Tropen und Figuren - Deutsches Seminar

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Tropen und Figuren - Deutsches Seminar
Prof. Dr. Achim AURNHAMMER
Deutsches Seminar II
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Tropen und Figuren
Tropus: Veränderung der Äußerung auf Wortebene: Ersetzung des eigentlichen Ausdrucks durch einen uneigentlichen.
Figur: Veränderung der Äußerung auf Satzebene:
– Rede- oder Wortfigur: in sprachlicher Hinsicht
– Sinnfigur: in gedanklicher Hinsicht
1.
Tropen
(QUINTILIAN behandelt vierzehn Arten von Tropen: 1. metaphora 2. synecdoche 3. metonymia 4. antonomasia 5.
onomatopoeia 6. abusio (katachresis) 7. metalepsis 8. epitheton 9. allegoria 10. aenigma 11. ironia 12. periphrasis 13.
hyperbaton 14. hyperbole)
1.1
Metapher (translatio)
Ersetzung des eigentlichen Ausdrucks durch ein Wort aus einem anderen Bereich, der zu dem eigentlichen Ausdruck
in einem Analogieverhältnis steht (»Achill war ein Löwe in der Schlacht«) ohne Abbildungsfunktor (»wie«) (»Achill
kämpfte wie ein Löwe« wäre ein Vergleich)
– Genitivmetapher (»die Zungen der Sehnsucht«, Celan), Verbmetapher (»Lichte dirnen aus dem Fenster«, Stramm),
Adjektivmetapher (»der lallende Quell«, Trakl) sind wichtige Verwendungsformen.
– Charakterisierung der Metapher nach Herkunfts- und Zielbereich:
Personifikation (Herkunftsbereich menschlich, Zielbereich nicht-menschlich) (»An meinen Fenstern weint die
Nacht«, Trakl), Synästhesie (Übertragung vom Bereich einer Sinneswahrnehmung auf den einer anderen) (»Stille
blüht die Myrthe«, Trakl)
1.2
Metonymie (denominatio)
Ersetzung des eigentlichen Ausdrucks durch ein Wort aus demselben Bereich, das mit dem eigentlichen Ausdruck
durch folgende Verflechtungen verbunden sein kann:
– Personen statt Sache (»Bacchus« statt »Wein«)
– Gefäß statt Inhalt (»einen Becher trinken« statt »die im Becher enthaltene Flüssigkeit trinken«), auch auf Personen
anwendbar (»der Vatikan« statt »der Papst und seine Mitarbeiter«)
– Ursache und Wirkung (»pallida mors« statt »bleichmachender Tod«) bzw. der Erzeuger für das Erzeugte
– Material statt Erzeugnis (»Eisen« statt »Schwert«)
– Abstraktum statt Konkretum (»die Jugend« statt »die jungen Leute«)
1.3
Synekdoche
Ersetzung des eigentlichen Ausdrucks durch ein Wort, das entweder mehr oder weniger umfaßt (»quantitative
Metonymie«).
– Pars pro toto (»Tritt unter mein Dach« statt »in mein Haus«)
– Totum pro parte (»Den Wald ins Haus bringen« statt »einen Baum«)
– Art für Gattung (»Brot« statt »für die Erhaltung des Lebens notwendige Nahrungsmittel«)
1.4
Antonomasie
Ersetzung eines Eigennamens durch eine Periphrase (Umschreibung) (»Die neptunische Stadt« statt »Venedig«) oder
durch ein Appellativ (der »Philosoph« statt »Aristoteles«).
Die Umkehrung (Ersetzung der Bezeichnung einer Gattung durch den Eigennamen eines ihrer typischen Vertreter)
nennt man »Vossianische Antonomasie« (»sibirisches Klima« statt »kaltes Klima«, »ein Herkules« für »ein starker
Mann«).
1.5
Litotes (Untertreibung)
Periphrastische Dissimulations-Ironie, indem ein superlativischer Grad durch die Negation des Gegenteils
umschrieben wird (»nicht klein« bedeutet »sehr groß«, »es ist mir nicht unbekannt« bedeutet »es ist mir sehr gut
bekannt«).
1.6
Hyperbel (Übertreibung)
Graduelle Überbietung des ersetzten Ausdrucks über die Glaubwürdigkeit hinaus (»Wolkenkratzer« statt
»Hochhaus«).
2
2.
Wortfiguren
2.1
Figuren der Worthäufung
2.1.1 Worthäufung
Parataktische Reihung von Wörtern, die einen einheitlichen Sachverhalt bezeichnen. Wenn die Wörter (fast)
bedeutungsgleich sind, sprich man von Synonymie (»Für immer fort und ganz vergangen«, Hofmannsthal).
2.1.2 Pleonasmus
Unterordnende Häufung bedeutungsähnlicher Ausdrücke (»Ich wiederhole es noch einmal«).
2.1.3 Epitheton
Hinzufügung eines nicht unbedingt erforderlichen Attributs, das sogar pleonastisch sein kann (»aus einem kleinen
Kind«, Hofmannsthal).
2.1.4 Klimax
Häufung mit Steigerungseffekt (»Wie kann das sein dass diese nahen tage / Fort sind für immer fort und ganz
vergangen«, Hofmannsthal).
2.1.5 Diärese
Häufung, bei der ein Ganzes in einzelne Teile zerlegt wird; das Ganze kann genannt oder weggelassen werden
(»Amsel, Drossel, Fink und Star / und die ganze Vogelschar«).
2.2
Figuren der Wortwiederholung
2.2.1 Anapher
Wiederholung eines Worts (einer Wortgruppe) jeweils am Anfang aufeinanderfolgender Sätze (Kola, Verse) (»Wie
Feuer ihr Haar im Sturme weht, / Wie Feuer an Wolken vorüber und klagt –«, Trakl).
2.2.2 Epipher
Entsprechende Wiederholung am Ende (»hobst du mir meinen Kranz auf, / meinen Kranz auf«, Dehmel).
2.2.3 Symploke
Verbindung von Anapher und Epipher (»Was ist der Toren höchstes Gut? Geld! / Was verlockt selbst die Weisen?
Geld!«).
2.2.4 Epanalepse (Geminatio)
Doppelsetzung eines Wortes (einer Wortgruppe), meist am Satzanfang (»Steh auf, steh auf vom Meeresschooß!«,
Dehmel).
2.2.5 Anadiplose (Reduplicatio)
Wiederholung des letzten Wortes eines Satzes (oder Verses) am Anfang des folgenden (»Die Nacht ist stumm, es
weint wohl der Wind, / Der Wind, wie ein verlornes Kind –«, Trakl).
2.2.6 Epiploke
Eine fortgesetzte Anadiplose (»An meinen Fenstern weint die Nacht – / Die Nacht ist stumm, es weint wohl der
Wind, / Der Wind, wie ein verlornes Kind–«, Trakl).
2.2.7 Kyklos
Wiederholung des ersten Wortes eines Satzes (oder Verses) am Ende desselben (»Lebt wohl, ihr Berge, ihr geliebten
Triften, / ihr traulich stillen Täler, lebet wohl«, Schiller).
2.2.8 Distinktion
Spiel mit einem Wort in verschiedenen Bedeutungen (oft ist eine davon emphatisch) (»Die Hand, die eine Perle fand
/ In Einfalt, – eine glückliche Hand!«, Harlan).
2.2.9 Variatio
Vermeidung einer Wortwiederholung oder metrischer Eintönigkeit mithilfe eines Tropus.
2.3
Figuren der Worteinsparung
2.3.1 Ellipse
Auslassung eines in der normalen Konstruktion notwendigen Wortes (»Palmström, etwas schon an Jahren«,
Morgenstern).
3
2.3.2 Zeugma
Ein Satzlied (meist Verb) ist mehreren syntaktisch einander gleichgeordneten Satzgliedern gemeinsam (»Er schlug die
Stühl’ und Vögel tot«, Struwwelpeter).
2.3.3 Constructio apo koinu
Das ausgeklammerte Glied paßt syntaktisch nur zu einem der eingeklammerten Satzglieder, da diese untereinander
ungleichartig sind (Numerus, Person) (»Was frommt das alles uns und diese Spiele«, Hofmannsthal).
2.4
Klangfiguren
2.4.1 Gleichklang des Wortkörpers
a) Paronomasie
Verwendung ähnlich klingender Wörter. Hauptformen:
– Spiel mit ähnlich klingenden, aber nach Herkunft und Sinn verschiedenen Wörtern (»Der Wind, wie ein
verlornes Kind«, Trakl)
– Spiel mit stamm- und sinnverwandten Wörtern (»Ein Lächler ward ich, der ein Lacher war«, Bierbaum)
b) Figura etymologica
Verb mit stammverwandtem Objekt (»sein Leben leben«, »einen Kampf kämpfen«)
c) Polyptoton
Wiederholung eines Wortes mit Änderung des Kasus (»Lupus est homo homini«).
2.4.2 Gleichklang einzelner Laute
a) Homoioteleuton
Gleichklang des Wortschlusses, Prinzip des Endreims. Wenn der Gleichklang durch Gleichheit des Kasus erreicht
wird, spricht man von Homoioptoton
b) Alliteration
Wiederholung eines Lauts, meist nur auf den konsonantischen Anlaut bezogen (»Schall nur, wie Windeswehn,
Wassergerinn, / Worte«, Beer-Hofmann)
c) Assonanz
Gleichklang von Vokalen (»die Seele in beschwerendem Gewand«, Schmitz)
d) Paromoiose
Kombination mehrerer Gleichklänge (»O laß mich still so liegen«, Dehmel).
2.5
Figuren der Wortverbindung
2.5.1 Asyndeton
Auslassung der Verbindungspartikel zwischen koordinierten Satzteilen (»Form ist Wollust, Friede, himmlisches
Genügen«, Stadler).
2.5.2 Polysyndeton
Jedesmalige Setzung der Verbindungspartikel zwischen koordinierten Satzteilen (»Schwester, da ich dich fand an
einsamer Lichtung / Des Waldes und Mittag war und groß das Schweigen des Tiers«, Trakl).
2.6
Figuren der Wortbeziehung
2.6.1 Hendiadyoin
Zusammenstellung zweier Worte zu einem Begriff: Zwei Hauptwörter werden einander beigeordnet, von denen das
eine eigentlich nur beiwörtliche Geltung hat (»Arma virumque cano«, Vergil [»Den Mann und die Waffen besinge
ich« statt »den Mann in Waffen«]).
2.6.2 Enallage
Änderung einer Wortbeziehung, v. a. die Zuordnung eines Adjektivs zu einem übergeordneten Substantiv statt zu
einem untergeordneten (»Und der Schrei des einsamen Vogels über der grünen Stille des Teichs«, Trakl). Hierzu
gehört auch die Prolepsis des Adjektivs: ein Adjektiv (oder Partizip) wird einem Substantiv zugeordnet, obwohl es
erst Ergebnis der Handlung ist (»Von der Wüste blies der rote Wind«, Musil).
2.7
Figuren der Wortstellung und Satzkonstruktion
2.7.1 Parallelismus
Wiederholung eines syntaktischen Ablaufs (»Ich fühl’ es schon wie junger Knospen Schwellen, / Ich hör’ es rieseln
wie befreite Quellen«, Matthaei).
4
2.7.2 Isokolon (Parison)
Ein Parallelismus mit gleicher Länge (Wortzahl oder sogar Silbenzahl) der Kola (»Schmiert die Guillotine / mit der
Pfaffen Fett, / schmeißt die Konkubine / aus des Fürsten Bett«).
2.7.3 Chiasmus
Überkreuzstellung entsprechender Satzglieder (»Schlaf mein Kind, – mein Kind schlaf ein!«, Beer-Hofmann). Eine
Sonderform bildet die Antimetabole, ein syntaktischer Parallelismus, mit lexikalischem Chiasmus verbunden (»Wir
leben nicht um zu essen, sondern wir essen um zu leben«).
2.7.4 Hyperbaton (Sperrung)
Trennung von zwei syntaktisch eng zusammengehörigen Wörtern (gewöhnlich Substantiv und Attribut) durch ein
anderes (oder mehrere): Verschränkung.
3.
Sinnfiguren
3.1
Epimone (Gedankenwiederholung), Tautologie
Verweilen bei einem Gedanken durch Wiederholung in anderer Formulierung; oft wird dasselbe positiv und negativ
ausgedrückt (»Dann: daß ich auch vor hundert Jahren war / und meine Ahnen, die im Totenhemd, / Mit mir
verwandt sind wie mein eignes Haar«, Hofmannsthal).
Antithese
Pointierte Nebeneinanderstellung gegensätzlicher Gedanken. Dabei werden als Mittel der sprachlichen
Hervorhebung besonders die Figuren der Wortstellung und Satzkonstruktion verwendet.
Ekphrasis
Verweilen bei einem Gegenstand durch eine ausführliche, exkursartige Schilderung.
Vergleich, Gleichnis
Verdeutlichung eines Sachverhalts durch Heranziehen eines analogen Sachverhalts aus einem anderen Bereich.
Durch Fortfall des Abbildungsfaktors (»wie«), oder sogar des Verglichenen entsteht aus dem kurzen Vergleich eine
Metapher, aus dem längeren Gleichnis eine Allegorie.
Priamel
Beispielreihung mit abschließender Pointe.
Gnome, Sentenz
Ein eingefügter Satz allgemeiner Lebensweisheit; eine Gnome, die allgemein verbreitet ist, heißt Sprichwort.
Epiphonem
Abschluß eines Gedankenganges durch einen allgemeinen Satz, ein Resümee oder eine Sentenz (»Und drei sind eins:
ein Mensch, ein Ding, ein Traum«, Hofmannsthal).
Präteritio
Erklärung, einen Gegenstand übergehen zu wollen, wobei er jedoch angedeutet wird (»Und sag nicht dass dein leid
dein führer sei«, George).
Aposiopese
Abbruch eines Satzes, Stillschweigen mitten in der Rede.
Hysteron proteron
Das zeitlich Spätere wird zuerst genannt (»Wie eine Heilige die ihr Blut vergiesst«, Hofmannsthal).
Oxymoron
Enge Verbindung scheinbar widersprüchlicher Begriffe (»Unser Schweigen sagte uns Alles!«, Holz).
Apostrophe
›Abwendung‹ des Autors vom Leser, stattdessen Anrede an abwesende Personen, an Tote, an Sachen, an Abstrakta,
insbesondere die Anrede des Dichters an eine Figur seiner Dichtung.
Rhetorische Frage
Verwendung eines Fragesatzes statt eines Aussagesatzes. Die Antwort gilt als selbstverständlich, und zwar nach
positiver Frage eine negative, nach negativer eine positive (Aber: »Ist das noch derselbe Himmel, / Der sich über mir
gespannt, / Als im flackernden Gewimmel / Wilder Feuer ich gebrannt?« [Ja], Henckell).
Personifikation
Einführung lebloser oder abstrakter Dinge als redender Personen (Die Fiktion von Reden wirklicher, auch
historischer Personen heißt Ethopoiia).
Ausruf
Allegorie
Ausdehnung der Metapher auf einen größeren Textzusammenhang. In weiterem Sinne versteht man unter Allegorie
jede bildliche Verschlüsselung abstrakter Ideen.
3.2
3.3
3.4
3.5
3.6
3.7
3.8
3.9
3.10
3.11
3.12
3.13
3.14
3.15
3.16

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