Konzeption Blockunterricht
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Konzeption Blockunterricht
Konzeption zur probeweisen (zeitlich begrenzten) Einführung von Blockunterricht. Blockunterricht am Runge-Gymnasium: ein neuer Rhythmus des Lernen und Lehrens. Der pädagogische Volksmund kennt 4 Pädagogen1 eines Schülers: Den Lehrer, den Mitschüler, den Raum und die Rhythmisierung des Lernens. Die vielen Veränderungen der letzten Jahre am Runge haben ein stabiles Lehrerkollegium, konstante Anmeldezahlen von überdurchschnittlich begabten Kindern und ein Haus, in welchem moderne Pädagogik architektonischer Leitfaden war entstehen lassen. Das vorliegende Konzept soll sich dem 4. Pädagogen – der Rhythmisierung des Schulalltags – widmen. 1. Was ist Blockunterricht? 2. Begründung des Vorhabens für das Runge-Gymnasium 3. Projektablauf 1. Was ist Blockunterricht? Seit den preußischen Reformen, exakt ab dem 22. August 1911, wurde die Dauer einer Unterrichtsstunde auf 45 Minuten festgelegt. Diese Regelung umfasst nahezu alle Schulen im deutschsprachigen Raum und ist also deutlich über 100 Jahre alt. Weicht man von dieser zeitlichen Eingrenzung nach unten ab, wird von Kurzstunden gesprochen. Fasst man den Unterricht in längeren Einheiten als 45 Minuten zusammen, wird von Unterrichtsblöcken gesprochen. Dabei ist unerheblich, ob diese Blöcke 60, 75 oder 90 Minuten dauern. Die Veränderung der Stundenstruktur wurde zunächst von reformpädagogisch orientierten und Berufsschulen vorgenommen. Dabei folgte die Reformpädagogik einem inhaltlichen Zwang: Ihre komplexen Unterrichtsinhalte waren oft nicht in 45 Minuten zu fassen. Die Berufsschulen standen vor organisatorischen Problemen der Unterrichtsplanung. Der Theorieunterricht der Lehrlinge im dualen Ausbildungssystem wurde immer wieder durch Praxisphasen unterbrochen, und so fasste man die weit auseinander liegenden Einzelstunden zum Blöcken im Sinne der o.g. Definition zusammen. Den reformpädagogischen Ansatz der frühen Bundesrepublik nahmen die Gesamtschulen auf und begannen, ihren Unterrichtsrhythmus sukzessive umzustellen. In den 70ger Jahren der Bundesrepublik erlebte die Gesamtschule durch die Bildungsreformen der SPD einen enormen Aufschwung. Dieser wiederholte sich nach der Wiedervereinigung durch die Umwandlung der ostdeutschen Einheitsschule (POS) in Gesamtschulen mit und ohne gymnasialer Oberstufe. Unabhängig davon, ob man das Gesamtschulmodell befürwortet oder nicht ist festzuhalten, dass die meisten Erfahrungen mit Blockunterricht aus dem Bereich der Gesamtschulen stammen. Das ist insofern problematisch, als Stundentafeln und Stundenzuweisungen von denen des Gymnasiums deutlich abweichen. Da in den letzten Jahren durch curriculare Vorgaben verstärkt das Unterrichten in größeren und komplexeren Zusammenhängen gefordert wird, haben seit den ausgehenden 90ger Jahren auch etliche Gymnasien ihren Unterrichtsrhythmus verändert. Eine (nicht repräsentable) Auswahl von Beispielschulen (Gesamtschulen und Gymnasien) lässt sich hier einsehen: SKS-Burgbreite Aschersleben [http://www.sks-burg-aschersleben.bildung-lsa.de; 24.07.2014, 14:08Uhr ] Kurfürst-Joachim-Friedrich-Gymnasium Wolmirstedt [http://kjf-gym.de; 24.07.2014, 15:10 Uhr] Dathe-Gymnasium Berlin [http://www.dathe-gymnasium.de/index1.php; 24.07.2014, 15.23 Uhr] Leibniz-Gymnasium Berlin [http://www.leibnizschule-berlin.de/; 24.07.2014, 19.28 Uhr) Coppi-Gymnasium Berlin [http://www.coppi-gym.de/cms/index.php; 26.07.2014; 08.24 Uhr] Rosa-Luxemburg-Gymnasium Berlin [http://www.rlo-berlin.de/cms3/; 09.12.2013; 20.30 Uhr] Puschkin-Gymnasium Hennigsdorf [http://www.puschkin-gymnasium.de/; 27.07.2014; 21.13 Uhr] Saldern-Gymnasium Brandenburg [http://www.salderngym.de/; 18.08.2014; 21.15 Uhr] 1 Der Vierte Pädagoge. In: http://bildungsserver.berlin-brandenburg.de/fileadmin/bbb/schule/schulformen_ und_schularten/ganztagsschulen/gestaltung/Rhythmisierung.pdf 2. Begründung des Vorhabens für das Runge-Gymnasium Mit dem Umzug in das neue Haus eröffnet sich für uns die Möglichkeit, fachübergreifend und vernetzt mit anderen Schulen den Lernprozess auf eine qualitativ neue Stufe zu heben. Dem sollte schon seit längerer Zeit auch in Bezug auf die Rhythmisierung des Unterrichts Rechnung getragen werden. Die erste Diskussion am Runge datiert schon einige Zeit zurück: Im Frühjahr 2010 wurde eine Debatte zur Umwandlung des Runge-Gymnasiums in eine offene Ganztagsschule geführt. Im Rahmen dessen wurde die Umstellung auf Blockunterricht erstmals im Kollegium diskutiert und wird seitdem immer wieder einmal erwogen. Die Gründe dafür sind vielfältig. 2.1 Stundenplanung Anhand eines durchschnittlichen Stundenplanes einer 9. Klasse ist ersichtlich, wie viele Fächer und inhaltliche Sprünge Schülerinnen und Schüler (SuS) unserer Schule mitmachen müssen. Damit verbunden ist nicht nur eine Vielzahl von mitzubringenden Arbeitsmaterialien, sondern der Zwang, den Unterricht in bis zu 6 Fächern vor- und nachbereiten zu müssen. Das trifft auch auf die Häufung von Tests und Lernerfolgskontrollen zu. Im Übrigen ist dieses Problem nicht nur auf der Schülerseite beobachtbar, sondern betrifft Lehrerinnen und Lehrer in gleichem Maß. Auch für unser Kollegium ist es oft belastend, in vielen Einzelstunden jedem Schüler und jeder Schülerin gerecht zu werden. Ein rein formaler Grund tritt mit der Oberstufenreform des Schuljahres 2012-13 auf. Die Reduzierung des Pflichtunterrichts in Kursen auf grundlegendem Niveau auf 2 und in den Kursen auf erhöhtem Niveau auf 4 Stunden in fast allen Fächern erzwingt in der Oberstufe ohnehin fast ausnahmslos eine Planung in Doppelstunden. 2.2. Lernpsychologie Bedingt durch die schnell aufeinander folgenden Lerninhalte muss es zwangsläufig zur negativen Begleiterscheinungen des Lernprozesses kommen. Kognitionspsychologen sprechen von retroaktiver Hemmung (durch neu erlerntes wird das vorher gelernte blockiert), proaktiver Hemmung (bereits gelernte Inhalte blockieren die darauf folgenden) und Interferenzen (strukturell ähnliche Lerngegenstände beeinflussen die Einprägung negativ).2 Professor Manfred Spitzer von der Universität Ulm formuliert dazu folgende Erkenntnis: „…ist es ineffektiv, in schneller Abfolge hintereinander Neues zu lernen, da das Gelernte dann nicht im Langzeitgedächtnis gespeichert werden kann.“3 Aus psychologischer Sicht stellt Christof Zoelch von der Universität Ingolstadt folgendes fest: „Ein wesentlicher Einflussfaktor auf die Aktivierung bei Lernprozessen besteht in den augenfälligen Schwan- 2 Engelkamp/ Zimmer: Lehrbuch der Kognitionspsychologie. Hofrefe-Verlag, 2006, Leppmann et.al.: Psychologie des Lernens. Springer-Verlag, 2003. 3 Der Vierte Pädagoge, S.4 kungen des Tagesrhythmus. …lässt sich grundsätzlich feststellen, dass man mit gezieltem Einsatz von Pausen den Einbrüchen in der Aufmerksamkeit entgegenwirken kann.“4 All diese Aussagen sind nur fragmentarisch und bilden letztlich einen Sachverhalt ab, den jeder selbst mit Sicherheit schon an sich beobachten konnte. 2.3 Curriculare Begründungen In den gegenwärtigen Rahmenlehrplänen des Landes Brandenburg werden folgende Forderungen aufgestellt: „Der beschleunigte Wandel einer von Globalisierung geprägten Welt sowie die Erweiterung des Wissens und seine Verfügbarkeit erfordern eine Neuorientierung für das Lernen im Unterricht … Zur Entwicklung von Kompetenzen wird Wissen gezielt aufgebaut und vernetzt und geht durch vielfältiges Anwenden in kompetentes, durch Interesse und Motivation geleitetes Handeln über. Deshalb werden im Verlauf der Schulzeit zunehmend fachliche Grenzen überschritten und vernetztes Denken und Handeln gefördert … Beim Lernen konstruiert jede bzw. jeder Einzelne ein für sich selbst bedeutsames Abbild der Wirklichkeit auf der Grundlage ihres/seines individuellen Wissens und Könnens sowie ihrer/seiner Erfahrungen und Einstellungen. Diese Tatsache bedingt eine Lernkultur, in der sich die Schülerinnen und Schüler ihrer eigenen Lernwege bewusst werden, diese weiterentwickeln sowie unterschiedliche Lösungen reflektieren und selbstständig Entscheidungen treffen. Fehler und Umwege werden dabei als bedeutsame Bestandteile von Erfahrungs- und Lernprozessen akzeptiert. So wird lebenslanges Lernen angebahnt und die Grundlage für motiviertes, durch Neugier und Interesse geprägtes Handeln geschaffen.“5 Vernetztes Wissen aufzubauen, komplexe Sachverhalte zu begreifen und dabei eine moderne Fehlerkultur zu etablieren lässt sich in einem engen 45-Minuten-Raster nicht realisieren. 3. Alternative Modelle zum Blockunterricht Das einfachste Modell des Blockunterrichts besteht in der Erweiterung der 45-Minuten-Stunden auf 90 Minuten. Hierbei muss beachtet werden, dass es nicht um Doppelstunden geht, sondern um eine Verlängerung der Lernzeit auf 90 Minuten. Bei konsequenter Durchführung ergeben sich A- und B-Wochen, da die ungeradzahlig zu unterrichtenden Fächer sonst das Modell sprengen. Das Puschkin-Gymnasium Hennigsdorf strukturiert derzeit danach seinen Plan. Das vom Lisum Brandenburg erstellte Referenzmodell ist letztlich nichts anderes als die Hennigsdorfer Variante, allerdings werden hier noch Schwerpunktbereiche und Teilungsunterricht ausgewiesen, die für die jetzt anstehende Entscheidung nicht von Relevanz sind. 4 ebenda, S. 3 5 Die Aussagen finden sich in allen Rahmenlehrplänen der Sekundarstufe 1. Exemplarisch wurde hier zitiert aus: MBJS. Rahmenlehrplan für die Sekundarstufe 1. Jahrgangsstufen 7-10, Geschichte, S. 5ff. Eine andere Variante, die versucht, alle Vorteile des Blockunterrichts mit den aktuellen Erkenntnissen der Neuropsychologie zu verbinden ist das flexible Blockmodell. Dabei dauert der grundsätzliche Unterrichtsblock eine Stunde. Da die Fächer in der Stundentafel zeitlich unterschiedlich gewichtet sind, ergeben sich „Restblöcke“: 15 Minuten werden an die Stunde angehängt, 30 Minuten separat unterrichtet. Für die Probephase am Runge-Gymnasium haben wir uns für das erste Modell entschieden. Das hat damit zu tun, dass hier idealtypisch die Wirkungen des Blockunterrichts untersucht werden können und wir in einem zweiten Schritt uns in alle möglichen Richtungen weiter entwickeln können. Das komplexe Modell des Rosa-Luxemburg-Gymnasium Berlin erforderte nach Aussage der Schulleitung 2 Jahre Vorlaufzeit. Neben dem Umrechnen der Stundentafeln und Arbeitszeiten des Kollegiums in Minuten ist das gesamte Vorhaben personal- und arbeitsrechtlich zu begleiten. Zudem lässt sich der Unterricht der Sekundarstufe 1 problemlos mit dem der Sekundarstufe 2 verbinden. Die ursprüngliche Entscheidung, Blockunterricht nur im ersten Halbjahr zu probieren, wurde auf Initiative der Schulkonferenz verworfen. Für eine aussagekräftige Probephase sollten die schulischen Abläufe eines gesamten Jahres unter dem Einfluss von Unterrichtsblöcken überprüft werden. Damit könnte der eingangs beschriebene Plan der 9. Klasse folgender Maßen aussehen: A-Woche B- Woche Folgende Vor- und Nachteile wurden in den Schulen zusammenfassend diskutiert und sollten in jedem Fall auch bei unserer Evaluation eine Rolle spielen: Vorteile: Nachteile: • Weniger organisatorischer Aufwand für • Konzentrationsmängel jüngerer SuS SuS • HA schwierig • Weniger Unruhe im Haus • Wiederholung • Zeitaufwendige Lernvorhaben besser ge• Größerer Methodenaufwand staltbar • Kleine Leistungsnachweise schwieriger zu • Mehr Zeit für Pädagogik erheben • Lernpsychologisch keine Interferenzen • Ökonomische Vorbereitung Die Probephase wird das Kollegium vor neue methodisch-didaktische Herausforderungen stellen, denen wir im intensiven kollegiumsinternen Diskurs sowie durch kollegiale Hospitationen begegnen müssen, denn: • Für alle SuS wird die Umstellung auf längere Konzentrationszeiten ungewohnt werden. Das betrifft vor allem die jüngeren SuS. • Die Unterrichtsplanung lässt sich nicht mit einer Aneinanderkoppelung von zwei Einzelstunden fassen. Lernen im 90-Minuten-Rhythmus erfordert einen stunden immanenten Methodenwechsel, so dass sich die Be- und Entlastungsphasen im Unterricht organisch abwechseln. 3. Vorgehensweise In Bezug auf die Rhythmisierung des Unterrichts sagt die VV-Schulbetrieb folgendes aus: „(3) Die rechnerische Grundeinheit für eine Unterrichtsstunde beträgt 45 Minuten. […] Wenn es pädagogisch sinnvoll und organisatorisch möglich ist, können Unterrichtsstunden auch in kleineren oder größeren Abschnitten erteilt werden. Die Vorgaben der Stundentafeln sind dabei zu beachten. Die Belastbarkeit und Konzentrationsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler sind zu berücksichtigen. Über die Grundsätze der Stundenplangestaltung entscheidet die Konferenz der Lehrkräfte.“ Da dieses Vorhaben aber in hohem Maß die Interessen der SuS berührt und damit mittelbar auch die der Eltern, wurde folgende Vorgehensweise gewählt: 1. Auftaktveranstaltung: Die Einladung zur Lehrerkonferenz erging (Einladung: 09.08.2014, Konferenz 27.8.2014) mit dem Schwerpunkt „Blockunterricht am Runge-Gymnasium: ein neuer Rhythmus des Lernen und Lehrens“. Hierzu wurden die Fachschaften beauftragt, ihren fachspezifischen Standpunkt in einem kurzen Statement darzulegen. Weiterhin wurden 2 Schülervertreterinnen und 2 Vertreterinnen der Elternschaft aus der Schulkonferenz mit dem gleichen Auftrag eingeladen. Das Impulsreferat wurde vom Leiter der Konferenz Herrn Meinecke gehalten. Im Anschluss erfolgten die Statements der Fachschaften, Eltern und Schülerinnen und dann wurden im Plenum die Ansichten ausgetauscht. Am Ende stand eine offene Abstimmung, bei der sich 29 Lehrkräfte für eine probeweise Einführung des Blockunterrichts aussprachen, 5 Lehrkräfte waren dagegen und 5 enthielten sich der Stimme. Verabredet wurde weiterhin die Prozessevaluation durch eine noch zu bildende Evaluationsgruppe. 2. Bildung der Evaluationsgruppe Die Evaluationsgruppe soll sich aus jeweils 5 Vertretern der Eltern-, Schüler- und Lehrerschaft zusammensetzen. Dabei wären die 5 Vertreter Ansprechpartner und Sammelstelle für die Meinungen der jeweiligen Gruppierungen. Bei einer Übernachfrage zur Beteiligung in Bezug auf Eltern und Schüler sollen folgende Entscheidungskriterien zur Anwendung kommen (in der Reihenfolge der Wichtung): (1) kein Schulkonferenzmitglied – Vermeidung von Entscheidungsmonopol (2) gleichmäßige Verteilung von Klasse 7-10 (3) möglichst keine Vertreter der Jahrgangsstufe 11 und 12 (hier strukturell meistens Doppelstundenunterricht = wenig Erkenntniswert; außerdem können diese Schüler und Schülerinnen sowie Eltern das Vorhaben nicht bis in das Schuljahr 2017-18 begleiten) (4) gleichmäßige Verteilung männlicher und weiblicher Teilnehmer. Die Aufgaben in diesem Schuljahr sind: Festlegung der Evaluationsschwerpunkte für die kritische Begleitung des Vorhabens, Einigung auf ein Evaluationsverfahren, Erstellung einer Terminschiene für die Evaluation. Im kommenden Schuljahr würde die Arbeit darin bestehen, dass (1) die Meinungen der jeweiligen Gruppierungen zu den Evaluationsschwerpunkten gesammelt und zusammengefasst werden, (2) nach 2/3 des Schuljahres die Gruppe einen vorläufigen Abschlussbericht erstellt und (3) eine Art Podiumsdiskussion vorbereitet/durchführt, um in einem schulweiten Forum alle Argumente abzuwägen. Abschluss der Arbeit wäre die Empfehlung aus der Gruppe an die Lehrerkonferenz/ Schulkonferenz für oder gegen die Fortsetzung des Blockunterrichts in der vorliegenden oder einer wie auch immer veränderten Form. 3. Zusammenführung der Evaluationserkenntnisse in einem Abschlussbericht 4. schulweite Podiumsdiskussion über eine Fortsetzung/ einen Abbruch des Vorhabens 5. Abstimmung über das Endergebnis in der Lehrerkonferenz/Schulkonferenz. T. Meinecke