Die Aufsichtspflicht des Lehrers

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Die Aufsichtspflicht des Lehrers
Staatliches Studienseminar für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen Kusel
AS Thema 22/ Die Aufsichtspflicht des Lehrers / Februar 2011 / Hu-Br
Die Aufsichtspflicht des Lehrers
1
Aufsicht in Schulen
Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung vom 4. Juni 1999
(1546 A – Tgb.Nr. 192/98) (GAmtsbl. S. 328) zuletzt geändert durch VV vom 9. Juli 2002 (GAmtsbl. S.
384)
1.
Zweck und Inhalt der Aufsicht
Zweck der Aufsicht ist es, Schülerinnen und Schüler vor Schaden zu bewahren, aber
auch zu verhindern, dass andere durch sie Schaden erleiden.
Die Lehrkräfte müssen Maßnahmen, Vorkehrungen und Anordnungen treffen, die
Schäden nach Möglichkeit ausschließen. Die Aufsicht richtet sich nach den Gefahren,
wie sie im Einzelfall erkennbar sind. Sie richtet sich aber auch nach dem Maß, in dem
die Schülerinnen und Schüler nach ihrem Alter und ihrer Entwicklung der
Beaufsichtigung bedürfen. Dabei ist das Maß der Aufsicht in Einklang zu bringen mit
dem Erziehungsziel, die wachsende Fähigkeit und das Bedürfnis der Kinder zum
selbstständigen verantwortungsbewussten Handeln einzuüben.
Auch volljährige Schülerinnen und Schüler unterliegen der Aufsichtspflicht der
Schulen.
2.
Umfang der Aufsicht
2.1.
Aufsicht wird während des Unterrichts, der Pausen und Freistunden, während der
Teilnahme an sonstigen schulischen Veranstaltungen sowie während einer
angemessenen Zeit vor und nach diesen schulischen Veranstaltungen ausgeübt. Das
gleiche gilt für die vor Unterrichtsbeginn und nach Unterrichtsende in der Schule
entstehenden Wartezeiten der Schülerinnen und Schüler im Rahmen der allgemeinen
Schülerbeförderung.
2.2.
Eine Aufsichtsführung ca. 15 Minuten vor Beginn der ersten Unterrichtsstunde ist im
Allgemeinen ausreichend. Sie endet für die Schülerinnen und Schüler mit dem
Verlassen des Schulgrundstücks, im Anschluss an die Beendigung des Unterrichts.
Wird der tägliche Unterrichtsbetrieb beendet, findet eine schulische Aufsicht auf dem
Grundstück nicht mehr statt.
2.3.
Die Aufsichtspflicht gilt auch für den Unterricht außerhalb des Schulgrundstücks ( z.B.
auf Sportplätzen und in Schwimmbädern) und den Hin- und Rückweg von der Schule
zu diesem Unterricht ( Unterrichtsweg).
2.4.
Schulbushaltestellen – das sind sowohl Haltestellen des sog. freigestellten Schulbusverkehrs als auch des ÖPNV - werden beaufsichtigt, wenn sie auf dem Schulgelände
liegen oder unmittelbar an das Schulgelände grenzen. Falls an Schulbushaltestellen
außerhalb des Schulgeländes durch Besonderheiten ihrer Anlage Gefahren bestehen,
ist es auch Aufgabe der Schule, auf deren Beseitigung bei den zuständigen Stellen
hinzuwirken. In einem solchen Fall kann sich eine Aufsichtspflicht der Schule ergeben,
wenn eine Gefahrenbeseitigung nicht unverzüglich erreicht werden kann.
2.5.
Besuchen Schülerinnen und Schüler mehrerer Schulen dieselbe Schulveranstaltung
oder benutzen sie dieselben Schulgebäude, Schulanlagen oder Schulbushaltestellen,
so soll die Aufsichtsführung unter den beteiligten Schulen so geregelt werden, dass
für alle
2.6.
Schülerinnen und Schüler unbeschadet ihrer Schulzugehörigkeit eine einheitliche
Aufsicht besteht.
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2.7.
Treffen Schülerinnen und Schüler infolge der besonderen örtlichen Verhältnisse (
frühere Ankunft oder spätere Abfahrtzeiten der öffentlichen Verkehrsmittel oder des
Schulbusverkehrs) vor Beginn der Aufsicht in der Schule ein, oder können sie diese
erst nach Ende der Aufsicht verlassen, so sollen sie sich in einem eigens dafür
bereitgestellten Raum aufhalten. Dies gilt entsprechend, wenn Schülerinnen und
Schüler am Nachmittag Unterricht haben, an planmäßigen Arbeitgemeinschaften der
Schule oder an Veranstaltungen der Schülervertretung (SV ) teilnehmen wollen, und
ihnen während der Mittagspause die Rückkehr nach Hause nicht möglich oder nicht
zuzumuten ist. Für Grundschülerinnen und Grundschüler ist in diesen Fällen
grundsätzlich eine Beaufsichtigung sicherzustellen.
2.8.
Bei vorzeitig beendetem Unterricht ist die Aufsicht wie folgt auszuüben:
2.8.1.
Schülerinnen und Schüler der Klassenstufe 1 bis einschließlich Klassenstufe 8 dürfen
das Schulgelände nicht verlassen; sie sind bis zum Ende des stundenplanmäßig
vorgesehenen Unterrichts zu beaufsichtigen.
Die Eltern können sich zu Beginn des Schuljahres schriftlich oder für den Einzelfall
mündlich/ telefonisch damit einverstanden erklären, dass die Schülerinnen und
Schüler das Schulgelände nach der vorzeitigen Beendigung des Unterrichts
verlassen; die Eltern sind darauf hinzuweisen, dass – wie allgemein geltend – eine
Haftung der Schule bei Verlassen des Schulgeländes ausgeschlossen und dass der
gesetzliche Unfallversicherungsschutz grundsätzlich nur für den direkten Heimweg
gewährleistet ist.
2.8.2.
Schülerinnen und Schülern ab Klassenstufe 9 ist das Verlassen des Schulgeländes
nach der vorzeitigen Beendigung des Unterrichts freigestellt. Sie und ihre Eltern sind
jedoch zu Beginn des Schuljahres darauf hinzuweisen, dass – wie allgemein geltend –
eine Haftung der Schule bei Verlassen des Schulgeländes ausgeschlossen und dass
der gesetzliche Unfallversicherungsschutz grundsätzlich nur für den direkten Heimweg
gewährleistet ist.
2.8.3.
Die Schülerinnen und Schüler dürfen während der Schulzeit das Schulgelände nur mit
Erlaubnis einer Lehrkraft verlassen; in Pausen und Freistunden ist Schülerinnen und
Schülern der Sekundarstufe II das Verlassen des Schulgeländes erlaubt.
3.
Aufsichtführende
3.1.
Die Aufsicht kann durch die Schulleiterin oder den Schulleiter, die Lehrkräfte und die
sonstigen mit der Aufsicht betrauten Personen – das können Eltern, die sich dazu
bereit erklärt haben, und auch Schülerinnen und Schüler sein, die von der Schule mit
der Wahrnehmung besonderer Aufgaben betraut wurden ( z.B. Eltern- und
Schülerassistentinnnen und –assistenten) – ausgeübt werden. An die Weisungen
dieser Personen sind die Schülerinnen und Schüler gebunden.
3.2.
Hausmeisterinnen oder Hausmeister können grundsätzlich nicht zu Aufsichtsaufgaben
herangezogen werden. Zur Vermeidung von Unfällen, Personenschäden,
Sachschäden und Verunreinigungen können sie jedoch Aufsichtsmaßnahmen
gegenüber den Schülerinnen und Schülern ergreifen. Es bestehen keine Bedenken,
wenn ihnen in Ausnahmefällen die Schulleiterin oder der Schulleiter mit ihrer
Zustimmung eine Aufsichtsfunktion überträgt, soweit die Erfüllung der Aufgaben der
hausmeisterlichen Tätigkeit nicht beeinträchtigt wird.
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Grundsätze der Aufsichtsführung
Die Aufsichtspflicht ist gekennzeichnet durch drei wesentliche Komponenten:
Sie muss präventiv, aktiv und kontinuierlich erfolgen.
2.1.
Präventive Aufsichtsführung
Umsichtiges und vorausschauendes Handeln kennzeichnen eine präventive
Aufsichtsführung. Der Lehrer muss sich stets überlegen, ob durch die örtlichen oder zeitlichen
Verhältnisse oder aus einem Verhalten der Schüler Gefahren entstehen können und wie er
diese Gefahren abwenden kann. Dazu zählt die Anordnung eines ausreichenden
Sicherheitsabstandes vor der Bus- oder Bahnhaltestelle beim Schulausflug ebenso wie die
Warnung der Schüler vor zurückschnellenden Ästen beim Waldlauf oder die vorherige
Erkundung möglicher Gefahren bei einer Schulwanderung.
2.2.
Aktive Aufsichtsführung
Der Lehrer darf sich in der Regel nicht mit Warnungen und Weisungen an die Schüler zur
Verhütung von Unfällen und Schäden begnügen. Er muss vielmehr im Rahmen des Möglichen
und Zumutbaren Vorsorge für den Fall treffen, dass seine Ermahnungen nicht beachtet
werden. Verbote muss er erforderlichenfalls durchsetzen.
So verletzt ein Lehrer beispielsweise seine Aufsichtspflicht, wenn er zwar die Schüler bei
einem Schulausflug in felsiges Gelände vor dem Klettern warnt, dann aber doch kletternde
Schüler nicht weiter beachtet; er muss in einem solchen Fall nachhaltig eingreifen, etwa durch
die Anordnung, dass diese Schüler sich für den Rest des Ausflugs unmittelbar beim Lehrer
aufhalten müssen.
2.3.
Kontinuierliche Aufsichtsführung
Erforderlich ist eine kontinuierliche Beaufsichtigung, d.h. die Aufsicht muss grundsätzlich
ununterbrochen ausgeübt werden. Der Lehrer kann freilich nicht jeden einzelnen Schüler
ständig im Auge behalten; zumindest müssen sich die Schüler aber durch die Anwesenheit
des Lehrers beaufsichtigt fühlen.
So muss sich der Lehrer bei Wanderungen, bei denen sich Gruppen von Schülern bilden, in
jeder Gruppe abwechselnd aufhalten.
Ist der Lehrer aus zwingenden persönlichen Gründen oder aus dienstlichen Gründen
gezwungen, den Ort der Aufsichtsführung zu verlassen, so muss er alle zumutbaren
Vorkehrungen treffen, um für die Zeit seiner Abwesenheit Gefahren von den Schülern oder
durch die Schüler abzuwenden.
Ob Belehrungen ausreichen, ob ggf. die Bitte an den Lehrer der Nachbarklasse um
Aufsichtsführung oder die Beauftragung eines geeigneten Schülers mit der Aufsicht in
Betracht kommt, richtet sich immer nach dem Einzelfall. Wesentlich ist, dass sich die Schüler
nicht völlig unbeaufsichtigt fühlen.
Steht bereits einige Zeit vorher fest, dass wegen Abwesenheit des Lehrers die Klasse nicht
von ihm beaufsichtigt werden kann, so ist von der Schule die ersatzweise Aufsichtsführung
sicherzustellen. Die Verantwortung trägt der Schulleiter.
Allgemein gültige Regelungen über das richtige Verhalten des Lehrers im Einzelfall sind nicht möglich,
da es auf die jeweiligen Umstände ankommt. Jedoch ist jeder verantwortungsbewusste Lehrer in der
Lage, in jeder denkbaren Situation rasch und entschlossen zu handeln.
3
Haftungsfragen
Verletzt ein Lehrer die ihm obliegende Aufsichtspflicht, so stellt sich die Frage, wer letztlich die Kosten
für den Ersatz eines dadurch eintretenden Schadens des Schülers oder eines Dritten zu tragen hat.
Dabei kann sich eine Haftung in dreierlei Hinsicht ergeben:
Ø Zivilrechtliche Haftung (Schadensersatz)
Ø Strafrechtliche Haftung
Ø Disziplinarrechtliche Haftung
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Personenschäden von Schülern
„Soweit es sich dabei um Personenschäden handelt, ist die Haftung des Lehrers durch die gesetzliche
Unfallversicherung in der Regel abgelöst.“...
„Die Haftungsfreistellung besteht allerdings nicht, wenn eine vorsätzliche Aufsichtspflichtverletzung
gegeben ist, d.h. wenn ein Lehrer bewusst und gewollt seine Aufsichtspflicht verletzt und den
eintretenden Schaden billigend in Kauf nimmt.“
(Amberg, H.: Aufsichtspflicht und Haftung des Lehrers, BA – GUV, München 1983)
Folgen der Verletzung der Aufsichtspflicht
„Verletzt ein Lehrer schuldhaft die ihm obliegende Aufsichtspflicht und wird dadurch ein Schaden
verursacht, so ersetzt diesen – soweit die gesetzliche Unfallversicherung für Schüler nach der
Reichsversicherungsordnung eingreift – der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, in den
anderen Fällen der Staat. Der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung bzw. der Staat kann bei
dem Lehrer Rückgriff nehmen, wenn dieser vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat (§§ 637,
640 Reichsversicherungsordnung bzw. Artikel 34 Grundgesetz, § 86 Landesbeamtengesetz).
( aus: VV des Kultusmin. Vom 19.8.1982, zuletzt geänd. am 19.4.1983)
Strafrechtliche Haftung
Verletzungen der Aufsichtspflicht führen dann zu einer strafrechtlichen Ahndung, wenn der
Aufsichtsführende vorsätzlich oder fahrlässig gegen seine Pflichten verstoßen hat.
Disziplinarrechtliche Haftung
Dienstrechtlich gesehen ist die Vernachlässigung der Aufsichtsführung ein Dienstvergehen.
Welche Maßnahmen der Dienstherr für angemessen hält, wird sich nach der Schwere der
Dienstverletzung richten.
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Literaturhinweise
Aufsicht in Schulen, Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und
Weiterbildung vom 04.06.1999 zuletzt geä. am 09.07.2002
Avenarius/Heckel: Schulrechtskunde, Luchterhand Verlag, Neuwied 2000
BAGUV: Mit der Schulklasse unterwegs, Best.-Nr. 57.1.38
Böhm, T.: Aufsicht und Haftung – schulrechtliche Fallbearbeitungen für Pädagogen, aus: Praxishilfen
Schule, Luchterhand Verlag 1994
Erkundungen und Praktika in allgemein bildenden Schulen, im Amtsblatt......Nr. 17/2000
Fetzer, H.: Die Aufsichtspflicht der Lehrkräfte, in: Pädagogik Nr. 9/ 1994
Hinweise zur Aufsichtspflicht in den verschiedenen Schulordnungen (GS vom 10.10.2008, § 21;
Übergreifende Schulordnung vom 12.06.2009, § 36)
Richtlinien für Schulfahrten, Amtsblatt Nr. 1/2006 und Amtsblatt Nr. 12/2007
Schwimmunterricht sowie Schwimmen und Baden bei Schulveranstaltungen: im Amtsblatt Nr.12/1999
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