Text zum Buch „Der heimliche Lehrplan der Minderheitenbildung“
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Text zum Buch „Der heimliche Lehrplan der Minderheitenbildung“
DER HEIMLICHE LEHRPLAN DER MINDERHEITENBILDUNG. DIE ZWEISPRACHIGE SCHULE IN KÄRNTEN 1945-2007 Vladimir Wakounig Vor genau 50 Jahren ist in Kärnten der obligatorische zweisprachige Unterricht auf Druck von deutschnationalen Verbänden abgeschafft worden. Die Neuerscheinung nimmt die gesellschafts- und schulpolitischen Auswirkungen dieser bildungsfeindlichen Maßnahme unter die Lupe. Das Buch beschäftigt sich mit dem gesellschaftlichen Stellenwert des zweisprachigen Schulwesens in Kärnten. Es ist eine bildungshistorische Regionalstudie, deren Fokus auf einer anderen Betrachtung der „Geschichte“ des Minderheitenschulwesens im Zeitraum von 1945 bis 2007 liegt. Die Intention des Autors besteht darin, sich mit einem anderen, oft nicht erlaubtem Blick, den beiden wesentlichen Fragen zu nähern; nämlich, warum wird ein zweisprachiges Schulwesen zur Minderheitenschule gemacht und wie funktionieren die gesellschaftliche und politische Minorisierung von Lebensverhältnissen (in Kärnten). In der Arbeit wird anhand von entscheidenden historischen Ereignissen und biographischen Fällen nachgewiesen, dass unter politischen Bedingungen, die sich am Leitmotiv der ständigen Ethnisierung von Beziehungen und Alltagserfahrungen orientieren, eine zweisprachige schulische Erziehung geringe Entwicklungsmöglichkeiten hat. Die zweisprachige Ausbildung bzw. die Zweisprachigkeit wird immer wieder mit ethnischen Bedeutungsmustern markiert und bekommt nur schwer die Funktion eines allgemein wichtigen und erstrebenswerten Bildungsziels. Daran ändern auch die letzten Entwicklungen im Minderheitenschulwesen wenig, obwohl die Anmeldungen zum zweisprachigen Unterricht von Jahr zu Jahr ständig steigen. Es zeigt sich, dass der jahrzehntelange Ethnisierungsdiskurs (Fremdethnisierung durch die Mehrheit, Selbstethnisierung durch die Minderheit) weiterhin die schulpolitischen Entscheidungen (mit mehreren Beispielen auf kommunaler Ebener belegt) prägt und die Zweisprachigkeit in prekäre ethnische Zugehörigkeitsverhältnisse drängt. Am folgenschweren Ethnisierungsprozess sind sowohl Mehrheit und Minderheit beteiligt, wobei betont werden muss, dass die politischen Machtverhältnisse eine ganz entscheidende Rolle einnehmen. Als methodologischen Ansatz wählt der Autor die Dekonstruktion, um die binären Standpunkte zwischen Mehrheit und Minderheit zu überwinden. Mit einem solchen Zugang ist es möglich, die offizielle Geschichtsschreibung und Bildungsgeschichte infrage zu stellen und jenem Wissen Raum und Öffentlichkeit zu geben, das bislang verdrängt und ausgeschlossen wurde. Für die Bearbeitung seiner Fragestellung wird eine Bandbreite von Daten und „Texten“ herangezogen – wie Verordnungen, Gesetzessammlungen, offizielles Wissen, personalisierte Erfahrungen und Flugblätter. Es ist eine intensive Auseinandersetzung mit zahlreichen (Alltags-)Diskursen auf verschiedenen Ebenen. Für PädagogInnen, HistorikerInnen, Schul- und BildungspolitikerInnen sowie VolksgruppenpolitikerInnen ist dieses Buch eine Pflichtlektüre, weil sie einen schonungslosen und kritischen Einblick in den Umgang der österreichischen Politik mit den Minderheiten gibt.