Der sekundäre Hyperparathyroidismus bei chronischer

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Der sekundäre Hyperparathyroidismus bei chronischer
Der sekundäre Hyperparathyroidismus bei chronischer Niereninsuffizienz
Störungen des Calcium/Phosphat-Haushalts und des Knochenmetabolismus finden sich häufig
bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz. Diese Störungen beginnen bereits in der
Frühphase der Niereninsuffizienz und nehmen progredient mit Verlust der exkretorischen
Nierenfunktion zu, lassen sich jedoch in vielen Fällen therapeutisch günstig beeinflussen. Die
Betroffenen leiden unter Knochenschmerzen, einem erhöhten Frakturrisiko, proximaler
Myopathie, Muskelschmerzen und Sehnenrupturen. Bei Kindern besteht eine ausgeprägte
Wachstumsretardierung. In jüngerer Zeit hat man zunehmend mehr Augenmerk auf die
Bedeutung von Weichteilverkalkungen hinsichtlich Morbidität und Mortalität gelegt. Pulmonale
Calcifikationen können zu einer Lungenfibrose mit pulmonaler Hypertonie und
Rechtsherzversagen führen. Verkalkungen im Bereich des Myokards, der Koronarien und der
Klappen können zu Herzinsuffizienz, koronarer Herzkrankheit und Arrhythmien Anlass geben.
In diesem Zusammenhang wird der Hyperphosphatämie und dem sekundären
Hyperparathyroidismus heute eine zentrale Bedeutung für das Überleben der Betroffenen
beigemessen. Zentrales Anliegen ist es daher, die Hyperphosphatamie und den sekundären
Hyperparathyroidismus frühzeitig zu behandeln.
Pathogenese des sekundären HPT bei chronischer Niereninsuffizienz
Bei chronischer Niereninsuffizienz kommt es bereits sehr früh zu einer Phosphatretention, die
wahrscheinlich zum einen durch den Verlust der GFR zum anderen durch einen relativen
Vitamin-D-Mangel bedingt ist. Infolge des Vitamin-D-Mangels und der Hyperphosphatämie
entwickelt sich eine Hypocalcämie, die ursächlich für die vermehrte PTH-Sekretion
verantwortlich gemacht wird. Bei den meisten Patienten mit fortgeschrittener Niereninsuffizienz
besteht eine Hyperplasie der Nebenschilddrüse, wobei nicht alle 4 Drüsenkörperchen
gleichmäßig betroffenen sind. In den hyperplastischen Drüsen entwicklen sich über die Zeit gut
abgrenzbare Noduli. Die intranodulären Zellen exprimieren weniger Vitamin-D- und CalciumSensing-Rezeptoren und weisen eine höhere Proliferationrate als extranoduläre Zellen auf.
Intranodulär setzt sich häufig ein einziger Zellklon durch, so dass innerhalb eines solchen
Nodulus Monoklonalität besteht. Bestehen mehrere monoklonale Noduli, spricht man von einer
multinodulären Hyperplasie. Hypocalcämie, relative Vitamin-D-Mangel und die
Hyperphosphatämie gelten heute als wesentliche Faktoren für die Entwicklung der
Nebenschilddrüsen-Hyperplasie.
BEURTEILUNG DES CALCIUM/PHOSPHAT-HAUSHALTS
1) Serum-Calcium, Phosphat und intaktes PTH sollten bei allen Patienten ab einer
GFR von weniger als 60 ml/min bestimmt werden.
2) Der therapeutisch angestrebte Zielbereich für den Plasma-PTH-Spiegel ist abhängig
vom Schweregrad der Niereninsuffizienz (Tab. 1):
Tab. 1 PTH-Zielbereiche und Kontrollhäufigkeit in Abhängigkeit von der Nierenfunktion
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PTH-Zielbereich:
PTH-Kontrollen:
Ca/PO4 Kontrollen:
GFR 30-59 ml/min: 35-70 pg/ml
Alle 12 Mo
Alle 12 Mo
GFR 15-29 ml/min: 70-110 pg/ml
Alle 3 Mo
Alle 3 Mo
GFR <15 ml/min: 150-300 pg/ml
Alle 3 Mo
Monatlich
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Kommentar
Die Konzentration von PTH im Plasma steigt an, sobald die GFR unter 60 ml/min abfällt.
Parallel hierzu lassen sich auch am Knochen die Folgen eines Hyperparathyroidismus
nachweisen. Der Schweregrad des sekundären Hyperparathyroidismus nimmt mit dem Verlust
an GFR progredient zu. Auch die Alterationen des Calcium/Phosphathaushalts (Hypocalcämie/
Hyperphosphatämie) nehmen zu und tragen ihrerseits zur wiederum zur Verschlechterung des
Hyperparathyroidismus und der renalen Osteodystrophie bei. Aus diesen Gründen wird
empfohlen Calcium, Phosphat und PTH bei Patienten mit einer GFR von weniger als 60 ml/min
zu überwachen.
Zur Beurteilung, ob eine high Turn-over Osteopathie vorliegt, kann intaktes PTH bestimmt
werden. Die Sensitivität für die Erkennung eines erhöhten Knochen-Turnovers liegt bei 93%, die
Spezifität bei 77% für PTH-Werte >200 pg/ml. PTH-Konzentrationen <60 pg/ml sprechen für
einen erniedrigten Knochen-Turnover (adynamer Knochen), wobei hier die Sensitivität mit 70%
und die Spezifität mit 87% angegeben wird. Seit Kurzem gibt es neue PTH-Assays, die offenbar
ausschließlich 1-84 PTH erkennen. Der angegebene Normbereich liegt mit 7 – 36 pg/ml im
Gegensatz zu 16 – 65 pg/ml für Assays, die intaktes PTH messen, um die Hälfte niedriger, da die
neuen Assays keine zirkulierende PTH-Fragmente erfassen.
Radiologische Verfahren zur Diagnose eines erhöhten Knochen-Turnovers bei renaler
Osteopathie (Skelett-Röntgen zur Erkennung von Knochenerosionen) werden häufig eingesetzt,
weisen jedoch eine relativ niedrige Sensititvität (60%) und Spezifität (75%) auf. Eine
Klassifizierung in high oder low turn-over Osteopathie gelingt mit letztlich nur mittels
Knochenhistologie. Die radiologischen Verfahren erfahren allerdings zunehmende Bedeutung
bei der Diagnostik von Gefäßverkalkungen, neuere Verfahren wie die Electron Beam Computer
Tomographie und das Spiral-CT werden vermutlich in Zukunft eine wichtige Rolle in der
Beurteilung von vaskulären Calcifikationen bei Patienten mit Niereninsuffizienz spielen. Die
Bedeutung der Dual Energy X-ray Absoption (DEXA) als nicht-invasives Verfahren zur
Beurteilung des Mineralsalzgehalts des Knochens bei renaler Osteopathie ist noch ungeklärt. Es
ist zu erwarten, dass man mittels DEXA auch bei renaler Osteopathie Patienten mit Osteopenie
bzw. Osteoporose erkennen kann, so dass dieses Verfahren seine Indikation bei Patienten mit
langjähriger Steroidmedikation, Rauchern und post-menopausalen Frauen hat.
BEURTEILUNG DER RENALEN OSTEOPATHIE
1) Das beste Verfahren zur Klassifikation der renalen Osteopathie ist die BeckenkammBiopsie mit Tetrazyklin-Labeling und histomorphologischer Analyse
2) In der Regel ist es allerdings nicht notwendig eine Knochenbiopsie durchzuführen. Die
Indikation zur histologischen Beurteilung des Knochens ist bei Pateinten mit
fortgeschrittener Niereninsuffizienz nur unter folgenden Bedingungen gegeben:
- Bei pathologischen Frakturen
- Bei einem intakten PTH von 100 – 500 pg/ml mit Hypercalcämie, Knochenschmerzen
oder stark erhöhter alkalischer Phosphatase
- Bei Verdacht auf Aluminium-Osteopathie
3) Eine Bestimmung der Knochendichte mittels Dual Energy X-ray Absorptiometrie
(DEXA) ist bei renaler Osteopathie indiziert bei Patienten mit Frakturen oder
Risikofaktoren für die Entwicklung einer Osteoporose.
Kommentar
Die renale Osteopathie entwickelt sich ab einer GFR von weniger als 60 ml/min und nimmt mit
dem Fortschreiten der Niereninsuffizienz zu. Bei Dialysebeginn sind praktische alle Patienten
betroffen. Das Frakturrisiko ist bei renaler Osteopathie erhöht. Die klassische
Knochenveränderung bei renaler Osteopathie ist die Osteitis fibrosa cystica auf dem Boden eines
sekundären Hyperparathyroidismus. Neben dem Hyperparathyroidismus gibt eine Reihe anderer
Faktoren, die ebenfalls den Knochenstoffwechsel beeinflussen (Tab. 2).
Tab. 2 Prävalente Faktoren, die bei renaler Osteopathie den Knochen-Turnover beeinflussen
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Aluminium-Exposition
Glukokortikoid-Therapie
Parathyroidektomie
Vitamin-D-Behandlung
Diabetes mellitus
ß2-Mikroglobulin-Amyloidose
Metabolische Azidose
Hypophosphatämie (Übertherapie mit Phosphatbindern)
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Im Rahmen der Behandlung mit 1α-(OH)-Vitamin-D-Metaboliten, Phosphatbindern, adaptierten
Dialysatcalcium-Konzentrationen und Osteoklastenhemmern (Bisphosphonate) gibt es heute
viele niereninsuffiziente Patienten mit niedrigen bzw. normalen PTH-Konzentrationen. Es
besteht hierbei in der Regel ein verminderter Knochenumsatz mit subnormalem Knochenanbau
(adynamer Knochen). Bei Patienten mit jahrelanger Aluminiumexposition und bei begleitendem
Diabetes mellitus finden sich ebenfalls relativ niedrige PTH-Spiegel. Im Skelett besteht sowohl
bei Aluminiumablagerungen wie auch bei Diabetes mellitus eine low Turnover-Osteopathie.
Zusätzlich kann es bei Vitamin-D-Mangel oder Hypophosphatämie im Knochen zu einer
Osteomalacie, bei Defizienz an Sexualhormonen (Östrogene bzw. Androgene) zu einer
Osteoporose kommen.
Die histologische Klassifikation der renalen Osteopathie erlaubt die Einteilung der
Knochenveränderungen in folgende diagnostische Kategorien: milde bzw. moderate bis schwere
durch Hyperparathyroidismus bedingte Osteopathie, Osteomalacie, gemischete Veränderungen
und adyname Osteopathie. Der histochemische Nachweis von Aluminium spricht für das
zusätzliche Vorliegen einer Aluminium-bedingte Knochenerkrankung. Findet sich in der Biopsie
eine Reduktion des trabekulären oder kortikalen Knochenanteils besteht zusätzlich eine
Osteopenie bzw. Osteoporose. Generell läßt sich sagen, dass die Knochendichte mit dem Grad
der Niereninsuffizienz abnimmt.
Obschon die histologische Beurteilung des Knochens der Goldstandard in der Diagnostik der
renalen Osteopathie darstellt, ist in den letzten Jahren die Bereitschaft eine Knochenbiopsie
durchzuführen stark zurückgegangen. Entsprechend wurden die Indikationen zur Biopsie in den
vorliegenden Guidelines relativ eng gestellt: Pathologische Frakturen, moderater
Hyperparathyroidismus in Kombination mit Hypercalcämie, Knochenschmerzen oder stark
erhöhte alkalische Phosphatase, Verdacht auf Aluminium-Intoxikation (vor allem dann, wenn
eine Therapie mit Deferroxamin erwogen wird) und vor geplanter Parathyroidektomie bei
Verdacht auf stattgehabter Aluminiumexposition.
BESTIMMUNG DES SERUM-PHOSPHATS
1) Bei Patienten mit einer GFR von 59 – 15 ml/min sollte das Serum-Phosphat in einem
Bereich von 2.7 – 4.6 mg/dl (0.87-1.48 mmol/l) liegen.
2) Bei Patienten mit einer GFR von weniger als 15 ml/min oder Dialysepatienten sollten
Phosphatwerte von 3.5-5.5 mg/dl (1.13-1.78 mmol/l) angestrebt werden.
Kommentar
Die Hyperphosphatämie gilt als wesentlicher Auslöser des sekundären Hyperparathyroidismus,
da erhöhte Phosphatkonzentrationen zu Hypocalcämie und Störungen der renalen Vitamin-DProduktion führen sowie direkt die Sekretion von PTH stimulieren.
Darüber hinaus geht ein erhöhtes Serum-Phosphat mit Weichteil- und Gefäßverkalkungen durch
Anstieg des Calcium/Phosphat-Produkts einher, was nachgewiesenermaßen mit einer erhöhten
Morbidität und Mortalität verbunden ist. Calcifikationen der Koronararterien, der Herzklappen
und des Lungenparenchyms führen zu vermehrter kardiopulmonaler Morbidität, die in erster
Linie für die hohe Mortalität dieser Patienten verantwortlich ist. Insofern hat die Normalisierung
der Hyperphosphatämie einen erheblichen Stellenwert im Management von Patienten mit
chronischer Niereninsuffizienz oder Dialysebehandlung.
In praxi liegt bei nur einem Drittel aller Dialysepatienten das Serum-Phosphat in dem hier
vorgegebenen Zielbereich. Allerdings wird in Zukunft einer besseren Kontrolle der
Hyperphosphatämie eine zentrale Rolle zukommen, will man tatsächlich die Übersterblichkeit
von niereninsuffizienter Patienten reduzieren. Hierzu wird man der Diätberatung einen höheren
Stellenwert einräumen, mehr Patienten-Compliance einfordern, die Dialysedosis erhöhen und
vor allem mehr Calcium-freie Phosphatbinder einsetzen müssen.
DIÄTETISCHE PHOSPHAT-RESTRIKTION
1) Die diätetische Phosphatzufuhr sollte auf 800 – 1000 mg/Tag beschränkt werden,
sobald das Serum-Phosphat auf über 4.6 mg/dL (GFR: 59 – 15 ml/min) bzw. über 5.5
mg/dL (GFR: <15 ml/min oder Dialyse) ansteigt.
2) Die diätetische Phosphatzufuhr sollte auf 800 – 1000 mg/Tag beschränkt werden, wenn
das intakte PTH im Plasma über den jeweiligen Zielbereich ansteigt.
Kommentar:
Bei chronischer Niereninsuffizienz finden sich in Frühstadien normale oder sogar leicht
erniedrigte Serum-Phosphatwerte. Erst wenn die GFR unter 30 ml/min abfällt, kommt es zu einer
Hyperphosphatämie. In vielen Fällen ist eine diätetische Phosphatrestriktion bereits in früheren
Stadien der Niereninsuffizienz indiziert, nämlich dann wenn es Phosphat-bedingt bereits zur
einer deutlichen Erhöhung des Serum-PTHs gekommen ist. Deshalb sollte bei beginnender
Niereninsuffizienz die Indikation zur Phosphat-Restriktion eher am Serum-PTH als an den
Phosphatwerten festgemacht werden.
In praxi ist die Durchführung einer diätetischen Phosphatrestriktion bei moderater
Niereninsusffizienz (GFR: 60 – 30 ml/min) relativ schwierig, in fortgeschritteneren Stadien
(GFR < 30 ml/min) wegen der gleichzeitig praktizierten Proteineinschränkung eher realisierbar.
Dennoch sollte, gerade bei Dialysepatienten, im Rahmen der Phosphatrestriktion darauf geachtet
werden, dass ausreichend Protein zugeführt wird. Als Faustregel kann man davon ausgehen, dass
1 Gramm Eiwieß ca. 12-16 mg Phosphat enthält. Bei Dialysepatienten mit einem Körpergewicht
>80 kg wird man in der Regel keine optimale Phosphatrestriktion erzielen können, will man die
Betroffenen nicht einer Protein-Malnutrition aussetzen. Gerade Milchprodukte (Milch, Yogurt,
Käse) weisen pro Gramm Protein zum Teil bis zu 30 mg Phosphat auf, während Fleisch nur 10
mg Phosphat pro Gramm Protein enthält.
THERAPIE MIT PHOSPHAT-BINDERN
GFR: 60 – 15 ml/min
1) Patienten, die trotzt einer diätetischen Phosphatrestriktion eine Hyperphosphatämie
oder ein erhöhtes Serum-PTH aufweisen, sollten mit Phosphatbindern behandelt
werden.
2) Calcium-haltige Phosphatbinder sind in der Lage das Serumphosphat effektiv zu
senken und können deshalb zur Initialtherapie der Hyperphosphatämie bei leichter bis
mittelschwerer Niereninsuffizienz verwendet werden.
GFR: <15 ml/min
3) Sowohl Calcium-haltige wie auch Calcium-freie Phosphatbinder (Renagel, 3 x 800 mg)
senken das Serum-Phosphat zuverlässig und können deshalb in der Primärbehandlung
der Hyperphosphatämie bei terminaler Niereninsuffizienz eingesetzt werden. Die
Einnahme sollte jeweils zu den Mahlzeiten erfolgen.
4) Bei Dialysepatienten, die unter Monotherapie mit entweder einem Calcium-haltigen
oder -freien Phosphatbinder hyperphosphatämisch bleiben [Phosphat > 5.5 mg/dL (1.78
mmol/L)], können mit einer Kombination aus beiden therapiert werden.
5) Die Menge an elementarem Calcium, die im Rahmen der Phosphatbindertherapie
appliziert wird, sollte 1500 mg/24h nicht überschreiten. Die Gesamtmenge an Calcium
(inklusive Nahrungscalcium) , die pro Tag aufgenommen wird, sollte nicht über 2000
mg betragen.
6) Calcium-haltige Phosphatbinder sind kontraindiziert bei Dialysepatienten mit
Hypercalcämie [Calcium > 10.2 mg/dL (>2.54 mmol/L)] oder solchen mit einem SerumPTH <150 pg/ml (<16.5 pmol/L).
7) Bei Dialysepatienten mit Gefäß- oder Weichteilcalcifikationen sollten ausschließlich
Calcium-freie Phosphatbinder (Renagel) eingesetzt werden.
8) Bei schwerer Hyperphosphatämie [>7.0 mg/dL (>2.26 mmol/L)] dürfen ausnahmsweise
Aluminium-haltige Phosphatbinder für maximal 4 Wochen angewandt werden.
Anschließend müssen allerdings andere nicht-Aluminium-haltige Substanzen
verwendet werden. In solchen Fällen sollte primär die Dialysedosis erhöht werden.
Kommentar
Wenn sich Serum-Phosphat und/oder PTH nicht mit diätetischer Phosphatrestriktion adäquat
beherrschen lassen, muss eine Therapie mit Phosphatbindern eingeleitet werden. Hinsichtlich der
Effektivität verschiedener Phosphatbinder läßt sich sagen, dass alle Phosphatbinder einer
Behandlung mit Placebo überlegen sind. Calciumacetat erlaubt in der Regel eine besssere
Phosphatkontrolle als Calciumcarbonat, da die Hypercalcämie-Neigung mit Calciumacetat
geringer ist, und somit höher dosiert werden kann. Der Einsatz von magnesium-haltigen
Phosphatbindern ist prinzipiell möglich, erfordert aber eine Reduktion des Dialysat-Magnesiums.
Aluminium-haltige Phosphatbinder dürfen einmalig bei schwerer Hyperphosphatämie für einen
Zeitraum von maximal 4 Wochen gegeben werden. Bei ausgeprägter Hyperphosphatämie muss
über eine höhere Dialysedosis bzw. –frequenz nachgedacht werden, gegebenenfalls muss auch
geprüft werden, ob im Rahmen eines autonomen Hyperparathyroidismus die Hyperphosphatämie
durch die zum Teil erheblich gesteigerte Osteoklasie bedingt ist.
Die Entscheidung, ob Calcium-haltige Phosphatbinder oder Renagel eingesetzt werden sollen,
hängt gerade bei terminaler Niereninsuffizienz und bei Dialysepatienten im Einzelfall davon ab,
ob das Calcium/Phosphatprodukt von 55 mg2/dL2 überschritten wird. Kommt es unter Therapie
mit Calcium-haltigen Phosphatbindern zu einer Überschreitung des Calcium/Phosphatprodukts,
so sollte mit Renagel therapiert werden. Auch bei Patienten, die im Rahmen ihrer
Phosphatbindertherapie mehr als 2000 mg Calcium aufnehmen, sollte durch Kombination mit
Renagel versucht werden, um die Calcium-Beladung zu reduzieren. Unabhängig von der Höhe
des Calcium/Phosphatprodukts ist Renagel auch bei Patienten mit relativ niedrigen PTH-Werten
indiziert, weil man bei niedrigem PTH durch Reduktion der Calcium-Beladung einen lowturnover Knochenstoffwechsel vermeiden möchte. Darüber hinaus besteht bei low-turnover
Situationen eine gesteigerte Neigung zur Hypercalcämie, da das Skelett nicht in der Lage ist, das
vermehrte Calcium-Angebot aufzunehmen. Eine weitere Indikation für Renagel besteht bei
ausgeprägten Weichteil- bzw. Gefäßverkalkungen. Nach heutiger Datenlage ist Renagel der
einzige Phosphatbinder, der eine Progression der Calcifikationen aufzuhalten vermag. Zusätzlich
kommt es unter Renagel zu einer durchaus erwünschten Absenkung des LDL-Cholesterols.
SERUM-CALCIUM UND CALCIUM-PHOSPHAT-PRODUKT
GFR: 60 – 15 ml/min
1) Der Serumwert für Gesamt-Calcium sollte im Normbereich des jeweiligen Labors liegen
GFR: <15 ml/min
2) Der Serumwert für Gesamt-Calcium sollte im Normbereich des jeweiligen Labors
liegen, wobei idealerweise der untere Normbereich anzustreben ist [8.4 – 9.5 mg/dL
(2.10 – 2.37 mmol/L)]
3) Für den Fall, dass das Serum-Calcium 10.2 mg/dL (2.54 mmol/L) übersteigt, müssen
alle therapeutischen Maßnahmen, die das Calcium erhöhen könnten, wie folgt adaptiert
werden:
3a
Bei Patienten, die Calcium-haltige Phosphatbinder einnehmen, muss die Dosis
entweder reduziert, oder der Patient muss auf einem Calcium-freien
Phosphatbinder (Renagel) umgestellt werden.
3b Bei Patienten, die Vitamin-D-Analoga einnehmen, sollte entweder die Dosis
reduziert, oder die Therapie pausiert werden, bis das Serum-Calcium wieder in
den Normbereich zurückgekehrt ist [8.4 – 9.5 mg/dL (2.10 – 2.37 mmol/L)].
3c
Persistiert, trotzt Modifikation der Vitamin-D-Therapie und Pausierung der
Calcium-haltigen Phosphatbinder, die Hypercalcämie [>10.2 mg/dL (2.54
mmol/L)], sollte das Dialysat-Calcium auf 0.75 – 1.0 mmol/L erniedrigt werden.
GFR: 60 – 0 ml/min
4) Die Gesamtaufnahme an elementarem Calcium (Nahrungscalcium und Calcium-haltige
Phosphatbinder) sollte 2000 mg/24h nicht überschreiten.
5) Das Calcium/Phosphatprodukt sollte weniger als 55 mg2/dL2 betragen. Am ehesten
wird dies erreicht, indem man das Serum-Phosphat im Normbereich hält.
6) Patienten mit Hypocalcämie [<8.4 mg/dL (2.10 mmol/L)] sollten mit Calcium
substituiert werden, wenn klinische Zeichen der Hypocalcämie, wie: Parästhesien,
Chvostek’sches oder Trousseau’sches Zeichen, Bronchospasmus, Laryngospasmus,
Tetanie und/oder epileptische Anfälle, auftreten, oder das Serum-PTH erhöht ist.
7) Zur Therapie der Hypocalcämie sollten Calcium-Carbonat und/oder Vitamin-DDerivate herangezogen werden.
Kommentar
Bei Patienten mit einer GFR <60 ml/min besteht in der Regel eine Tendenz zur Hypocalcämie,
wobei mit fortschreitendem Verlust der GFR das Ausmaß der Hypocalcämie zunimmt. Bei
terminaler Niereninsuffizienz kommt es wegen zunehmender Komplexbildung zu einem im
Vergleich zur Abnahme des Gesamt-Calcium überproportionalen Reduktion des ionisierten
Calciums. Diesem Effekt wirkt die metabolische Azidose entgegen, da Protonen Calcium aus
seiner Eiweißbindung verdrängen und somit das ionisierte Calcium eher erhöhen. Die
Hypocalcämie ist ein eindeutiger Risikofaktor für die Entwicklung des Hyperparathyroidismus
und einer urämischen Osteopathie. Aus diesem Grund ist die Erkennung und Therapie der
Hypocalcämie wichtig für das Management der chronischen Niereninsuffizienz.
Die Zufuhr von Calcium mit der Nahrung liegt bei Patienten mit fortgeschrittener
Niereninsuffizienz zwischen 300 und 700 mg/24h und ist damit subnormal. Es wird eine tägliche
Calcium-Zufuhr von 2000 mg empfohlen. Wahrscheinlich ist Calciumcarbonat (im Vergleich zu
Calciumcitrat und –acetat) das effektivste Calciumsalz, wenn es darum geht Calcium oral zu
substitutieren. Mit einer Substitution sollte begonnen werden, wenn die GFR unter 60 ml/min
absinkt, das PTh ansteigt oder eine Hypocalcämie auftritt.
Auf der anderen Seite sollte streng darauf geachtet werden, dass das Ca/P-Produkt nicht über 55
mg2/dL2 ansteigt. Dialysepatienten mit einem Ca/P-Produkt von über 72 mg2/dL2 hatten eine um
34% höhere Mortalität. Das Risiko extraossärer Verkalkungen ist bei einem Ca/P-Prodult >68
mg2/dL2 deutlich erhöht und praktisch null bei einem Produkt von weniger als 50 mg2/dL2.
Aufgrund dieser Befunde wird ein Ca/P-Produkt von <55 mg2/dL2 empfohlen. Das Management
des Serum-Calciums und des Ca/P-Produkts kann sich im Einzelfall gerade in der Kombination
mit Vitamin-D-Therapie und Hyperphosphatämie besonders bei Dialysepatienten als durchaus
aufwändig und nicht immer befriedigend erweisen. Wegen der Gefahr viszeraler Calcifikationen
sollte jedoch unter allen Umständen ein Ca/P-Produkt von weniger als 55 mg2/dL2 angestrebt
werden.
PRÄVENTION DER VITAMIN-D-DEFIZIENZ BEI CHRONISCHER
NIERENINSUFFIZIENZ
GFR: 60 – 15 ml/min
1) Bei Patienten mit erhöhtem PTH (für den jeweiligen Grad der Niereninsuffizienz) sollte
Vitamin-D bestimmt werden. Liegt Vitamin-D im Normbereich, ist eine jährliche
Kontrolle ausreichend.
2) Bei einer Vitamin-D-Konzentration <30 ng/mL sollte mit einer Vitamin-D-Substitution
(Colecalciferol, z.B. Vigantoletten) begonnen werden.
3) Bei einer Therapie mit Vitamin-D ist folgendes zu beachten:
3a Der Einsatz von Vitamin-D-Präparaten sollte in das Gesamtkonzept des
Calcium/Phosphathaushalts integriert werden.
3b
Unter laufender Vitamin-D-Therapie sollten Serum-Calcium und Phosphat
mindestens alle 3 Monate kontrolliert werden.
3c Kommt es unter Vitamin-D zu einer Hypercalcämie (>10.2 mg/dL [2.54 mmol/L])
muss die Substitution pausiert werden.
3d
Entwickelt sich eine Hyperphosphatämie (>4.6 mg/dL [1.49 mmol/L]) sollte
zunächst die Therapie mit Phosphatbindern intensiviert werden. Bei Persistenz der
Phosphaterhöhung muss auf Vitamin-D verzichtet werden.
3e Sobald eine Aufsättigung mit Vitamin-D erreicht ist, kann die Vitamin-DSubstitution mittels eines Multivitamin-Präparats erfolgen. Die Serumkonzenztration von 25-Hydroxy-Vitamin-D sollte einmal pro Jahr, Calcium
und Phosphat alle 3 Monate kontrolliert werden.
GFR: <15 ml/min und Dialyse
4) Bei einem Serum-PTH >300 pg/mL sollte ein aktives Vitamin-D-Derivat (Calcitriol,
Alfacalcidol) eingesetzt werden.
Kommentar
Bei Patienten mit einer GFR von 60 – 15 ml/min ist eine jährliche Bestimmung von 25Hydroxy-Vitamin-D (nicht 1,25-Dihydroxy-Vitamin-D) als Maß für den Gesamtkörperbestand
an Vitamin-D sinnvoll. Man geht davon aus, dass bei Patienten mit chronischer
Niereninsuffizienz und erniedrigtem 25-Hydroxy-Vitamin-D (<15 ng/mL) zuwenig Substrat für
eine ausreichende renale Synthese von 1,25-Dihydroxy-Vitamin-D angeboten wird, wodurch die
Inzidenz des sekundären Hyperparathyroidismus erhöht, die Knochendichte erniedrigt und das
Frakturrisiko gesteigert wird. In solchen Fällen wird eine Substitution mit Colecalciferol
(Vigantoletten) in einer Dosierung von 500 U/24h (über 60 Jahre: 1000 U/24h) empfohlen. Ab
einer GFR <15 ml/min wird wegen der defekten renalen 1-Hydroxylierung die Therapie mit
aktiven (und teuereren) Vitamin-D-Derivaten (Calcitriol, Alfacalcidol) empfohlen.
Die Indikation zur Vitamin-D-Therapie bei chronischer Niereninsuffizienz ist aufgrund der
Datenlage unstrittig, da sich hierdurch der sekundäre Hyperparathyroidismus weitgehend
verhindern läßt, und die Rate an Schenkelhalsfrakturen signifikant abnimmt.
VITAMIN-D-THERAPIE BEI CHRONISCHER NIERENINSUFFIZIENZ
Therapie mit aktiven Vitamin-D-Derivaten bei einer GFR von 60 – 15 ml/min
1)
Aktive Vitamin-D-Derivate (Calcitriol, Alfacalcidol) sind bei Patienten mit einer GFR
von 60-15 ml/min dann indiziert, wenn 25(OH)Vitamin-D im Serum über 30 ng/mL
beträgt und Serum-PTH erhöht ist.
1a Eine solche Behandlung sollte nur begonnen werden, wenn das Serum-Calcium <9.5
mg/dL und das Phosphat <4.6 mg/dl sind.
1b Aktive Vitamin-D-Derivate sollten bei Patienten mit rasch progredienter
Niereninsuffizienz oder bei Non-Compliance nicht eingesetzt werden.
2)
3)
Unter aktiven Vitamin-D-Derivaten sollten Serum-Calcium und –Phosphat in den
ersten 3 Monaten nach Therapiebeginn monatlich, anschließend vierteljährlich
kontrolliert werden. Serum-PTH sollte in dreimonatigen Abständen gemessen
werden.
Dosisanpassungen bei Therapie mit aktiven Vitamin-D-Derivaten sollten wie folgt
vorgenommen werden:
3a Kommt es zu einem übermäßigen PTH-Abfall, sollte die Vitamin-DBehandlung pausiert werden, bis das PTH wieder in den Zielbereich
angestiegen ist. Danach sollte mit der halben Vitamin-D-Dosis weiterbehandelt
werden.
3b Steigt das Serum-Calcium auf mehr als 9.5 mg/dL (2.37 mmol/L), sollte die
Vitamin-D-Behandlung pausiert werden, bis das Calcium wieder in den
Normbereich abgefallen ist. Danach sollte mit der halben Vitamin-D-Dosis
weiterbehandelt werden.
3c Bei einem Anstieg des Serum-Phosphats auf über 4.6 mg/dL (1.49 mmol/L),
sollte die Vitamin-D-Behandlung pausiert und die Therapie mit
Phosphatbindern intensiviert werden, bis das Phosphat sich wieder normalisiert
hat. Danach kann die Vitamin-D-Behandlung in voller Dosis fortgesetzt werden.
Kommentar
Ab einer GFR <60 ml/min kommt es zu einem Anstieg von des Serum-PTHs, und die Mehrzahl
der Patienten weist eine PTH-bedingte high-turnover Osteopathie auf. Kleine Dosen von aktiven
Vitamin-D-Derivaten sind in der Lage PTH abzusenken, die Osteopathie zu bessern und die
Knochendichte zu steigern. Solange es hierunter nicht zu einer Hypercalcämie und
Hyperphosphatämie kommt, wird die Nierenfunktion nicht beeinträchtigt. Entwickelt sich eine
Hyperphosphatämie (>4.6 mg/dL) sollte Vitamin-D pausiert, die diätetische Phosphatzufuhr
reduziert und ein Phosphatbinder verabreicht werden. Erst wenn das Phosphat wieder in den
Normbereich abgefallen ist, darf mit Vitamin-D weiterbehandelt werden. Bereits in frühen
Phasen der Niereninsuffizienz wird heute also die Gabe von aktiven Vitamin-D-Derivaten zur
Therapie des sekundären Hyperparathyroidismus und der high-turnover Osteopathie empfohlen.
Auf keinen Fall darf es hierbei allerdings zu einer länger andauernden Hypercalcämie kommen,
da dies zu einem irreversiblen Verlust der Nierenfunktion führen kann.
ALUMINIUM-ÜBERLADUNG UND -TOXIZITÄT
1)
Um eine Aluminiumtoxizität zu vermeiden sollte eine regelmäßige Aluminiumgabe
grundsätzlich vermieden und die Aluminiumkonzentration im Dialysat < 10 µg/L
gehalten
werden.
Patienten
mit
chronischer
Niereninsuffizienz
und
Aluminiumexposition sollten nicht gleichzeitig Zitratsalze erhalten.
2)
Um die Aluminiumbelastung und das Risiko einer Aluminiumtoxizität abzuschätzen,
sollten die Serum-Aluminiumkonzentrationen zumindest jährlich – bei Patienten mit
einer aluminium-haltigen Medikation alle 3 Monate - gemessen werden. Die SerumAluminiumspiegel sollten <20µg/l sein.
3)
Ein Deferoxamin (DFO) Test sollte bei Patienten mit erhöhten Aluminium-Spiegeln
(60-200 µg/l), bei Vorliegen klinischer Symptome und Zeichen einer
Aluminiumtoxizität (Tabelle) oder vor einer Parathyreoidektomie – sofern der
Patient aluminiumexponiert war - durchgeführt werden.
Der Test erfolgt durch Infusion von 5 mg/kg DFO während der letzten Stunde der
Dialyse und Messung der Serum-Aluminiumkonzentration vor der Infusion und 2
Tage nach DFO-Infusion (vor der nächsten Dialyse). Der Test ist positiv wenn das
Inkrement ≥ 50 µg/l beträgt.
Ein DFO-Test sollte nicht durchgeführt werden wenn die SerumAluminiumkonzentration >200 µg/l beträgt, um eine DFO-induzierte Neurotoxizität
zu vermeiden.
4)
Das Vorliegen einer aluminium-assoziierten Knochenerkrankung kann durch ein
Ansteigen der Aluminiumkonzentration von
>50 µg/l nach DFO-Exposition
kombiniert mit PTH-Plasmakonzentrationen <150 pg/ml (16,5 pmol/l) vorhergesagt
werden. Der Goldstandard der Diagnose einer aluminium-assoziierten
Knochenerkrankung ist jedoch weiter eine Knochenbiopsie mit dem Nachweis eines
erhöhten Aluminiumgehaltes der Knochenoberfläche (>15% bis 25%) mittels
Aluminiumfärbung und häufig Vorliegen einer adynamer Knochenerkrankung oder
Osteomalazie.
Kommentar
Aluminiumsalze sind relativ unlöslich und werden zudem schlecht absorbiert, trotzdem kann es
bei fehlender oder unzureichender Exkretion von Aluminium über die Nieren (ab einer GFR
<30ml/min) zur Akkumulation und Toxizität von Aluminium kommen. Die Dialyse entfernt
Aluminium nur langsam, da >90% des Aluminiums an Plasmaproteine gebunden ist
(überwiegend Transferrin) und in zahlreichen Geweben – Knochen, Gehirn, Nebenschilddrüsen
und anderen Organen – akkumuliert. Mit der geringeren Häufigkeit von aluminiumhaltigen
Phosphatbindern und besserer Reinheit des Dialysates ist dieses klinische Syndrom selten
geworden, trotzdem ist die Kenntnis der klinischen Zeichen einer Aluminiumüberladung
weiterhin wichtig.
Die akute aluminium-assoziierte Neurotoxizität lässt sich durch das Vorliegen klinischer
Symptome und von Plasma-Spiegeln zwischen 400 und 1.000 µg/l nachweisen. Meist geht sie
auf kontaminiertes Dialysat zurück, oft erkranken mehrere Patienten im gleichen Zentrum. Auch
bei Patienten im Prä-Dialysestadium (GFR<30 ml/min) unter Therapie mit aluminiumhaltigen
Phosphatbindern und Natriumcitrat zum Azidoseausgleich kann diese auftreten, da Citratsalze
die intestinale Absorption von Aluminium steigern.
Die klassische dialyse-asoziierte Enzephalopathie beginnt dagegen meist schleichend bei
Patienten, die länger als 12 Monate dialysiert werden. Meist werden Aluminiumkonzentrationen
zwischen 50 und 350 µg/l gefunden.
Eine aluminiumbedingte Knochenerkrankung mit Knochenschmerzen, Gangauffälligkeiten und
Frakturen kann bereits bei Aluminiumkonzentrationen über 100 µg/l auftreten. Oft tritt parallel
eine Hyperkalzämie auf, der Befund in der Knochenbiopsie ist diagnostisch. Die Kombination
von PTH-Konzentrationen unter 150 pg/ml und einem positiven DFO-Test erreicht ebenfalls
einen relativ hohen prädiktiven Wert.
BEHANDLUNG DER ALUMINIUM-TOXIZITÄT
1)
Bei allen Patienten mit basalen Aluminiumkonzentrationen im Serum >60 µg/l, einem
positiven DFO-Test oder klinischen Symptomen, die mit einer Aluminium-Toxizität
vereinbar sind (s. Tabelle Guideline 11), muss die Quelle der Aluminiumexposition
ermittelt und beseitigt werden
2)
Bei symptomatischen Patienten mit Serum-Aluminiumkonzentrationen zwischen 60
und 200 µg/l oder einem Anstieg der Serumkonzentration > 50 µg/l im DFO-Test
sollte DFO zur Behandlung der Aluminiumüberladung eingesetzt werden (siehe
Algorithmus unten).
Um eine DFO-induzierte Neurotoxizität zu vermeiden, sollte bei Patienten mit SerumAluminiumkonzentrationen > 200 µg/l DFO nicht eingesetzt werden, ohne dass eine
intensivierte Dialysetherapie mit einer high-flux-Membran (6 Tage pro Woche,
Dialysat-Aluminium
<5
µg/l)
eingeleitet
und
die
Prä-Dialyse
Aluminiumkonzentrationen unter 200 µg/l gesenkt wurden.
Kommentar
Bei den schweren Fällen der Aluminiumtoxizität, die historisch meist durch eine Kontamination
des Dialysates bedingt waren, ließ sich eine Besserung der Symptomatik durch Gabe von DFODosen von 20 bis 40 mg/kg Körpergewicht zeigen. Allerdings wurden auch wiederholt Fälle von
akuten neurotoxischen Nebenwirkungen der Behandlung – wohl durch die Freisetzung von
Aluminium aus den speichernden Geweben – beschrieben. Die Therapie-Empfehlungen
versuchen daher diesem Risiko differenziert Rechnung zu tragen (siehe Therapiealgorithmen I
und II)
Die vorliegenden Studien belegen einen positiven Effekt der langfristigen DFO-Therapie auf den
Aluminiumgehalt im Knochen und auf neurologische Symptome der dialyse-assoziierten
Enzephalopathie. Meist wurden relativ hohe Dosen zwischen 1 bis 6 g (entspricht etwa 30-40
mg/kg KG) eingesetzt. In der Regel wurde einmal wöchentlich behandelt, in einigen Studien
auch dreimal wöchentlich mit jeder Dialyse. Zwei wesentliche Nebenwirkungen sind mit einer
DFO-Therapie verbunden: Die akute Neurotoxizität tritt vor allem bei der Behandlung von
Patienten mit sehr hohen Aluminiumkonzentrationen (< 200 µg/l) auf, beruht auf der
Mobilisierung von Aluminium aus den speichernden Geweben und verläuft häufig tödlich.
Daneben ist eine gefährliche Mukormykose wiederholt unter DFO-Therapie beschrieben worden.
Man nimmt an, dass die chelierte Aluminiumform Aluminoxamine das Wachstum und die
Pathogenität dieser weitverbreiteten Pilzspezies stimuliert und so die oft tödliche systemische
Infektion auslöst. Auch hier scheint ein Zusammenhang mit der Höhe der DFO-Dosis und der
Therapiedauer zu bestehen.
In den vorliegenden Therapierichtlinien wird daher zur Vermeidung dieser Nebenwirkungen ein
komplettes Absetzen aluminiumhaltiger Medikamente vor Therapiebeginn sowie das Absenken
der Aluminiumkonzentrationen auf <200 µg/l durch eine effektivere, tägliche high-flux-Dialyse
vor der ersten DFO-Gabe empfohlen. Weiter wird eine relativ niedrigdosierte (5mg/kg KG)
DFO-Therapie empfohlen. Auch ein diagnostischer, niedrigdosierter (5 mg/kg KG) DFO-Test
sollte erst 4-6 Wochen nach Einleitung einer solchen dialysebasierten Eliminationsstrategie
durchgeführt werden. Die anschließende Dialyse 5 Stunden nach DFO-Test bzw. Therapie soll
eine möglichst effektive Elimination des DFO-Aluminium-Komplexes sicherstellen. Erst wenn
das Inkrement unter DFO <300 µg/l ist und keine Nebenwirkungen unter der DFO-Therapie
auftreten, soll zu einer DFO-Gabe während der letzten Stunde der Dialyse übergegangen werden.
Dieses letztere Verfahren stellt natürlich in der Praxis einen enormen Vorteil dar. Die parallele
Gabe von intravenösem Eisen sollte vermieden werden um die Bildung von Feroxamin zu
begrenzen.
PARATHYREOIDEKTOMIE BEI PATIENTEN MIT CHRONISCHER
NIERENINSUFFIZIENZ
1)
Bei Patienten mit schwerem therapierefraktärem Hyperparathyreoidismus
(anhaltend Serumkonzentrationen des intakten PTH >800 pg/ml [88,0 pmol/l])
assoziiert mit Hyperkalzämie und/oder Hypophosphatämie sollte eine
Parathyreoidektomie empfohlen werden.
2)
Eine effektive chirurgische Therapie eines schweren Hyperparathyreoidismus
kann durch eine subtotale Parathyreoidektomie oder eine totale
Parathyreoidektomie mit Autotransplantation von Nebenschilddrüsengewebe
erreicht werden. Bei Patienten, bei denen eine Parathreoidektomie durchgeführt
wird, sollte folgendes Procedere eingehalten werden:
2a
2b
2c
2d
Das ionisierte Kalzium sollten innerhalb der ersten 48 bis 72 Stunden nach
der Operation alle 4-6 h, anschließend zweimal täglich, bis zum Erreichen
stabiler Konzentrationen kontrolliert werden.
Wenn das ionisierte Kalzium oder das Gesamtkalzium unter < 1.8 mmol/l
(7.2 mg/dl) fällt, sollte eine Kalzium-Glukonat-Infusion mit einer
Infusionrate von 1 bis 2 mg elementarem Kalzium pro Kilogramm
Körpergewicht pro Stunde eingeleitet werden und dadurch das ionisierte
Kalzium im Normalbereich (1,15 bis 1,36 mmol/l oder 4,6 bis 5,4 mg/dl)
gehalten werden.
Die Kalzium-Infusion sollte graduell reduziert werden wenn die BlutKalziumkonzentration den Normalbereich erreicht und stabil bleibt.
Wenn eine orale Medikation möglich ist, sollte der Patient 1g bis 2g Kalzium
dreimal täglich sowie Kalzitriol bis zu 2 µg/Tag einnehmen. Diese Therapie
sollte soweit angepasst werden, bis die Spiegel des ionisierten Kalzium im
Normalbereich stabil sind.
Kommentar
Wenn die medikamentöse Therapie nicht ausreicht, die PTH-Konzentrationen
ausreichend zu supprimieren, muss dies durch eine chirurgische Therapie erreicht
werden. Allgemein ist akzeptiert, dass eine Indikation zur Parathyreoidektomie besteht,
sofern ein schwerer Hyperparathyroidismus mit einer Hyperkalzämie und/oder
ausgeprägten Hyperphosphatämie assoziiert ist und damit die Möglichkeiten der
konservativen, medikamentösen Therapie – etwa mit potenten Vitamin D-Analoga begrenzt sind. Eine weitere Indikation ist das Vorliegen einer Calciphylaxie bei
gleichzeitig bestehenden PTH-Konzentrationen >500 pg/ml (55.0 pmol/l). Es gibt auch
Hinweise, dass ein großes Nebenschilddrüsenadenom einer medikamentösen Therapie
weniger zugänglich ist. Bezüglich der Vor- und Nachteile der subtotalen vs. der totalen
Parathyreoidektomie mit Autotransplantation gibt es gegenwärtig keine klare Datenlage.
Bei Patienten, bei denen eine Nierentransplantation geplant ist, sollte allerdings der
subtotalen Parathyreoidektomie der Vorzug gegeben werden, da die Kontrolle des
Serumkalziums nach Normalisierung der Nierenfunktion u. U. ein Problem werden kann.
Diagnostisch scheint die 99Tc-Sestamibi-Szintigraphie im Vergleich zur MRT, CT und
zum Ultraschall die höchste Sensitivität aufzuweisen.
Quelle:
NKF K/DOQI GUIDELINES: Clinical Practice Guidelines for Bone Metabolism
and Disease in Chronic Kidney Disease.
www.kidney.org/professionals/kdoqi/guidelines_bone/index.htm
Die genannten Empfehlungen sind ohne Gewähr, die Verantwortung liegt
ausschließlich bei den behandelnden Ärztinnen und Ärzten