AUTOMOBIL ENTWICKLUNG 3/00

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AUTOMOBIL ENTWICKLUNG 3/00
Szene
SAE-Show
SAE 2000 in Detroit:
Delphi-Chef J.T. Battenberg
III verdeutlichte die insgesamt positive KennziffernEntwicklung bei den internationalen Automobil-Zulieferern.
Bild: AE/hlo
Keine visionären News
Bei der diesjährigen SAE-Show dominierten die Superlative. Wirkliche Innovationen waren indes rar. Sechs
Monate nach der letztjährigen IAA hatten die Aussteller offensichtlich ihr Pulver verschossen.
Für den ehemaligen BMW Entwicklungsvorstand Dr.-Ing. Wolfgang
Ziebart gestaltete es sich im Nachhinein zum vorläufig letzten großen
internationalen Auftritt: »BMW ist
sehr stolz auf die Ehre, dieses bedeutendste internationale Ereignis für
die Automobilentwicklung mit zu
gestalten«, betonte er anlässlich der
Eröffnung des SAE 2000 Weltkongresses Anfang März im Detroiter
Cobo-Center.
Zu diesem Stolz bestand auch
Grund. Als erster nicht-amerikanischer Automobilhersteller war BMW
in diesem Jahr Gastgeber dieser Traditionsveranstaltung der Superlative.
Knapp 50 000 Besucher, mehr als
1 200 Aussteller und über 1 300
technische Präsentationen prägten
vier Tage lang das Geschehen in und
um das Cobo Center im Herzen Detroits. Dabei standen in diesem Jahr
vor allem die Themen Sicherheit, Integration und Telematik im Vordergrund.
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Automobil-Entwicklung · Mai 2000
›Adding Value to Life through
Technology and Advanced Mobility‹
(Mehrwert für das Leben durch
Technologie und fortgeschrittene
Mobilität) lautete in diesem Jahr das
Motto der SAE Show. Für Ziebart eine »sehr gute Beschreibung des
Selbstverständnisses von BMW«.
Schließlich, so der zwei Wochen später zurückgetretene Manager, setze
BMW seine »Technologie-Kompetenz in Verantwortung für die Zukunft ein« und verstehe dabei die
Technik »als Werkzeug, um Verantwortung zu übernehmen und Werte
zu schaffen«.
Als Beispiele für diesen Anspruch
führte Ziebart das BMW-Engagement zum Thema Wasserstoffantrieb
an. Aber auch eine Sitzbelegungs-Erkennung der zweiten Generation sowie ein neues Sicherheits-Bussystem
mit einer Datenrate von zehn Mbit/s
(Megabit pro Sekunde), das nach
derzeitigem Planungsstand erstmals
im neuen 7er eingesetzt werden soll.
Sicherheit während sämtlicher
Phasen der Fahrt als zentrales Thema
wählte der amerikanische Großzulieferer Delphi Automotive Systems,
Troy, Michigan. Mit der Eingliederung von Lucas Diesel Systems im
Januar 2000 stieg die Zahl der Mitarbeiter von Delphi auf etwa 213 500
an. Das Unternehmen verfügt nun
über 175 eigene Fertigungsstandorte, 41 Joint Ventures, 51 Kundenzentren und Verkaufsniederlassungen sowie 27 Technikzentren in 37
Ländern.
Das Gesamtkonzept des integrierten Sicherheitssystems (Integrated
Safety System, ISS) von Delphi umfasst mehr als fünfzig aktuelle und
neue Techniken, die Wahrscheinlichkeit sowie Auswirkungen von
Autounfällen reduzieren sollen. Das
System koordiniert bei verschiedenen Fahrzuständen die Sicherheitstechniken und mildert Unfallfolgen.
»Das Integrated Safety System
verdeutlicht unsere Strategie, unter
Berücksichtigung des kompletten
Automobils Vorgaben an neue Sicherheitstechniken zu erfüllen«, erklärt Stephen Rohr, Systems Engineering Manager Insassenschutzsysteme bei Delphi. Einige ISS-Bestandteile seien in Serie, andere
noch in der Entwicklung.
➔
Szene
SAE-Show
to business‹-Messe, wandelte die
SAE in diesem Punkt innerhalb der
vergangenen fünf Jahre ihr Gesicht:
zum Nachteil. Lobten Aussteller und
Besucher noch 1997 die konzentrierte Arbeitsatmosphäre, schlichen
sich seitdem mehr und mehr ShowElemente ein. Zu Lasten von Inhalten und Substanz.
Symptomatisch dafür etwa der
Auftritt der Lear Corp., Southfield,
Michigan. Die Innenraumspezialisten präsentierten erstmals ihre einem Baukastensystem vergleichbare
tivitäten auf 33 Milliarden Dollar
Umsatz.« Vor allem High-tech-Anwendungen unter den Elektronik
systemen trugen zum Wachstum bei.
So stammten 2,5 Milliarden Dollar
Umsatz alleine aus dem Bereich mobiler Multimedia-Anwendungen.
Mit wachsender Tendenz, wie Battenberg vermutet: »Wir erwarten,
dass 2005 rund 60 Prozent unseres
Umsatzes aus Hightech-Systemen
und Elektronik-Anwendungen stammen werden.« Derzeit: 40 Prozent.
Auch TRW Präsident David Cote
Hightech-Elektronik-Systeme
als Umsatz-Pusher
Innenraum-Baukastensystem von Lear:
schnelle Individualisierung des Fahrzeuginnenraums dank gemeinsamer Architektur
der Aggregate-Träger.
Bilder: Lear
Integrierte
FahrzeugkontrollSysteme sowie kleinere Neuheiten
rund um die Rückhaltetechnologie
rückte auch TRW in den Mittelpunkt
seines Auftritts. »Unser aktuelles Automobilgeschäft unterscheidet sich
signifikant von dem der vergangenen
Jahre«, gab David M. Cote bei einem
seiner ersten großen Presseauftritte
zu Protokoll. Cote war im November
1999 nach dem überraschenden Ausscheiden von Joe Gorman als President und Chief Operating Officer
(COO) von GE zu TRW gestoßen.
Was sich im Einzelnen alles geändert
haben soll, ließ er indes offen.
Auch anderen Präsentationen
mangelte es an informativen Details.
Obwohl noch immer reine ›business
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›Common Architecture Strategy‹. Sie
lässt mit wenig Aufwand eine weitgehende
Individualisierung
des
Fahrzeug-Innenraums zu.
Viel Brimborium und Multimedia
rund um das neue Konzept hätten
möglicherweise Endverbraucher ansprechen können, für die Bedürfnisse der Fachbesucher indes warf diese
Art der Präsentation mehr Fragen
auf, als sie beantwortete.
Dabei bestand für keines der Unternehmen Grund, sich zu verstecken. Die Kennziffern des Großteiles der internationalen Automobilzulieferer entwickelten sich im vergangenen Jahr überwiegend positiv.
So berichtete etwa Delphi-Chef
J.T. Battenberg III: »Innovative Technik trieb 1999 unsere Geschäfts-Ak-
wusste von vielen neuen Aufträgen
zu berichten. So wird sich die Produktion mehrstufiger Airbag-Generatoren in diesem Jahr auf 1,5 Millionen Einheiten verdoppeln und
anschließend bis 2004 auf jährlich
neun Millionen Stück anwachsen.
Für Gurtstraffer erwartet Cote im
laufenden Jahr einen Anstieg von
8,8 Millionen Einheiten in 1999 auf
12 Millionen und bei den Kopf-Airbags gar eine Verdreifachung auf 1,2
Millionen Einheiten bis zum Jahresende. Bis 2004, so Cote, sollen es
zehn Millionen Einheiten pro Jahr
werden.
Ähnliche
Goldgräberstimmung
bei der ZF Group North American
Operations (ZF NAO): Nach einem
Umsatz von 810 Millionen Dollar in
Interdisziplinäres Designertreffen
Die Vorgaben waren einfach und
die Ergebnisse unerwartet. Beim
ersten Blue Ribbon Panel der SAE
zum Thema Design stellten sich
die Designer aus der Automobilindustrie der Diskussion mit
Berufskollegen aus anderen
Branchen.
Teilnehmer der Podiumsdiskussion: BMW Designchef Chris
Bangle, Tom Peters, Chefdesigner
für die nächste Generation von
GM‘s Corvette und den 2000X Cadillac, Freeman Thomas, Vice President Advanced Product Design
Strategy bei Daimler-Chrysler sowie Tom Scott, Direktor im Advan-
ced Design Studio von Ford. Hinzu
kamen
Diskussionsteilnehmer
aus den Bereichen Kunst und Architektur.
In der zum Teil lebhaften Debatte
ging es vor allem um die Emotionen, die das Fahrzeug-Design bei
den Kunden weckt.
Das Ergebnis fiel eher mager aus.
Nach über zwei Stunden konnten
sich die Gesprächspartner lediglich darauf einigen, dass das Design aktueller Fahrzeugmodelle
deutlich besser sei als noch vor
zehn Jahren, dass aber gleichzeitig ein weiteres Optimierungspotential gegeben sei.
➔
Szene
SAE-Show
Fahrerinformations-System im Jeep Grand
Cherokee: Integration bestehender Systeme
führt zu einem Mehr an Funktionalitäten.
Bild: Jeep
Delphi-Kopf-Airbag: Das Thema Sicherheit genoss
bei der SAE 2000 höchste Priorität.
Bild: Delph
Milliarden Dollar zum gesamten Automobilumsatz in Höhe von 19,1
Milliarden Dollar bei.
Bei Bosch stand das Thema Integration im Mittelpunkt. Etwa die Zusammenfassung verschiedener Kommunikations-Einrichtungen zu Fahrerinformations- und Unterhaltungs-Systemen. Kernaussage: Bei
Telematik-Anwendungen sei die
Mensch-/Maschine-Schnittstelle
nach wie vor die Herausforderung
für Entwickler.
Im Zentrum des Auftritts von
Hayes Lemmerz stand die zum 1. Februar neu eingeführte Organisations-Struktur. Das Unternehmen, das
zuletzt einen Umsatz von 2,3 Milliarden Dollar vermeldete und zwi-
schenzeitlich über 43 FertigungsStandorte und 15 000 Mitarbeiter
verfügt, wird demnach in vier operative Gruppen aufgeteilt:
■ nordamerikanische Räder-Gruppe
(Präsident: Ronald Kolakowski),
■ europäische Räder-Gruppe (Giancarlo Dallera),
■ nordamerikanische
Komponenten-Gruppe (John Salvette),
■ europäische
Chassiskomponenten-Gruppe (Klaus Jünger).
Von diesem Schritt verspricht sich
Ron Cucuz, Chairman und CEO von
Hayes Lemmerz, vor allem eine Stärkung der Globalstrategie.
Die nächste SAE-Show findet
vom 5. bis 8. März 2001 im Cobo
Center, Detroit, Michigan statt.
Dauerthema E-Commerce
Nur wenige Tage vor Beginn der SAE
2000 kündigten die Big Three ihre ECommerce-Initiative an. Über das gemeinsame Internet-Unternehmen soll
in Zukunft ein Gutteil des Einkaufs online stattfinden. Branchen-Analysten
schätzen das Jahresvolumen auf mehrere hundert Milliarden Dollar, die
künftig über diese Schiene abgewickelt werden sollen.
Grund: Der Einkauf über Internet-Portale verspricht Kosten- und Zeitvorteile
und verhilft zudem zu weiterer Reduzierung der Umlaufbestände.
Obgleich die Mehrzahl aller techni-
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schen und praktischen Fragen rund um
den E-Commerce in der Automobilindustrie noch offen bleibt, zeigten vor
allem die amerikanischen Großzulieferer ihre Affinität zum Thema.
So gab sich der neue TRW-Präsident
Dave Cote sicher: »Die Frage, wie wir
Informationstechnologien und das Internet nutzen, wird in Zukunft sicherlich verstärkt Gewinner und Verlierer
selektieren.«
Genau aus diesem Grunde habe TRW
deshalb schon Anfang Februar des
laufenden Jahres die neue Position
eines Vice President E-Business ge-
schaffen und mit Priscilla E. Guthrie
auch bereits besetzt. Einen Schritt weiter befindet sich bereits die Dana Corporation. Das Unternehmen gab im Januar seine strategischen Partner für
das E-Procurement bekannt.
Nach Aussagen von Joe Magliochetti –
der sich während der SAE noch im
Wartestand auf die Nachfolge Woody
Morcotts als Chairman befand – soll
die Initiative innerhalb der kommenden vier Jahre die Anzahl der Dana-Zulieferer um die Hälfte reduzieren und
als Folge Transaktions-Kosten in Höhe
von einer Milliarde Dollar einsparen.
➔
1998 und 1,4 Milliarden Dollar 1999
erwartet die in Cincinnati, Ohio, ansässige ZF NAO (14 Werke im
NAFTA-Raum), 2002 mehr als zwei
Milliarden Dollar zu erreichen.
Um die Bedeutung des Geschäfts
in der NAFTA auch in Friedrichshafen zu unterstreichen, wurde Jim
Orchard, President und CEO von ZF
NAO, per 1. Januar 2000 als neuntes
Mitglied in den Vorstand der ZF Friedrichshafen AG berufen.
Hausüblich zurückhaltend gab
sich der Nordamerika-Chef von
Bosch, Bob Oswald. Die AutomobilAktivitäten der Stuttgarter in den
USA umfassen mittlerweile 20 Technik-Zentren und Produktions-Standorte und trugen 1999 bereits 5,2

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