigungen. Von 2000 bis 2006 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Rehabilitationspädagogik, Philosophische Fakultät III – Erziehungswissenschaften, Martin-LutherUniversität Halle-Wittenberg. Von 2006 bis 2012 war sie als Dozentin an der Freien Universität Bozen, Fakultät für Bildungswissenschaften, tätig. Ihr Arbeitsschwerpunkt liegt im Bereich Inklusive Bildung. David Jagerhofer hat an diversen Projekten und Performances von brut Wien über Kampnagel Hamburg bis zum donaufestival Krems mit God’s Entertainment / Supernase & Co und dem Theater des Verhinderns mitgewirkt. Am letzten Festivalabend bereichern Jagerhofer und hoelb/ hoeb das Angebot in der herbst Bar um weitere gefährlich konsumierbare Substanzen. Thomas Kasebacher, Performer und Regisseur, studierte Regie am Liverpool Institute for Performing Arts und Vergleichende Literaturwissenschaften an der Universität Innsbruck. Seit 2007 arbeitet er mit Laia Fabre unter dem Namen notfoundyet zusammen. Als Ausgangsmaterial ihrer gemeinsamen künstlerischen Arbeiten dienen oft Alltagsgeschehen und Alltagsroutinen. In prozessorientierten Entwicklungsphasen entstehen so durch Improvisation, Textarbeit, choreografische Elemente und Musik Performances, Tanzstücke und Installationen. Eva Kupfner leitet die Beratungsstelle LIFEtool Graz, die über technische Hilfsmittel und Spezialsoftware für Menschen mit Beeinträchtigungen informiert. Die wichtigsten Grundlagen über Einsatzmöglichkeiten des Computers werden von ihr in Infoveranstaltungen und Workshops an Betreuer, Pädagogen und Therapeuten weitergegeben. Träger der Beratungsstelle LIFEtool ist das Diakoniewerk, das in Graz unter der Leitung von Claudia Paulus das Pflegeheim „Haus am Ruckerlberg“ betreibt. Anna Katharina Laggner gestaltet als freie Radioautorin Features und Reportagen sowie Film- und Literaturkritiken für ORF, Deutschlandradio und SWR. Sie war mit Hörstücken und Soundinstallationen beim steirischen herbst, der europäischen Kulturhauptstadt Linz09 und der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst in Berlin vertreten. Ihr letztes Feature „Neun Tage – zwei Zehennägel – nach Hause gehen“ dokumentiert ihren Fußweg von Wien nach Graz und ist im Rahmen der European Masterschool on Radio Features entstanden. Sie sucht nach hörbaren Bildern der Sprachlosigkeit. Thomas Macho, seit 1993 Professor für Kulturgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin, wurde 1976 mit einer Dissertation zur Musikphilosophie an der Universität Wien promoviert. Mit einer Arbeit über Todesmetaphern habilitierte er sich 1983 für das Fach Philosophie an der Universität Klagenfurt. Macho war Mitbegründer des Hermann von Helmholtz-Zentrums für Kulturtechnik, Dekan der Philosophischen Fakultät III, Fellow am Internationalen Kolleg für Kulturtechnikforschung und Medienphilosophie an der Bauhaus-Universität Weimar und von 2009 bis 2011 Direktor des Instituts für Kulturwissenschaft. Thomas Mayr studierte Computermusik an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien und Elektrotechnik Toningenieur an der technischen Universität Wien und Graz sowie der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz. Er arbeitet als Sounddesigner im Bereich experimenteller Tontechnik mit speziellen Beschallungstechniken und trägt wesentlich zur Entwicklung von Externals für Max/Msp für Audio- und Licht-Design bei. Gernot R. Müller-Putz leitet das Institute for Knowledge Discovery – Laboratory of Brain-Computer Interfaces an der Technischen Universität Graz und untersucht unter anderem die Gehirn-Computer-Schnittstelle als Hilfsmittel bei Wachkomapatienten. Brain-Computer-Interface: „A BCI is a device that does not use the normal neuromuscular output pathways of the brain, but accepts commands encoded in neurophysiological signals.“ (Jonathan R. Wolpaw, 1991). Gernot R. Müller-Putz und seine Mitarbeiter Petar Horki, Josef Faller und Andreas Pinegger werden BCI (Brain Computer Interface) und Forschungsergebnisse in der Installation dokumentieren. Die Soziologin Claudia Neu sucht abseits eingefahrener Muster nach neuen Formen der Mitsprache und Partizipation. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Agrarsoziologie, Haushaltssoziologie, Sozialstruktur analyse und sozialer Wandel. Sie forscht in einer Gesellschaft, die immer heterogener ist, was zum Beispiel Alter, Migrationshintergrund, Frauen und Berufstätigkeit betrifft, nach Methoden, um unterschiedliche Positionen miteinander in Verbindung zu setzen. In der Installation wird Claudia Neu das Projektarchiv „Close Link“ aus ihrer soziologischen Sichtweise kontextuieren. Gerald Pichler leitet die Abteilung für Neurologie in der Albert Schweitzer Klinik in Graz. Er leitet zwei Wachkomastationen, die die abgestufte Langzeitrehabilitation und den Versuch einer Reintegration von Menschen im Wachkoma zum Ziel haben. In der Albert Schweitzer Klinik befindet sich auch die Station Memory, die sich den besonderen Bedürfnissen demenzkranker Menschen mit neuen Betreuungssystemen widmet. Die „Initiative für Wachkoma“, ein für „Close Link“ gegründetes Kollektiv, bestehend aus Ärzten, Neurologen, Pflegern und Therapeuten, wird in der Installation ihre Sichtweisen und Erfahrungen mitteilen. Beteiligte: Doris Burgstaller, Ulrike Fabian-Riedler, Hildegard Gotownik, Elisabeth Haubenwallner, Eva Hesinger, Peter Hosak, Rene Hüttenbrenner, Sylvia Hütter, Trautgundis Kaiba, Michaela Löschnigg-Tausz, Sabine Paier, Karin Petersen, Eva Schaller, Gabriele Träxler, Gerda Wernsperger-Petz. Burkhard Propf ist ein betroffener Angehöriger, dessen Sohn Sebastian an einer speziellen Form der Lissencephalie (LYS 1-5) erkrankt ist. Mit der Diagnose, dass das eigene Kind an einer unheilbaren Fehlbildung des Zentralnervensystems leidet und aufgrund dessen in seiner körperlichen und geistigen Entwicklung stark retardiert bleiben wird, ändert sich das Leben der betroffenen Eltern grundlegend. Der Verein Liss e.V. wurde von Das Künstlerkollektiv Shared-Inc. (Bernd Kräftner, Judith Kröll und Isabel Warner) setzt sich an der Schnittstelle von Wissenschaft, Gesellschaft und Kunst mit der Welt von Wachkoma-Patienten und ihren Formen der Interaktion mit der Umwelt auseinander. Im Projekt „Pillow Research: multiple diagnoses and hidden talents“ wurde der Polster als Kommunikationsmittel und sensorischer wie haptischer Impulsgeber für Wachkoma-Patienten behandelt. Der transdisziplinäre Ansatz verwebt in solchen Projekten Methoden der Wissenschaft und Technologie mit medizinischen und ethnologischen Gesichtspunkten und stellt sie in Beziehung zu künstlerischen Strategien. Thomas Schelischansky leitet als Oberpfleger fünf Intensivstationen im LKH Univ. Klinikum Graz. Er und die Pflegeteams der Intensivstationen zeigen Perspektiven der Intensivpflege bei isolierten Bewusstseinslagen in praxisorientierten Arbeitsstationen. 24 Stunden pflegt engagiertes Fachpersonal Menschen in Ausnahmesituationen. Hohe technische Ausstattung, auch Apparatemedizin genannt, prägt das Bild von Intensivstationen. Ein Pflegeteam steht im ständigen Beziehungsprozess mit seinen Patientinnen und Patienten. In einem strukturierten Ablauf werden diese dabei unterstützt, diese Ausnahmesituation in ihrem Leben zu bewältigen. Das Intensivpflegepersonal begibt sich dabei auf einen Grenzgang zwischen persönlicher Nähe und Distanz. Beteiligte: Christoph Kumpitsch, Karoline Riedler, Thomas Schelischansky, Alexandra Schober, Georg Stiasny, Alexandra Zach. transparadiso wurde 1999 von Barbara Holub und Paul Rajakovics als transdisziplinäre Praxis zwischen Kunst, Urbanismus, Architektur und Theorie gegründet. transparadiso entwickelt unter anderem über künstlerische Interventionen Tools und Strategien für direkten Urbanismus, der die aktuellen urbanen Herausforderungen in einem weitergefassten räumlichen und gesellschaftspolitischen Kontext behandelt. Zu Ihren aktuellen Publikationen zählt „Direkter Urbanismus“ (Verlag für moderne Kunst Nürnberg). Derzeit arbeitet transparadiso an „Paradise Enterprise“ in Judenburg. Der bildende Künstler Chrisdian Wittenburg beschäftigte sich bereits in mehreren Projekten mit künstlerischen Praktiken im Bereich Beeinträchtigung. Aus der intensiven persönlichen Zusammenarbeit mit der spastisch gelähmten Ute Lorenz heraus gründete er den Verein UTE – Verein für den engagierten Umgang mit Behinderungen, der als Plattform für Projekte mit gemeinnützigem Charakter dient. Neben Arbeiten mit den Medien Fotografie und Video nutzte er auch den virtuellen Raum, um auf die Inklusions-Debatte einzugehen. Er rief in Second Life den rollstuhlfahrenden Avatar ELAY Egoyan ins Leben und schrieb Texte über dieses Unterfangen. Franz Vana hat sich seit seiner Jugend der Malerei verschrieben und arbeitet heute abwechselnd in Wien oder in seinem Atelier in Rauchwart im südlichen Burgenland. Seine bedeutsamen und bekannten WortBildmontagen, bei denen er sprachliche Begriffe ineinander wirft, um daraus völlig neue zu kreuzen, werden in der Ausstellung zusehen sein. Vertreten wird Franz Vana durch die Galerie Winter in Wien. Im Zentrum der Sharing Desk-Idee steht die Absicht das für „Close Link“ gesammelte Wissen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Zusätzlich werden in Graz ansässige Institutionen (wie zum Beispiel Chance B, die Kinderfreunde Graz, ISOP Graz, Sozialamt Graz, …) eingeladen dieses Angebot zu nutzen und vor Ort mit ihren Mitarbeitern in einen lebendigen, prozesshaften Austausch zu treten. Gesichert wird die Verfügbarkeit der in „Close Link“ versammelten Erfahrungen in einem umfangreichen Ausstellungskatalog. Von hoelb / hoeb (Barbara Hölbling & Mario Höber) Arbeiten in der Ausstellung Sigrun Appelt, Julius Deutschbauer, Christian Eisenberger, Katharina Fink, Tone Fink, Barbara Holub, Alexander Kada, Jason Martin, Arnulf Rainer, Rosemarie Trockel, Franz Vana, Bill Viola, Franz West, Chrisdian Wittenburg u. a. Realisierungspartner B. Braun Partner Albert Schweitzer Klinik Graz, ArjoHuntleigh, bmukk filmkunst, bmukk interdisziplinäre kulturprojekte, Discovery – Laboratory of BrainComputer Interfaces / Technische Universität Graz, Dräger, Galerie Thaddaeus Ropac, Konica Minolta, LKH Univ. Klinikum Graz , Institut für elektronische Musik/Kunstuniversität Graz, Institute for Knowledge, Sammlung Essl, Sammlung Günther Brodar, Nicholas Berwin Caritable Trust u. a. Projektsponsor bene & XAL Motiv Sinsi-Bär mit Michaela Löschnigg-Tausz, Albert Schweitzer Klinik, Foto: Stephan Friesinger Fotos hoelb / hoeb, Stephan Friesinger, Shared-Inc., Marco Rossi, Chrisdian Wittenburg