Die Blüten des Winters

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Die Blüten des Winters
Die Blüten des Winters
Gegen Eintönigkeit in der winterlichen Gemüseküche empfiehlt Elisabetta Gaddoni
Blumenkohl und Radicchio. Sie begleiten uns die ganze kalte Jahreszeit, der eine
mit seinem milden Aroma, der andere mit seiner edelbitteren Note.
Beide eignen sich gut für vielfältige Zubereitungen und Kombinationen:
Sie können gekocht, gebraten, gratiniert, gegrillt und auch roh verzehrt werden.
Unsere Autorin hat in der traditionellen und in der modernen Küche Rezepte gefunden.
Kohl mit akademischer Bil­
dung „Cabbage with a college education“ also, so nannte ihn Mark Twain. Im
19. Jahrhundert galt der Blumenkohl als
„edelstes aller Gemüse“, zusammen mit
Spargel und Artischocke. Bekannt war er
in Europa bereits ab dem 16. Jahrhundert:
Seeleute sollen Samen nach Venedig mitgebracht haben, die sie auf Zypern von
Mönchen erhalten hatten. Von der Hafenstadt aus verbreitete sich der Blumenkohl
in Mittel- und Nordeuropa, wo er besonders am Hof Ludwigs des XIV. sehr beliebt
war und als Delikatesse galt. Heute hat er
diesen Status zum Teil verloren. Dabei ist
Blumenkohl extrem vielseitig: Er eignet
sich sowohl für die warme als auch für die
kalte Küche. Wie kaum andere Gemüsesorten kann man ihn mit intensiven Aromen verbinden, ohne dass er seine Eigenständigkeit verliert. Dennoch empfinden
viele Blumenkohl als farblos und langweilig, und bevorzugen die mit ihm verwandte Kohlart Broccoli.
Vielleicht liegt es am schwefeligen Geruch,
den Blumenkohl beim Garen aussondert.
Dabei reicht es, ein Stück Brot und einen
kleinen Spritzer Essig ins Kochwasser zu
geben, um den Duft zu reduzieren. Außerdem riecht ein frisch geernteter, kurz gelagerter Blumenkohl kaum. Zudem ist er unter allen mit ihm verwandten Kohlarten am
bekömmlichsten und aufgrund des hohen
Wassergehaltes sehr kalorienarm. Dieses
Gemüse scheint alles zu enthalten, was
der Körper – nicht nur im Winter – gebrauchen kann: viel Vitamin C, wichtige Mineralien wie Phosphor, Kalium und Magnesium und Antioxidantien wie Betacarotin
und Folsäure. Von der Pflanze isst man die
noch verschlossenen Blütenstände, nicht
die Blätter, wie bei den meisten anderen
Kohlarten.
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Diese sind in der Regel 60 – 70 Tage nach
der Saat erntereif. Die fleischigen, in einem
Kopf zusammenstehenden Blütensprossen
sind meist weiß bis elfenbeinfarben, da die
Blätter, die sie umhüllen, die Chlorophyllbildung verhindern. Zudem wird die Färbung durch Licht in der Regel mit Blättern
oder Schutzfolie verhindert. Bei anderen
Züchtungen, die besonders in Italien und
Frankreich angebaut werden, färben sich
die Blumenköpfe grün oder violett. Unter
diesen fällt die gelbgrüne Variante Romanesco besonders auf, die ursprünglich in
der Gegend von Rom gezüchtet wurde. Die
pyramidenförmigen Rosetten sind nach
einem strengen geometrischen Muster verteilt, das an ein computergeneriertes Bild
erinnert. „Mathematikergemüse“ wird Romanesco deshalb scherzhaft genannt, als
besonders markantes Beispiel von fraktaler Struktur bzw. von Selbstähnlichkeit in
der Natur. Die chlorophyllreicheren grünen
Blumenkohlarten sind etwas kräftiger im
Geschmack als die weißen, denn im Kontakt mit der Sonne entwickelt sich mehr
Aroma. Auch enthalten sie mehr Vitamine
und Mineralstoffe.
Damit Qualität und Inhaltsstoffe stimmen, sollten die Röschen beim Kauf noch
fest und in sich verschlossen sein, keine schwarzen Flecken oder gelbe Verfärbungen aufweisen. Am besten hält sich
Blumenkohl, wenn die Blätter noch dran
sind. Die zeigen auch die Frische an, denn
nur frischer Blumenkohl hat knackige,
grüne Blätter und einen saftigen Strunk.
Foto © Stefan Abtmeyer, www.fishinheaven.de
Veggietag
Slow Food
01_2013
Beides lässt sich übrigens kleingehackt für
Suppen verwenden. Die „Blume“ sollte so
schnell wie möglich verarbeitet werden und
im Kühlschrank oder im kühlen Keller nicht
länger als zwei oder drei Tage lagern. Um
vor der Zubereitung eventuelle „Mitbewohner“ aufzuspüren, kann man den ganzen
Blumenkohl oder die geputzten Röschen
20 bis 30 Minuten in Salzwasser legen. Den
Strunk oder die dickeren Stängel schneidet
man am besten kreuzweise ein, damit sie
gleichzeitig mit den Röschen gar werden.
Ein Schuss Milch oder Zitrone im Wasser
erhält die weiße Farbe, ein Stück Butter fördert den Geschmack. Je nach Größe ist ein
Blumenkohl in 15 bis 20 Minuten gar, dann
allerdings noch bissfest. Ein Extra-Tipp für
den Romanesco: Das Grüne verblasst nicht,
wenn man ihn nach dem Kochen mit eiskaltem Wasser abschreckt. Die violetten Sorten werden beim Kochen grün. Gart man
Blumenkohl oder Romanesco im Dampf
statt im Wasser, bleiben Aroma, Konsis­tenz
und Inhaltstoffe besser erhalten.
Rezept Cavolfiore affogato (Sizilien)
Zutaten für 4 Portionen 2 Schalotten, Olivenöl, Röschen von 1 großen Blumenkohl,
150 g Pecorino, 50 g schwarze Oliven, Salz
und Pfeffer, 2 kleine Gläser Rotwein.
Schalotten grob hacken und in einer Pfanne in etwas Olivenöl andünsten. Darauf
Blumenkohlröschen, Pecorino und Oliven
schichten, bis die Zutaten verbraucht sind,
mit Salz und Pfeffer würzen. Mit etwas Olivenöl begießen, Deckel auflegen und auf
kleinster Flamme garen. Nach ca. 10 Minuten mit dem Rotwein begießen, und zu
Ende garen, ohne zu rühren.
Rezept Blumenkohlpüree-Variationen
Zutaten für 4 Portionen 1 mittelgroßer
Blumenkohl, 1/2 Becher Schlagsahne
(geschlagen), Salz, Gewürze.
Blumenkohl garen, gut abtropfen lassen,
mit dem Mixer pürieren und Schlagsahne
unterheben. Mit Salz abschmecken und
wahlweise mit Safran, Anispulver, Ingwer,
Ras-el-Hanout, Vanillemark, Lakritzepulver, geraspeltem Trüffel, geriebener 100 %
Edelbitterschokolade, geriebener Zitronenschale, geröstetem Sesam oder Parmesan
und Muskat abschmecken.
Foto © cz, rezdorareloaded.blogspot.it
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Rezept
Blumenkohlsoufflé
Zutaten für 4 Portionen 1 mittelgroßer
Blumenkohl, Gemüsebrühe, 60 g Butter,
4 EL Mehl, 750 ml Milch, Salz, 60 g Parmesankäse, geriebene Muskatnuss, 4 Eier
(Eigelb / Eiweiß getrennt), schwarzer Pfeffer, evtl. 1 EL Mehl, Butter und Semmelbrot,
runde Soufflé-Form, 22 cm Durchmesser.
Blumenkohl in Gemüsebrühe weich garen.
In der Zwischenzeit mit Butter, Mehl, Milch
und einer Prise Salz eine Béchamelsauce
zubereiten und abkühlen lassen.
Blumenkohl gut abtropfen lassen, zu Püree verarbeiten und zur Béchamelsauce
geben. Den Backofen auf 200 °C vorheizen.
Parmesan, Muskat und Eigelbe verrühren,
steif geschlagenes Eiweiß vorsichtig unterheben, evtl. frisch gemahlenen Pfeffer und
noch einen EL Mehl dazugeben.
Die Soufflé-Form mit Butter einfetten und
mit Semmelbröseln bestreuen, dann die
Masse hineingeben und ca. 20 Minuten
backen, bis die Oberfläche goldgelb und
das Soufflé hoch aufgegangen ist.
Edelbitter und vielfältig:
Radicchio Alle kennen ihn, den runden, rötlichen Salat. Da er unkompliziert
und relativ winterfest ist, lässt er sich überall anbauen. Seine Saison wäre von Juli bis
Oktober, aber durch ausgefeilte Anbautechniken und lange Lagerung ist er mittlerweile über das ganze Jahr im Handel zu finden. Die anderen, edleren Radicchiosorten,
die in Venetien angebaut werden, sind aber
tatsächlich ein Wintergemüse. Wie der Radicchio Tardivo, der „Späte“ aus Treviso –
eine teure Winterspezialität –, den es nur
von Dezember bis April gibt. Wie eine Blu-
Edel Die teuren Radicchi Tardivi di Treviso.
me sieht er aus, die etwas offen an der Spitze ist, mit schmalen rot-weiß gestreiften
Blättern. Eigentlich lässt er sich nur in seinem traditionellen Anbaugebiet in der Gegend um Treviso anbauen. Zum einen soll
das am Klima und am torf­reichen Boden
liegen, vor allem aber am Quellwasser, das
er braucht. Woanders angebaut, wird er
bitterer! Aber die feine, aparte bittere Note,
die weitaus milder ist als beim normalen
Radicchio, ist kein Ergebnis der Natur, sondern aufwendiger, menschlicher Arbeit.
Fast ähnlich wie Chicorée wird der
späte Radicchio aus Treviso angebaut: Die
Mutterpflanzen werden im Sommer gesät
und meist vor Weihnachten geerntet, nachdem sie etwas Kälte und Frost bekommen
haben und die Blätter zwar dunkelrot, aber
noch nicht bitter geworden sind. Das werden sie erst im Frühling, um sich vor Parasiten zu schützen. Zum Ruhen lagern sie
zunächst kühl unter Planen. Später werden sie „reanimiert“, d. h. wochenlang bewässert, während nur die Wurzel im Wasser liegt, bis der Strunk innen eine neue,
zarte Knospe bildet. Zum Reifen müssen
die Salatköpfe in abgedunkelten Räumen
lagern, fest gebunden, damit die Knospen
kein Licht bekommen. Sie würden sonst
grün und faserig werden. Die Außenblätter taugen nur noch als Tierfutter, und die
neue Pflanze, die innen gesprossen ist,
ist der Radicchio Tardivo di Treviso, der
in den Handel kommt. Das Verfahren soll
aus dem 16. Jahrhundert stammen, wobei
sich die Technik weiterentwickelt hat. Heute sind Herkunft und Produktionsverfahren geschützt. Der Aufwand erklärt auch
den Preis: Der edle Radicchio ist wesent-
lich teurer als der normale rote. Außerhalb
Ita­liens findet man ihn meist nur bei Großhändlern, wo Gastronomen einkaufen.
Um einiges günstiger ist die andere
edle Sorte, der Variegato di Castelfranco, der „Gesprenkelte“ aus Castelfranco.
Er sieht wie Endiviensalat aus, aber die
schönen Blätter sind blassgelb und rot gesprenkelt: Deswegen wird der Variegato
die „Rose des Winters“ genannt. Zart im
Geschmack und mit einer sehr feinen, zartbitteren Note und eignet er sich besonders
für Salate. Der längliche Radicchio Precoce
(der „Frühere“) aus Treviso mit länglichen,
aber runden Blättern ist auch viel güns­
tiger, da er ganz normal angebaut wird,
ähnlich wie der normale Radicchio. Findet
man die anderen Sorten nicht, so bleibt der
rote, gängige Radicchio eine gute Alternative. Wer den Geschmack als zu bitter empfindet, kann den Strunk entfernen, denn
dort sitzen die meisten Bitterstoffe. Auch
hilft es, die Blätter einige Stunden im Wasser liegen zu lassen. Balsamico und Parmesan gleichen jedenfalls das Bittere ein
bisschen aus. Radicchio lässt sich im gemischten Salat genießen, mit Birnen, Walnüssen und Granatapfelkernen, oder auch
angebraten, um damit Ravioli, Blätterteig
oder Focaccia füllen bzw. ihn mit Nudeln
anzurichten. Auch mit Rosinen, AmarettiKeksen und Äpfeln harmoniert er. In Scheiben geschnitten kann man Radicchio auch
kurz grillen und mit Scamorza-Scheiben anrichten. In Treviso gibt es sogar süße Konfi-
˘
türen von Radicchio, die zum Bergkäse gereicht werden, und einen Magenbitter auf
Radicchiobasis als Digestif.
Rezept Radicchio-Salat
Zutaten für 4 Portionen 1 Handvoll Haselnüsse, 1 Kopf Radicchio Rosso, 1 Kopf Radicchio Variegato, 2 Handvoll Rucola,
12 Datteln, 1 EL Balsamico, 4 EL Olivenöl,
Salz, 2 EL Parmesanspäne.
Haselnüsse im Ofen bei 180 Grad rösten,
abkühlen lassen, Haut entfernen und
grob hacken. Salate waschen und trocken
tupfen, Radicchio in Streifen schneiden.
Datteln entkernen und vierteln. Aus den
restlichen Zutaten ein Dressing machen.
Salat und Datteln mit dem Dressing auf
einem großen Teller anrichten und mit den
Parmesanspänen bestreut servieren.
Rezept Risotto mit Radicchio, karamellisierten Birnen und Asiago-Käse
Zutaten für 4 Portionen 1 große oder
2 kleine Birnen, in Stücke geschnitten,
2 TL Zucker, 1 Schalotte, ca. 300 g Radicchio,
3 EL Butter, 2 EL Olivenöl, 300 g italie­nischer
Risottoreis, 0,5 l kräftiger Rotwein, 0,5 l Gemüsebrühe, 50 g grob geriebener Asiago,
Salz, schwarzer Pfeffer aus der Mühle.
Schalotte schälen und ganz fein schneiden. Vom Radicchio die äußeren Blätter ablösen, den Rest vierteln, waschen
Olivenölkampagnen aus
– Achäa
– Apulien
– Kalabrien
– Katalonien
– Korinth
– Kreta
– Messenien
– Toskana
– Sizilien
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Autochthone Weine
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Erzeuger-Verbraucher-Konzeption
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Förderer der Accademia Italiana del Peperoncino
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Großhandel für Endverbraucher
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Jahresvorrat in Großpackungen
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Kartongalerie
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Kontrolliert biologischer Anbau
und in feine Streifen schneiden. In einer
Pfanne 1 EL Butter mit dem Öl erhitzen.
Schalottenwürfel darin andünsten, Radicchio zugeben und auch kurz andünsten.
Reis und Birnen dazu geben und rühren.
Wein angießen und verdampfen lassen.
Hitze zurückschalten, wenn die Flüssigkeit
knapp wird, Brühe dazugeben, dabei immer rühren, mindestens 20 Minuten lang
garen. Wenn der Risotto sämig ist und die
Körner gar, aber noch bissfest, und noch
etwas Flüssigkeit da ist, die übrige Butter
und den Käse unterziehen. Risotto salzen
und pfeffern, einige Minuten ruhen lassen
und servieren.
Rezept
Zutaten für 4 Portionen 1 kg Radicchio
di Chioggia, 1 EL Essig, Zucker, geriebene
Schale einer Zitrone, 1 Glas Rotwein, Salz.
Radicchioblätter vom Strunk befreien,
in Streifen schneiden, mit dem Essig in
kochendes Wasse geben und 2 Minuten
kochen. Gut abtropfen lassen.
Radicchio nochmals abwiegen, mit derselben Menge an Zucker und Wasser in einen
Topf geben. Dazu Zitronenschale, Rotwein
und eine Prise Salz, und alles 30 Minuten
kochen lassen, bis die Flüssigkeit verdampft ist. Marmelade in saubere Gläser
abfüllen, Gläser im Wasserbad sterilisieren. Marmelade am besten nach 3 – 4 Monaten verzehren.
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Landschafts- und Mühlenmuseum
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Mediterrane Spezereien
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Nachhaltigkeit
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Olivenbaum-Patenschaften
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Olivenöl-Abholtage in Wilstedt
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Peperoncino-Spezialitäten
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Reisen zu den Oliven
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Slow Food-Förderer
… im Internet unter
www.artefakt.eu
Radicchio-Marmelade
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