Amtsgericht Osterholz-Schermbeck, 13 C 1348/08 www.fst

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Amtsgericht Osterholz-Schermbeck, 13 C 1348/08 www.fst
Amtsgericht Osterholz-Schermbeck, 13 C 1348/08
Datum:
27.04.2009
Gericht:
AG Osterholz-Scharmbeck
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 C 1348/08
Quelle:
Financial Information System
www.fst-ev.org
http://finanzielle-allgemeinbildung.de/index.php?id=4&searchid=1&offset=11
In dem Rechtsstreit
der Firma XXX GmbH,
gegen
1. Herrn M. L.,
2. Frau A. L.,
hat das Amtsgericht Osterholz-Scharmbeck im schriftlichen Verfahren gem. § 495 a ZPO nach
Schriftsatznachlass bis zum 08.04.2009 für Recht erkannt:
1.) Die Klage wird abgewiesen.
2.) Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
(Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.)
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
I.
1. Die Klägerin gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von 553,74 € für die vom
Netz der Beklagten zwischen dem 27.02.2008 und 31.03.2008 erfolgte vielfache Anwahl der
Rufnummer (0)900-333xy.
Das Gericht ist aufgrund der von den Beklagten als Anlage zum Schriftsatz vom 03.04.2009
vorgelegten eidesstattlichen Versicherung und des vorgelegten Schreibens des Sohnes N. der
Beklagten der Überzeugung, dass der 13jährige Sohn N. der Beklagten die
streitgegenständlichen Anrufe getätigt hat. Dass die Beklagten als Erwachsene das auf
Jugendliche zugeschnittene Spiel „XXX" gespielt und dabei in einem guten Monat über 500 €
ausgegeben haben, ist zunächst nach der allgemeinen Lebenserfahrung unwahrscheinlich, auch
wenn es einige Erwachsene geben mag, die dieses Spiel spielen. Insofern reicht dem Gericht
die eidesstattliche Versicherung der Beklagten und das Schreiben des N. L. zum Beweis der
Behauptung, dass der Sohn der Beklagten die streitgegenständlichen Telefonate geführt hat
(freie Beweiserhebung gemäß § 495 a ZPO).
Eine Vertretung der Beklagten durch ihren Sohn bei Anwahl der entsprechenden Nummern liegt
nach den allgemeinen Vorschriften des BGB nicht vor. Abgesehen davon, dass bei der
Verfahrensweise gar keine Erklärung in fremdem Namen möglich ist, liegen weder die
Voraussetzungen für eine Anscheins- noch die für eine Duldungsvollmacht vor. Eine
Anscheinsvollmacht ist gegeben, wenn der Vertretende das Handeln des Scheinvertreters nicht
kennt, er es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können und der
andere Teil annehmen durfte, der Vertretende dulde und billige das Handeln des Vertreters
(vergleiche BGH NJW 1998, 1854). Die Anscheinsvollmacht beruht auf dem Setzen eines
Rechtsscheins und setzt ein schutzwürdiges Vertrauen des anderen Teils voraus. Ein solches ist
im vorliegenden Fall nicht gegeben, denn die Klägerin durfte nicht annehmen, die Beklagten
duldeten und billigten das Verhalten ihres Sohnes. Die Klägerin konnte nach allgemeiner
Lebenserfahrung nämlich nicht darauf vertrauen, dass nur Volljährige oder gar nur
Vertragspartner des jeweiligen Telefonanschlusses das entsprechende.Telefon nutzen.
Vielmehr begab sich die Klägerin zum Zwecke des unhinterfragten Vertragsabschlusses
privatautonom in die Lage, an ihr von Person und Alter her nicht bekannte Vertragspartner
Leistungen zu erbringen, deren Bezahlung sie sich nicht sicher sein konnte. Dabei wird ihr
Handeln davon motiviert gewesen sein, dass die Bezahlung der Dienstleistungen in der Regel
anstandslos erfolgen wird, so dass es der Klägerin günstiger erscheinen muss, eher
vertragsrechtliche Unsicherheiten im Einzelfall in Kauf zu nehmen als komplexe Prozesse im
Zusammenhang mit dem Vertragsschluss einschließlich Identifizierung von Vertragspartner und
Altersüberprüfung vorzuhalten. Auch liegt vorliegend keine Duldungsvollmacht vor. Sie setzt
mindestens voraus, dass der Vertretende es wissentlich geschehen lässt, dass ein Anderer für
ihn wie ein Vertreter auftritt (vergleiche BGH NJW 2002, 2325). Daran fehlt es vorliegend. Die
Beklagten wussten von dem Handeln ihres Sohnes nicht. Sobald sie davon durch die erste
Rechnungsstellung der hier streitgegenständlichen Dienstleistungen erfuhren, sorgten sie dafür,
dass ihr Sohn die Nummer der Klägerin nicht mehr anwählte. Er hat sich seitdem auch daran
gehalten.
Auch unter Berücksichtigung des § 45 i Abs. 1 TKG schulden die Beklagten die mit der Klage
geltend gemachten Entgelte nicht. Danach hat der Anbieter keinen Anspruch auf Entgelt gegen
den Teilnehmer, soweit der Teilnehmer nachweist, dass ihm die Inanspruchnahme von
Leistungen des Anbieters nicht zugerechnet werden kann. Damit ist der der Anscheinsvollmacht
zugrunde liegende Rechtsgedanke, nachdem ein Teilnehmer am Rechtsverkehr für das seiner
Risikosphäre zuzurechnende Verhalten Dritter auch vertraglich einzustehen hat, im Bereich der
TK-Dienstleistungen über die herkömmlichen Fallgruppe hinaus anwendbar. Der Begriff der
Zurechenbarkeit ist auszulegen wie der Begriff des Vertretenmüssens in dem vordem geltenden
§ 16 Abs. 3 Satz 3 TKV. Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 16.03.2008, Aktenzeichen III
ZR 152/05, zum zum damaligen Zeitpunkt noch geltenden § 16 Abs. 3 Satz 3 TKV, wonach der
Anbieter nicht berechtigt war, die betreffenden Verbindungsentgelte vom Kunden zu fordern,
sofern der Nachweis erbracht war, dass der Netzzugang in vom Kunden nicht zu vertretendem
Umfang genutzt wurde ausgeführt, dass zur Wahrung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt der
Anschlussinhaber alle ihm zumutbaren geeigneten Vorkehrungen treffen müsse, um eine von
ihm nicht gebilligte Nutzung seines Telefons zu unterbinden. Zumutbar seien diejenigen
Maßnahmen, die einem gewissenhaften durchschnittlichen Telefonkunden bekannt seien und zu
deren Durchführung er mit vertretbarem Aufwand in der Lage sei. Nach dem derzeitigen Stand
bestehe schon keine zumutbare Möglichkeit, die Entgegennahme von R-Gesprächen technisch
zu unterbinden, anders als dies für die von Dritten aktiv betriebene Inanspruchnahme seines
Anschlusses für kostenträchtige Verbindungen (zum Beispiel: Mehrwertdienste: 0190- und 0900-
Nummern, Auskunftsdienste, die oft als Premiumdienste missbraucht werden: 0118-Nummern,
kostenpflichtige Abstimmungsnummern: 0137-Nummern, teure Auslandstelefonate) der Fall sei.
Hieraus ergibt sich allerdings für das erkennende Gericht nicht, dass nun alle Eltern von ca. 10bis 18jähringen Kindern und Jugendlichen sämtliche kostenträchtigen Rufnummern sperren
lassen müssen. Dies aus der Nebenbemerkung des BGH-Urteils, welches sich in der
Hauptsache mit der Bezahlung von durch Minderjährige veranlasste Gebühren für R-Gespräche
befasst hat zu schließen, hält das erkennende Gericht nicht für eine zutreffende Auslegung.
Vielmehr müssen für die Zumutbarkeit einer Sperrung sämtlicher kostenträchtiger Rufnummern
nach Auffassung des Gerichts besondere Anlässe gegeben sein. Zu Recht führt der
Beklagtenvertreter im Schriftsatz vom 13.03.2009 aus, dass sich auch seriöse Anbieter dieser
kostenträchtigen Rufnummern bedienen und insofern die Auferlegung einer Sperrung sämtlicher
kostenträchtiger Nummern durch die Eltern von älteren Kindern und Jugendlichen unzumutbar
dazu führen würde, dass auch die Eltern diese Servicenummern seriöser Anbieter nicht mehr
nutzen könnten. Insofern ist das Gericht der Auffassung, dass bestimmte Umstände vorliegen
müssen, die den Verdacht von Eltern begründen, ihr Kind könne zu der Nutzung von
kostenträchtigen Premiumdienste-Rufnummern veranlasst werden. Hier hat der Sohn der
Beklagten unstreitig vor diesem Vorfall und auch danach nie wieder entsprechende Nummern
angewählt. Es stellt sich vielmehr für das Gericht so dar, dass der Sohn der Beklagten, gerade
in das Alter gekommen, in dem er Online-Spiele wie eben vorliegend „XXX" spielen kann, dazu
verführt wurde, durch die Anwahl der entsprechenden Nummern schnelle Erfolge in dem Spiel
zu erzielen. Zwar mag jetzt für die Beklagten Veranlassung bestehen, die entsprechenden
Rufnummern sperren zu lassen, da sie nunmehr erlebt haben, dass sie diesbezüglich ihrem
Sohn ein entsprechendes vernünftiges Verhalten noch nicht zutrauen können, so dass bei
weiterer Nutzung entsprechender Nummern durch den Sohn der Beklagten die Sachlage anders
zu beurteilen wäre; da aber wie ausgeführt eine allgemeine Pflicht aller Eltern von 10- bis
18jährigen Kindern und Jugendlichen zur vorsorglichen Sperrung sämtlicher kostenträchtiger
Premiumdienste-Rufnummern nicht für angemessen erachtet wird und eben keine konkreten
Anhaltspunkte für die mögliche Nutzung der Rufnummern durch den Sohn der Beklagten vorlag,
war die Klage in der Hauptforderung abzuweisen.
Dass die Klägerin mit dem Sohn der Beklagten selbst durch die Anwahl der Nummern einen
entsprechenden Vertrag mit der streitgegenständlichen Entgeltverpflichtung abgeschlossen hat,
behauptet die Klägerin nicht. Dies wäre aber auch mit aller Deutlichkeit zu verneinen, da eine
Zustimmung oder Genehmigung der Eltern des N. nicht vorliegt, die Voraussetzungen des § 110
BGB ebenfalls nicht gegeben sind, da die Zahlung vom Taschengeld des N. gerade nicht
bewirkt wurde und angesichts der Höhe der Gesamtforderung auch den Rahmen der vom § 110
BGB umfassten Rechtsgeschäfte deutlich überschritten wäre.
2. Mangels Bestehens der Hauptforderung stehen der Klägerin auch nicht die auf diese geltend
gemachten Zinsen zu. Da die Beklagten mangels Bestehens der Hauptforderung nicht in Verzug
waren, stehen der Klägerin auch nicht die geltend gemachten 4,00 € Mahnkosten, 70,20 €
außergerichtliche Anwaltskosten, 36,00 € Inkassokosten, 20,00 € Kontoführungskosten und 1,30
€ Auskunftskosten zu.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO; diejenige über die vorläufige
Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Ziffer 11, 713 ZPO.

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