TrommelgewitterentlädtsichimLichthof
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TrommelgewitterentlädtsichimLichthof
KARLSRUHE Samstag, 10. / Sonntag, 11. März 2012 Ausgabe Nr. 59 – Seite 27 Neues Verfahren erspart Patienten Leid Klinikum entwickelt Therapie bei Mastdarm-Geschwulsten Von unserem Redaktionsmitglied Tina Kampf der Muskulatur geschnitten. So werden die bis zu 15 Zentimeter großen Geschwülste komplett und vor allem am Stück entfernt. „Ein Es sind Chirurgen aus der ganzen Welt, die großer Vorteil“, wie Jörg Baral versichert: ans Städtische Klinikum kommen, um sich Würde die Wucherung in Stücken abgetragen, über ein dort entwickeltes Verfahren zu infor- könnten kleine Teile zurückbleiben, die dann mieren: Dieses bietet völlig neue Möglichkei- neue Risiken bergen. Und würde nur ein Teil ten bei der Therapie von Geschwulsten im des Gewebes herausgeschnitten, könne man Mastdarm – und kann den Patienten manches am Ende eben nicht mit Sicherheit sagen, ob die Geschwulst in Teilen nicht doch bösartig Leid ersparen. Über viele Jahre galt: Wird eine solche Wu- ist. Ist dies der Fall, kann es mitunter doch cherung entdeckt, änderte sich das Leben der noch notwendig werden, den Mastdarm zu entBetroffenen einschneidend. Bei einer Operati- fernen: Nämlich dann, wenn der Krebs mehr on durch den Bauch wurde nicht nur die Ge- als das erste Drittel der bei der OP mit abgelösten Bindegewebsschwulst, sondern schicht befallen hat. meist gleich der ganze In allen anderen FälMastdarm entfernt Fachärzte aus der ganzen len gilt: Der Mastund in der Folge ein Welt informieren sich in Karlsruhe darm kann erhalten künstlicher Darmauswerden – mit Hilfe eigang notwendig. Das kann nun vermieden werden, weil der Leitende nes für den Patienten zudem deutlich leichter Oberarzt an der Klinik für Allgemein- und Vis- zu verkraftenden Eingriffs. Bei diesem trägt die elektrische Spitze dazu ceralchirurgie, Jörg Baral, eine Idee hatte: Er kombiniert zwei hoch moderne Behandlungs- bei, dass die Gefäße sofort wieder geschlossen methoden, um gezielt nur die Geschwulst zu werden, um größere Blutungen zu verhindern. entfernen – wobei dafür nicht einmal die Das wiederum könnte der Waterjet nicht leisBauchdecke geöffnet werden muss. Unter ten, weshalb nicht mit ihm das Gewebe abgeVollnarkose wird dem Patienten rektal ein so- trennt, sondern auf die Kombination beider genannter Waterjet eingeführt, ein Wasser- Geräte gesetzt wird. Eine medizinische Innostrahl, der in der Mastdarmwand für mehr Vo- vation, die sich herumspricht. Beim weltgrößlumen sorgt. Die Flüssigkeit wird zuvor blau ten Chirurgenkongress im amerikanischen San eingefärbt – eine Farbe, die das gesunde Gewe- Francisco wurde das OP-Video der Karlsruher be deutlich stärker annimmt als die Verwach- Ärzte gezeigt. Und aus ganz Deutschland reisung. Weil bei dem Eingriff mit einer Kamera sen Patienten an, die sich am Städtischen Kligearbeitet wird, wird auf einer großen Lein- nikum behandeln lassen wollen. Schließlich wand im OP genau dieser Unterschied sicht- gibt es wenig Häuser, die das Verfahren ebenbar. Die Ärzte können in der Folge das Ge- falls anbieten. „Es braucht ja erst einmal eine schwür abtragen, ohne den Mastdarm an sich hochwertige Ausstattung“, erklärt der Direkzu verletzen. Mit Hilfe einer Art elektrischer tor der Klinik für Allgemein- und VisceralchiSpitze, die ebenfalls rektal eingeführten wird, rurgie, Professor Michael Schön. Zudem müsse wird gezielt zwischen dem Bindegewebe und ein Haus auch eine bestimmte Anzahl von Patienten mit dieser Methode behandeln, damit die Ärzte technisch fit bleiben. Zumal das Verfahren eben keinesfalls einfach zu beherrschen sei. In Karlsruhe nimmt die Eingriffe vorwiegend Jörg Baral vor, der vor zwei Jahren auf die Idee kam, Waterjet und elektrische Spitze zu kombinieren. Rund 60 Patienten wurden seither auf diese Weise behandelt, die oft schon nach wenigen Tagen wieder die Klinik verlassen konnten – ohne danach Einschränkungen in ihrem Leben hinnehmen zu müssen. In regelmäßigen Abständen beobachtet werden die Patienten nach dem Eingriff aber sehr wohl. Gerade dann, wenn in einem frühen Stadium eine bösartige Wucherung abgetragen und somit auf eine Entfernung INTERNATIONALE BEACHTUNG findet ein neues Behandlungsverfahren, das des Mastdarms verder Leitende Oberarzt Jörg Baral (links) – hier mit Klinikdirektor Professor zichtet werden konnMichael Schön – entwickelte. Foto: jodo te. SCHLAGEN ORDENTLICH ZU: Die Schüler der Klasse 9d des Helmholtz-Gymnasiums bei der Probe zu ihrer Schlagzeug-Performance im Lichthof der Hochschule für Gestaltung. Nils Tannert (mit blauem Schal) gibt den Takt vor. Die Leitung hat Schlagzeugprofessor Isao Nakamura (Mitte). Foto: jodo Trommelgewitter entlädt sich im Lichthof Isao Nakamura probt mit Jugendlichen die Schlagzeug-Performance „Schlag zu!“ Von unserem Redaktionsmitglied Patrizia Kaluzny Takataka-takataka … „Immer im gleichen Tempo bleiben.“ Nils Tannert schlägt die Holzstücke gegeneinander. „Es wird immer leiser. Dann kommen die Solos …“ Nils Tannert schwingt mit den Armen und stößt dabei einen tiefen, wilden, kraftvollen Schrei aus. Seine langen roten Haare fliegen. Der japanische Trommelmeister spielt mit vollem Körpereinsatz und spricht auch so. Die Schüler nicken. Jetzt müssen sie nur noch das Gehörte zur Zufriedenheit des Karlsruhers umsetzen. Der zweite Meister sitzt derweil entspannt auf einem Stuhl und wartet. Isao Nakamura ist echter Japaner. Normalerweise unterrichtet er erwachsene Schüler und weiht sie in die Kunst des Schlagzeug- und Trommelspiels ein. Nun hat der renommierte Schlagzeuger aus Osaka, der seit 1992 eine Professur an der Staatlichen Hochschule für Musik hat, mit Neuntklässlern zu tun. „Es läuft sehr gut, die jungen Leute sind motiviert und offen“, lobt der Meister und nickt anerkennend. „Zuerst musste ich ihnen die Trommelsprache beibringen“, sagt er und lächelt. „Man muss das Stück immer erst sprechen können, dann erst beginnt man die Instrumente zu spielen“, erklärt er. Für die Schüler der Klasse 9d des Helmholtz-Gymnasiums ist es die erste Probe im Lichthof der Hochschule für Gestaltung (HfG). Dort werden sie am Sonntag, 18. März, auch ihren großen Auftritt haben anlässlich der Europäischen Kulturtage. „Schlag zu!“ heißt das Projekt, das die HfG in Kooperation mit dem Helmholtz-Gymnasium erarbeitet. Für den richtigen Rhythmus ist Isao Nakamura zuständig, er hat die musikalische Leitung. Unterstützt wird er dabei von Nils Tannert und Frank Thomé, beides ehemalige Schüler des Japaners. Die beiden feilen an den Feinheiten. Bislang probten die Jugendlichen nur im Musikklassenzimmer. Der riesige Lichthof der HfG mit den Treppen und Emporen bietet eine ganz andere Akustik. „Es klingt noch zu zerstreut“, sagt Isao Nakamura, während seine beiden Assistenten den Schülern die nächsten Instruktionen geben. „Lauft langsam auf die Trommel zu, sucht den Blickkontakt zum Publikum“, erklärt Tannert. „Und dann Wum! Der erste Schlag, der zweite...“ Der japanische Trommelmeister streckt seinen schmalen Körper, hebt die Arme langsam nach oben und lässt sich dann kraftvoll nach unten sausen. Stößt einen kraftvollen Schrei aus. So möchte er es haben. Der nächste Durchgang: Zunächst hört man nur den zarten Klang von Triangeln, dann reiht sich leises Klackern der Trommelstöcke ein. Es wird lauter und lauter. Ein schriller Schrei, dann noch einer. Wildes Kreischen. Schließt man die Augen, wähnt man sich in einem Urwald, wo exotische Vögel seltsame Laute ausstoßen, die sich mit dem Brüllgeschrei der Affen vermischen. Die Stimmen und Klänge kommen näher und näher – die Schüler steigen langsam die Treppen herunter. Wenig später setzen die Cajónes ein, rechteckige peruanische Holztrommeln. Frank Thomé gibt den Rhythmus vor. Klack, klack, klackklack ... Als diese verstummen, tritt Sarah an die erste der 15 Taikos (japanische Trommeln), die im Halbkreis aufgebaut sind. Bam, Bam. Es sind harte, kraftvolle Schläge, die sich bald zu einem tiefen Donnern durch den Lichthof, bald zum flackernden Rhythmusgewitter steigern. Dazwischen immer wieder ein Urschrei. Dann Stille. Isao Nakamura, Nils Tannert und Frank Thomé applaudieren. Gut gemacht. Auch Musiklehrer Hans-Jochen Stiefel macht ein zufriedenes Gesicht. Er hat aber ohnehin keinen Zweifel, dass sich seine Schüler beim Konzert sehr gut präsentieren. Elena wirkt an der japanischen Trommel fast wie ein Profi. Das junge Mädchen spielt sie selbstbewusst und mit vollem Körpereinsatz. Elena lebt den Rhythmus. „Man füllt sich irgendwie so frei, es macht so viel Spaß“, schwärmt sie. Nein, Trommelerfahrung hatte sie keine. Sie spielt Cello. Doch die ersten donnernden Schläge weckten ihre Begeisterung. Elena hat Isaos Trommelsprache schnell verstanden. Konzert-Termin gramm, darunter das Musik- und Tanztheater „Kult!“ und „Bauhütte I und II“. Beginn ist um 14 Uhr. Die komplette Schlagzeug-Performance „Schlag zu!“ der Helmholtzschüler ist am Sonntag, 18. März, in der Hochschule für Gestaltung (HfG) zu hören und zu sehen. Parallel dazu präsentieren sich auch weitere Projekte aus dem Vermittlungspro- Die Karlsruher Albschule stellt ihr Projekt „Doppelgesang“, eine Collage aus Sprache, Bewegung, Video und Musik, um 16 Uhr im Zentrum für Kunst- und Medientechnologie (ZKM) zu sehen. Der Eintritt ist an diesem Tag frei. Der Totenkopf, der unter die Haut geht Karlsruher Tattoo Convention mit 42 Ausstellern in der Durlacher Festhalle: „Erlaubt ist, was gefällt“ / Angesagt sind mexikanische Motive eki. Recht entspannt sitzt Tina auf dem niedrigen Hocker und lässt sich von Raul einen Schmetterling sowie eine Blume auf den Unterarm tätowieren. Hochkonzentriert fährt Raul mit der Tätowiermaschine über Tinas Haut, immer wieder hält er inne und wirft einen Kontrollblick auf das wachsende Werk. Dann geht es weiter, und die Nadeln rattern wieder im Takt. Tut das gar nicht weh? „Nö, eigentlich nicht“, meint Tina. Außerdem hat sie ja bereits Erfahrung, der bunte Falter ist schließlich ihr drittes Tattoo. Raul ist über dieses Stadium schon lange hinaus, beide Arme und der Hals des Tätowierers sind mit den verschiedensten Motiven verziert und auf seiner linken Schläfe prangt das Bild eines kämpfenden Drachens. Seit gestern steht die Festhalle Durlach wieder voll und ganz im Zeichen der Tätowierkunst, bei der 17. Karlsruher Tattoo Convention liefert die Szene Einblicke in die aktuellen Trends. Insgesamt 42 Aussteller beteiligen sich an der diesjährigen Auflage des TätowiererTreffens, 30 davon sind Studios mit teilweise mehreren Tätowierern, zwölf sind Händler, die allerhand Accessoires wie Schmuck, Piercings oder Ohrringe feil bieten. Am heutigen Samstag hat die Convention von 12 Uhr bis Mitternacht geöffnet, am Sonntag von 12 bis 20 Uhr. Auf der Showbühne gibt es ein Unterhaltungsprogramm mit Auftritten der RockabillyBand Flaming Dukes und der Ettlinger Kampfsportschule „Build Fight“. Doch die Hauptattraktion sind natürlich die gut 50 Tätowierer, die an ihren Ständen scheinbar unbeeindruckt von dem Trubel ihrem Tagwerk nachgehen. Wer sich kurzentschlossen noch ein Tattoo stechen will, sollte allerdings am Samstag rechtzeitig in die Festhalle kommen UMS TÄTOWIEREN dreht sich alles bei der Tattoo Convention in der Durlacher Festhalle. Gut 50 Tätowierer präsentieren noch heute und morgen den Foto: jodo und sich einen der wenigen verfügbaren Ter- Besuchern ihr Können. mine sichern. „Die meisten der Tätowierer trafen mit ihren Kunden bereits im Vorfeld Terminabsprachen“, so Thomas Neumann alias „DJ Spy“ vom Veranstaltungsteam. Doch bei „The Godfathers Tattoo“ aus Nürnberg wurde etwa der gesamte Samstag für spontane Besucher freigehalten, berichtet dort Darko, gleich sechs Tätowierer erfüllen fast jeden Kundenwunsch. Welche Tattoos sind denn derzeit überhaupt angesagt und an welchen Stellen? Im Trend liegen mexikanische Motive im Stile der sogenannten „Sugar Skulls“, also verzierte Totenköpfe in den verschiedensten Farben, so Darko. Ebenfalls gefragt seien elegante Muster entlang der Hüfte. Vollkommen aus der Mode sind laut Darko jedoch die Tattoos am unteren Rückenbereich oberhalb des Steißbeins. „Doch erlaubt ist, was gefällt, und heute kann eigentlich jede Stelle des Körpers tätowiert werden“, so Darko. Sein Tipp: Zeitlos sind die kleinen Kunstwerke vor allem dann, wenn sie mit einer persönlichen Botschaft verbunden sind und dem Träger etwas bedeuten. Natalie lässt sich solch ein persönliches Motiv unter die Haut stechen, nämlich einen Anker mit der Inschrift „Papa“ auf die linke Hüfte. Auf der rechten Seite trägt sie bereits ein Herz mit dem Schriftzug „Mama“. Begleitet wird Natalie von ihrem Vater Harald Hartmann, der die Verzierungen auf den Hüften seiner Tochter mit Freude und Skepsis gleichermaßen beobachtet. Er sei prinzipiell nicht gegen Tätowierungen, stellt Hartmann klar, schließlich habe er sich vor drei Jahren selbst ein Motiv auf den Oberarm stechen lassen. „Aber irgendwann muss auch mal ein Ende sein, sonst wird das ganze leicht zur Sucht“, sagt er. Bei seiner Tochter sollte nach dem zweiten Tattoo denn auch Schluss sein.