Kunst am Körper - Tattoobastards.de
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Kunst am Körper Dienstag, den 27. Juli 2010 um 12:35 Uhr - Gronau - „Ja, es tut weh.“ Jens Scheithauer beantwortet die Frage, noch bevor sie gestellt wird. Tätowieren ist für den Organismus eine Strapaze - besonders, wenn es um großflächige, mehrfarbige Tattoos geht, erklärt der 42-Jährige. Entzündungen, Fieberschübe, Schüttelfrost: All das hat er am eigenen Leib erfahren. „Der Körper läuft Amok.“ Scheithauer ist ein „Bunter“, der Gronauer sammelt Tattoos wie sonst nur Lebenserfahrungen. Scheithauer geht es nicht um Mode, auch wenn Tattoos längst gesellschaftsfähig zu sein scheinen. „Man sollte es nicht machen, wenn man nur einem Trend hinterher läuft“, sagt er. Für ihn sind die Bilder, die zunehmend seinen Körper bedecken, Ausdruck und Spiegel von Erfahrungen. Scheithauer: „Was mir im Leben passiert ist, verewige ich auf meiner Haut.“ // So erinnert etwa der farbenprächtige Phönix auf seiner linken Schulter, dessen Schwanzfedern sich bis zum Handgelenk hinunterziehen, an eine ganze Serie von schweren Schicksalsschlägen, die ihn vor einigen Jahren zu einem beruflichen wie privaten Neuanfang zwangen. Auch der große Tiger, den er sich auf den Rücken tätowieren ließ und der japanische Drache, der künftig seinen rechten Arm zieren soll, symbolisieren Kraft und Glück. „Es gibt einen Masterplan“, erklärt Scheithauer. Will sagen: Am Ende werden alle Einzeltattoos ein künstlerisch hochwertiges Gesamtbild ergeben, das sich über beide Beine, die Arme und den Rücken erstreckt. Darum lässt der Tischler auch nur ausgesucht gute Tätowierer an seine Haut, wie etwa Carsten von „Feelings Tattoo“, der für den Phönix verantwortlich zeichnet. „Aber die meisten haben ewige Wartezeiten“, sagt Scheithauer. Gute Tätowierer gelten als Künstler, die nicht nur hervorragend zeichnen können, sondern auch die anatomischen Gegebenheiten in das entstehende Bild mit einbeziehen. Und Geduld ist nicht nur zwischen den Sitzungen gefragt, wenn sich der Organismus von den Strapazen fürs Immunsystem erholen muss. „Für den Tiger haben wir acht bis zehn Stunden gebraucht, verteilt auf mehrere Sitzungen“, erklärt Scheithauer. Warum sich das Warten auf namhafte Tätowierer wie „Graf X“ lohnt, lassen etwa die Tätowierungen erahnen, die Scheithauers rechtes Bein bezieren. Hier ist bereits fast die gesamte Haut bedeckt, während an anderen Motiven noch in weiteren Sitzungen gearbeitet werden muss. Die im japanischen Stil gestochene Wasserlandschaft mit Koi-Karpfen und Blüten des Dessauer Tattoo-Künstlers ergeben ein nahezu natürlich anmutendes, 1/2 Kunst am Körper Dienstag, den 27. Juli 2010 um 12:35 Uhr - dreidimensionales Bild, das auf eine Leinwand gebracht auch in Kunsthäusern Beachtung finden müsste.Dabei fing alles mit zwei Tätowierungen an, die solchen Ansprüchen keineswegs genügen würden. Bei einem Besuch in Stettin 2004 ließ sich Scheithauer aus einem Impuls heraus ein Schriftzeichen auf den Unterarm tätowieren, von dem er heute nicht einmal mehr weiß, was es bedeuten soll. Dazu kam ein „Tribal“ auf der Schulter, ein Ornament im Scherenschnitt-Stil. Als sogenanntes „Cover-up“ verschwindet es heute unter einem Flügel des Phönix. Richtig gepackt habe ihn die Idee erst 2005, als er zum ersten Mal eine Tattoo-Convention in Dortmund besuchte. Umgeben von lauter Tätowierten sei er sich damals förmlich nackt vorgekommen. Zurück kam er mit einem Tattoo von „René von Slams Tattoo“ - einer prächtigen Blüte am Unterschenkel. Und mit einer neuen Leidenschaft, wie er lakonisch feststellt: „Da fängt man an zu sammeln.“ Dass einem seiner Tätowierer mal ein Malheur passieren könnte, dessen Spuren er auf immer auf der Haut trüge, fürchtet er nicht. „Das Tattoo ist seine Referenz auf meiner Haut. Er wird schon zusehen, dass das gut aussieht.“ Ergo bekommen seine Tätowierer viel künstlerische Freiheit. Inzwischen investiert Jens Scheithauer nicht nur Geld, sondern auch einen Großteil seiner Zeit in seine Leidenschaft: Gemeinsam mit einer Bekannten aus Berlin ist er Initiator der aufwendig gestalteten Internet-Community www.tattoobastards.de , die seit dem 20. Juni Informationen und eine Plattform für Tätowierer, Models, Neugierige und vor allem für die „Bunten“ bietet. Der Zulauf ist enorm. Schon heute gibt es etwa 600 angemeldete Mitglieder. Dabei sieht Scheithauer längst nicht alles unkritisch, was sich in der Szene tummelt: „Ich denke schon, dass viele Jugendliche oft schon zu früh zu viele Tattoos haben“, sagt er. Zwar müssen Tätowierstudios die Volljährigkeit ihrer Kunden überprüfen. Aber: „Ob man mit 18 der Tragweite dessen, was man da tut, bewusst ist, wage ich zu bezweifeln.“ Andererseits habe er den Eindruck, dass er durch sein Auftreten einen besseren Zugang zur Jugend habe. „Natürlich will man auch ein wenig provozieren“, bekennt er. Trotzdem denke er, dass Selbstbewusstsein allein nicht reicht. „Du musst im Leben erstmal etwas leisten und deinen Weg finden, um es Dir leisten zu können, so herumzulaufen.“ Auch aus beruflichen Gründen sollten es sich viele zwei Mal überlegen, bevor sie sich Hals, Gesicht und Hände tätowieren ließen, meint er. Er selbst halte sich da bewusst zurück. Dass der Masterplan, dessen Elemente heute schon feststehen, einmal kippen könnte, glaubt er nicht. Nur Brust- und Bauchbereich sind noch nicht verplant. Scheithauer lacht: „Es gibt Stellen, die gehören der Zukunft.“ http://www.westfaelische-nachrichten.de/lokales/kreis_borken/gronau/1359443_Kunst_am_Ko erper.html 2/2