Prädikat „Göttlich“: Paul Simon „Graceland“

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Prädikat „Göttlich“: Paul Simon „Graceland“
Verstaerker
Prädikat „Göttlich“: Paul Simon „Graceland“
Beigesteuert von Steffen Roye
Friday, 21. March 2008
Prädikat „Göttlich“ – unter diesem Titel möchte ich in loser Folge Musikalben vorstellen, die für mich von
wegweisender Bedeutung sind. Den Anfang macht Paul Simons LP „Graceland“.
„Graceland“, das ist die wichtigste Wallfahrtsstätte für Elvis Presley-Fans. Und es ist eine der wichtigsten
Produktionen der 80er, ein Meilenstein. Wer hätte das gedacht? Die Plattenbosse von Warner Music jedenfalls nicht: sie
waren konsterniert, als ihnen Paul Simon das Material vorlegte. Intern wurde er mit dieser Scheibe ein für alle mal
abgeschrieben. Doch der Popzirkus gehorcht eigenen Gesetzen: „Graceland“ verhalf 1986 nicht nur
Simons ins Stocken geratener Karriere zu neuem Schwung, sondern der gesamten afrikanischen Musik zu einem
Ansehen, das sie bis heute bewahren konnte. Und auch das Album selbst strahlt bis ins Jahr 2008, haben doch eben mit
Vampire Weekend die angesagtesten amerikanischen Jungs eine CD auf den Markt gebracht, die hörbar und auch
erklärtermaßen von diesem Album inspiriert wurde.
Auch für mich war das Album ein Erweckungserlebnis, wenn auch nicht 1986, sondern fünf Jahre später. Paul Simon, den
kannte ich, „Bridge Over Troubled Water“ und so, da konnte nicht viel schief gehen, also hatte ich mir die
Platte blind gekauft. Und war bereits von den ersten Klängen verzaubert. Das klang vertraut, und doch war da etwas
Exotisches dabei, etwas, das mich an Afrika erinnerte. Und tatsächlich: „Graceland“ ist eine Verbeugung
vor dem musikalisch reichsten Kontinent unserer Erde, und es wimmelt nur so von afrikanischen Musikern, von denen
Ladysmith Black Mambazo und Youssou N'Dour später (und sicher auch aufgrund dieses Albums) wohl die
erstaunlichsten Karrieren hinlegten. Simon hat sich – viel geschmäht – ins verbotene Land begeben, ins
damals zu Recht international geächtete Südafrika, und er hat dort und später in New York zusammen mit seinen
afrikanischen Freunden elf Songs entwickelt und aufgenommen, jeder einzelne eine Perle vor dem Herrn und durchaus
auch mit sozialkritischen Inhalten (Boy in the bubble, Homeless ...).
Höhepunkte sind die mit Ladysmith Black Mambazo geschriebenen und eingespielten Titel „Diamonds On The
Soles Of Her Shoes“ und „Homeless“, letzteres verrät auch aufgrund seiner Erzählstruktur die
afrikanischen Wurzeln. Daneben kann man auch den in Südafrika überaus populären Township Jive, die magische Gitarre
Ray Phiris und so herrliche Stimmen wie die der Gaza Sisters kennenlernen. Undundund. Hier ist alles Rhythmus: ob
raffinierte Basslinien oder vielschichtige Percussion. Doch dass Simon die afrikanische Musik nicht als so museal
betrachtet wie Elvis Presleys Graceland, zeigen z. B. „Under African Skies“ mit Country-Star Linda
Ronstedt, das rhythmisch den typischen Gang der Zulu adaptiert, oder „That was your mother“, das einen
kräftigen Schuss Zydeco enthält. Hier schlägt die LP den Bogen von Afrika nach Amerika und zeigt, wie bedeutsam für unsere
moderne Musik und wie wenig beachtet afrikanische Musik bis dahin war.
Mehr als zwanzig Jahre nach seiner Veröffentlichung klingt das Album immer noch frisch und spritzig, zeitlos und
vielseitig. Ein grandioses Entdeckeralbum, ein göttliches Meisterstück, das man auch heute noch am besten als Vinyl anhört.
Nie war Paul Simon besser!
Paul Simon, „Graceland“, erschienen und immer noch erhältlich bei Warner Music
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