15 UF 124/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht

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15 UF 124/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht
15 UF 124/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht
6 F 30/00 Amtsgericht Zossen
006
Anlage zum Protokoll
vom 08.11.2001
Verkündet am 08.11.2001
...
Justizangestellte
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss
In der Familiensache
betreffend das Sorgerecht für das Kind
A... K..., geb. am ...1995,
gesetzlich vertreten durch beide Eltern,
an der beteiligt sind:
1.
die Mutter, Frau H... K...,
Antragsgegnerin, Beschwerdeführerin
und Anschlussbeschwerdegegnerin,
- Verfahrensbevollmächtigte:
2.
Rechtsanwälte -
der Vater, Herr T... K...,
Antragsteller, Beschwerdegegner und
Anschlussbeschwerdeführer,
- Verfahrensbevollmächtigte:
3.
Rechtsanwälte
das Jugendamt des Landkreises T..,
-2-
4.
das Jugendamt des Landkreises H...,
hat der 3. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 18. Oktober 2001
durch den Richter am Oberlandesgericht ...,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richterin am Landgericht ...
beschlossen:
Die Beschwerde der Mutter und die Anschlussbeschwerde des Vaters gegen das am
13. Juni 2001 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Zossen - 6 F
30/00 - werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Gründe
I.
Wegen des Sachverhalts nimmt der Senat zunächst Bezug auf Ziff. I der Gründe seines am
08.02.2001 verkündeten Beschlusses in dem auf Erlass einer vorläufigen Anordnung gerichteten Beschwerdeverfahren 15 WF 212/00.
Seit dem 11.02.2001 hat A..., entsprechend den Bestimmungen dieses Beschlusses, ihren Lebensmittelpunkt beim Vater und wird von diesem gepflegt und erzogen. Zugunsten der Mutter
wurde bis September 2001 im wesentlichen die ebenfalls in dem Beschluss durch den Senat
getroffene Umgangsregelung praktiziert; in der Sitzung vom 27.09.2001 im Scheidungsverfahren 6 F 127/00 Amtsgericht Zossen haben sich die Eltern einvernehmlich auf eine neue
Umgangsregelung verständigt, die seitdem zwischen ihnen Geltung beansprucht.
Der Vater hat im Hauptsacheverfahren beantragt,
-3-
das Sorgerecht für A... auf ihn zu übertragen.
Die Mutter hat sich darauf beschränkt zu beantragen,
das Aufenthaltsbestimmungsrecht für A... auf sie zu übertragen,
und will im übrigen am gemeinsamen Sorgerecht beider Eltern festhalten.
Das Amtsgericht hat durch das angefochtene Urteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht für A...
auf den Vater übertragen und es im übrigen beim gemeinsamen Sorgerecht der Eltern belassen. In den Entscheidungsgründen hat es sich im wesentlichen die Ausführungen des Senats in
dem erwähnten Beschluss vom 08.02.2001 zu eigen gemacht.
Gegen dieses Urteil haben beide Eltern Beschwerde eingelegt, mit der sie jeweils ihren erstinstanzlichen Hauptsacheantrag weiterverfolgen, soweit ihm nicht stattgegeben worden ist.
Der Senat hat in der Sitzung vom 18.10.2001 die beteiligten Eltern erneut ausführlich angehört; auf eine erneute Anhörung von A... ist einvernehmlich verzichtet worden. Die beteiligten
Jugendämter haben unter dem 11.10.2001 und unter dem 15.10.2001 schriftlich Stellung genommen; auf den Inhalt ihrer Stellungnahmen - Bl. 713 ff., 718 ff. d.A. - wird Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde der Mutter und die (selbständige) Anschlussbeschwerde des Vaters sind
gemäß § 621 e ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
Der Umstand, dass das Amtsgericht in dieser Sache durch Urteil entschieden hat, ändert an
der Statthaftigkeit der Beschwerden nichts. Richtigerweise hätte das Amtsgericht nämlich
nicht durch Urteil, sondern durch Beschluss entscheiden müssen. Die beteiligten Eltern streiten in der Hauptsache um das Sorgerecht, insbesondere um das Aufenthaltsbestimmungsrecht
-4-
für ihr gemeinsames Kind, ein Begehren, das gemäß §§ 621 a Abs. 1, 621 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO
im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu behandeln ist. In Fällen dieser Art ist nach
dem "Meistbegünstigungsgrundsatz" sowohl der "richtige" Rechtsbehelf als auch der Rechtsbehelf, den die äußere Form der Entscheidung nahelegt, statthaft (Zöller/Gummer, ZPO, 22.
Aufl., 2001, Rdnr. 29 vor § 511). In jedem Fall kann der Senat ohne weiteres in das "richtige"
Verfahren übergehen also im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit durch Beschluss entscheiden; das Rechtsmittelgericht braucht dem Untergericht nicht auf dem eingeschlagenen
falschen Weg zu folgen, sondern kann das Verfahren selbst in die richtige Richtung lenken
(Zöller/Gummer, a.a.O., Rdnr. 31 vor § 511, jeweils m.w.N.).
2. In der Sache haben beide Beschwerden keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat im Ergebnis zu
Recht gemäß §§ 1671 Abs. 1, Abs. 2 Ziff. 2 BGB das Aufenthaltsbestimmungsrecht für A...
auf den Vater übertragen und es im übrigen bei dem gemeinsamen Sorgerecht der Eltern belassen; denn dies entspricht auch nach Auffassung des Senats jedenfalls zur Zeit und bis auf
weiteres dem Kindeswohl am besten.
a) Seit nunmehr neun Monaten lebt A... beim Vater in G... und ist dort eingeschult worden.
Dafür, dass der Vater seiner Erziehungs- und Förderungspflicht nicht in ausreichendem Maße
nachkäme oder dies in der Zukunft zu besorgen wäre, sieht der Senat auch nach der erneuten
Anhörung der Eltern keine greifbaren Anhaltspunkte. Der Umstand, dass der Vater einen anderen, möglicherweise strengeren und emotional weniger zugewandten Erziehungsstil pflegt,
als die Mutter es für richtig hält, ändert daran nichts; denn eine gewisse "Einseitigkeit" der
Erziehung ist, jedenfalls solange es den Eltern nicht gelingt, die zwischen ihnen bestehenden
Spannungen zu überwinden und die Erziehung von A... im Interesse des Kindes einvernehmlich und gemeinsam zu gestalten, angesichts der unterschiedlichen Temperamente der Eltern
eine notwendige Folge ihrer Trennung.
Bei dieser Sachlage erscheint es dem Senat, auch vor dem Hintergrund, dass A... vor allem
im zweiten Jahr nach der Trennung ihrer Eltern ständig zwischen ihnen hin- und hergerissen
worden ist, unter dem Gesichtspunkt der Kontinuität am sinnvollsten, die Lebenssituation, in
der A... jetzt zur Ruhe gekommen ist, nicht ein weiteres Mal einschneidend zu verändern.
Das gilt umso mehr, als ein Wechsel in den Haushalt der Mutter jedenfalls zur Zeit für A...
zwangsläufig auch mit einem Schulwechsel verbunden wäre. Einen Schulwechsel in der jetzi-
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gen Situation hält indes offenbar nicht einmal die Mutter selbst für zumutbar; immerhin erwägt sie - jedenfalls hat sie dies im Zuge ihrer Anhörung vor dem Senat zum Ausdruck gebracht -, wieder in die Nähe des jetzigen Wohnsitzes des Kindes zu ziehen, um A... , ohne ihr
einen Schulwechsel ansinnen zu müssen, ständig nahe sein zu können. Ob, wenn ein solcher
Umzug zu einem späteren Zeitpunkt tatsächlich stattgefunden haben sollte, sich die Frage des
Lebensmittelpunktes von A... und, damit einhergehend, die Frage des Aufenthaltsbestimmungsrechts erneut stellt und ggf. auf Grund der dann entstandenen neuen Situation anders
geregelt werden muß, ist an dieser Stelle nicht zu entscheiden.
b) Im übrigen, also über die Frage des Aufenthaltsbestimmungsrechts hinaus, sieht der Senat
allerdings keine hinreichende Veranlassung, abweichend vom Leitbild des Gesetzes das gemeinsame Sorgerecht der Eltern aufzuheben und es ganz auf den Vater zu übertragen. Zwar ist
dem Vater zuzugeben, dass in der Tat jedenfalls zur Zeit nicht zu erkennen ist, dass die Eltern
bereit und in der Lage wären, über die Belange des gemeinsamen Kindes sinnvoll miteinander
zu sprechen und einvernehmliche Lösungen zu finden. Und auch der Senat missbilligt es, dass
die Mutter etwa eigenmächtig und ohne Absprache mit dem Vater Lehrpersonen von A...
aufsucht und mit ihnen intensive Gespräche über eine angemessene Erziehung des Kindes
führt, die tendenziell geeignet sind, die Erziehungsvorstellungen und -bemühungen des Vaters
zu hintertreiben, denn dies geht über das natürliche Recht eines jeden Elternteils auf Teilhabe
an der Erziehung und Information über den Entwicklungsstand des Kindes hinaus. Auf der
anderen Seite stehen - soweit ersichtlich - in absehbarer Zeit keine sorgerechtsrelevanten Entscheidungen für A... an, die der Vater auf der Grundlage des geltenden Rechts nicht ohnehin
allein treffen kann (vgl. §§ 1629 Abs. 1 Satz 4, 1687 Abs. 1 Satz 2-4 BGB). Deshalb erscheint
es vertretbar, die Mutter nicht noch weiter aus ihrer Erziehungsverantwortung herauszudrängen, als dies nach Lage der Dinge unvermeidbar ist; der Senat verbindet damit die Hoffnung,
in gewisser Weise aber auch einen Appell an beide Eltern, dass sie sich in der Zukunft wieder
auf ihre gemeinsame Elternverantwortung besinnen und es wieder lernen, in den Belangen,
die A... betreffen, einvernehmlich zum Wohle des Kindes zusammenzuarbeiten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 FGG.
Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens: 5.000,00 DM.

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