Erfahrungsbericht: Erasmus an der Université Toulouse I Capitole

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Erfahrungsbericht: Erasmus an der Université Toulouse I Capitole
Erfahrungsbericht: Erasmus an der Université Toulouse I Capitole
Im Studienjahr 2015/2016 studierte ich Jura an der Université Toulouse I Capitole in Frankreich.
Zuständig für mich waren Frau Schneiders (Freiburg) und Madame Tersou (Toulouse).
- Toulouse:
Toulouse ist eine sehr schöne, charmante und lebenswerte Stadt im Süden Frankreichs. Mit knapp
460.000 Einwohnern, davon 25% Studenten, bietet Toulouse eine angenehme Größe und sehr viele
Möglichkeiten für junge Leute. Auch das kulturelle Angebot der Stadt lässt sich sehen. In Toulouse
gibt es viele Theater, Museen und Gärten. Regelmäßig finden verschiedenste Veranstaltungen wie
etwa Tage der offenen Tür, Kultur- und Filmwochen, Festivals, Konzerte und weitere Events statt.
Eine sehr bekannte Toulouser Sehenswürdigkeit ist außerdem der Raumfahrt-Themenpark Cité de
l’espace. Für Toulouse spricht vor allem auch die geographische Lage. In der Nähe des Meeres
sowie der Berge gelegen, bietet Toulouse einen idealen Ausgangspunkt für Tagesausflüge und
Reisen. Die Stadt ist unweit von Barcelona, Bordeaux, Carcassone, Montpellier und Andorra
gelegen und bietet euch somit die Gelegenheit, euer Erasmus-Jahr für viele Reisen zu nutzen.
Insgesamt ist Toulouse also ein idealer Studienort mit sehr vielen Möglichkeiten.
- Anmelde- und Einschreibeformalitäten:
Kurz nach meiner Nominierung durch die Universität Freiburg erhielt ich eine Mail der Uni
Toulouse mit einem Link zur Online-Anmeldung. Diese beinhaltete die Option, sich für die
Wohnheime in Toulouse zu bewerben. Vor Ort mussten wir uns dann an der Universität
einschreiben, was im Rahmen der Einführungswoche geschah.
- Vorbereitung:
Vor Antritt des Auslandsjahres habe ich mich darum gekümmert, alle für den Aufenthalt
notwendigen Dokumente noch vor meiner Abreise zu besorgen (insb. internationale
Geburtsurkunde, Passfotos, Gültigkeit des Personalausweises und der europäischen
Krankenversicherungskarte überprüft, …). Solltet ihr nach Frankreich gehen, würde ich euch
unbedingt raten, euch noch in Deutschland mit dieser Frage zu beschäftigen, damit einem guten
Start in Frankreich nichts im Wege steht.
- Anreise:
Dank des Flughafens Toulouse-Blagnac erreicht man Deutschland sehr schnell. Ansonsten besteht
auch die Möglichkeit, von Carcassonne oder Barcelona aus zu fliegen. Neben Flügen kann man
selbstverständlich auch per Zug reisen oder auf die verschiedenen Buslinien (z.B. Flixbus), die
Toulouse anfahren, zurückgreifen.
- Wohnung:
Die Wohnungssuche in Toulouse war kein Spaß. Das lag nicht zuletzt daran, dass es gerade zu
Beginn des Studienjahres einen großen Andrang auf den Wohnungsmarkt gibt und die Mietpreise
in Toulouse generell recht hoch sind. Ich hatte im Juli eine Absage für die Studentenwohnheime
von der Universität erhalten. Daraufhin rief ich an der Uni an, um noch einmal nachzuhaken.
Allerdings war die zuständige Person im Urlaub, sodass mir niemand Auskünfte zum Thema
Wohnheimzimmer und Wohnungssuche geben konnte. Danach versuchte ich mein Glück beim
Studentenwerk, kam aber nicht weiter. Obwohl ich von Deutschland aus online nach Zimmern und
Wohnungen suchte, war ich Mitte August noch immer ohne Unterkunft und langsam besorgt. So
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beschloss ich früher als geplant nach Frankreich zu fahren, um nach einem Zimmer zu suchen. An
der Uni gab man mir den Tipp, dass man über die Toul’box ein Paket erwerben kann, in dem eine
Beratung in Sachen Wohnungssuche enthalten ist. Das Paket kostete jedoch 200€. Die Toul’box
verhalf mir schnell zu einer Wohnung und ich war sehr froh, noch eine WG mit netten
Mitbewohnerinnen gefunden zu haben, allerdings war die Miete nicht ganz billig. Für die
Wohnungssuche im Internet kann ich euch die Seiten appartager.fr, leboncoin.fr, crij.fr empfehlen.
Bedenken sollte man, dass das Mieten in Frankreich an sehr viele Formalitäten gebunden ist. Für
das Unterzeichnen eines Mietvertrages braucht man einen in Frankreich wohnhaften Bürgen.
Manche Vermieter akzeptieren glücklicherweise auch ausländische Bürgen. Falls ihr jemanden
findet, der für euch bürgt, müsst ihr einige Dokumente beim Vermieter hinterlegen (insb. Kopien
des Personalausweises von euch und eurem Bürgen, Gehaltsauszüge der letzten drei Monate eures
Bürgen, etc.). Ihr solltet euch daher am besten noch in Deutschland informieren, welche Dokumente
notwendig sind, und diese so schnell wie möglich organisieren. Solltet ihr keinen Bürgen haben,
besteht die Möglichkeit, über die CROUS zu beantragen, dass der französische Staat für euch bürgt.
Mehr dazu findet ihr auf lokaviz.fr. Für den Abschluss eines Mietvertrages braucht ihr neben einem
französischen Konto auch eine Hausratsversicherung, die ihr bei eurer Bank abschließen könnt.
Sehr erfreulich ist, dass es in Frankreich für Studenten die Möglichkeit gibt, bei der CAF einen
Wohngeldzuschuss zu beantragen. Dieser kann einen beachtlichen Teil eurer Miete ausmachen,
sodass sich die Beantragung auf jeden Fall lohnt. Das Wohngeld solltet ihr möglichst rasch
beantragen. Dafür braucht ihr allerdings eine internationale Geburtsurkunde (muss eine
französische Übersetzung enthalten, sonst schickt man euch zum Übersetzer), die ihr beim Rathaus
eurer Geburtsstadt beantragen könnt. Den Antrag für das Wohngeld könnt ihr online entweder an
eurem Rechner oder auch beim erst kürzlich eröffneten Büro der CAF in der Nähe der Metrostation
Palais de Justice stellen. Im Büro müsst ihr unter Umständen etwas Zeit mitbringen. Allerdings
lohnt sich das Warten, da man sich bei Fragen an die Mitarbeiter der CAF wenden und seine
Dokumente direkt bei ihnen einreichen kann.
- Bankkonto und Handy:
Mein Konto eröffnete ich bei der Bank LCL, mit der ich sehr zufrieden war.
Meine SIM-Karte holte ich mir bei FREE. FREE bietet zwei verschiedene Flatrates ohne
Vertragsbindung: einen für 2€ und einen für 20€. Da ich auch eine deutsche SIM-Karte hatte,
entschied ich mich für den billigeren Tarif. Mit diesem war ich insgesamt zufrieden.
- Lebenshaltungskosten und öffentliche Verkehrsmittel:
Das Leben in Frankreich ist wesentlich teurer als in Deutschland. Vor allem Lebensmittel und
Schreibwaren kosten viel mehr.
Sehr preiswert ist dagegen die Monatskarte für die öffentlichen Verkehrsmittel in Toulouse. Man
kann sich beim Kundenzentrum an der Metrostation Jean Jaurès gegen eine Gebühr die sog. Carte
Pastel holen, die man monatlich auflädt. Für Jugendliche bis 25 Jahren kostet dies nur 10€ pro
Monat. Die Carte Pastel kann man sowohl für die Metros als auch für die verschiedenen Tramlinien
(darunter die T2, die zum Flughafen fährt) und Busse benutzen. Allerdings ist die Navette Aéroport,
der schnellste Weg zum Flughafen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, nicht beinhaltet.
Außerdem kann man die Carte Pastel nutzen, um die Vélo Toulouse Fahrräder zu nutzen. Vélo
Toulouse ist ein System von Fahrradstationen, an denen ihr euch gegen Gebühr ein Fahrrad
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ausleihen könnt, das ihr anschließend an einer der vielen Fahrradstationen wieder zurückgeben
müsst. Das Ganze gibt es auch als jährliches Abonnement.
- Studium:
Zwei Wochen vor Beginn des Semesters veranstaltete die Universität eine (nicht verpflichtende)
Einführungswoche mit Veranstaltungen zur französischen Rechtsterminologie und zum
französischen Recht. Eine Woche danach fand dann die eigentliche Einführungswoche statt, an der
alle ausländischen Studenten teilnahmen. Die Einführungswoche bestand größtenteils aus
Infoveranstaltungen. In diesem Rahmen schrieben wir uns auch an der Universität ein. Einige Zeit
später bot zudem der ESN eine Einführungswoche für ausländische Studenten an.
Anfang September fing dann das Semester an. Zu Beginn hatten wir circa zwei bis drei Wochen
Zeit, unsere Kurse zu wählen. Erasmus-Studenten können dabei frei aus dem gesamten Angebot an
Vorlesungen aus dem Bachelor (L1, L2, L3) und dem ersten Jahr im Master (M1) wählen.
Was die Kurswahl angeht, würde ich dazu raten seine Bedenkzeit dazu zu nutzen, sich möglichst
viele Veranstaltungen anzuhören. So hat man die Gelegenheit zu sehen, ob man mit dem Fach, dem
Vorlesungsstil des Dozenten, dem Sprechtempo, usw., klar kommt. Die Uni bietet ein sehr großes
Angebot an verschiedensten Veranstaltungen, darunter viele Vorlesungen über europäisches und
internationales Recht. Im Rahmen eines der zahlreichen Masterprogramme gibt es die Möglichkeit
Vorlesungen auf Englisch zu wählen. Zudem bietet die Universität eine Zusatzausbildung im
Europarecht („Diplome d’Études du Droit de l’Union Européenne) an.
Ich wählte folgende Kurse:
- Erstes Semester:
* Droit européen (L2) bei Mme Gaudin : Spannende Vorlesung über das Europarecht. Die Dozentin
ist sehr freundlich, spricht allerdings manchmal etwas schnell.
* Droit des institutions européennes (L3) bei Mme Oliva : Veranstaltung über die europäischen
Institutionen. Die Dozentin ist sehr nett, spricht in einem gut verständlichen Tempo, und stellt den
Stoff anschaulich und gut verständlich dar.
* Droit administratif (L2) bei M Coulibaly: Der Dozent ist wirklich sehr engagiert und verwendet,
anders als sonst üblich, Power Point Präsentationen in seinen Vorlesungen. Im Internet werden
Dossiers mit dem gesamten Kursinhalt hochgeladen, sodass man in der Vorlesung nicht
mitschreiben muss. Sehr früh wurden auch ausführliche Informationen über den Prüfungsstoff
bereitgestellt, sodass man sich gut auf die Prüfung vorbereiten konnte.
* Droit pénal (L2) bei Mme Mascala: Der Kurs vermittelt den allgemeinen Teil des Strafrechts. Die
Dozentin stellt den Stoff dabei interessant, auf den Punkt gebracht und gut verständlich dar.
* Droit privé comparé (M1) bei Mme Le Gallou & Mme d’Abbadie d’Arrast (wegen
Dozentenwechsel zwei Professorinnen): Die Vorlesung zur Rechtsvergleichung aus dem Master
war wirklich sehr spannend, allerdings war für die Prüfung viel Stoff zu lernen.
* Französischkurs
- Zweites Semester:
* Droit civil (L1) bei Mme de Bertier-Lestrade: Dieser Kurs behandelte das französische
Familienrecht. Nette Dozentin, man konnte dem Kurs sehr gut folgen und gut mitschreiben.
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* Droit constitutionnel (L2) bei Mme Gaillet : Veranstaltung über das französische
Verfassungsrecht bei einer sehr freundlichen Dozentin. Es werden Materialien online gestellt, die
die Vorlesung ergänzen. Sehr gut fand ich, dass die Dozentin in jeder Vorlesung zu Beginn auf
aktuelle Themen und deren (verfassungs-)rechtliche Bedeutung einging. Häufig vergleicht die
Professorin das französische Verfassungsrecht mit anderen Rechtsordnungen, insbesondere mit
Deutschland, was das Verständnis erleichtert. Insgesamt ein sehr spannender Kurs.
* Droit administratif (L2) bei M Coulibaly : Fortsetzungskurs zu Droit administratif aus dem ersten
Semester (s.o.), der die Haftbarkeit der Verwaltung zum Gegenstand hat.
* Droit international public (L3) bei M Tranchant : Interessante Vorlesung zum Völkerrecht. Die
Prüfung am Ende des Semesters war gut zu bestehen.
* Droit de la concurrence (M1) bei Mme Oliva: Der Kurs behandelte das französische und
europäische Kartell- und Beihilferecht. Die Professorin verwendete Power Point Präsentationen und
stellte den Stoff gut verständlich dar. Die Vorlesung war sehr spannend, aber wesentlich komplexer
als die meisten anderen Kurse, die ich belegte.
* Französischkurs
- Anerkennung von Studienleistungen: Zu diesem Zeitpunkt noch nicht geklärt
- Unterschiede zum deutschen Studiensystem:
Das französische Studiensystem weist teils sehr große Unterschiede zum deutschen System auf.
Der Begriff Vorlesung wird in Frankreich meist wörtlich genommen. In der Regel bestehen
Vorlesungen daraus, dass der Professor aus einem Skript, Lehrbuch, etc., vorliest und die Studenten
alles mitschreiben. Da das Sprechtempo recht schnell werden kann, nutzen die meisten ihre Laptops,
da das Mitschreiben so etwas schneller geht als handschriftlich. Zwischenfragen sind eher unüblich,
bei Fragen kann man am Ende der Vorlesung den Professoren aufsuchen. Was mich sehr überrascht
hat, ist, dass die wenigsten französischen Studenten in die Vorlesungen Gesetzestexte mitbringen.
Anders als in Deutschland schlägt man während der Vorlesung nicht zusammen Vorschriften nach.
Vielmehr werden diese häufig wortwörtlich von den Professoren rezitiert und dann von den
Studenten in ihre Skripten aufgenommen. Diese Skripten dienen dann am Ende des Semesters zur
Vorbereitung auf die Prüfungen. Sollte man in den Vorlesungen nicht ganz mitkommen, ist das
nicht weiter schlimm. Die französischen Studenten sind nämlich meist sehr freundlich und
hilfsbereit und geben einem ihre Aufschriebe weiter.
Neben den Vorlesungen gibt es auch die vorlesungsbegleitenden travaux dirigés (TD), die in etwa
unseren AGs entsprechen.
Insgesamt war ich, obwohl es große Unterschiede zum deutschen Studiensystem gibt, mit den
französischen Vorlesungen recht zufrieden. Ich hatte Gelegenheit, in verschiedene Rechtsgebiete
reinzuschnuppern, und konnte durch das Mittippen in den Vorlesungen meinen Wortschatz und
meine Rechtsschreibung verbessern. Was die Prüfungen angeht, kann es schon einmal stressig
werden, da man sehr viele Prüfungen und entsprechend viele Fächer in kurzem Zeitraum hat. Mit
ordentlicher Vorbereitung sind diese aber gut machbar.
Besonders empfehlen kann ich die Vorlesungen von Madame Oliva, Monsieur Coulibaly und
Madame Gaillet.
- Sprache, Kurs vor Ort:
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In Toulouse belegte ich während beider Semester Französischkurse an der Universität. Die Kurse
empfand ich als sehr hilf- und lehrreich, jedoch kostete ein Kurs pro Semester 190 €. Abgesehen
von den Französischkursen für ausländische Studenten sind die Sprachkurse an der Universität
übrigens umsonst.
Außer an der Uni kann man Sprachkurse auch über die Toul’box belegen. Die Französischkurse der
Toul‘box geben zwar etwas weniger ECTS-Credits als die der Universität, sind aber mit 40€
Kursgebühr wesentlich günstiger und sollen auch gut sein.
- Universitäres Rahmenprogramm und studentische Initiativen:
An der Universität gibt es das European Student Network ESN, das Ansprechpartner für die
ausländischen Studierenden ist und regelmäßig Veranstaltungen, Partys und Reisen organisiert.
Daneben kann man als Erasmusstudent Sportkurse der Universität belegen.
Auch gibt es in der Universitätsbibliothek beim Arsenal das Centre de Ressources en Langues. Dort
kann man über Aushänge Tandempartner suchen, sich kostenlos verschiedensprachige Bücher,
Filme und Zeitschriften ausleihen und auch Sprachateliers besuchen, für die man sich wöchentlich
anmelden kann. Außerdem veranstaltet das CRL häufig Themenabende und andere
Veranstaltungen rund um das Thema Sprachen und Kulturen.
Fazit:
Nach einem Jahr in Frankreich bin ich wirklich froh, ein Erasmusjahr gemacht zu haben. Ich hatte
die Gelegenheit, in einer so schönen und interessanten Stadt wie Toulouse zu studieren und so
Einblick in eine andere Rechtsordnung zu erhalten, Leute aus den verschiedensten Ländern
kennenzulernen, meine Sprachkenntnisse zu verbessern und viele neue Erfahrungen zu sammeln.
Auch wenn der Anfang wegen der Probleme mit der Wohnungssuche nicht ganz ideal lief, habe ich
wirklich nur gute Erinnerungen an Toulouse und Frankreich mit nachhause genommen, und bin mit
meiner Entscheidung für ein Erasmusjahr mehr als zufrieden.
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